Vom Kaisergarten zu Wandel-, Zen- und Teegärten

Gartenkunst in Japans Hauptstadt Tokio

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Japan Historische Parks und Gärten
Hamarikyu Garten, Brücke und Teehaus vor der Hochhauskulisse. Foto: Horst Schmidt

Die japanische Hauptstadt Tokio ist zu Recht der Inbegriff einer Megastadt der Wirtschaft und Macht, wohnt doch mit 40 Millionen ein Viertel der Einwohner Japans in diesem Ballungsgebiet. Hier haben sich ab dem Jahr 1603 die militärische, die wirtschaftliche und die Regierungsmacht zentral und weitgehend unbestritten etabliert. Nur Kyoto, die ehemalige Hauptstadt bis 1868, meldet sich hin und wieder mit dem Anspruch nach wie vor die kulturelle Hauptstadt Japans zu sein. Von der Gartenkunst aus gesehen spricht sicher einiges dafür, aber auch Tokio hat für die Entwicklung der Gartenkunst wesentliche Anstöße gegeben. Man ist erstaunt, wenn man sich auf die Spurensuche begibt, was es in Tokio im Hinblick auf die Gärten zu entdecken gibt, auch wenn man es auf den ersten Blick hinter den leuchtenden Reklamen der Hochhäuser nicht vermutet. Die Gärten haben unterschiedliche Entwicklungen hinter sich, und es lohnt sich, die geschichtlichen Aspekte der Stadtgründung um 1600 und der Hauptstadtwerdung 1868 im Hinblick auf die Gärten zu beleuchten.

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Zentrale Rasenfläche im neuen Kaisergarten. Foto: Horst Schmidt
Japan Historische Parks und Gärten
Modell Shogunburganlage 17. Jahrhundert. Foto: Horst Schmidt

Das 16. Jahrhundert mit seinen zahlreichen Kriegen endete 1603 nach der Einigung Japans mit dem Einsetzen des Feldherrn Ieyasu als militärischem Herrscher (Shogun) durch den japanischen Kaiser. Ieyasu aus dem Clan der Tokugawa wählte als seine Shogunstadt Edo, einen bis dahin unbekannten Fischerort, den er kräftig ausbauen und befestigen ließ. In zahlreichen Kriegszügen hatte er gelernt, wie oft in dem langgestreckten Inselreich die Bezirksfürsten (Daimyos) aufbegehrten, um die Macht selbst zu übernehmen. Nachdem die abtrünnigen Fürsten ersetzt waren, verfügte der Tokugawa-Shogun die Residenzpflicht für alle Bezirksfürsten. Hatten sie in ihren Lehensbezirken zu tun, mussten die Familien in Tokio anwesend sein. Das bedeutete, dass die Daimyos Residenzen für sich und ihren ganzen Hofstaat in Edo anlegen mussten, wo sie gemäß ihrem Stand und ihrer Macht entsprechend leben und repräsentieren konnten. Dazu waren auch größere Gärten erforderlich, die dem hierarchischen japanischen Anspruch genügten und die einen erheblichen Schub für die Gartenkunst bewirkten.

