Die Tropenhäuser Wolhusen und Frutigen in der Schweiz

Grüne Energie für Tropenhaus und Fischzucht

Nachhaltigkeit und Innovation
Die Form des Tropenhaus Wolhusen ist angelehnt an die Hügellandschaft der Voralpen. Fotos: Erhard Heuerding
Nachhaltigkeit und Innovation
Der Rundgang durch das Tropenhaus Wolhusen informiert jährlich über 10.000 Besucher über tropische und subtropische Pflanzenarten aus aller Welt.

In der Innerschweiz überführt eine 292 Kilometer lange Hochdruckleitung des Europäischen Erdgas Verbandes Erdgas von Nordeuropa nach Italien. Das Gas benötigt einen hohen Transportdruck und strömt deshalb durch eine Verdichtungsstation im Kanton Luzern. Beim Verdichtungsaufbau entstehen hohe Heizwerte. Die Abwärme ist für die Energieproduktion nutzbar. Daher beschloss die Regierung des Kantons Luzern 1987, als erster Kanton in der Schweiz, die Nutzung solcher Abwärme gesetzlich zu verankern. In Luzern baute man ein Tropenhaus und nutzt die Abwärme für die Kultur von Tropenpflanzen.

Ein zweites Objekt im Kanton Bern löste ein ähnliches Problem. Aus den Felsen um den neuen Lötschberg-Basistunnel strömen große Mengen warmen Bergwassers aus. Das Wasser stellt wegen seiner Aggressivität eine Gefahr für Flora und Fauna dar. Hier galt es, die vorhandene Wasserwärme einer Energienutzung zu zuführen. Gebaut wurden ein Tropenhaus und dazu ein Wasserbecken für die Anzucht von Störfischen.

Tropenhaus Wolhusen (Luzern)

Mit dem Entscheid im Jahr 1987, das Gesetz über die Abwärmeverwendung umzusetzen, wurde eine energiepolitisch bedeutende Entwicklung eingeleitet. Die Folge war das Pilotprojekt Tropenhaus Ruswil, das auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern mit Anschluss an die Gasverdichtungsstation erbaut wurde, um tropische und subtropische Nutzpflanzen aus Asien, Afrika, Zentral- und Südamerika mit Hilfe von Abwärme ganzjährig zu kultivieren. Die zehnjährige Versuchsphase von 1987-1997 belegte, dass eine gewinnbringende Erzeugung tropischer Produkte im Tropenhaus möglich war. Auch im Winter konnten hochwertige Produkte wie Bananen, Sternfrüchte, Papaya, Mango und Gewürze an Markt, Verbraucherfirmen, Hotels sowie Institutionen geliefert werden.

Der Aufbau eines größeren Tropenhauses und die Entwicklung eines umfangreichen Konzeptes erfolgten mit Spezialisten aus Südostasien. Hinzugezogen wurden darüber hinaus Fachkenner eines Biosphäre-Projektes in Arizona. Die Eröffnung des Tropenhauses 2 fand 2007, nach 18 Monaten Bauzeit statt. Die Produktionssysteme sind in Europa eine Neuheit und basieren auf Abwärmenutzung, Sonnenenergie und Regenwasser. Beim Einsatz von Fischfutter für die tropische Buntbarsch-Art 'Tilepia' entsteht Abwasser. Das wiederum als Nährstoffbasis bei der Bewässerung im Tropenhaus dient. Die so entstandenen Produkte, die Südfrüchte, Gewürze und das Gemüse, bereichern den innerschweizerischen Markt. Das Produktionssystem schließt den Kreislauf im Tropenhaus und erzielt mit der Abwärmeumnutzung und der Wasseraufbereitung eine bemerkenswerte Betriebskosteneinsparung.

Eindrücklich ist die Besichtigung der neuen Gesamtanlage in Wolhusen mit ihren Gewächshäusern, die in ihrer Form die Hügellandschaft der Voralpen übernommen haben. Der Besucher- und der Produktionsbereich sind voneinander getrennt. Damit kann das Personal auf der 5300 Quadratmeter großen Produktionsfläche des Gewächshauses gezielter, wirtschaftlicher und unabhängiger arbeiten. Für das Publikum befinden sich nebenan das 1800 Quadratmeter große Tropenhaus, das 300 Quadratmeter große Restaurant und der Markt. Den über 10.000 Besuchern jährlich bietet das Tropenhaus eine Vielzahl am Instruktionen und Praxishinweisen und berücksichtigt damit auch das steigende Interesse der Tourismusbranche.

Tropenhaus Frutigen (Bern)

Der Bau eines Tropenhauses und Fischbeckens in Bern beruht auf dem Bau des 2. Lötschberg-Basistunnels, der mit über 30 Kilometern Länge die leistungsfähigere Bahnverbindung für den Personen- und Autotransport von Norden nach Süden bietet. Beim Tunnelbau fließt, wenn zerklüftetes Gestein ausbricht, erfahrungsgemäß Bergwasser ins Freie. Die Ingenieure des Lötschberg-Basistunnels stellten bei Sondierungen in der Planungsphase Wassertemperaturen von 20 bis 25 Grad Celsius fest. Das "Abfallprodukt" warmes Bergwasser mit bis zu 400 Liter Abflussmenge pro Sekunde musste irgendwie verwertet werden. Doch die hohe Wassertemperatur hätte beim Ableiten in den nahen Fluss den Fischbestand mit Forellen zerstört. Auch die Umweltbelastung durch das aggressive Wasser wäre groß. Deshalb wurde das verschmutzte Bauwasser in der Wasseraufbereitungsanlage gereinigt.

Die Bauherrschaft erkannte das anfallende warme Bergwasser als grünen Energieträger und prüfte die Möglichkeit, die Wasserwärme in einem Energiekreislauf umweltfreundlich einzusetzen. Daraus entstand die Idee eines Tropenhauses kombiniert mit einer Stör-Fischzuchtanlage. Zur Umsetzung der Idee war es nötig die Kostenfolge abzuschätzen, denn das temperierte Tropenhaus sollte Pflanzen ausstellen, aber auch kommerzielle Früchte tragen. Als konkrete Grundlage dafür diente ein Vorprojekt.

Heute steht das Tropenhaus im Zentrum der Gesamtanlage. Warmwasserpumpen leiten das warme Wasser vom Lötschberg in verschiedene Gebäude. Die Temperatur im Haus beträgt 20 Grad Celsius und eignet sich daher für die Anzucht und Kultur der tropischen und subtropischen Pflanzen sowie der Ernte ihrer Früchte für die Gastronomie. Der sibirische Stör lebt in einem Wasserbecken bei 18 Grad Celsius. Das Fischfleisch und auch ihr Kaviar ist eine Delikatesse für die Gäste des Tropenhaus-Restaurants.

Den Besuchern des Tropenhaus Frutigen werden anhand von praktischen Beispielen die verschiedenen Aspekte der Energieproduktion und die Energienutzung, insbesondere der erneuerbaren Energien, anschaulich erklärt. Die Berner Kraftwerke ergänzen mit Photovoltaik auf dem Dach des Tropenhauses. Kalkfreies Regenwasser wird auf den Glasdächern aufgefangen, in einem Bassin gesammelt und zur Bewässerung genutzt. Grünabfälle verarbeitet die Biogasanlage zu Energie. Auch Ideen für den Einsatz von Erdwärme für Betriebe, Wärmepumpen und Gebäude werden vorgestellt. Damit zeigen die Fachspezialisten wie man mit innovativem Denken geothermische Energie optimal einsetzen kann. Im Tropenhaus deckt das umgesetzte Abfallprodukt, das warme Bergwasser, den größten Teil der benötigten Energie. Für den Restbedarf an Energie werden natürliche Quellen - Sonne und Biomasse - eingesetzt.

Architektonisch passt die Gesamtanlage gut in die Gegend des Berner Oberlandes. Strukturierte Felswände bilden dekorative Fassadenoberflächen und gleichzeitig einen Windschutz. Der Blick des Besuchers wird zu den flachen lang gestreckten Becken mit den Störfischen gelenkt. Der Rundgang führt weiter zum Tropenhaus, das im Mittelpunkt der Anlage steht. Dort begeistern die glänzenden, farbigen Früchte tropischer Pflanzenarten wie Bananen aus Indochina, Papayas aus Mittelamerika und Avocados aus Zentralamerika die Besucher. Die Ernte betrug bereits im ersten Jahr zwei Tonnen Süd-Früchte und wurde ebenfalls im tropenhauseigenen Restaurant verwendet. In Konkurrenz zur Farbvielfalt und Größe der tropischen Früchte steht die Orchideensammlung, die im Frühjahr ins Tropenhaus lockt. Über die 1000 Gattungen aus aller Welt staunen die Orchideen-Liebhaber aus der Alpenregion.

Gemeinsam führen Wolhusen und Frutigen heute das Markenzeichen Tropenhaus, denn ihre Aufgaben - Bau, Unterhalt, Kulturablauf, Betriebsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit - ähneln sich. Der Einsatz und die Umwandlung von Abwärme aus der Erdgasverdichtung und dem Bergwasser des Lötschberg zeigen neue grüne Wege der Energienutzung und -gewinnung. Die Besucherzahlen von mehr als 100.000 Personen in Frutigen bezeugen reges Interesse an diesen neuen Anlagen.

Erhard Heuerding

Literatur

www.tropenhaus-frutigen.ch

www.tropenhaus-wolhusen.ch

Heeb, Johannes: Das Tropenhaus Wolhusen. Tropenhaus Wolhusen (Hrsg.), 2010.

Bärtels, Andreas: Farbatlas Tropenpflanzen. Ulmer Verlag, 3. Auflage 1993.

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