Die Gärtner von Sanssouci gratulieren herzlich

Gartendirektor Harri Günther zum 90. Geburtstag

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Parks und Gärten
Dr. Harri Günther besichtigt die Wiederherstellungsarbeiten des friderizianischen Heckentheaters im Park Sanssouci, 26.11.2009. Foto: SPSG

In Reichenbach im Vogtland geboren und in Dessau den Beruf des Gärtners erlernt, wurde Harri Günther 1959 an der Humboldt-Universität Berlin über das Verhalten von Gehölzen promoviert. Im gleichen Jahr erhielt er mit jungen 30 Lebensjahren auch seine Berufung zum Gartendirektor der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci. Damit bekam die Gartendirektion endlich - 14 Jahre nach dem Weltkrieg - wieder eine fachkompetente Leitung, doch musste diese von Null an vollständig reorganisiert werden.

Was das bedeutete, musste Günther rund 20 Jahre später noch darlegen, um die Erhaltung von Park Sanssouci, dem Neuen Garten und Park Babelsberg einigermaßen gewährleisten zu können: von ehemals rund 300 Arbeitskräften blieben Günther 1959 weniger als die Hälfte. Bis 1978 wurden die Planstellen noch einmal um rund 100 reduziert. Und selbst von den verbleibenden 41,5 Stellen waren lediglich 20 mit qualifizierten Gärtnern besetzt. Nur ein einziger Traktor und ein Spindelrasenmäher standen für alle drei Parkanlagen zur Verfügung.

Zudem waren Sicherheit und Ordnung nicht gegeben, so dass Günther die Hemmungslosigkeit mancher Besucher, ihre Souvenirjägerei bis zur steigenden Lust an Sachbeschädigungen anmahnen musste und somit auf ein Kernproblem zu sprechen kam: "Die kulturpolitische Wertung der Gartenkunst und der konservatorische Umgang mit ihr nach den Regeln der Denkmalpflege und des Museums, wie sie für Architektur, Malerei, Plastik und Kunsthandwerk gelten, sind keineswegs selbstverständlich. Die öffentliche Meinung sieht auch in historischen Gärten vielfach nur eine zufällige Anhäufung von Bäumen, Wiesen und Blumen und würdigt bestenfalls die zu ihrer Anlage und Pflege aufgebrachten gärtnerischen Leistungen." Es sei ein "Mangel an theoretischer Verallgemeinerung und an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit" eingetreten.

Auch "die gärtnerische Tradition ist durch den Wechsel der Generationen und die Veränderung der Ausbildungsziele und -methoden abgerissen." Günther verwies auf Spezialkulturen wie Obst und die Tafelkultur, die Blumenpflanzungen bis hin zum äußerst anspruchsvollen Umgang mit dem Baumbestand. Pflege und Parkerhaltung gehe "deutlich über das rein Gartentechnische hinaus", heißt "Werden und Vergehen berücksichtigen, dem Garten seine Kunstform in den verschiedenen Altersphasen zu erhalten." Doch leider hätten die Gartenkünstler - wie es zum Beispiel der Düsseldorfer Stadtgartendirektor Walter von Engelhardt (1864-1940) tat - nach der Ausführung oftmals keine Bestandspläne angefertigt, die zeigen, "wie der alt werdende, der heranwachsende Park zu behandeln sei." Für große Repräsentationsgärten "überließ man dies den Hofgärtnern, die infolge ihres Fachwissens und ihrer nicht zu unterschätzenden Erfahrung" die entsprechenden Pflegeeingriffe vornahmen.

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Günther hat sich mehrfach über die "schwere Kunst der Gartenpflege" geäußert, zum Beispiel "welche Standbäume bleiben müssen, welche Bäume zu entfernen sind, wo Vorpflanzungen an Jungbäumen zurückgenommen werden müssen und welche bleiben." In Bezug auf Sanssouci kam er weitsichtig auch auf den unbefriedigenden "Zustand der Altbäume" zu sprechen. Ende der 1980er-Jahre wurde der Höhepunkt von Kronenschäden bei Eichen (genauso wie bei Ulmen in den 20er-Jahren) festgestellt: "selbst starke Äste trockneten nach und nach ein und starben ab", was "sehr bedenklich über Umweltschäden nachdenken" ließe. Als Hilfsmaßnahmen nannte er "neben ausreichender Wasserversorgung eine zusätzliche Ernährung, die in Parkanlagen je nach der Bodenart wünschenswert ist." Vor allem sei auf die "Durchlüftung des Bodens" oder auf ein Mulchen zu achten.

Trotz dieser Widrigkeiten beförderte Günther eine heute noch gültige Methodik der Gartendenkmalpflege, legte konsequent detaillierte Bestands- und Überlagerungspläne vor, dokumentierte die Entscheidungsfindung von Wiederherstellungen wie auch den ausgeführten Zustand. Es ist erstaunlich, wie unter diesen Umständen sorgfältige Restaurierungen im Sinne korrigierender Maßnahmen ehemals schöpferischer Umgestaltungen durchgeführt werden konnten. Nur drei Bespiele aus Sanssouci - hier wären vertiefende Aufarbeitungen und Forschungen jener Denkmalpraxis lehrreich. Eines seiner frühesten Restaurierungsprojekte ist die seit 1966 erfolgte Rückführung des Parterres der Neptungrotte im Östlichen Lustgarten auf den friderizianischen Zustand mit innenliegenden Rasenstücken und Marmorkiesfläche.