So entstanden viele Wandelgärten, der vierte Grundtyp der Japangärten nach den Teich- und Hügelgärten, den Trocken-(Zen-) und den Teegärten. Sie waren der größte Typ und dienten der Repräsentation und vor allem dem angenehmen Leben in der Residenz. Waren die ersten Gartentypen bei den Palästen, Tempeln und Schreinen überwiegend zum Betrachten von den Terrassen und bei größeren Seen vom Boot aus genutzt worden, so war nun das Spazierengehen und der Aufenthalt im Garten als wichtige Funktion hinzugekommen. Damit wurde ein Wegenetz erforderlich, das geschickt geführt, immer neue Bilder im Garten erschloss und den Garten möglichst groß erscheinen ließ. Das Leitmotiv der Gärten blieb das Wasser von der Quelle in den Bergen, den Wasserfällen, den Bergbächen, Teichen, Seen und Flüssen bis zum Meer. Oft wurden typische Landschaften verkleinert nachgebildet, die an Besuche erinnerten oder sonst hinlänglich bekannt waren. In die Wandelgärten wurden Zen- und Teegärten integriert. Sie sind oft über Jahrzehnte entstanden und erweitert worden. Geplant wurden sie von Gartenplanern, wie dem in dieser Zeit sehr bekannten Gartenplaner und obersten Teemeister Kobori Enshu (1579-1647), Adligen, Priestern und Künstlern. Edo entwickelte sich als Stadt des Shoguns sehr schnell. Die vielen Fürsten mit ihrem Hofstaat, viele Samurai und Soldaten mussten versorgt werden. Es wurde viel gebaut, und so waren bald sehr viele Arbeiter, Händler, Künstler und weitere Dienstleister erforderlich. Das brachte diesen wirtschaftlichen Erfolg, der wiederum den Wunsch nach eigenem Garten wie in den höheren Schichten weckte. Es entwickelten sich erst kleinere Gärten, die Tsubo Niva, die Vorläufer der heutigen Hausgärten. Als dann größere wirtschaftliche Einheiten wie Mitsubishi entstanden, haben deren Eigentümer Residenzgärten für ihre Mitarbeiter übernommen und umgestaltet.

Der zweite entscheidende historische Entwicklungsschritt für Tokio erfolgte 1853, als Amerika mit seinen Kriegsschiffen Japan zwang, sich dem Welthandel zu öffnen. So wurde die 250-jährige Isolation aufgegeben und der Übergang zur Meiji-Zeit(1868-1912) erfolgte. Der westliche Einfluss, der damit ins Land kam, ergab zwangsläufig auch Änderungen in der Gartengestaltung. Da sich Japan völlig neu aufstellen musste, reiste die japanische Iwakura-Kommission zwei Jahre durch das westliche Ausland, um dort die Lebens- und Wirtschaftsweisen kennen zu lernen und zu überprüfen, was für die Entwicklung Japans von Interesse sein könnte und übernommen werden sollte. Auch viele Anregungen der zahlreichen Berater, die Japan ins Land gebeten hatte, um die Entwicklung mit ihren Fachkenntnissen positiv zu unterstützen, beeinflussten die Gartengestaltung. So entstanden neue Gartenanlagen, wie zum Beispiel der Hibiya-Park nahe dem Kaiserpalast, der typische westliche Elemente, wie Rosengärten, westliche Plastiken und Pflanzungen enthielt. Heute findet man in neuen großen Parkanlagen in Japan oft die bei uns beliebten bunten Sommerblumenpflanzungen und Wasserspiele. Die traditionellen Wandelgärten der Edo-Zeit werden aber in Tokio nach wie vor intensiv von sehr vielen Japanern und Besuchern aufgesucht.

Mit einem staatlichen Dekret von 1873 wurden zu Beginn der Meiji-Zeit einige der bisherigen religiösen und fürstlichen Wandelgärten zu öffentlichen Parks erklärt. Was war geschehen? Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten Japan gezwungen, sich dem Welthandel zu öffnen und ihre Regierungs- und Verwaltungskonzeption grundsätzlich zu ändern. Das führte zum Zusammenbruch des Regierungs- und Wirtschaftssystems in Japan. Der Shogun als militärischer Herrscher dankte ab, und der junge Kaiser aus Kyoto zog nach Edo, das ab sofort den Namen Tokio - Hauptstadt im Osten - bekam. In den Verhandlungen mit den USA erhielt Japan eine völlig neue Regierungsform und die Machtbefugnisse der bisher Regierenden - Kaiser, Shogun, Daimyos - wurden völlig neu geordnet. Die bisherige Shogunburg wurde Kaiserpalast und die Lehen der Fürsten (Daimyos) fielen dem Staat zu. Dieser ergriff die Möglichkeit und wandelte einige der Fürstengärten per Dekret in öffentliche Gärten um. Soweit die Gärten noch im Privatbesitz der Fürsten waren, gingen sie trotzdem nach und nach in öffentlichen Besitz über. Auf der einen Seite wurde in der dicht bebauten Stadt Freiraum zum Aufenthalt und zur Bewegung der Bevölkerung dringend benötigt, und auf der anderen Seite konnten und wollten die Eigentümer die hohen Pflege- und Unterhaltskosten nicht mehr tragen.

