BUGA: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Gartengeschichte als zeitgenössischer Lustgarten

von: ,
BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Palmen, eine Agave, Lorbeer und Zitruspflanzen aus dem Botanischen Garten in Karlsruhe veranschaulichen die Kübelpflanzen-Kultur in historischen Gärten, im Hintergrund die hellen Steinvasen aus dem Schwetzinger Schlossgarten. Foto: Helleckes Landschaftsarchitektur

Eine paradiesische Landschaft in strahlendem Licht am Ende eines dunklen Tunnels - erst auf den zweiten Blick erschließt sich dem Publikum die Raffinesse der Installation. Das sogenannte Perspektiv oder Ende der Welt mit der idyllischen Darstellung der Mündung des Neckars in den Rhein ist eines der Ausstellungsobjekte innerhalb des Themengartens der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg bei der diesjährigen Bundesgartenschau in Heilbronn. Das viel größere Original des Perspektivs befindet sich im Schlossgarten in Schwetzingen und ist fast 250 Jahre alt. Aber schon der "Taschenkalender 1795 für Natur- und Gartenfreunde" empfahl das Ende der Welt in kleineren Gärten nachzuahmen. Eine Empfehlung, der wir nun über 220 Jahre später nachgekommen sind.

Neben dem nachgebauten Perspektiv präsentieren sich im Schaugarten der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, SSG, zahlreiche weitere überraschende Themen und Objekte aus dem reichen Schatz des gartenkulturellen Erbes des Südwestens. In einem intensiven Dialog zwischen den SSG und unserem Büro entstand das Konzept für einen zeitgenössischen Lustgarten.

Eine heitere Gräser-Stauden-Mischpflanzung als Pflanzvolumen fasst den Garten und bildet einen klaren, ruhigen Rahmen für die ausgestellten Objekte. Den Grundaspekt der Pflanzung bildet ein mittelhohes Chinaschilf (Micanthus sinensis 'Morning Light'). Zahlreiche Frühjahrsgeophyten überbrücken die Zeit bis das spätaustreibende Gras voll zur Geltung kommt. Im Sommer bieten Lilien, Präriekerzen, Sternwolkenastern und Anemonen besondere Blühaspekte.

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner Grünpflege (m/w/d) Darmstadt, Darmstadt  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Blick durch den Weidentunnel auf das "Ende der Welt": Die paradiesische Landschaft zeigt den Zusammenfluss des Neckars in den Rhein in Mannheim. Foto: Helleckes Landschaftsarchitektur

Ein Netz aus schmalen Wegen verbindet die Ausstellungsthemen untereinander und schafft auf kleiner Fläche ein vielfältiges Raumerlebnis. Drei der Wege führen zu einem Platz, der durch Sitzmauern eingefasst ist. Er zeichnet die Konturen des ehemaligen Schleusenwärterhauses nach. Ebenso wie vormals das Haus orientiert sich der Platz heute zum Ufer des Wilhelmkanals mit seiner denkmalgeschützten Schleuse als authentischem historischem Ort. Der räumliche Rahmen der Bepflanzung im Zusammenspiel mit den labyrinthischen Wegen lenkt die Blicke der Besucherinnen und Besucher und eröffnet immer neue Aussichten auf die Ausstellungsthemen. Die Objekte selbst geben keinen systematischen Rundgang und keine lineare geschichtliche Abfolge vor, vielmehr steht jedes Ausstellungsthema und -objekt für sich und kann unabhängig von den anderen erkundet werden.

Die Auswahl der ausgestellten Gegenstände und Themen spiegelt die Vielfalt des reichen kulturellen Erbes wider: So werden dem Publikum Themen aus klösterlichen Gärten und aus den zahlreichen noch vorhandenen herrschaftlichen Anlagen präsentiert. Objekte und Pflanzungen von mittelalterlichen Gärten über den Renaissance- und Barockgarten bis zum Englischen Landschaftsgarten sind zu finden. Teils handelt es sich um authentische Objekte, teils um nachgebaute, kopierte und neu interpretierte oder verfremdete Gartenthemen.

Das Küchengarten-Beet und der Ausschnitt einer barocken Rabatte zeigen zwei Pflanzungen, wie sie so in ihrer Pflanzenzusammensetzung derzeit in den historischen Gärten der SSG zu finden sind. Die Nutzpflanzen des Küchengartens verweisen auf die Klöstergärten des Mittelalters und Nutzgärten der barocken Schlossanlagen. Die Rabattenbepflanzung, eigentlich die Einfassung eines Parterrefeldes, wird in Heilbronn zum Mittelpunkt und ist selbst eingerahmt vom Pflanzvolumen der umgebenden Gräsermischpflanzung. Durch den veränderten Kontext ist die Symmetrie der barocken Bepflanzung besonders augenfällig.

BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Die vielfältigen Ausstellungsobjekte aus den historischen Gärten der SSG 1 bis 10 lassen sich über ein engmaschiges Wegenetz erkunden. 1 Orangeriepflanzen, 2 Küchenbeet, 3 barocke Ziervasen, 4 Kastanienkeimbeet, 5 Ulmen-Quincunx mit Zwergen, 6 Rabatten, 7 Wasserscherz, 8 Gartenmonument, 9 Perspektiv "Ende der Welt", 10 Kostbarkeiten aus dem Mittelalter Plan: Helleckes Landschaftsarchitektur

Die Symmetrie des Barock als Sinnbild der geordneten Natur spiegelt sich auch in der Neupflanzung einer Ulmen-Quincunx auf dem Platz des ehemaligen Schleusenwärter-Gebäudes wider. Die in Fünferanordnung gepflanzten Ulmen werden im Laufe der Zeit die Funktion eines Schattendaches übernehmen, was derzeit die alten Weiden leisten. Der wassergebundene Platz des vormaligen Schleusenwärter-Gebäudes mit seinen Sitzmauern aus Seeberger Sandstein wird auch nach der Gartenschau als Treffpunkt und Einladung sich an der historischen Schleuse aufzuhalten, erhalten bleiben. Während der Gartenschau bevölkern fünf steinerne Zwerge auf unterschiedlich hohen Podesten den Platz und treten in einen spielerischen Dialog mit dem Publikum. Am Originalplatz im Weikersheimer Schlossgarten präsentieren sich die Zwerge, die den damaligen Hofstaat abbilden und als Wertschätzung dessen gelten, erhöht auf einer Balustrade. In Heilbronn wird die Distanz zwischen Publikum und den Skulpturen abgebaut. Die steinernen Kopien des Zwergen-Hofpersonals, beispielsweise der Kammmerkassier mit seinem dicken Bauch und die Haushofmeisterin mit einem Fisch unterm Arm laden zum Versteckspiel, zum Posieren für Fotos oder zum Anfassen ein. Ein Spiegel aus Edelstahl als Verkleidung einer Rückwand vervielfacht die Interaktionsmöglichkeiten mit den Skulpturen und schärft die Wahrnehmung im Raum.

Neben dem Zwergen-Quincunx-Platz wurde ein zweiter Platz als Ort der Ruhe geschaffen. Der beschauliche Platz unter den mächtigen Trauerweiden nutzt die vorhandenen atmosphärischen Qualitäten. Als Kontrast zu den alten Trauerweiden können die Besucher dort den jungen Rosskastanien-Keimlingen beim Wachsen zuschauen und die Dimension des Alterns von Pflanzen erleben. Im Bruchsaler Schlossgarten wurden im vorigen Herbst Rosskastanien gesammelt und nach Heilbronn in ein Keimbeet gebracht. Durch die besondere Präsentation in Form eines Keimlings wird das Augenmerk auf eine Baumart gelenkt, die in den historischen Gärten seit dem Barock als Alleebaum und als Füllgehölz im Boskett wichtig ist und von Konstantinopel über Wien und Frankreich kommend Anfang des 18. Jahrhunderts in Süddeutschland eingeführt wurde.

BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Schnitt durch das nachgebaute Perspektiv "Ende der Welt" als vereinfachter Nachbau des Originals aus dem Schwetzingen Schlossgarten. Grafik: Helleckes Landschaftsarchitektur
BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Den Platz des ehemaligen Schleusenwärterhauses bevölkern fünf steinerne Zwerge, Kopien aus dem Weikersheimer Schlossgarten. Eine Sandsteinmauer fasst den Platz ein. Im Laufe der Jahre werden die neu gepflanzten Ulmen in Quincunx-Anordnung ein Schattendach über dem Platz bilden. Foto: Helleckes Landschaftsarchitektur

Ist die pflanzliche Ausstattung der historischen Gärten häufig noch erhalten oder erneuert worden, beispielsweise die Kastanien-Alleen, sind die Wasserkünste des Heidelberger Schlossgartens nur noch in Beschreibungen und Abbildungen erhalten. Ein Wasserscherz in Form von manuell auszulösenden Düsen im Ausstellungsbeitrag der SSG erinnert an die Wasserkünste der Renaissance im Hortus Palatinus. An einem versteckt in einer Ecke installierten Wasserdruckknopf können die Besucher 3 bis zu 6 Meter entfernte Düsen auslösen. Entweder wird ein bogenförmiger Wasserstrahl über einen Weg ausgelöst oder ein anderer Besucher wird mit einer kühlen Erfrischung überrascht. Somit wird der Garten zum Ort der sinnlichen Auseinandersetzung mit gartenhistorischen Themen.