Nahezu kontinuierlich wurde auch im Parkbereich Charlottenhof gearbeitet. Schon 1965-1968 wurden 24 Gehölzgruppen nach Arten bestimmt, exakt vermessen und in einem Überlagerungsplan mit dem Zustand von 1839 verglichen.

Nach erneuten Gehölzaufnahmen im Jahr 1984 erfolgte zwei Jahre später eine weitere Überlagerung: "Es waren dann in einem einzigen Plan der gegenwärtige Zustand sowie der Lenné-Zustand abzulesen und deutlich zu erkennen, welche Pflanzungen (und deren Ausmaße) sich [. . . ] decken, darüber hinausgewuchert sind oder fehlen", so Günther. 1983 bis 1985 fanden - nach Vorplanungen 1976-1977 - umfangreiche Sanierungen, Entschlammungen und Uferinstandsetzungen des rund zwei Kilometer langen Parkgrabens vom Friedensteich über die Stichgräben an der Schinkelbrücke bis zum Maschinenteich statt.

Auch von Wetterextremen wird berichtet, zum Beispiel im Jahr 1972: "Am 13. November tobte ein orkanartiger Sturm, der im gesamten Park große Schäden anrichtete. [. . . ] Im Parkteil Charlottenhof wurden 120 Bäume abgebrochen, entwurzelt oder so stark beschädigt, dass sie entfernt werden müssen. (Im Bereich Sanssouci waren es zusammen 500)." Und nach "dem afrikanischen Sommer 1976" seien viele Bäume vertrocknet.

Harri Günther, der 1970 erstmals seinen Dendrologischen Führer "Gehölze in den Gärten von Sanssouci" publizierte, stellte im gleichem Jahr sein Konzept für die Wiederherstellung des Marlygartens vor. Seit 1945 seien "im Marly-Garten keine Wiederherstellungsarbeiten" mehr durchgeführt, lediglich abgängige Bäume entfernt worden. "Bereits 1926 hat Gartendirektor G. Potente Erneuerungsarbeiten vornehmen müssen, da rund 75 Jahre nach der Pflanzung Eingriffe, besonders infolge des Rüsternsterbens, unaufschiebbar waren." Die "Gruppen wurden bereinigt, das Blumenbeet auf dem Flora-Hügel wiedergeschaffen und zahlreiche Bäume (darunter erstmals Rotbuchen) gepflanzt."

Nun sollte "die Hainbuche zunächst als Treibholz verstärkt gepflanzt werden", die Linde wurde als Ulmenersatz gewählt. Die Gehölz- und Straucharten "zur Neubepflanzung der einzelnen Gruppen" zeichnete Günther im August 1970 auf die Potente-Plankopie von 1928. Bis 1974 fertigte er weitere Detailpläne an. Im Oktober 1984 begannen auch die Absteckarbeiten für die Neuanlage des Florabeetes nebst Wegebauarbeiten.

Zum Ende seiner Dienstzeit - gleich nach dem Fall der Mauer im November 1989 - dirigierte Günther noch eine außergewöhnliche denkmalpflegerische Arbeit: den Abriss der deutsch-deutschen Grenzanlagen in Babelsberg und im Neuen Garten und somit die bis in die 90er Jahre andauernde Rückgewinnung von rund 30 Hektar Parkanlagen.

Harri Günther hat unzähligen Fachkollegen auf Gartenführungen, Vorlesungen oder Lehrveranstaltungen die Gartengeschichte und Denkmalpflege näher gebracht. Das Spektrum seiner Kenntnisse und Forschungen hat er in einem riesigen Strauß von fundierten Veröffentlichungen dargelegt. Sein großes Lenné-Buch und die gemeinsam mit Sibylle Harksen 1993 wissenschaftlich aufgearbeiteten Pläne und Zeichnungen Lennés sind international geschätzt.

Darüber hinaus wirken die von ihm beförderten beziehungsweise geleiteten Parkaktive, Arbeitsgruppen, Dendrologen-Tagungen bis zu dem von ihm gegründeten Arbeitskreis Orangerien, der 2019 in Potsdam seinen 40. Jahrestag feiern wird, bis heute nachhaltig fort.

Wir wünschen Harri Günther zu seinem 90. Geburtstag am 1. Dezember weiterhin Gesundheit und Freude, nicht zuletzt viele Spaziergänge im Garten, so wie er sie nahezu täglich vom Grünen Gitter aus praktiziert und einmal so beschrieb: "Ein Vorsichhingehen, ein Beobachten von Pflanzen, Tieren und Wolken, von der Gartenbank dem Spiel der Schmetterlinge Zuschauen und ein Sichfreuen an schönen Bäumen und freien Durchblicken, den Gartentisch unter den alten Linden decken und Sommerabende dort zu verplaudern."

Prof. Dr. Michael Rohde
Autor

Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

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