Hinzu kam, dass Erdbeben große Schäden in den Gärten angerichtet hatten. Heute werden diese Parks je nach Zuordnung von den Gartenverwaltungen des Kaisers, der Metropolverwaltung Tokio, der Stadt und den Stadtteilen unterhalten und gepflegt. Einige der typischen Gärten und Parks sollen exemplarisch mit ihren spezifischen Kriterien und historischen Bezügen angesprochen werden.

Mit dem heutigen Kaiserpalast fing sozusagen alles an. Über 250 Jahre diente er dem Shogun, ehe er vom Kaiser 1868 übernommen wurde. Der Tokugawa Shogun Ieyasu ließ hier seine Burg bauen und wirksam befestigen. In dem Gelände, wo sich heute noch die trotzigen Fundamentmauern der Burg aus großen Granitblöcken erheben, war früher noch kein Garten vorhanden. Wie ein Foto aus dem Edo-Tokyo Museum zeigt, war hier früher durch die Burg, die Unterkünfte der Samurai, Soldaten und Beschäftigten, die Lager und Gebäude der Wachen alles dicht bebaut.

Die Burg war seinerzeit die größte in Japan. Sie brannte jedoch 1665 völlig aus und wurde nicht wieder aufgebaut. Brände waren recht häufig in Japan, da man überwiegend mit Holz baute. Selbst die Aufbauten über den Fundamentmauern der Burg waren aus Holz errichtet, die gegen Flammenpfeile von potenziellen Feinden mit einer dicken Putzauflage versehen waren. Im Ostteil der Gesamtanlage etwas tiefer gab es natürlich auch einen traditionellen Garten, der von Kobori Enshu entworfen worden war. Auch dieser Garten fiel einem Brand zum Opfer. Im zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Anlage durch Bomben zerstört. Erst 1960 beschloss das Parlament, hier den heute vorhandenen Park anlegen zu lassen, der zu einem wichtigen Touristenziel geworden ist.

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Traditioneller Kaisergarten mit Azaleenbändern, Kiefern, typische Brücke. Foto: Horst Schmidt

Die trotzigen Festungsmauern, Wach- und Toranlagen, Wassergräben sowie die Fundamentmauern der Burg geben noch heute einen Eindruck, wie es zu früherer Zeit hier ausgesehen hat. Der traditionelle Garten mit Teich, Wasserfall, Irisgarten, den typischen Azaleenpflanzungen und dem Teehaus im Ostteil wurde nach alten Plänen wieder angelegt. Im Anschluss an ihn wurden Flächen mit typischen Gehölzen aus den verschiedenen Teilen Japans bepflanzt und detailliert etikettiert. Der neue große zentrale Park im Angesicht der dominierenden Burgfundamentmauern beinhaltet eine große Rasenfläche und an den Rändern Sondergärten wie Zierkirschen-, Bambus-, Tee-, Obst- und Rosengarten. Eingefasst wird diese Fläche von großen Kampferbäumen, während sonst im Gelände viele der in Japan sehr beliebten Kiefern und Kirschen zu finden sind. Eine Rampe führt auf die Fundamentmauern hinauf, und von dort hat man einen guten Ausblick auf die Gesamtanlage und zu den Hochhäusern der Stadt.

Die Parkflächen sind öffentlich zugänglich, nicht aber der Teil der dem Tenno (Kaiser) und seiner Verwaltung vorbehalten ist. Zwischen Kaiserpalast mit Gartenanlage, den Festungsmauern und Wassergräben und den Hochhäusern der Stadt liegt eine große Rasenfläche mit circa 1000 geschnittenen Schwarzkiefern, die die Distanz zwischen Kaiser und Stadt deutlich machen soll. Diese kaiserliche Anlage hat eine besondere historische Bedeutung für Tokio und ganz Japan, da der Tenno für viele Japaner nach wie vor eine wichtige Institution ist.

