Von der Notwendigkeit zur integrierten Flussufer-Gestaltung

Hochwasserschutz am Beispiel Regensburg

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Hochwasserschutz
Schrägluftbild von Norden, Hochwasser 2002. Stadt Regensburg. Foto: Herbert Stolz

Regensburg hat etwa 155.000 Einwohnerinnen und Einwohnern; es weist ein stabiles Bevölkerungswachstum auf. So wird in den aktuellen Prognosen bis 2032 ein Bevölkerungszuwachs von etwa sieben Prozent angenommen. Die Stadt liegt geografisch am nördlichsten Punkt der Donau, im Bereich der Mündungen von Naab- und Regen. Sie wird im Norden vom Bayerischen Jura und den Ausläufern des Bayerischen Waldes, im Südwesten von tertiärem Hügelland umrandet. Ursprung der Stadt ist das römische Legionslager "Castra Regina" (179 n. Chr.) auf dem Südufer der Donau hochwasserfrei gelegen. Regensburg hat insgesamt einen relativ kompakten, gegliederten Stadtkörper und eine homogene Siedlungsstruktur. Prägend ist die Altstadt mit rund tausend Einzeldenkmälern. Sie wird als "Steinerne Stadt" charakterisiert und hat seit 2006 den Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes.

Seit dem späten 19. Jahrhundert hat sich die besiedelte Fläche deutlich auch in hochwassergefährdete Bereiche ausgedehnt. Während des "Jahrhunderthochwassers 1882" (HQ ca. 3100 Kubikmeter pro Sekunde) wurden neben den ständig gefährdeten Donauinseln, den sogenannten. "Wöhrden", auch die nördlich der Donau liegenden - damals noch selbständigen Gemeinden inklusive Stadtamhof weitgehend überflutet.

Nach Hochwasserereignissen 1954 und 1965 wurden die ersten Hochwasserschutz-Planungen (HWS-Planungen) des Freistaates Bayern für ein 100-jährliches HW in Regensburg in den 1970er Jahren im Stadtteil Stadtamhof durchgeführt.

Korrespondierend dazu ist im Flächennutzungsplan, (FNP) von 1983 die "Blaue Linie", als Darstellung einer HWS-Trasse/ Grenze Überschwemmungs-Gebiet, (Ü-Gebiet) enthalten.

Der als Mauer geplante Hochwasserschutz stieß jedoch in der Regensburger Bevölkerung auf massive Ablehnung - die Erhaltung der Sichtbeziehungen zur Donau und der freien Zugänglichkeit erschienen wichtiger als der Schutz vor dem nächsten Hochwasser. Im Herbst 1987 wurde daher die Planung trotz Rechtskraft und gesicherter Finanzierung zurückgezogen. Der sinngemäße Ausspruch eines Bürgers spiegelt die damalige Stimmung wider: "Lieber einmal in hundert Jahren überschwemmt werden, als hun-dert Jahre hinter einer Mauer leben müssen".

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Hochwasserschutz
Senkrechtluftbild Gesamtstadt mit Frei-, Wald- und Wasserflächen; 2007. Montage: Stadt Regensburg, Amt für Stadtentwicklung. Orthophoto: Bayerische Vermessungsverwaltung, München
Hochwasserschutz
„Blauer Plan": Senkrechtluftbild Innenstadt mit Ü-flächen HW 100; 2007. Montage: Stadt Regensburg, Amt für Stadtentwicklung. Orthophoto: Bayerische Vermessungsverwaltung, München

Ein halbes Jahr später, am 28. März 1988 wurden weite Teile des Stadtgebietes von Regensburg überflutet. Der Schaden betrug umgerechnet rund fünf Millionen Euro.

Der Pegelhöchststand dieses HW-Ereignisses am Pegel Eiserne Brücke war seit 1882 nicht mehr erreicht worden, so dass man von einem erneuten "Jahrhunderthochwasser" sprach. Er lag um etwa vier Meter über dem normalen Wasserstand der Donau. Im August 2002 sowie im Juni 2013 erlebte Regensburg weitere mit 1988 vergleichbare HW-Ereignisse, allerdings mit deutlich geringeren Schäden.