Duftende Nelken, Rosmarin, Basilikumbäumchen und Spargel galten im ausgehenden Mittelalter als Kostbarkeiten und wurden in Töpfen und Vasen kultiviert. Barbara Gonzaga, erste Herzogin von Württemberg, verlangte in einem Brief an ihre italienische Heimat im 15. Jahrhundert genau nach Samen dieser Pflanzen. Im Ausstellungsbeitrag werden diese duftenden und delikaten Gewächse in hohen Pflanzgefäßen als Dokumente des Kulturtransfers der frühen Neuzeit einzeln präsentiert.

Die zwei ausgestellten Steinvasen aus dem Schwetzinger Boskett erzählen in Form von Bildern auf einem Fries Jagdgeschichten der römischen Mythologie. Die Vasen von Conrad Linck wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Kopien der barocken Originale angefertigt. Eine der Vasen erzählt die Geschichte des Aktaion, wie er die Göttin Diana beim Baden überrascht, die ihn aus Rache in einen Hirsch verwandelt. Das aus der Mythologie überlieferte tödliche Ende des Aktaion wird auf dem Fries der Ziervase nicht mehr dargestellt.

Die ausgestellten exotischen Kübelpflanzen wie Zitrus, Grantapfel, Agaven und Palmen sind Leihgaben des Botanischen Gartens in Karlsruhe. Sie veranschaulichen die unterschiedlichen Moden der Orangeriepflanzen- und Palmenhaus-Kulturen. Über QR-Codes an den Ausstellungstafeln kann sich das Publikum via Internet über die Symbolik der Pflanzen und weitere Themen informieren.

BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Im lichten Schatten der Weiden entstand ein Ort der Ruhe. Eine Holzbank aus dem Schwetzinger Schlossgarten lädt zum Entspannen ein. Das Kastanienkeimbeet rückt die Rosskastanie als wichtige Baumart in historischen Gärten des Südwestens auf überraschende Weise in den Fokus des Publikums. Foto: Helleckes Landschaftsarchitektur
BUGA Heilbronn 2019 Bundesgartenschauen
Frühlingsaspekt durch Geophyten: verschiedene Narzissen und Tulpen in Blüte, Camassia und Fritillaria. Foto: Helleckes Landschaftsarchitektur

Eines der ausgestellten Themen beschäftigt sich mit der Gartenkunst selbst: "Du bewunderst (den Garten, Anm. d. Verf.), Wanderer! Sie selbst staunt, die es versagt hatte, die große Mutter der Dinge, die Natur", ist auf schwebenden Schilden zu lesen. Während das lateinische Originalzitat zur Gartenkunst aus dem Jahr 1771 in einen monumentalen Gedenkstein des Kurfürsten der Pfalz gemeißelt ist, wurde für die BUGA bewusst eine schlichtere Form der Darstellung gewählt. Die sieben einfachen Plexiglasschilder sind weitestgehend unsichtbar mit Angelschnüren zwischen den Ästen einer Weide und dem Boden befestigt.

Der Ausstellungsbeitrag der Staatlichen Schlösser und Gärten bei der BUGA ist als eine Einladung zum sinnlichen Entdecken, Suchen und Nachdenken zu verstehen. Er ist der Versuch, das Publikum durch eine Vielfalt gartenkünstlerischer Zitate innerhalb einer Raumkomposition zu überraschen und somit für gartenhistorische Themen zu sensibilisieren und auf den Besuch der vielen Gärten und Parks der SSG neugierig zu machen.

Nach der Ausstellung bleibt die räumliche Struktur mit der Gräserpflanzung, den Bäumen und der Sitzmauer für die Daueranlage erhalten. Innerhalb des geplanten Sportparks mit weitläufigen Rasen- und Spielflächen hat dieser Garten mit Sitzplätzen im Schutz der Bäume und Blick auf die historische Schleuse das Potenzial, auch nach dem Gartenschau-Jahr ein Ort der Ruhe und Kontemplation zu sein.

Projektdaten

Auftraggeber temporäre Anlage: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Auftraggeber Daueranlage: Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH
Garten- und Landschaftsbau: Fichter Garten- und Landschaftsbau GmbH, Magdala
Planung: helleckes landschaftsarchitektur, Karlsruhe
Bauzeit: Juni 2018 bis April 2019
http://www.stadtundgruen.de/xyz

Literatur

Bengen, E. (2001): Die große Welt der Gartenzwerge Mythen, Herkunft, Traditionen: Ein historischer Rückblick, S. 33 ff.

Troll, H. (2017): Aspekte neuzeitlicher Gartenkultur in Baden-Württemberg, in: Konold W., Regnath, R: (Hg.) Gezähmte Natur. Gartenkultur und Obstbau von der Frühzeit bis zur Gegenwart, S. 113-136.

Wagner, R. (2009): Das Badhaus des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz: In seinem Paradiese Schwetzingen.

www.schloesser-und-gaerten.de.

Dipl.-Ing. Stefan Helleckes
Autor

Inhaber von Helleckes Landschaftsarchitektur

Dipl.-Ing. Birgit Willmann
Autorin

Helleckes Landschaftsarchitektur

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen