Grün senkt Krankenstand um 40 Prozent

EU-Kommission Stadtklima
Zur Jahrestagung der elca Ende Mai 2013 trafen sich Vertreter unter anderem aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Japan, Kanada, Australien und aus Deutschland, um über "Strategien für die grüne Stadt der Zukunft" zu diskutieren. Foto: Mechthild Klett

Er ist nicht nur gesund, es wird auch immer mehr gefordert - Grün in der Stadt. Zum 50. Jubiläum des European Landscape Contractors, elca Association, gibt die EU Kommission eine Mitteilung zur Grünentwicklung heraus. Der elca-Präsident Emmanuel Mony im Gespräch mit Mechthild Klett.

Die ELCA feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Können Sie uns einige Stationen des Verbandes nennen, die seine Entwicklung besonders geprägt haben?

Wir sind natürlich stolz auf 50 Jahre ELCA, dies ist für uns ein Grund zum Feiern. Wir können eine erfolgreiche Arbeit in 21 europäischen Ländern mit 75.000 Betrieben und 350.000 Mitarbeitern vorweisen. Wichtige Themen auf EU-Ebene sind für uns heute alle Fragen rund ums Grün, Bürokratieabbau und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.

Doch zunächst ist es auch so, dass der Beruf des Landschaftsgärtners noch relativ jung ist. Maurer, Tischler, Schreiner - dies sind alles Berufe, die bereits seit Jahrhunderten existieren. Warum ist der Garten- und Landschaftsbau noch so jung? Früher gab es Gemeinden, Unternehmen oder Herrschaftshäuser, die ihre eigenen angestellten Gärtner hatten, die die Grünpflege übernahmen. Erst in den vergangenen 50 Jahren haben sich die Landschaftsgärtner organisiert und dann national und europäische Verbände gegründet.

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Wie kam es also dazu, dass so viele GaLaBau-Unternehmen entstanden sind?

Nach dem Krieg mussten viele Städte neu aufgebaut werden und die Nachfrage nach Ein-, Mehrfamilien- und Siedlungshäusern stieg enorm an. Damit kam es vor allem zu einer großen Nachfrage nach öffentlichen Grünflächen und einigen privaten Gärten. Dies erforderte Profis, die die Gärten der neugebauten Häuser anlegten. Diese große Nachfrage nach öffentlichem Grün hielt an bis in die 70er Jahre, dann wurde langsam die Nachfrage von Privatkunden immer stärker. Heute ist diese auf ganz Europa gesehen dominierend. Sie hängt verständlicherweise auch von der wirtschaftlichen Situation in den verschiedenen Ländern ab.

Was hat sich dann geändert?

Bis Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre stand bei der Gartengestaltung der ästhetische Aspekt im Vordergrund. Schließlich entwickelte sich vor allem in Deutschland das ökologische Bewusstsein stärker heraus, so dass zum Beispiel immer stärker auf Pflanzenschutzmittel auch im Garten verzichtet wurde. Produkte wie Roundup wurden in den 1950er Jahren entwickelt. In dieser Zeit war Pflanzenschutz vor allem eine Angelegenheit der Landwirtschaft. Diese Pflanzenschutzprodukte wurden dann auch für öffentliche und private Gärten entwickelt und angewendet.

Doch dann änderte sich das Umweltbewusstsein?

Dieses Umweltbewusstsein und das Bewusstsein über gesundheitliche Risiken durch Feinstaub und Lärm oder schlechtes Klima in den Städten sind ja noch relativ jung. Wir wissen über diese Auswirkungen einfach noch viel zu wenig, beziehungsweise wir verfügen noch über zu wenige Studien, die sich mit den positiven Auswirkungen von Grün auf den Menschen befassen. Es gibt zwar viele Forschungsansätze. Diese sind jedoch nicht koordiniert oder aufeinander aufbauend. Eine Studie bei BMW hat gezeigt, dass der Krankenstand um 40 Prozent geringer ist, wenn Innenraumbegrünung in den Büros zu finden ist. Für ganz Europa gibt es solche Studien jedoch nicht, dies müssen wir nun dringend nachholen.

Sie haben sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt, Sie wollen eine nachhaltige und grüne Stadtentwicklung, was ist Ihre Strategie, um diese Ziele zu erreichen? Forschung einerseits und die Argumentationslinie mehr Grün bedeutet auch mehr Gesundheit und attraktivere Städte?

Wir Landschaftsgärtner und -planer beklagen, dass wir häufig in öffentlichen Diskussionen mit unseren Forderungen nach mehr lebendigem Grün nicht ernst genug genommen werden oder, dass Grün nicht genug auf die Tagesordnung gesetzt wird. Problematisch ist eben auch, dass wir hierfür keine großen Forschungsprogramme haben. Notwendig ist also, dass wir Grundlagenforschung betreiben. Dies würde unserem Anliegen die notwendige Glaubwürdigkeit verleihen, um im Alltag Argumente für mehr Grün in der Hand zu haben. Wir wissen als grüne Profis natürlich aus Erfahrung wie Grün wirkt und welche Bedeutung Grün für uns hat. Die Politiker sind dagegen häufig sehr ängstlich, wenn es darum geht, einmal eine klare Aussage zu treffen. Sie fordern uns dann auf, für sie diese Aussage zu treffen und diese Aussagen zu belegen. Damit sind wir wieder bei der Grundlagenforschung. Jetzt kommt es darauf an, sie zu organisieren und insbesondere durch EU-Mittel aus Horizont 2020 zu finanzieren. Natürlich haben wir uns zusammengeschlossen, etwa im BGL oder UNEP, um dies leisten zu können. Doch solange wir nur als "versponnene" Interessengruppe betrachtet werden, können wir nicht viel erreichen. Es gibt einen großen Mix an verschiedenen argumentativen Ansätzen, aber vieles ist nicht wirklich bewiesen.

Immer wieder sperren sich Städte und Gemeinden dagegen, neues Grün zu schaffen oder mehr Geld für die Pflege auszugeben, weil die Haushaltskassen leer sind. Wie kann man die Städte und Gemeinden überzeugen, dass Grün für sie ein Gewinn ist?

Das einzige Mittel ist natürlich, Forschungsergebnisse zu erarbeiten. Anhand der Ergebnisse kann argumentiert werden. Wir dürfen aber nicht Kitas gegen Grünflächen und Parks ausspielen. Grün müsste in jedem Investitionsprojekt mitgedacht und integraler Bestandteil werden.

Grün ist nicht nur Dekoration, sondern erfüllt wichtige Funktionen zur Verbesserung des Stadtklimas, zur Feinstaubbindung und im Rahmen der Biodiversität. Dies muss herausgestellt und in Zukunft noch besser belegt werden. Dabei stellt sich die Frage, ist es eigentlich entscheidend, ob sich zum Beispiel das Stadtklima durch Bäume und Freiluftschneisen zu 10 oder 15 Prozent verbessert? Die Forderung nach genauen Zahlen ist für mich auch eine Stellvertreterdiskussion, um heute nicht mehr in Grün investieren und vor allem keine Mittel für Pflege bereitstellen zu müssen.

Ein Ansatzpunkt ist ja nun auch eine Europäische Mitteilung zur Grünentwicklung. Wie können Sie hiermit im alltäglichen politischen Geschäft argumentieren?

Diese Mitteilung der EU-Kommission ist ein Beleg für die erfolgreiche Lobbyarbeit zur grünen Stadtentwicklung. Schon viele Jahre führen wir dazu Gespräche in Brüssel mit Vertretern der EU-Kommission und des Parlaments. 2011 unterstützten wir unsere Argumente durch einen anerkannten Forschungsworkshop zusammen mit vielen Wissenschaftlern aus ganz Europa. Die jetzige Mitteilung belegt zunächst, dass die ELCA-Botschaft angekommen ist. Mit ihr können wir jetzt weiter arbeiten und sagen, den richtigen Lippenbekenntnissen müssen jetzt Taten folgen; zum Beispiel mehr Forschungsgelder, mehr Aufklärung und auch mehr subsidiäre Hilfe an Städte und Gemeinden, die in Grün investieren wollen. Ich glaube, wenn Anreize richtig gesetzt sind, gibt es für das städtische Grün in Europa sehr viel Gutes zu berichten und weniger Fehlentwicklungen. Heute will der Mensch in der Stadt und auf dem Land leben. Dies geht nur mit mehr Grün in der Stadt. Die EU-Mitteilung dazu ist ein wichtiger Schritt, wie jeder weiß, der politisch tätig ist.

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