Maßgeblich für die Bewertung eines Hochwassers ist die Abflussleistung in Kubikmeter pro Sekunde, (m3)/s) und nicht der höchste Pegelstand. Im Vergleich der HW-Ereignisse von 1882 und von 1988, 2002, 2013 lag - bei annähernd gleichem Pegelhöchststand - die Abflussmenge 1882 mit 3100 Kubikmeter pro Sekunde deutlich über der Abflussmenge von 1988 mit 2600 Kubikmeter pro Sekunde, 2002 mit 2400 Kubikmeter pro Sekunde und 2013 mit 2600 Kubikmeter pro Sekunde. Das sogenannte Jahrhunderthochwasser von 1988 ist also lediglich als 25-jährliches Ereignis einzustufen. Ebenso sind die HW-Ereignisse von 2002 und 2013 als 20- bis 25-jährliche Ereignisse einzustufen. Die unterschiedlichen Wassermengen bei gleichen Pegel-Höchstständen erklären sich aus der Reduzierung des Abflussquerschnittes, ein Ergebnis der jahrzehntelangen Stadtentwicklung. Der verringerte Abflussquerschnitt bewirkte 1988 eine Überflutung, die mit dem Gebiet des Hochwassers von 1882 vergleichbar war. Echte "Jahrhunderthochwasser" hätten 1988, 2002 und 2013 zu weit größeren Schäden geführt und wären darüber hinaus zu einer Bedrohung für Leib und Leben der Bevölkerung geworden.

Aus dieser Erkenntnis heraus wurde nach 2002 anhand eines digitalen Geländemodells die tatsächliche Überflutungsgefahr für das hundertjährliche Hochwasser, als Bemessungshochwasser mit 3400 Kubik-meter pro Sekunde, ermittelt und in einem Überflutungsplan dargestellt: dem sogenannten "Blauen Plan HW 100" (siehe Abb. 3).

Der Wasserstand dieses HW 100 liegt der Ermittlung nach am Pegel Eiserne Brücke etwa fünf Meter über dem normalen Wasserstand der Donau und damit etwa einen Meter über den Hochwasserständen der Jahre 1988 und 2002!

Hochwasserschutz als Staatsaufgabe - Zusammenwirken der Stadt Regensburg mit dem Freistaat Bayern

Der Hochwasser-Vollschutz, (= HQ 100-Schutz) ist "Staatsaufgabe"; deswegen ist der Freistaat Bayern als Bundesland Vorhabenträger für den Hochwasserschutz. Die Kosten werden zwischen Freistaat und Kommune geteilt. Seit Mitte der 1990er Jahre sind der Freistaat Bayern und die Stadt Regensburg erneut mit der Gemeinschaftsaufgabe Hochwasserschutz Regensburg befasst. 2001 wurde durch den Freistaat ein flächendeckendes Hochwasserschutzprogramm für die bayerischen Städte und Gemeinden aufgelegt. In Regensburg ist es das Ziel, einen effektiven Hochwasserschutz für das gesamte Stadtgebiet zu errichten.

Aufgrund eines Antrages der Stadt Regensburg an den Freistaat plant und realisiert die staatliche Wasserwirtschaftsverwaltung, (WWA Regensburg) gemeinsam mit der Stadt Regensburg das Projekt "Hochwasserschutz Regensburg". Auf Basis einer vorlaufenden "offenen Planung" zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenverbänden und eines interdisziplinären Planungswettbewerbes inklusive anschließender Optimierungsphase soll der Schutz von Regensburg gegen ein HQ100 in 18 Bauabschnitten realisiert werden, die einer Prioritätsreihung folgen. Die ersten Bauabschnitte sind mittlerweile fertiggestellt, im Bau oder befinden sich im wasserrechtlichen Verfahren. Unabhängig von diesem staatlichen HQ 100-Vollschutz hat die Stadt Regensburg auf Grundlage einer "Schwachstellenanalyse" seit 2001 auf eigene Kosten für einen "kommunalen Grundschutz" bis zu einem Schutzgrad von etwa HQ 25 gesorgt, der zum großen Teil aus mobilen Katastrophenschutz-Elementen besteht. Dieser vorgezogene Grundschutz ist nachrüstbar konzipiert und kann bausteinartig in den künftigen Vollschutz HQ100 des Freistaates Bayern integriert werden.

Ziel der gemeinsamen Schutzkonzeption von kommunalem Grundschutz und staatlichem Vollschutz ist es letztlich, möglichst schnell eine Verbesserung bei kleineren und mittleren Hochwasserereignissen zu erreichen und mittelfristig alle Stadtteile vor einem hundertjährlichen Hochwasser zu schützen.

Hochwasserschutz
Vorentwurf 2010, Lageplanausschnitt, Schnitt Obere Regenstraße o.m. Planung: HWS-Team Berlin-Potsdam
Hochwasserschutz
HWS Regensburg Gesamtkonzept, Ergebnis Optimierungsphase, Bauabschnitte; 2006. WWA Regensburg. Gestaltung: Blasch Architekten Regensburg.

HWS-Maßnahmen: Stationär - Mobil - Minimierungsgebot

Von der insgesamt in Regensburg zu schützenden Flussuferlänge von 37 Kilometern sind bereits heute acht Kilometer gegen ein hundertjährliches HW-Ereignis stationär geschützt (siehe Abb. 4). Als stationären Hochwasserschutz bezeichnet man insbesondere die "klassischen Maßnahmen"

  • Geländeauffüllungen und -modellierungen
  • Dammschüttungen
  • Mauern
  • Objektschutz

Der überwiegende Teil der gefährdeten Uferbereiche in Regensburg soll einen stationären Vollschutz erhalten, der je nach städtebaulicher oder landschaftlicher Situation durch Deiche, Dämme oder Kombinationen von Deichen und Mauern sichergestellt wird. Viele Flussuferanrainer wünschen sich jedoch einen mobilen, "unsichtbaren" HW-Schutz. Deswegen kommen zunehmend auch mobile Schutzmaßnahmen - insbesondere in Kombination mit stationärem Schutz - zum Einsatz. Mobile Schutzelemente bieten den Vorteil, dass sich in städtebaulich-gestalterisch komplexen Stadtgebieten der HW-Schutz besser einfügen lässt. Ihr Einsatz ist jedoch nur beschränkt möglich, vor allem aus logistischen Gründen. Im Ergebnis des WB-/Optimierungsverfahrens (2006) wurden mobile Schutzmaßnahmen in Form von Dammbalkensystemen mit einer Gesamtfläche von 7500 Quadratmetern vorgesehen.

Mobile Hochwasserschutzsysteme entsprechen dem Stand der Technik, trotzdem besitzen sie auch bei noch so weit reichenden Sicherheitsmaßnahmen gegenüber den stationären Hochwasserschutzbauwerken, wie Mauern und Deiche, ein höheres Risiko:

  • können verschiedene Belastungen, die über den Bemessungsansatz hinausgehen, bei mobilen Systemen leichter zum statisch-konstruktiven Versagen führen als bei stationären Hochwasserschutzbauwerken;
  • muss die Betriebsbereitschaft der Anlagen erst hergestellt werden, bevor sie ihre Schutzfunktion im Hochwasserfall übernehmen können (logistischer Aufwand).

Letztlich sind deswegen mobile Systeme als Hochwasserschutz geeignet, aber in statisch-konstruktiver Hinsicht nicht gleichwertig.

Das seit Anfang 2006 bundesweit für die Planung und den Einsatz mobiler Elemente einschlägige Merkblatt des Bundes der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK), empfiehlt grundsätzlich für die Verwendung von mobilen Hochwasserschutzsystemen das Minimierungsgebot.

Nach einer realistischen Abschätzung der Logistik wären im worst-case (Einsatzbereitschaft wird erst Freitag nach 12.00 Uhr ausgelöst) in Regensburg nur etwa 50 Prozent des Einsatz-Personals verfügbar. Im Umkehrschluss wäre im worst-case nur etwa die Hälfte des ursprünglich geplanten Umfanges an mobilen Elementen logistisch zu bewältigen; konsequenterweise ist deswegen bei der HWS-Entwurfsplanung die Gesamtfläche an mobilen Elementen um etwa die Hälfte zu reduzieren. Dieses Minimierungsgebot hat der Stadtrat am 20.04.2010 beschlossen.

Städtebaulich-gestalterische Aspekte des HWS in Regensburg

HWS-Maßnahmen wirken sich sowohl räumlich - zum Beispiel durch die Ausweisung von Retentionsflächen - als auch stadtgestalterisch aus. So müssen - vor allem stationäre - Schutzmaßnahmen bei der Planung öffentlicher Räume entlang von insgesamt 18 Flussuferabschnitten stadtgestalterisch integriert werden. Aufgrund des Schutzstatus des Altstadtensembles Regensburgs mit Inseln und Stadtamhof als UNESCO Weltkulturerbe werden an die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen in den unmittelbar im Ensemblebereich liegenden Uferzonen höchste gestalterische Anforderungen gestellt:

Am Donau-Südufer (Altstadtseite) setzt das Hochwasserschutzkonzept deswegen überwiegend auf den Einsatz von mobilen Elementen. In Teilstücken, unter anderem in Stadtamhof und auf den Wöhrden, aber auch im Bereich des Altstadtensembles, etwa an der Weinlände oder am Donaumarkt werden darüber hinaus stationäre Maßnahmen wie Geländeauffüllungen und Sockelmauern mit mobilen Elementen kombiniert. Im Zentrum der Hochwasserschutzplanungen stehen auch immer wieder der Schutz und die Wiederherstellung historischer Blickbeziehungen wie die Badstraße und Weinlände.

Im südlichen Abschnitt des Regens wird eine Kombination aus stationärer HWS-Mauer und aufgesetzten mobilen Elementen vorgesehen (siehe unten "Das Beispiel Reinhausen").

InstrumenteOffene Planung: KommunalpolitischeEntscheidung und Bürgerbeteiligung

Nach dem Abschluss einer Planungsvereinbarung (1998) hat das Wasserwirtschaftsamt, WWA, Regensburg gemeinsam mit der Stadtverwaltung seit 2000 eine "Offene Planung" zu den Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt, an der sich Bürger sowie Interessenverbände in Form von "Runden Tischen" beteiligt haben. Bürgerinnen und Bürger arbeiteten hier zusammen an den Zielen für den Hochwasserschutz aus Bürgersicht.

Grundlage der Information war der Blaue Plan (siehe Abb. 3), der die Notwendigkeit der Hochwasserschutzmaßnahmen verdeutlichen sollte. Zur Visualisierung vor Ort wurden dazu an 28 Stellen entlang von Donau und Regen Hochwassertafeln aufgestellt, die den Hochwasserstand von 1988 und das - rechnerisch ermittelte - hundertjährliche Hochwasser markierten.

Die Ergebnisse der Offenen Planung sind in die Aufgabenstellung für einen Wettbewerb eingeflossen. Darüber hinaus haben die Runden Tische einen Sprecher als Bürgervertreter gewählt, der einerseits in die Wettbewerbsjury delegiert wurde, andererseits die laufende Information für die interessierten Bürgerinnen und Bürger sicherstellen sollte.

Hochwasserschutz
Ansicht Obere Regenstraße von Südwesten, April 2009. Foto: Stadtplanungsamt; Joachim Buck.
Hochwasserschutz
Ansicht Untere Regenstraße von Nordwesten, Juli 2009. Foto: Stadtplanungsamt; Joachim Buck

Wettbewerb, Optimierungsphase, Ausführung: Interdisziplinäre Planung von der Idee bis zur Realisierung

Der technisch-städtebaulich-landschaftsplanerische Wettbewerb für interdisziplinär besetzte Teams (Stadtplaner, Ingenieure, Architekten, Landschaftsplaner) wurde durch die Stadt Regensburg gemeinsam mit dem Freistaat Bayern vorbereitet und als zweiphasiger Wettbewerb im Februar 2003 europaweit ausgelobt.

Es sollten für die Bereiche an der Donau und am Regen auf einer Gesamtlänge von 37 Kilometern sinnvolle Schutzkonzepte erarbeitet werden.

Gefordert waren Lösungen, die den in Regensburg hochsensiblen städtebaulichen, landschaftsplanerischen, denkmalpflegerischen, naturschutzfachlichen und wasserwirtschaftlichen Anforderungen sowie den Vorstellungen der zu schützenden Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen gerecht würden.

Im Mai 2004 hat das Preisgericht eine 1. und eine 2. Preisgruppe mit jeweils zwei gleichrangigen Arbeiten sowie eine Ankaufsgruppe mit sechs gleichrangigen Arbeiten prämiert und empfohlen und die Arbeiten aus der 1. Preisgruppe überarbeiten und optimieren zu lassen. Die folgende Optimierungsphase als kooperatives Verfahren auf Grundlage eines detaillierten Pflichtenheftes war im März 2006 abgeschlossen. Die Beurteilungskommission hat Empfehlungen ausgesprochen, welche Lösung für welche Realisierungsabschnitte beauftragt werden soll (siehe Abb. 4).

Als Grundlage für die Realisierungsplanung sind wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren durchzuführen, die als öffentlich-rechtliche Verfahren die Beteiligung der betroffenen Behörden und Träger öffentlicher Belange und der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Die in der Optimierungsphase empfohlenen Lösungsvorschläge werden hierzu von den beauftragten Teams planreif ausgearbeitet.

Flussraumkonzept: Wasserwirtschaft/ Naturschutz/Naherholung

Parallel zum Hochwasserschutzkonzept wurde unter anderem auf Grund des Stadtratsbeschlusses vom 01.07.2008 das "Flussraumkonzept Donau-Regen 2010" entwickelt. Die Donau und der Regen mit ihren jeweiligen Uferbereichen liegen zentral in der Stadt; sie prägen und gliedern als naturräumlich-städtebauliche Elemente den Stadtkörper in hohem Maße und sind vielfältigen Nutzungsansprüchen unterworfen.

HWS-Maßnahmen reduzieren tendenziell Retentionsraum, der ortsnah wieder ausgeglichen werden soll. Die primäre Aufgabe des Flussraumkonzeptes besteht deshalb darin, über eine Gesamtschau mögliche Flächen im Stadtgebiet hinsichtlich ihrer Eignung als potenzieller Retentionsraum im Überschwemmungsbereich der Donau oder des Regens zu prüfen und zu bewerten. Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung darf die Regensburger Flusslandschaft jedoch nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Gewinnung von zusätzlichem Retentionsraum gesehen werden. Beide Flüsse stellen darüber hinaus sensible Natur- und Freiräume in der Stadt dar, die klimatisch und ökologisch wirksam sind. Neben der Bedeutung für den Naturschutz und der Anforderung an die Flussauen für Freizeit und Erholung sowie für den Hochwasserabfluss bestehen mit der Donau als Bundeswasserstraße und dem Binnenhafen zudem hohe wirtschaftliche Interessen im Planungsraum, deren derzeitige Nutzungen in und am Fluss rechtlich gesichert sind. Vor diesem Hintergrund ist der Flussraum ein hochrangiges Thema der Stadtentwicklung, der städtebaulichen und freiräumlichen Planung sowie der Umweltplanung.

Das Flussraumkonzept integriert mit den Ziel- und Maßnahmenvorschlägen die verschiedenen Belange und Interessen bei der Umsetzung der Hochwasserschutzplanungen. Es gilt dabei, immer wieder die Balance zu finden zwischen dem Schutz vor möglichen Hochwasserereignissen und dem gleichzeitigen Wunsch, Donau und Regen mit all ihren Freiraumqualitäten stärker in die Stadt einzubinden und Zugang und Aufenthalt zu den Flussufern zu verbessern.

Hochwasserschutz
Bauentwurf 2012, Lageplanausschnitt Obere Regenstraße o.m. Planung: HWS-Team Berlin-Potsdam
Hochwasserschutz
Ansicht Obere Regenstraße von Südwesten; März 2015. Foto: Stadtplanungsamt, Joachim Buck
Hochwasserschutz
Ansicht Untere Regenstraße von Südwesten, März 2015. Foto: Stadtplanungsamt, Joachim Buck