Der Hamarikyu Garten, direkt an der Tokio Bucht gelegen, soll als nächstes angesprochen werden, da er für die Shogune als Garten am Meer eine besondere Bedeutung hatte und als Ergänzung zur Burg diente. Der Garten wurde im Laufe der Zeit von verschiedenen Shogunen entwickelt. Er enthält zwei Teiche für die Entenjagd und den landschaftlich differenziert gestalteten See, der als einziger See in Tokio noch Anschluss an das Salzwasser des Meeres hat. Er enthält entsprechende Salzwasserfische und durch die Gezeiten wechselnde Wasserstände. Künstliche Hügel geben Aussichtspunkte und betonen die landschaftliche Gestaltung, die zusätzlich durch Kiefern und Kirschbäume unterstützt wird.


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Transparent geschnittene Rotkiefer im Koisikawa Korakuen Garten. Foto: Horst Schmidt
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Kleiner Berg Lu im Koishikawa Korakuen Garten. Foto: Horst Schmidt
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Chinesischer Gelehrter und Gartenplaner Zhu Shunshui. Foto: Horst Schmidt
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Chinesische Mondbrücke im Koishikawa Korakuen Garten. Foto: Horst Schmidt
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Tsuten Brücke mit Trockenwasserfall im Koishikawa Korakuen Garten. Foto: Horst Schmidt

Eine lange Brücke führt zum erstmals 1707 erstellten Teehaus auf der Insel im See, wo man auch heute einen traditionell servierten Tee genießen kann. Shogun und Hofstaat liebten in heißen Sommern die angenehme Kühle am Meer und die einmalige Atmosphäre bei der Mondbetrachtung. In der Meiji-Zeit fiel der Garten an den Kaiser. Nach der Zerstörung im zweiten Weltkrieg ging der Garten in den Besitz Tokios über und wurde gegen Eintritt der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Besonders beliebt sind die Kirschblüte, der Teilgarten mit 80 unterschiedlichen Gehölzpfingstrosen, im Frühjahr das leuchtend gelbe Rapsfeld und die intensiv geschnittene 300-jährige Rotkiefer. Imposant wirkt die Idylle des landschaftlichen Gartens vor der überwältigenden Kulisse der Hochhäuser.

Ganz wichtig ist der Einfluss der chinesischen Gartenkunst auf die Japangärten immer gewesen. China hatte schon lange eine Hochkultur, als sich Japan erst zu entwickeln begann. So wurden Formen und Elemente der Gartengestaltung und Architektur anfangs original von China übernommen und dann nach und nach in japanische Formen übersetzt, beziehungsweise eigene Gartentypen wie Zen- und Teegarten entwickelt. Diese Übernahme traf schon auf den ersten Gartentyp, den Teich- und Hügelgärten, zu und galt auch für den in der Edo-Zeit (1603-1868) wichtigen vierten Grundtyp, den Wandelgarten. Er beinhaltete meist einen zentralen See oder Teich mit Inseln, um ihn größer wirken zu lassen und ihn mit zusätzlichen Elementen interessanter zu gestalten. Ein ausgeklügeltes Wegesystem umgab ihn und eröffnete immer wieder neue Blicke auf besondere Landschaftselemente und gestaltete so Spaziergänge zu abwechslungsreichen, immer wieder neuen Erlebnissen.

Ein interessantes, für den chinesischen Einfluss typisches Beispiel, ist der Koishikawa Korakuen, einer der ersten Wandelgärten in Tokio. Er wurde 1629 als Stadtresidenz des Mito Zweiges des Tokugawa Clans begonnen, aber erst 1669 von dem Tokugawafürsten Mitsukuni gemeinsam mit dem aus China geflüchteten Gelehrten Zhu Shunshui (1600-1682) fertig gestellt. Zhu Shunshui wurde 1665 Lehrer von Mitsukuni. Er war Anhänger der Lehre von Konfuzius, hatte großen Einfluss auf seinen Schüler und bereicherte die Konzeption des Gartens durch typische chinesische Elemente, die den Garten bis heute prägen und ihm ein chinesisches Flair verleihen.

