Heimische Bäume in der Stadt

Brauchen wir noch ganz andere Zukunftsbäume? (Teil 3)

Städte gelten als schwierige Pflanzenstandorte. Arten wie Buche, Birke und Co. scheinen angesichts des Klimawandels hier kaum mehr eine Chance zu haben. Es bedeutet jedoch nicht, dass wir zukünftig in urbanen Bereichen gänzlich auf heimische Gehölze verzichten müssen. In einer Bachelor-Thesis wurden Potentialstandorte am Beispiel von Erfurt ermittelt.

Der erste Teil der Artikelserie beschäftigte sich mit der heutigen Zusammensetzung von (Straßen-)Baumbeständen in deutschen Städten und warf einen kritischen Blick auf die Publikation "Zukunftsbäume für die Stadt - Auswahl auf der GALK-Straßenbaumliste" (GALK/BdB). Im zweiten Teil wurde für eine noch größere Artenvielfalt bei Bäumen plädiert. Als Ergänzung zur bisherigen Baumpflanz-Praxis wurde zudem vorgeschlagen, an Problemstandorten schnellwachsende (Pionier-)Bäume mit "begrenzter Einsatzzeit" in Betracht zu ziehen. Im dritten Teil soll dargelegt werden, welche Potentiale "heimische" Baumarten im urbanen Raum haben und wie mit ihnen strategisch umgegangen werden könnte.

Ausgangssituation

Stark anthropogen beeinflusste urbane Standorte stellen für Pflanzen, die auf einen stabilen Bodenwasserhaushalt, Bodenleben und Wechselwirkungen wie mit Mykorrhiza angewiesen sind, oftmals eine Herausforderung dar. Vor allem typische Schlusswald-Baumarten sind durch Stadtböden (Technosole), Lufttrockenheit, Hitze, Strahlung und Schademissionen zusätzlich benachteiligt. Besser mit solchen Bedingungen kommen Bäume aus (mediterranen) Trockenwäldern und Steppengebieten zurecht. In der Straßenbaum-Empfehlungsliste finden sich zudem relativ viele Hartholzauen-Arten. Auch Pionierbäume haben auf den mit Rohböden vergleichbaren Stadtböden meist weniger Probleme.

Gleichwohl wird auf eine höhere "ökologische" Wertigkeit heimischer Arten verwiesen. Auch im kürzlich erschienenen Artikel "Zukunft- und Klimabäume – Wie gut sind Arten zur Förderung der Biodiversität geeignet" sprechen sich Aufderheide et al. (2024) für eine stärkere Verwendung heimischer Arten in Stadtgebieten aus. Als Grundlage ihrer Einschätzung dienen Beziehungen zwischen den Baumarten und phytophagen Organismen – neben pflanzenfressenden Arthropoden auch Nematoden und phytoparasitische Pilze. "Werden nicht-heimische Baumarten verwendet, empfiehlt sich eine Bevorzugung von Arten aus benachbarten Naturräumen sowie von Arten, die gut in Nahrungsnetze integriert sind" lautet eine weitere Empfehlung im Artikel.

Auch andere Autoren wie Kaltofen & Witt (2023) empfehlen trotz Klimawandel die Verwendung (gebiets-)heimischer Arten – in begrenztem Umfang auch solche aus benachbarten Florenregionen – und begründen dies ebenfalls mit bestehenden Nahrungsbeziehungen.

Auf den ersten Blick scheinen heimische Baumarten und Stadtstandorte wenig kompatibel zu sein. Vielmehr dürften sich die Arealgrenzen heimischer Arten durch den Klimawandel zunehmend nach Norden verschieben und urbane Standorte zukünftig noch weniger geeignet erscheinen. Allerdings sind die meisten als heimisch geltenden Bäume gar keine typischen Schlusswald-Arten, sondern durchaus lichtbedürftig, teilweise auch recht trockenheits- und hitzeverträglich.

Im Sinne einer größtmöglichen biologischen Vielfalt und der damit einhergehenden vergrößerten Resilienz erscheint ein Miteinander von heimischen und "neuen" Arten in Städten durchaus zielführend. Heimische Arten sollten dabei im urbanen Raum so integriert werden, dass sie auch noch in 50 Jahren gute (Über-)Lebensbedingungen haben.

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
einen Amtsvorstand (m/w/d) für die Verwaltung des..., München  ansehen
Freiraumplaner/in (m/w/d), Steinfurt  ansehen
Stadtplaner*in, Raumplaner*in, Geograph*in, Kiel  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Strategie: Die besten Standorte für heimische Bäume

Urbane Standorte gelten heute als artenreicher als die umgebende freie Landschaft (Gentili et. al. 2023, Sattler et al. 2010, Spotswood et al. 2021). Eine wesentliche Ursache dafür ist die hohe Standortheterogenität innerhalb besiedelter Bereiche: Eine Stadt ist mitnichten eine "einzige Betonwüste" – vielmehr ist sie reich an unterschiedlichen Baustrukturen und dazwischenliegenden kleineren und größeren Freiflächen. Daraus ergibt sich eine Vielfalt an Baumstandorten, die längst nicht immer dem Stereotyp "stark versiegelte Straße zwischen hohen Gebäuden" entspricht: Park- und Grünanlagen, Friedhöfe, Vor- und Hintergärten, begrünte Streifen entlang von Gewässern, Eisenbahnlinien und anderen Hauptverkehrstrassen etc. Selbst urbane Wälder sind in einigen Städten anzutreffen. Auch wenn diese Standorte kleinteilig oder sehr linear ausgeprägt sind, lassen sich durch Pflanzendichtstand und gegenseitige Beschattung typische Merkmale eines "(Pflanzen-)Bestandsklimas" nachweisen: Geringere Temperatur-Maxima im Sommer und eine (leicht) erhöhte Luftfeuchtigkeit. Auch eine natürliche Bodenbildung, die über die Jahrzehnte zu einer Anreicherung von Kohlenstoff und reger Bodenfauna führt, ist hier gegeben. Zudem sind diese Böden üblicherweise kaum bis wenig verdichtet.

Ein weiterer Faktor, der für die Entwicklung und den Erhalt von Baumbeständen in Städten eine herausragende Rolle spielt, ist der Wasserhalt. Angesichts immer unsteterer Niederschläge scheinen hier vor allem Standorte relevant zu sein, die aufgrund ihre topografischen Lage einen möglichst stabilen, für den Baum nutzbaren Wasserhaushalt aufweisen: Gewässernahe Bereiche und (ehemalige) Auenstandorte, deren Grundwasserflurabstand konstant niedrig ist.

Standorte mit derart guten Bedingungen bieten die besten Voraussetzungen, dass sich heimische Arten etablieren, bei sich weiter verändernden Klimabedingungen langfristig halten und gegebenenfalls auch noch selbst reproduzieren können. Vor allem typische Schlusswald- und Unterholz-Arten wie Rotbuche (Fagus sylvatica), Gewöhnliche Eberesche (Sorbus aucuparia) und Stechpalme (Ilex aquifolium) werden wohl nur in solchen Nischen noch eine Chance haben.

Umgekehrt sollte jedoch an besonders schwierigen Plätzen allein das Standortpotential einer Art und nicht deren Herkunft maßgeblich sein.

Kein verengter Blick bei der Auswahl heimischer Baumarten

In vielen Grünflächen- und Gartenämtern besteht der Wunsch, sowohl den Klimawandel-Erwartungen gerecht zu werden als auch "etwas für die heimische Natur zu tun". Viele heimische Bäume leiden bereits deutlich unter städtischen Standortbedingungen in Kombination mit gattungs- beziehungsweise artspezifischem Schädlingseinfluss (s. Tabelle 1). Arten wie Spitz-Ahorn (Acer platanoides), Hainbuche (Carpinus betulus) oder Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior), die noch vor wenigen Jahren für innerstädtische Straßen empfohlen wurden, lassen inzwischen – teils sehr deutlich – ihre Verwendungsgrenzen erkennen. Auch die beiden häufigsten heimischen Eichen-Arten (Quercus robur und Q. petrea) sind nicht schädlings- und problemfrei. Beide Arten sind derzeit auch sehr im Waldumbau gefragt, was bei der Erzielung möglichst diverser regionaler Baumbestände beachtet werden sollte.

Aufgrund der damit einhergehenden Unsicherheit und unter Berücksichtigung aktueller Empfehlungen wie der Zukunftsbaum-Publikation führt dies inzwischen immer häufiger zum Ergebnis Feld-Ahorn (Acer campestre), wenn Stadtbäume ausgewählt werden. Auch wenn es übertrieben wäre, jetzt schon von einer "Acer-Campestrisierung" der Städte zu sprechen, konterkariert der bundesweit erkennbare Trend deutlich das Ziel nach mehr pflanzlicher Vielfalt.

Das Spektrum der in Mitteleuropa beheimateten Arten, die heute und wohl auch zukünftig für Stadtpflanzungen geeignet sind, ist jedoch weitaus größer – wenn auch nicht unbedingt für alleeartige Bepflanzungen an stark versiegelten Straßenrändern. Genau auf solche Standorte zielt aber – nomen est omen – die GALK-Straßenbaumliste ab. Aufderheide et al. (2024) weisen zurecht darauf hin, dass darin viele potentiell geeignete heimische Arten (s. Tabelle 2) gar nicht erwähnt werden und empfehlen eine entsprechende Erprobung.

Andere heimische Bäume finden sich in der GALK-Straßenbaumliste wieder, werden dort jedoch als "nicht geeignet" eingestuft. Lichtbaumarten wie Vogel-Kirsche (Prunus avium), Zitter-Pappel (Populus tremula) oder Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) können in Park- und Grünanlagen jenseits stark verdichteter Bereiche und etwas abseits von Wegen und Straßen jedoch wertvolle Ergänzungen sein, da sie hinsichtlich Boden- und Luftfeuchte sowie pH-Wert eine erstaunlich weite Standortamplitude besitzen.

Nadelgehölze werden in der Stadt- und Straßenbaumverwendung allgemein wenig berücksichtigt. Gelegentlich werden Gewöhnliche und Schwarz-Kiefer (Pinus sylvestris bzw. P. nigra) verwendet, wobei sich beide in wenig verdichteten Böden – zum Beispiel in Park- und Grünanlagen oder Plätzen mit großen unverdichteten Baumgruben – gut entwickeln können. Gleiches gilt für die Eibe (Taxus baccata) und den Gemeinen Wacholder (Juniperus communis).

Andere Pflege ermöglicht Nutzung als Stadtbaum

Neben dem bereits vorgestellten Ansatz, schnellwachsende Bäume zeitlich befristet einzusetzen und damit größere Pflegeprobleme im Alter zu umgehen, kann auch eine pflegeangepasste Verwendung den Einsatz von heimischen Baumarten im öffentlichen Grün ermöglichen. Insbesondere der Kopfbaumschnitt, der sich bei diversen Weiden (Salix) anbietet, kann auf weitere Gattungen und Arten wie Pappeln (Populus nigra), Ess-Kastanien (Castanea sativa) und Flatter-Ulmen (Ulmus laevis) übertragen werden. Derart behandelte Exemplare können nicht nur sehr alt werden, sondern sogar in formal gestalteten Parkanlagen eine tragende Rolle übernehmen.

Als Heckenpflanze weit verbreitet, als Stadt- und Straßenbaum aber eher ungewöhnlich, ist die Eibe (Taxus baccata). Durch regelmäßiges Aufasten scheint eine entsprechende Verwendung selbst in Straßenräumen mit breiten Grünstreifen keineswegs abwegig. Die ganzjährige Schattierwirkung ist dabei allerdings genau zu berücksichtigen. Ansonsten bieten Parkanlagen genug Potential, auch freiwachsende Eiben zu integrieren.

In allen drei Betrachtungsräumen gibt es Teilbereiche, die durch Gewässer und damit verbunden auch niedrigere Grundwasserflurabstände gekennzeichnet sind.

Wenig überraschend bietet die Altstadt kaum geeignete Standorte für heimische Baumarten. Entlang des Flusses Gera, der sich in der Innenstadt verästelt, sowie des breiten Gera-Flutgrabens sind jedoch zahlreiche gute Standorte auszumachen, die bereits heute einen dichten heimischen Baumbestand aufweisen. Südlich an die Altstadt grenzt der Stadtpark an, dessen erhöhte Lage jedoch weniger "Wassersicherheit" bietet. Größere, fast schon waldartige Baumbestände befinden sich am Südost- und Südwestrand des Petersberges. Angesichts der Exposition und des Grundwasserflurabstandes sowie der teils nur geringen Bodenauflage erscheinen sie jedoch für heimische Arten nur bedingt geeignet.

Deutlich mehr geeignete Standorte für heimische Baumarten finden sich zwischen den Großwohngebieten im Norden Erfurts. Die Gera und einmündende Gewässer wie der Marbach und Mühlgraben sorgen für relativ stabile, pflanzennutzbare Grundwasserstände. Der erst kürzlich im Zuge der BUGA 2021 entwickelte, circa 60 Hektar große Grünzug "Nördliche Geraaue" hat zudem das Potential für ein sich weiterhin verbesserndes Bestandsklima.

In Alach verspricht eine begleitendende Bepflanzung des Baches Nesse die besten Wuchsbedingungen. Die vorhandene Begleitvegetation sorgt bereits für ein positives Bestandklima. Der Friedhof ist eine weitere öffentliche Grünfläche, die sukzessiv mit heimischen Pflanzen ergänzt werden könnte, wenngleich hier die Bodenwasserverhältnisse weniger optimal sind.

Best-Place-Suche am Beispiel Erfurt

In ihrer Bachelor-Thesis identifizierte Kristina Sieber (2024) für die Stadt Erfurt Standorte, die für eine Verwendung heimischer Baumarten besonders erfolgversprechend erscheinen. Aufbauend auf Klimaprognosen und Ergebnissen des Projektes „Erfurter Stadtgrün im Klimawandel“ (SiKEF-BUGA-2020) wurden diverse Standortparameter für das gesamte Stadtgebiet ausgewählt, gewichtet und überlagert.

Ein erster Ansatz, nämlich die in diesem Zusammenhang für das gesamte Stadtgebiet ermittelten Optimalstandorte für Baumpflanzungen zu priorisieren, erschien jedoch wenig sinnvoll: Die am Stadtrand gelegenen Flächen werden heute landwirtschaftlich genutzt und spielen für die sommerliche Kaltluftentstehung am Boden eine herausragende Rolle.

Zielführender waren Detailbetrachtungen von zwei Stadtteilen und einem zur Stadt Erfurt gehörenden Ortsteil

  • Die Altstadt im Zentrum weist den höchsten Bebauungs- und Versiegelungsgrad auf, öffentliche und private Grünflächen sind hier kaum vorhanden.
  • Die Großwohnsiedlungsgebiete im Norden Erfurts (u. a. Roter Berg, Moskauer Platz) sind von mehrspurigen Straßen erschlossen, weisen aber einen deutlichen höheren Anteil an Grünflächen auf.
  • Der Ortsteil Alach ist kleinteilig gegliedert, innerorts existieren zahlreiche private Grünflächen. Straßenbäume sind dagegen kaum vorhanden. Aufgrund der großen umgebenden Ackerflächen ist das Klima in Alach kaum noch städtisch „getönt“.

      Quellen (Teil 3)

      Aufderheide U, Peters C, Mody K, Marxen-Drewes H (2024). Zukunfts- oder Klimabäume – Wie gut sind die Arten zur Förderung der Biodiversität geeignet? Naturschutz und Landschaftsplanung 56 (8) 14–23.

      Gentili, R., Quaglini, L.A., Galasso, G., Montagnani, C., Caronni, S., Cardarelli, E. & Citterio, S. (2024): Urban refugia sheltering biodiversity across world cities. Urban Ecosystems 27, 219–230 (2024).

      https://doi.org/10.1007/s11252-023-01432-x

      Kaltofen, Katrin & Witt, Reinhard (2023): Welche Auswirkungen exotische Arten auf unsere Biodiversität haben. Klimabäume aus ökologischer Sicht. Stadt+Grün 03/2023, 50–53.

      Sattler, T., Duelli, P., Obrist, M.K., Arlettaz, R., Moretti, M. (2010): Response of arthropod species richness and functional groups to urban habitat structure and management. Landscape Ecology. 25. 941–954.

      https://doi.org/10.1007/s10980-010-9473-2

      Sieber, Kristina (2024): Standortpotentiale für einheimische Bäume im Stadtgebiet Erfurt, Bachelorarbeit der Studienfachrichtung Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt.

      SiKEF-BUGA (2020): Stadtgrün im Klimawandel – ein BUGA 2021-Begleitprojekt (Erfurter Stadtgrünkonzept). DAS: SiKEF-BUGA-2021 & Stadt Erfurt.

      https://www.erfurt.de/mam/ef/leben/oekologie_und_umwelt/2020-11-24_stadtgruen_broschuere_web.pdf

      Spotswood, Erica N., Beller, Erin E., Grossinger, Robin, Grenier, J. Letitia, Heller, Nicole E., Aronson, Myla F. J. (2021): The Biological Deserts Fallacy: Cities in their landscapes contribute more than we think to regional biodiversity. BioScience, Band 71, Ausgabe 2, Februar 2021, Seiten 148–160. https://doi.org/10.1093/biosci/biaa155

      Ausgewählte Unternehmen
      LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

      Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

      Redaktions-Newsletter

      Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

      Jetzt bestellen