Gute Mitarbeiter:innen finden und halten

Aktiv gegen Fachkräftemangel in Großbritannien

Großbritannien ist berühmt für seine schönen Gärten und die große Pflanzenvielfalt. Demnach könnte das Land ein Paradies für Gärtner sein, sowohl was die Auswahl interessanter Stellen betrifft als auch im Hinblick auf die Möglichkeiten, beruflich dazuzulernen – ideale Voraussetzungen für junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Auch im britischen Gartenbau gibt es Klagen über den Fachkräftemangel und die sogenannte Qualifikationslücke.
Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 1: RHS, "Wir bringen die erholsame Kraft des Gärtnerns zu den Menschen . . . " Mit der Werbung für ihre Aufgaben und Ziele zeigt die RHS auch, warum Pflanzen und Gärten wichtig und wertvoll sind. Foto: Anke Bührmann

Für manche Gartenbaubetriebe bedeutet das, dass sie nicht weiterwachsen können, und es lässt manche mit Blick auf die Zukunft ins Grübeln kommen. Die Anforderungen und Möglichkeiten für den Gartenbau haben sich durch veränderte gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen gewandelt: Stichworte wie Klimawandel, Biodiversität, 15-Minuten-Stadt und Arbeiten im Homeoffice zeigen, dass damit verbundene neue Entwicklungen, Anforderungen und Erwartungen interessante Perspektiven für den GaLaBau bieten.

Wie ein Wort die Wahrnehmung verändern kann

In gewisser Weise ist dies eine Zeitenwende für die Branche. Das britische Landscape Institute, eine berufsständische Organisation, beschreibt diese Entwicklung sinngemäß in einem Résumé zur Fachkräftefrage so: Hohe Anforderungen durch den Klimawandel, der Schutz der biologischen Vielfalt, die zunehmende Bedeutung von Grün im öffentlichen Raum und die mögliche Positionierung der gestalteten Landschaft im Zentrum des Zusammenspiels verwandter Disziplinen – all das führt zu veränderten und erweiterten Aufgaben bei der Garten- und Landschaftsgestaltung, weg von vorwiegend ästhetischen Aspekten hin zur Multifunktionalität. Diese Entwicklung bietet der Branche die Chance, sich als ein grundlegender Aktivposten der britischen Wirtschaft neu zu positionieren.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Änderung des Namens der Ornamental Horticulture Roundtable Group (OHRG) zu Environmental Horticulture Group (EHG) im Jahr 2023. Die EHG ist ein Zusammenschluss von Branchenführern und Organisationen aus dem Gartenbau. Die Gruppe möchte das Bewusstsein für den Wert und die Bedeutung von Baumschulprodukten, Gärten, Parks und anderen Leistungen des Gartenbaus fördern. Mit der Änderung von Ornamental (im Sinne von zierend, dekorativ) zu Environmental (die Umwelt betreffend, auf die Umwelt bezogen) wird die Bedeutung von Pflanzen für die Umwelt weiter gefasst und deutlicher hervorgehoben. Damit wird der Fokus von "nur" dekorativ auf die weitaus vielfältigeren positiven Wirkungen von Pflanzen gelenkt.

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Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 2: Die perfekt anmutenden Schaugärten auf der RHS Chelsea Flower Show zeigen das Können der beteiligten GaLaBauer und sind eine gute Werbung für die Leistungen des Berufsstands. Foto: Anke Bührmann
Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 3: Die perfekt anmutenden Schaugärten auf der RHS Chelsea Flower Show zeigen das Können der beteiligten GaLaBauer und sind eine gute Werbung für die Leistungen des Berufsstands. Foto: Anke Bührmann

Mehr Anerkennung für die berufliche Bildung

Dieser Wandel hin zu umfassenderen Aufgaben bietet jungen Menschen spannende und sinnerfüllte berufliche Perspektiven. Doch die Möglichkeiten, die die Grüne Branche bietet, sind vielen oft nicht bekannt. Zudem wird die Berufswahl aufgrund zahlreicher neuer Berufe immer schwieriger. Dazu kommen andere Einflussfaktoren wie das Abwägen zwischen Interessen, Einkommensmöglichkeiten und dem Image des Berufes. Das Image des zukünftigen Berufes ist eng mit dem Aspekt der sozialen Anerkennung im Freundeskreis verbunden. Neuere Untersuchungen des in Bonn ansässigen Bundesinstituts zur Berufsbildung (BIBB) zeigen, dass manche Berufe bei der Berufswahl ausgeschlossen werden, weil sie mit einem negativen Image verbunden werden – und diese Entscheidung erfolgt oft unbewusst. Selbst wenn ein Beruf den Neigungen entspricht, kann das Bedürfnis nach Anerkennung im privaten Umfeld dazu führen, dass er gar nicht erst in Betracht gezogen wird.

Trotz der Liebe der Briten zu ihren Gärten und Parks hat der Beruf des Gärtners auch in Großbritannien kein besonders gutes Image. Dazu kommt, dass der Wert eines Studiums oft als viel höher angesehen wird als die berufliche Ausbildung. Immer deutlicher zeigt sich aber, dass gut ausgebildete Fachkräfte mit praktischer Erfahrung und fundiertem Wissen für die Wirtschaft wichtig sind. Darum wird zunehmend auch von politischer Seite daran gearbeitet, das Image der beruflichen Bildung zu verbessern und die berufliche Aus- und Weiterbildung zu stärken.

Experten weisen aber darauf hin, dass dies auch mit einer größeren Wertschätzung der beruflichen Bildung in den Familien einhergehen muss. Die zum Teil hohen Schulden, mit denen britische Uni-Absolventen oft ins Berufsleben starten, sind mit ein Grund, weshalb Jugendliche die berufliche Bildung mittlerweile positiver sehen und eine Ausbildung durchaus als eine sinnvolle Alternative zum Studium in Betracht ziehen.

Soziale Medien werden für die Berufswahl wichtiger

Betriebe, in denen Wertschätzung und Teamgeist herrschen und die in ihre Mitarbeiter investieren, haben es leichter, gute Fachkräfte zu finden und im Unternehmen zu halten. Diese gelebten Werte können auch bei der Außendarstellung von Bedeutung sein. Soziale Medien werden immer wichtiger, um die Firmenphilosophie und die Leistungen von Unternehmen bekannt zu machen: Laut azubi.report 2024 gaben 39 Prozent der Auszubildenden an, dass soziale Medien ihre Berufswahl beeinflusst haben. Dieser Wert ist um 26 Prozent höher als das Ergebnis einer Umfrage von 2022. Angesichts der Möglichkeiten, die die neuen Medien bieten, ist das nicht verwunderlich.

Ein schönes Beispiel für die erfolgreiche Social-Media-Nutzung ist die Instagram-Präsenz des Garten- und Landschaftsbauers Mark Gregory, Gründer von Landform Consultants. Ihm folgen auf markgregorylandscaper 171.000 Garten- und Pflanzeninteressierte. Mit rund vier Jahrzehnten Berufserfahrung und vielen ausgezeichneten Schaugärten, die er für Gartendesigner auf der RHS Chelsea Flower Show gestaltet hat, verfügt Gregory über einen riesigen Erfahrungsschatz. Dazu kommt seine große Begeisterung für seinen Beruf und sein Engagement für die Branche, das beim Besuch seines Instagram-Accounts spürbar wird. Zu den Beiträgen gehören Videos aus dem Firmenalltag, beispielsweise von Arbeiten auf Baustellen während verschiedener Gartenschauen, sowie persönlichere Beiträge und Porträts von Mitarbeitern und Berufskollegen.

Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 4: Eindrücke aus dem Leben eines Landschaftsgärtners: Der Instagram-Account von Mark Gregory (@markgregorylandscaper) zeigt nicht nur fertiggestellte Gärten, sondern auch, welche Arbeiten für manche Aufträge nötig sind. Foto: Screenshot
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Abb. 5: Der Influencer Michael Perry berichtet über die neuesten Trends aus der Welt der Pflanzen. Foto: Anke Bührmann

Influencer – stark mit Persönlichkeit und Fachwissen

James Wong und Michael Perry sind zwei sehr erfolgreiche Influencer und Autoren, die ebenfalls einen soliden fachlichen Hintergrund haben. Mit viel Leidenschaft und Persönlichkeit stellen sie im Internet, in Printmedien und im Fernsehen unterschiedliche Aspekte rund um Pflanzen vor. Dabei verbinden sie umfangreiche Fachkenntnisse mit dem Wissen um die Belange und Möglichkeiten des professionellen Gartenbaus. Michael Perry, bekannt als Mr Plant Geek, hat unter anderem als Planthunter und Produktmanager für den Saatgutanbieter Thompson & Morgan gearbeitet. Er berichtet über die neuesten Trends aus der Welt der Pflanzen und kann Verbrauchern auch komplexere Gartenthemen gut vermitteln.

James Wong, im Internet auch unter dem Namen botanygeek zu finden, ist ein Botaniker und Wissenschaftsjournalist, der in den Kew Gardens ausgebildet wurde. Er hat mehr als 586.000 Follower auf Instagram! Sowohl Michael Perry als auch James Wong machen mit ihrer Begeisterung Lust auf Pflanzen. Durch ihre Verwurzelung im Gartenbau stellen sie gelegentlich spannende berufliche Möglichkeiten für Pflanzenfans vor und sind gute, unkonventionelle Botschafter für die Branche.

Die Royal Horticultural Society (RHS) trägt ebenfalls dazu bei, Pflanzen auch für jüngere Zielgruppen interessant zu machen. Sie zeigt auf vielfältige Weise, wie wichtig Pflanzen sind und sie wirbt intensiv für die Beschäftigung mit ihnen – nicht zuletzt auch deshalb, weil die RHS gärtnerische Aus- und Weiterbildungen anbietet. Die RHS Chelsea Flower Show ist in gewisser Weise eine großartige Werbeplattform für den Garten- und Landschaftsbau: Während der fast einwöchigen Schau berichtet die BBC täglich mit ausführlichen TV-Beiträgen über die Schaugärten. Der Fokus liegt dabei auf Porträts und Gesprächen mit den Gartendesignern. Über die GaLaBau-Betriebe, die die Ideen umsetzen und entscheidend dazu beitragen, dass die Gärten während der Schau perfekt aussehen, wird bisher überraschenderweise kaum berichtet.

Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 6: James Wong hat mehrere Bücher geschrieben. Er ist auf Instagram sehr erfolgreich und arbeitet als Pflanzenexperte für TV-Sender wie die BBC. Foto: Anke Bührmann
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Abb. 7: Der Botaniker und Wissenschaftsjournalist Wong hat mehr als 586.000 Follower auf Instagram. Screenshot: Anke Bührmann

Mitarbeiter fördern, halten und motivieren

Ein großartiger und hochgeachteter Botschafter für den Gartenbau war der 2022 verstorbene Fachjournalist Peter Seabrook. Er schrieb eine regelmäßige Gartenkolumne in der auflagenstarken Tageszeitung The Sun und interviewte interessante Persönlichkeiten aus dem Gartenbau für seinen wöchentlichen Podcast "This Week In The Garden with Peter Seabrook". Selbst mit über 80 Jahren war er noch voller Ideen und mit viel Tatendrang für die Branche aktiv. Seabrook wurde für sein profundes Fachwissen und seine zahlreichen Initiativen sehr geschätzt. Ihm zu Ehren wurde deshalb die David Colegrave Foundation, eine Stiftung im Namen seines guten Freundes David Colegrave, in The Colegrave Seabrook Foundation umbenannt.

Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, junge Menschen im Gartenbau finanziell zu unterstützen und dazu beizutragen, mehr Menschen für die grünen Berufe zu gewinnen. Die Stipendien und Zuschüsse der Stiftung sollen jungen Gärtnern und Berufsstartern deshalb finanziell unter die Arme greifen und ihnen den Berufseinstieg oder eine Weiterbildung erleichtern. Ein außergewöhnlicher Weg, gute Mitarbeiter zu halten und Betriebe zukunftssicher aufzustellen, ist ein Employee Ownership Trust (EOT). EOTs werden in Großbritannien zunehmend beliebter. Sie gehen auf eine Initiative der Regierung im Jahr 2014 zurück, mit der die Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen gefördert werden soll.