Als erstes sei die Engetsu-Brücke genannt, eine typisch chinesische Brücke, durch deren Spiegelung im Wasser sich das volle Rund der Mondbrücke ergibt. Auch die orange-rote Tsuten-Brücke ist ebenfalls typisch durch die Farbe, die Wölbung und den Handlauf. Weitere chinesische Landschaftselemente sind der auffallend gestaltete kleine Berg Lu und der klein nachgebaute berühmte Damm des Westsees von Hangzhou. Viele weitere chinesische und japanische Landschaftselemente in Miniaturformat bereichern den Garten. Ein japanisches Landschaftselement ist die intensiv geschnittene große Rotkiefer, die auf eine berühmte Rotkiefer am Biwa-See, dem größten japanischen Binnensee, verweist. Eine über 60 Jahre alte Hängekirsche - Shidare Zakura - zieht im Frühjahr viele Fotografen an. Ein Irisgarten und ein Reisfeld, das Schüler pflanzen und ernten, sowie Glyzinienpergolen und eine Obstwiese mit 30 unterschiedlichen Pflaumensorten mit Blüten in verschiedenen Farben finden sich ebenfalls in diesem Garten. Zwei Auszeichnungen für besondere geschichtliche Spuren und besondere landschaftliche Sehenswürdigkeiten wurden dem Garten von der Regierung verliehen.

Eine besondere Entwicklung fürstlicher Wandelgärten der Edo-Zeit, wie des Kiyosumi und des Rikugien Gartens, war der Erwerb durch reich gewordene Händler und Industrielle zum Beispiel durch den Gründer von Mitsubishi Iwasaki Yataro in der Meiji-Zeit. Sie wurden von ihm erheblich weiter entwickelt und dann von seinen Mitarbeitern genutzt. Der Fujishiro Pass ist mit 35 Metern die höchste künstliche Erhebung im Rikugien Garten, die eine herrliche Aussicht auf den Garten mit See und Insel ermöglicht. Diese künstlichen Aussichtsberge sind ein typisches Element der Wandelgärten, da sie die Erlebnisfähigkeit der Gärten ganz erheblich steigern. Die Iwasaki Familie hatte eine besondere Zuneigung zu Azaleen, und so sind noch heute viele ältere Azaleen im Frühjahr in voller Blüte zu bewundern.

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Engetsu-Brücke im Rikugien Garten aus zwei versetzten Steinplatten. Foto: Horst Schmidt
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Kirschblüte im Ueno-Park. Foto: Horst Schmidt
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Tunnelgestänge aus Bambus für Buschklee „Hagi“ (Lespedeza bicolor). Foto: Horst Schmidt

Brücken in verschiedenster Ausführung sind ein wichtiges, belebendes Element in den Wandelgärten, da immer wieder Wasserläufe überquert werden und Übergänge zu den Inseln vielfältig vorhanden sind. Die bekannte Engetsu-Brücke, die aus zwei großen Steinplatten besteht, die in der Mitte versetzt zusammenstoßen, vermittelt ein gewollt leicht unsicheres Gefühl beim Überqueren, da sie zwei Meter über dem Wasser geführt wird und wie die typischen japanischen Brücken keinen Handlauf aufweist. Durch die Aufhügelungen und dichten Baumpflanzungen zu den umgebenden Baugebieten entstehen eine angenehme Distanz und der Eindruck, in einer ungestörten Landschaft spazieren zu gehen.

In Tokio sind auch heute weiterhin Gärten als Teil von buddhistischen Tempeln vorhanden. Als Beispiel sei der Denboin Garten beim Kannon Tempel in Asakusa genannt. Auch er wurde in der frühen Edo-Zeit von dem bekannten Gartenplaner Kobori Enshu angelegt. Als kleinerer Wandelgarten weist er ebenfalls im Zentrum einen See mit vielgestaltigem Ufer auf. Der ambitionierte Rundweg um den See führt an vielen landschaftlich interessanten Elementen vorbei, wie Quellen, "trockenen" Wasserfällen, Brücken, Schrittsteinen, Teehäusern und Pflanzungen. Zum Tempel hin öffnet er sich durch eine Rasenböschung mit interessanten Steinsetzungen. Der Garten ist zurzeit nur zugänglich, wenn gleichzeitig eine Kunstausstellung in den Hallen stattfindet.

