Eine Ausstellung auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg

Gedenkkulturen der Weltreligionen

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Friedhofstechnik
KZ-Opfer-Mahnmal von 1949 (Architekt: Heinz Jürgen Ruscheweyh) auf dem Ohlsdorfer Friedhof gegenüber dem Bestattungsforum. Foto: Sabine Nolting, Gartenkult

Die Bedeutung des Todes für das Leben und Wirken des Menschen sollte immer wieder hervorgehoben werden. Was uns von den Tieren unterscheidet, ist im Grunde genau dieses Wissen: dass wir sterben müssen. Es spornt den Menschen zu der Suche nach einem Sinn des Lebens im Angesicht des Todes an. Archäologische Funde legen nahe, dass im Nachdenken darüber, was mit den Toten geschieht, der Ursprung aller Religion liegen könnte. Schon die Neandertaler bestatteten ihre Toten und gaben ihnen einfache Grabbeigaben mit. Ein etwa 70.000 Jahre altes Kinderskelett fand man in der Teschik-Tasch-Höhle in Usbekistan von Steinbockhörnern umringt. Aus der Steinzeit sind Bestattungen erhalten, bei denen der Tote mit rotem Ockerpulver bedeckt wurde. Man geht davon aus, dass die rote Farbe als Farbe des Blutes das Leben symbolisiert. Im Jungpaläolithikum begannen die Menschen, ihre Verstorbenen für ein jenseitiges Leben reich auszustatten. Solche Grabbeigaben bildeten lange vor Tempelbauten oder Ähnlichem erste Hinweise auf religiöse Vorstellungen.

Seit Menschen denken konnten, sind sie von Wechselwirkungen zwischen dem Totenreich und dem Reich der Lebenden ausgegangen. Gegenüber den Ahnenkulten und der Geisterbannung in den älteren magisch-religiösen Vorstellungswelten haben die heute existierenden Weltreligionen diesen Verkehr zwischen dem Jenseits und Diesseits stark eingeschränkt. Eine Möglichkeit der Einwirkung der Verstorbenen auf die Lebenden wird von den Weltreligionen im Allgemeinen negiert, doch können die Hinterbliebenen durch Andenken, Wohlverhalten und bestimmte Riten die jenseitige Existenz der Toten positiv beeinflussen. Deshalb ist die religiöse Begleitung des Übergangs vom Leben zum Tod für alle Gläubigen der Welt essenziell wichtig. Die Formen der Abschiedsrituale und des Gedenkens hängen selbstverständlich von der jeweiligen Auffassung des nachtodlichen Schicksals ab.

Die drei "abrahamischen" Religionen Judentum, Christentum und Islam sind sich darüber einig, dass im Jenseits eine Belohnung des Gehorsams und Bestrafung des Ungehorsams gegenüber den jeweils formulierten göttlichen Geboten in irgendeiner Form stattfinden wird. In welcher Verfassung der Verstorbene sie erlebt, wird allerdings unterschiedlich gesehen. Das orthodoxe Judentum stützt sich auf das Prophetenwort: "So spricht Gott der HERR zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Odem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet. Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben, dass ihr wieder lebendig werdet; und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin" (Hesekiel 37, 5-6). Wer diese Aussage ernst nimmt, muss natürlich darauf bestehen, dass die Gebeine der Verstorbenen für immer und ewig unangetastet bleiben.

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Im Islam ist die Sachlage weit weniger eindeutig. Der Koran sagt: "Gott ließ euch aus der Erde wachsen, wie Pflanzen, dann bringt er euch in sie zurück und holt euch wiederum hervor" (Sure 71, Vers 17-18). Das bedeutet nicht unbedingt, dass der Leib für die Auferstehung aus genau demselben Staub geschaffen sein muss, zu dem er vorher zerfallen war. Dennoch bestehen auch die Muslime auf unbefristeter Grabesruhe. Ferner soll der Tote ohne Sarg bestattet werden und mit dem nach rechts gerichteten Haupt in Richtung Mekka blicken.

Obwohl die Christen ebenfalls die Auferstehung des Fleisches bekennen und sich im Grunde auf dieselben Bibelstellen beziehen wie die Juden, hat der griechische Glaube an eine vom Körper völlig unabhängige Seele das Christentum so weit beeinflusst, dass die Unversehrtheit sterblicher Überreste eigentlich keine Rolle mehr spielt. Dementsprechend sieht die deutsche Gesetzgebung keine unbefristeten Liegezeiten auf Friedhöfen vor. Hier entsteht ein Konflikt zwischen den Anforderungen der verschiedenen Religionen. Während den Juden traditionell schon immer eigene Friedhöfe und eine Autonomie in der Bestattungskultur zugestanden wurden, ist man erst in jüngster Zeit auf die Bedürfnisse der Muslime eingegangen. Ein weiterer Widerspruch zu deutschen Vorschriften besteht in der Forderung des Judentums und des Islam, den Verstorbenen noch am Tage des Ablebens zu bestatten. Doch auch hierbei wurden praktikable Kompromisse gefunden.

