Fachliteratur

"Gartenstadt - Geschichte und Zukunftsfähigkeit einer Idee"

Bücher Stadtentwicklung
Thomas Will/Ralph Lindner (Hg.): „Gartenstadt – Geschichte und Zukunftsfähigkeit einer Idee“. w.e.b. Universitätsverlag, Dresden 2012. 310 Seiten, zahlr. Abb., ISBN 978-3-942411-33-2

Thomas Will/Ralph Lindner (Hg.): "Gartenstadt - Geschichte und Zukunftsfähigkeit einer Idee". w.e.b. Universitätsverlag, Dresden 2012. 310 Seiten, zahlr. Abb., ISBN 978-3-942411-33-2

Das vorliegende Sammelwerk stellt in einem großen Bogen neue Facetten der Forschung zur Gartenstadt seit dem Erscheinen von "To-morrow - A peaceful path to real reform" (1898) dar. Anlass für die Veröffentlichung war der 100. Jahrestag der Gründung der Baugenossenschaft Hellerau bei Dresden. In der Gartenstadt Hellerau führten das Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege der Technischen Universität Dresden und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen namhafte Experten als "Erklärer" der Idee zu einem internationalen Symposium zusammen.

Das Buch umfasst zwei kenntnisreiche, einführende Aufsätze zur Verbreitung und zur kritischen Reflexion der Gartenstadtidee aus dem Kreis der Veranstalter. Es folgen 17 sorgfältig redigierte, gut lesbare und anschaulich bebilderte Aufsätze, wobei die Texte der internationalen Referenten um einige Beiträge ergänzt wurden. Sie behandeln in drei etwa gleich großen Sequenzen die Geschichte und Entwicklung der Bewegung, Gartenstädte in Europa sowie das architektonische, soziale und kulturelle Erbe der Gartenstadtidee. Nicht alle Autoren können in diesem Rahmen genannt werden.

Besonders aufschlussreich sind aus der Sicht der Landschaftsarchitektur die Mehrzahl der Beiträge, die den ganzheitlichen und interdisziplinären Charakter der Idee hervorheben - zentrales Anliegen ihres "Erfinders", des Parlamentsstenographen Ebenezer Howard. Dabei sind verschiedene Herangehensweisen vertreten: Werner Durth erklärt an einem großen Spektrum von Protagonisten und Projekten, warum Howards Konzept zum "Beginn der modernen Stadtplanung" wurde (siehe auch Beiträge Güldenberg, Hafner, Hunger und von Gerkan).

Christian Mario Gutjahr dagegen verfolgt für das neu gegründete Canberra ("Capital and first Garden City of Australia") über ein ganzes Jahrhundert hinweg, wie die Gartenstadtidee von den beteiligten Planern (und Politikern) verstanden und umgesetzt wurde. Ähnlich intensiv schildert Mervyn Miller die "Herausforderungen des Wandels" am einflussreichen englischen Beispiel Hampstead Garden Suburb. Die zeittypischen Akzentuierungen erinnern an Einseitigkeiten in der mitteleuropäischen Stadtplanung - der internationale Austausch war stärker als gemeinhin angenommen (siehe auch Beiträge Hartmann, Slapeta).

Gemeinsam ist den drei Aufsätzen die Wertschätzung des insbesondere vom angesehenen englischen Gartenstadtplaner Raymond Unwin vertretenen "topografischen Städtebaus", das heißt die feinfühlige Bezugnahme auf das Relief und weitere Landschaftselemente. Diese Sensibilität lässt sich auch an Roland Rainers Gartenstadt Puchenau am Donauufer bei Linz verfolgen (Posch, S.188ff). Der erste Bauabschnitt der ab 1962 angelegten Fußgängerstadt wurde mit der Gartengestaltung an die Bewohner übergeben.

Schon Thomas Will skizziert Le Corbusier als ausgesprochenen "Gegenspieler der Gartenstadtbewegung" (S. 38), der ihr Gedankengut dennoch in seinen Konzepten verarbeitet. Diese Transformation unter Einschluss werbewirksamer Landschaftsarchitektur bestätigt Franziska Bollereys "Adaption des Howardschen Gartenstadtmodells in Frankreich, Belgien und den Niederlanden" (S. 168). "Gärten und Gemeinschaftsgrün in der historischen Gartenstadt" beleuchtet Erika Schmidts Beitrag, der sich eng an Howards Urtext und an historische Quellen zu seinen Lebensstationen hält. Er deckt bemerkenswerte Zusammenhänge zwischen den wahrscheinlichen Erfahrungen zum Beispiel in Chicago und dem erdachten großstädtischen Freiraumsystem sowie den detaillierten Angaben zu den Freiraumtypen auf.

Im Leser reift die Erkenntnis, dass vor allem die qualitativen Aussagen zum Spektrum der Freiräume bisher weit unterschätzt wurden. Im vorliegenden Buch ist jetzt an vielen Stellen nachzulesen, dass Landschaftsarchitekten an zahlreichen Projekten beteiligt waren, etwa Marjorie Sewell Cautley an der ab 1929 angelegten Modell-Gartenstadt Radburn der Stadtplaner C.S. Stein und H. Wright in New Jersey (Jaeger/Wölfle, S.16). Weitaus wichtiger ist die Feststellung, dass zum Vermächtnis der Gartenstädte neben dem architektonischen Erbe auch das vielfältige "freiräumliche Erbe" gehört, darunter besonders der Garten "als eine der erfolgreichsten Erscheinungsformen dieser gelebten Utopie" (beide Zitate Will, S.46).

Ein beachtlicher Erfolg des Symposiums war bereits die Gründung des "Netzwerks Europäische Gartenstadt". Das Sammelwerk eröffnet nun auch denjenigen, die in Hellerau nicht teilnehmen konnten, die Möglichkeit, den Schatz der Garten(vor-)stadtprojekte zu entdecken, die sich im In- und Ausland auf Howards Idee berufen. Ihre Initiatoren taten dabei das Mögliche, während sie "vom ganz Unmöglichen" träumten

[Julius Posener, Neue Gedanken im Städtebau um 1910. In: Arch+ 12.1980 (H.53), S.5.)].

Die ursprüngliche Vision setzt aber bis heute Maßstäbe für die realisierten Projekte.

Eva Benz-Rababah

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