Der erste öffentliche Park nach dem Erlass von 1873 war der Uenopark, heute ein besonders beliebter Treffpunkt zur Kirschblüte. Während der Edo Periode gehörte das Gelände dem Kaneiji Tempel. Die Hügel dieses Parks waren schon 1624 bis 1644 für seine Kirschblüte berühmt, da der Priester Tenkai dort an verschiedenen Stellen Kirschen gepflanzt hatte. Durch die Meiji Restauration fiel der Grundbesitz an den kaiserlichen Haushalt und dann an die Stadt. Ein großer See wird durch eine Kirschbaumallee durchquert, und auf der Insel befindet sich ein Tempelmausoleum. Heute haben zwei Schintoschreine, einige Museen und der Zoo Platz im Park gefunden. Herausragend sind aber die 800 Zierkirschenbäume, die den wichtigsten Hanamietreffpunkt zur Kirschblüte in Tokio bilden. Ein typisches westliches Gestaltungsmerkmal im Park ist das große, rechteckige Wasserbecken mit der voluminösen, größten Fontäne Tokios. Gleichzeitig mit dem Ueno Park wurden durch den Erlass von 1873 Parks in den Stadtteilen Shiba, Asakusa, Fukagawa und Asukayama öffentlich.

Als erster moderner, westlich beeinflusster Park wird der Hibiya Park in der Nähe des Kaiserpalastes bezeichnet. Er enthält typische Elemente, wie wir sie aus unseren Parks kennen: Wasserspiele, Pergolen, Plastiken und Blumengärten, die das ganze Jahr durchgehend farbenreich blühen, was in den japanischen Gärten sonst nicht üblich ist. Hallen und Sporteinrichtungen runden das Nutzungsangebot ab. Es gibt aber auch einen kleinen Teil, der traditionell japanisch angelegt ist. Eine der Attraktionen ist ein ungefähr 400 Jahre alter Ginkgobaum, der schon 1901 rund 450 Meter weit innerhalb von 25 Tagen wegen einer Straßenbaumaßnahme in den Garten verschoben wurde und diese Aktion gut überlebt hat. Dieser Park ist ebenfalls ein historischer Meilenstein, da er zeigt, wie begeistert man nach der Aufgabe der Isolation Gestaltungsanregungen aus dem Ausland übernommen hat.

Ein besonderer Garten ist der Mukojima-Hyakkaen Garten (sein Name kann mit: Hundert Blumen Garten übersetzt werden), der auf privater Basis im frühen 19. Jahrhundert als bürgerlicher Garten entstand. In einem feuchten Landschaftsteil Tokios zwischen zwei Flüssen hatte sich Gartengelände erhalten, in dem ein Antiquitätenhändler mit der Unterstützung von Literaten einen Garten mit 360 unterschiedlichen Aprikosen- und Pflaumenbäumen und vielen blühenden Blumen anlegte, in dem die Besucher die Fülle der unterschiedlichen Blumen das ganze Jahr über betrachten konnten. So entstand ein Kontrast zur Ästhetik der fürstlichen Wandelgärten, der dem Geschmack der bürgerlichen Städter entgegen kam. Er ist der einzige Blumengarten der Edo-Zeit, der bis heute überlebt hat. Bis 1938 wurde er privat geführt und dann von der Stadt übernommen. Er zeichnet sich auch heute noch durch seine Blumenvielfalt aus. Herausragendes Highlight ist der 30 Meter lange Buschklee-Blütentunnel, dessen Blüte im September mit dem in Japan besonders geschätzten "Hagi" Buschklee (Lespedeza bicolor) bewundert werden kann. Er wird im Herbst jeweils zurückgeschnitten und entwickelt sich so zur Blüte wieder üppig.

Edo ist sicher in früheren Zeiten durch die vielen Residenzgärten eine herrlich durchgrünte Stadt gewesen. Einige Reste konnten bei der Spurensuche angetroffen werden, doch der Grünanteil Tokios ist in den vergangenen Jahrzehnten durch die kontinuierlich dichter werdende Bebauung stark geschrumpft. Die angesprochenen Gärten haben gezeigt, welchen Wert diese grünen Oasen nicht nur als historische Reminiszenzen für die Megastadt haben. Die ehemals grüne Stadt Edo sucht heute als Tokio neue Wege der Durchgrünung, um die Lebensqualität der Bewohner wieder aufzuwerten.

Autor

Ehemaliger Leiter des Gartenbauamtes Karlsruhe

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