Für die Religionen, die an eine Seelenwanderung glauben, ist der tote Körper weit weniger wichtig. In seinem nächsten Dasein bekommt der Verstorbene ohnehin einen neuen. Deshalb überrascht es nicht, dass sowohl im Hinduismus als auch im Buddhismus die Sitte der Totenverbrennung vorherrscht. Während die Buddhisten die Asche des Toten in der Regel beerdigen, streuen fromme Hindus sie in einen Fluss, vorzugsweise in einen heiligen. Die Kremation ist in Deutschland kein Problem, aber eine öffentliche Verbrennung, wie im Hinduismus üblich, kommt hierzulande selbstverständlich nicht in Frage. Deshalb lassen fromme Hindu-Familien die Leichname ihrer Verstorbenen am liebsten in die Heimat überführen.

Buddhisten betten die Überreste ihrer Verstorbenen gerne in die Nähe heiliger Orte. So wurden durch Zufall zahlreiche Urnen in der buddhistischen Pagode von Hannover entdeckt. Die Stadtverwaltung reagierte durch das Einrichten eines speziellen Friedhofsbereichs. Ob das ein adäquater Ersatz für die Pagode ist, können nur die Buddhisten selbst beurteilen. Jedenfalls handelt es sich zumindest um eine legale Lösung.

Die Zunahme von Migranten unterschiedlicher religiöser Prägung in unserer heutigen Gesellschaft hat besonders in den Ballungszentren zu der Notwendigkeit geführt, auf ihre Sitten im Umgang mit den Toten einzugehen. Gerade in einer fremden Umgebung bestehen Menschen auf ihren religiösen Traditionen, die sie als identitäts- und gemeinschaftsstiftend erleben. Dadurch werden unsere "Friedhofslandschaften" immer vielfältiger, wie am Beispiel des größten Parkfriedhofs der Welt in Hamburg-Ohlsdorf nachfolgend aufgezeigt wird.

Dieser Friedhof wurde angelegt als Ersatz für die vor den Toren der Stadt gelegenen und seit der Wende zum 19. Jahrhundert bestehenden Begräbnisplätze der innerstädtischen und christlichen Kirchengemeinden. Nach Eröffnung des Friedhofs im Jahr 1877 stand nunmehr ein zentraler Begräbnisplatz für alle Bürger dieser Stadt, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit, zur Verfügung. Aufgrund seiner Bedeutung für die in der Weltstadt Hamburg lebenden und wirkenden Menschen entwickelte sich im Laufe der Zeit ein Bedarf von identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Bestattungsbereichen, deren Anlagen das Friedhofsbild mitprägen.

Der erste Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes schreibt zur Gestaltung des Ohlsdorfer Friedhofs Jahre später über seine "Bedingungen für die Plangestaltung", dass diese unter anderem "den Sitten und Gebräuchen der Verstorbenen völlig zu entsprechen" haben. Zur gestalterischen Umsetzung merkte er an: "Der Friedhof soll nicht eine Stätte des Todes und der Verwesung sein. Freundlich und lieblich soll alles dem Besucher entgegentreten und dadurch der Ort aus der umgebenden Landschaft herausgehoben und geweiht werden". Die durch die Landschaftsgestaltung entstandene Schönheit des Ortes sollte nach den Vorstellungen von Cordes einer Weihe gleichen. Ohlsdorf wurde der erste gemeinschaftsstiftende und konfessionsoffene Friedhof in Hamburg.

Als wenige Jahre später in unmittelbarer Nähe ein jüdischer Friedhof angelegt wurde, bevorzugten liberale Juden den zentralen kommunalen Friedhof von Anbeginn für ihre Bestattungen. Die Grabstein-inschriften namhafter jüdischer Bürger dieser Stadt weisen darauf hin. Auch die Anlage zahlreicher Genossenschaftsgräber von beruflichen Vereinigungen und anderen Sterbekassen - seit dem frühen 19. Jahrhundert eine hamburgische Tradition - waren und sind heute wieder beliebte Gemeinschaftsanlagen. Dazu gehört unter anderem das katholische Grabfeld, das 1930 bei Kapelle 13 als Ersatz für kleinere Areale eingerichtet wurde. Seit 1984 besitzt es einen Kreuzweg, ein Novum für einen kommunalen Friedhof im Norden Deutschlands. Fast zur gleichen Zeit richtete der Chinesische Verein im gleichen Kapellenbereich 1929 ein eigenes Grabfeld ein. Ein weiteres wurde ihm vor einigen Jahren bei Kapelle 10 überlassen. Für die japanische Kolonie in Hamburg erwarb 1944 das kaiserlich japanische Generalkonsulat eine Gemeinschaftsgrabstätte für die Beisetzung von Urnen. Heute besteht nur noch die architektonisch gestaltete Breitwandstele am Ende der Talstraße. Abgesehen von den in Familiengräbern bestatteten Freimaurern, sei auf das Gemeinschaftsgrab der Johannisloge "Phönix zur Wahrheit" hinter den britischen Soldatengräbern hingewiesen. Es wurde 1925 überlassen.