Das Beispiel Reinhausen - HWS-Abschnitt E

Der HWS-Abschnitt E liegt am östlichen Ufer des Regen im Stadtteil Reinhausen. Die ursprünglich miteinander verbundene Untere und Obere Regenstraße sind seit den 1970er Jahren durch den Brückenkopf der Regenbrücke voneinander getrennt:

Vom Wettbewerbsergebnis zum Planfeststellungsbescheid

Die entscheidenden Wettbewerbsideen für diesen Abschnitt sind:

Lineare Führung der HWS-Mauer; wasserseitige Böschung als Landschaft; Balkone als Vermittlung zur urbanen Erschließungs- und Vorzone der Bebauung; Verbindung beider Straßenabschnitte durch Untertunnelung des Brückenkopfes. Nach Erteilung des Auftrags entwickelte das Team HWST (Obermeyer, Potsdam; Fisch, Berlin; Rottmann, Köln) den Wettbewerbs-/OPT-Entwurf weiter zum Vorentwurf, der am 20.04.2010 dem Stadtrat vorgelegt worden ist:

Die durchaus reizvolle Idee der (Wieder-) Verbindung beider Straßen konnte leider nur in reduzierter Form als Unterfahrung für Radfahrer geplant werden. Die anschließende Überarbeitung fand unter sehr konstruktiver Beteiligung der Anlieger statt. Unter anderem geht das sogenannte "Grüne Zimmer" an der Oberen Regenstraße auf Anregungen der Anlieger zurück. Eine weitere wesentliche Aufgabe war - in Anwendung des Stadtratsbeschlusses - die gestalterisch verträgliche Reduzierung der mobilen Schutzelemente.

Der Bauentwurf ist am 17.05.2011 vom Stadtrat als Grundlage für das Planfeststellungsverfahren beschlossen worden. Das Verfahren endete mit dem Planfeststellungsbescheid vom 18.01.2013.

Synchron zur Beendigung des wasserrechtlichen Verfahrens hat der Stadtrat im Dezember 2012 den Bauentwurf als Grundlage für die Realisierung beschlossen. Zur Erläuterung insbesondere der landschaftsplanerischen, städtebaulichen und verkehrlichen Aspekte des Bauentwurfs wird auszugsweise aus der Berichtsvorlage zitiert:

".. Ein wesentliches landschaftsplanerisches und städtebaulich-gestalterisches Ziel der Planung ist die Neugestaltung und Aufwertung der bestehenden Situation in der Unteren und Oberen Regenstraße sowie der Uferstraße als Wohnumfeld:

  • Der unmittelbare Uferbereich wird mit Flachwasserzonen und ufertypischer Vegetation naturnäher ausgebildet.
  • Der vorhandene Uferweg wird höhergelegt und leicht mäandrierend geführt, so dass er bequem für Spaziergänger benutzbar ist.
  • Die Böschung selber wird teilweise abgeflacht und als Naherholungsfläche attraktiver und besser zugänglich ("Erhöhung der Aufenthaltsqualität"; insbesondere wurde mit dem "Grünen Zimmer" - ein flacher, mehrfach in sich terrassierter Böschungsabschnitt - der Wunsch der unmittelbaren Anwohnern nach naturnäherer Gestaltung der Böschungen und "mehr Grün" aufgenommen). Die Böschung wird teilweise mit standortgerechten Gehölzen bepflanzt.
  • Die im Zuge der Hochwasserschutzmaßnahme erforderlichen Eingriffe in Natur und Landschaft können innerhalb des Vorhabensgebietes ausgeglichen werden. Mit der Renaturierung des Regenufers und der naturnahen Gestaltung der Böschung wird der Ausgleich für die Eingriffe in die vorhandene Landschaft erbracht und noch verbessert.
  • Als oberer Böschungsabschluss ist die Hochwasserschutz-Mauer angeordnet. Sie stellt mit einer Stärke von etwa 50 Zentimetern gleichzeitig die Brüstungsmauer der "Balkone" dar und wird materialsichtig in bewehrtem Beton (Farbe: Gelbgrau-warmtonig) ausgeführt. Die land- wie wasserseitig sichtbaren Oberflächen werden hochwertig gestaltet, zum Beispiel gestockt, scharriert, gestrahlt, strukturgeschalt oder begrünt.
  • Der Bereich zwischen der HWS-Mauer und den angrenzenden privaten Grundstücken gliedert sich in eine breite, mit Bäumen bepflanzte Promenade, den sogenannten "Balkon" und in eine Mischverkehrsfläche, mit verkehrsberuhigtem Bereich für Anliegerverkehr und Parkierung. Zur Uferböschung hin wird die Promenade durch die Brüstungsmauer abgeschlossen.
  • Bei der Neugestaltung der Straßen wird die Untere Regenstraße höhenmäßig angepasst; die Grundstückszugänge und -zufahrten werden entsprechend angeglichen. In der Oberen Regenstraße bleibt das heute zwischen Straße und Böschungskronenweg vorhandene Geländeprofil weitgehend erhalten.
  • Die drei Straßenabschnitte dienen nahezu ausschließlich dem Anliegerverkehr. Angesichts der relativ geringen Verkehrsfrequenz sind Mischverkehrsflächen mit verkehrsberuhigtem Bereich vorgesehen; die Kfz-Stellplätze werden neu geordnet.
  • Die künftige Stellplatzanzahl entspricht dem ermittelten Bedarf in diesem Bereich; allerdings ist mit der Umgestaltung aller drei Straßenabschnitte und der gestalterischen Aufwertung in diesem HWS-Abschnitt eine geringe Reduzierung der gegenwärtig genutzten Abstellmöglichkeiten verbunden.
  • Radwegunterführung: Für den örtlichen und überörtlichen Fahrradverkehr sind keine eigenen Radwege vorgesehen, sondern die Radfahrer benutzen die Mischverkehrsflächen; lediglich in der Unterfahrung der Reinhausener Brücke ergibt sich die Kombination von Fuß- und Radweg…".

Ausführungsplanung und Realisierung

Nach Rechtskraft des Planfeststellungsbescheides begannen 2013 die Ausführungsplanungen, Ausschreibungen und Vergaben der Bauarbeiten durch das Wasserwirtschaftsamt Regensburg als Vorhabenträger. Nach knapp 2-jähriger Bauzeit soll der Abschnitt im Juli 2015 fertiggestellt und übergeben werden.

Literatur und Quellen:

Schaidinger, H., F. Kastenmeier, 2004, "Was gehört der Stadt, was gehört dem Fluss?", in Fachseminar des ISW, München und BMVBW Berlin am 18./19. Mai 2004 in Regensburg.

Schimpfermann, C. ,2006; "Städtebauliche Aspekte und Bürgerbeteiligung beim Hochwasserschutz" , Vortrag bei der 9. Fachtagung der Wasserhistorischen Gesellschaft vom 27.-29. April 2006 in Regensburg.

Buck, J., 2007; "Regensburg - Stadt an Donau und Regen", Vortrag bei der Rheinkonferenz der Regionale 2010 am 21.11.2007 in Wesseling.

Buck, J., 2008; "HWS Regensburg 2000-2006 Städtebauliche Aspekte, Bürgerbeteiligung und Wettbewerb"; Vortrag beim Kolloquium "Bauliche Integration von Hochwasserschutzanlagen in historische Stadtbereiche", TU Dresden, 25. April 2008.

Stadt Regensburg, 2010, "Stadtrats-Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen (Kenntnisnahme Beschluss)"; Regensburg, 20.04.2010

Stadt Regensburg, 2010, "Stadtrats-Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen (Flussraumkonzept)"; Regensburg, 19.10.2010.

Stadt Regensburg, 2011, "Stadtrats-Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen (Einleitungsbeschluss)", Regensburg, 17.05.2011

Stadt Regensburg, 2012, Stadtrats-Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen am 04.12.2012 (Maßnahmen Beschluss)

WWA Regensburg, Stadt Regensburg, 2000, 2001, 2004, 2007; 2009; 2011; "Infoblätter 1-7 "Hochwasserschutz Regensburg".

www.hochwasserschutz-regensburg.de (WWA Regensburg).

www.regensburg.de/rathaus/aktuelles/hochwasser (Stadt Regensburg).

Dipl.-Ing. Architekt Joachim Buck
Autor

Sachbearbeiter/Projektleiter Sonderprojekte Stadtplanungsamt Regensburg

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