Unternehmenseigentümer können ihre Aktien an einen Trust verkaufen, der sich im Besitz der Mitarbeiter befindet, ohne dass dabei Kapitalertragssteuer anfällt. Die Arbeitnehmer besitzen also keine direkten Aktien des Unternehmens. Stattdessen werden Unternehmensanteile auf eine Treuhandgesellschaft übertragen, die von Arbeitnehmer:innen gehalten wird. Durch dieses Modell fließen Unternehmensgewinne nicht an externe Investoren, sondern bleiben im Unternehmen, sowohl für Re-Investitionen als auch als Gewinnbeteiligung für die Mitarbeiter:innen.

Verschiedene Unternehmen aus der Grünen Branche haben dieses Modell gewählt, unter anderem Riverford, LDA Design und die Baumschule Majestic Trees, Steve McCurdy, der zusammen mit seiner Frau Janet Majestic Trees gegründet hat, erklärt den Schritt unter anderem mit Vorteilen für die Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Das Unternehmen hat schon lange einen Teil der Gewinne an die Mitarbeiter weitergegeben. Mit der Beteiligung wird die Baumschule aber noch attraktiver für die Mitarbeiter, von denen manche schon seit mehr als 15 Jahren in der Firma tätig sind. Ein EOT bietet außerdem zusätzliche Anreize für neue Mitarbeiter. Das sind, nach Aussage von Steve McCurdy, sehr gute Voraussetzungen dafür, dass sich die Besten aus der Branche für die Arbeit bei Majestic Trees entscheiden.

Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 8: James Wong hat mehrere Bücher geschrieben. Er ist auf Instagram sehr erfolgreich und arbeitet als Pflanzenexperte für TV-Sender wie die BBC.8 Der Fachjournalist Peter Seabrook hat sich auch mit über 80 Jahren noch für den Gartenbau engagiert, Ideen für Gartenschaubeiträge entwickelt, Kolumnen geschrieben und Persönlichkeiten aus der Grünen Branche für seinen Podcast interviewt. Foto: Anke Bührmann
Fachkräftemangel Ausbildung und Beruf
Abb. 9: Die Fachkräftesituation in Großbritannien wird in den „Skills for Greener Places“ zusammengefasst. Download unter https://t1p.de/landscape-institute Abb.: Landscape Institute

Ein besseres Image für die Zukunft

Bisher sind es vor allem einzelne engagierte Betriebe und Persönlichkeiten in der Branche, die dazu beitragen, das Wissen um die Bedeutung und Leistungen des Gartenbaus zu verbessern. Wie wichtig es ist, am Image der Branche zu arbeiten, zeigt auch eine Entscheidung aus dem House of Lords: Das Oberhaus des britischen Parlaments setzte im Jahr 2023 ein Horticultural Sector Committee ein. Es veröffentlichte im November 2023 den umfassenden Bericht "Sowing the Seeds: A Blooming English Horticultural Sector" zur Situation des Gartenbaus in England. Leere Regale in den Gemüseabteilungen der Supermärkte Anfang 2023 hatten gezeigt, dass es selbst in einem Land mit einer langen Gartenbaugeschichte zu Lebensmittelengpässen kommen kann.

Eine Schlussfolgerung der Autoren war, dass trotz des enormen Beitrags und der Bedeutung des Gartenbaus die Unterstützung für die Branche sehr gering ist und das Verständnis für ihre Belange oft fehlt. Die vom Landscape Institute erstellte Zusammenfassung "Skills for Greener Places" zur Fachkräftesituation in Großbritannien weist in eine ähnliche Richtung: Es muss mehr getan werden, um zukünftige Aufgaben zu bewältigen. Wenn das Verständnis und die Wertschätzung für die Branche besser werden, vielleicht als Folge gemeinsamer Initiativen verschiedener Gartenbauverbände, werden sich wahrscheinlich auch mehr junge Briten für den Gärtnerberuf entscheiden.

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