Islamische Bestattungen waren auf dem Friedhof schon seit 1941 möglich. Die damalige iranisch-mohammedanische (heute iranisch-islamische) Gemeinde besitzt seitdem in der Nähe der Kapelle 2 eine Gemeinschaftsgrabstätte. Ein weiteres Grabfeld befindet sich nunmehr bei Kapelle 13, gelegen in unmittelbarer Nähe von zahlreichen Grabstätten für Muslime anderer Nationen, vornehmlich für Türken. Rituelle Waschungen sind seit 1997 in einer nahe liegenden Kapelle möglich. Die islamischen Gräber fallen dadurch auf, dass sie nach Nordosten ausgerichtet und überreich blumengeschmückt sind. Ihre meist dunklen Grabsteine tragen in der Regel auch Namen in persischer Schrift. Gemeinschaftliche Zeichen sind nicht anzutreffen. Seit 2008 hat hier auch der islamische Sufi-Orden einen eigenen kleinen, noch nicht gekennzeichneten Begräbnisplatz erworben.

In ähnlicher Anmutung warten in unmittelbarer Nähe seit 1982 die Gräber der Bahá'í auf. Die Glaubensgemeinschaft der Zarathustrier lässt ihre Verstorbenen seit 2007 in einem geschlossenen Bereich bei Kapelle 7 bestatten. Auffallend auf ihren Grabsteinen ist das Symbol des geflügelten Faravahar. Die wenigen Grabstätten von Buddhisten liegen verstreut und sind kaum zu erkennen. In einem Falle schmücken kleine Buddha-Statuen das Grab.

Die dargestellten Beispiele zeigen auf, wie sich der Friedhof Ohlsdorf in der Weltstadt Hamburg von Anfang an als konfessionsoffener Bestattungsort verstanden hat. Als solcher soll er sich auch in Zukunft weiter entwickeln. Der Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e.V. wird in enger Zusammenarbeit mit der Friedhofsverwaltung diese öffentlich wenig bekannte Tatsache in der Ausstellung Diesseits - Jenseits, Gedenkkulturen der Weltreligionen auf dem Ohlsdorfer Friedhof darstellen. Damit ist auch ein aktueller Bezug zu den Gärten der fünf Weltreligionen auf der Internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg gegeben. Für deren Planung und Entwurf zeichnet die Freie Garten- und Landschaftsarchitektin Gudrun Lang aus Hamburg verantwortlich. Sie hat die Konzeption für die Ausstellung auf dem Ohlsdorfer Friedhof zusammen mit Sabine Nolting (Gartenkult) entwickelt. Im Blickpunkt werden die fünf Weltreligionen stehen: Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum. Die Idee zur Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit den Glaubensgemeinschaften, die bei der Welt der Religionen auf der igs Hamburg 2013 mitwirken, entstanden.

Als Ausstellungsort wurde die halbrunde Fläche gegenüber dem neuen Bestattungsforum ausgewählt. Die friedhofsseitige Gebäudefassade mit ihrer sakralen Wucht sowie die strenge Linienführung der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus wirken auf den Ort.

Im 2011 eröffneten Bestattungsforum gibt es Räume für individuelle Abschiede am offenen Sarg, zwei moderne und eine historische Feierhalle für Trauerfeiern, Familienräume, das Café Fritz, Ausstellungsflächen sowie zwei Räume für oberirdische Urnenbeisetzungen. Das historische Krematorium des prominenten Hamburger Architekten Fritz Schumacher wurde dazu denkmalgerecht saniert und wieder in Betrieb genommen. Die vor ihm liegende Ausstellungsfläche wird einheitlich gestaltet und durch Symbole der fünf Weltreligionen gekennzeichnet. Tafeln mit Informationstexten zu den Bestattungskulturen der Weltreligionen vervollständigen das Konzept. Eröffnet wird die Ausstellung mit einer Rede von Prof. Dr. Wolfram Weiße (Direktor der Akademie der Weltreligionen an der Uni Hamburg) am 14. April 2013. Weitere Vorträge von Vertretern der Religionsgemeinschaften sind geplant.

Friedhöfe befinden sich heute im Wandel. Neue Anforderungen der multikulturellen Gesellschaft stellen sie vor schwierige inhaltliche und wirtschaftliche Aufgaben. Die Ausstellung Diesseits - Jenseits möchte über die neue Vielfalt informieren und Anregungen für den künftigen Umgang mit dem Wandel in der Bestattungskultur bieten.

Dr.-Ing. Marketa Haist
Autorin

Landschaftsarchitektin

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