Der staatliche Anspruch an die Kunst im öffentlichen Raum – drei Dresdner Beispiele

Im Zeichen von Hammer, Zirkel, Ährenkranz

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Stadtmöblierung
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Die heutige Landeshauptstadt Dresden ist eine über Jahrhunderte gewachsene Kunstmetropole von europäischem Rang. Bereits Johann Gottfried Herder bezeichnete die Residenz aufgrund ihrer anmutigen Lage und ihrer Kunstschätze als "deutsches Florenz"¹.

Der Bruch entstand mit der Zerstörung der Stadt am Ende des Zweiten Weltkrieges. 16 Quadratkilometer Trümmerfläche wurden geräumt - die Zahl lässt die Dimension der vielschichtigen Verluste lediglich erahnen. In Dresden war der Neuaufbau zum einen geprägt von dem Wunsch, bessere verkehrstechnische und sozialhygienische Bedingungen zu schaffen sowie Licht, Weite und Grün in den urbanen Raum einziehen zu lassen. Nicht zu verkennen war aber auch die Tendenz, historisch gewachsene Strukturen und überkommene Architekturreste, die nach dem Bombardement noch erkennbar waren, grundlegend zu beseitigen. Damit sollte nicht nur eine neue Identität, sondern auch die Basis für den herrschaftsideologisch ausgerichteten Neuaufbau geschaffen werden².

Es entstanden komplett neue Räume sowie städtebauliche Strukturen als Spiegel gesellschaftlicher Zusammenhänge³ - Räume, die auszugestalten waren. Der Wiederaufbauplan von 1953 sah vorrangig Wohnungen vor, aber auch öffentliche Gebäude entstanden in dieser Zeit. Die Kunst am Bau war mit zwei bis drei Prozent verankert. Bereits 1951 umriss Otto Grotewohl, damaliger Ministerpräsident der DDR, die kulturpolitisch maßgebliche Linie "Die Idee der Kunst muss der Marschrichtung des politischen Kampfes folgen"4.

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden in Dresden etwa 40 Kunstwerke (überwiegend in Sandstein oder Bronze gefertigt) im öffentlichen Raum aufgestellt - positioniert in der Regel zentral vor Gebäuden oder flankierend am Eingang. Ein beachtlicher Umfang angesichts der damaligen wirtschaftlich prekären Situation. Ein Großteil der Kunstwerke ist politisch geprägt. Pathetische Elemente, zum Beispiel nach oben gerichteter Blick, geballte Faust, proletarische Kleidung und als obligatorisches Bildungssymbol ein Buch in der Hand sind dafür charakteristisch5. In Darstellungen zu Sport, Tanz oder Tiermotiven spiegelt sich aber auch die Sehnsucht nach Normalität, Leichtigkeit und Lebensfreude als Wesensmerkmal der Zeit wider. Weitestgehend findet man heute die ursprüngliche Situation noch vor, nur wenige Objekte sind nicht mehr am Originalstandort oder erfuhren eine Veränderung des Umfeldes (jeweils circa 1,5 Prozent). Im Zuge von städtebaulichen Veränderungen erweist sich jedoch anhand der positiven, aber auch an negativen Beispielen, wie stark Architektur, Kunst und Raum sich gegenseitig bedingen und im gestalterischen und historischen Kontext stehen.

Die Figurengruppe "Polytechnischer Unterricht" vor dem heutigen Marie-Curie-Gymnasium auf der Zirkusstraße schuf 1964 der bekannte Dresdner Bildhauer Johannes Peschel. Die beiden Figuren stehen fest auf der rechteckigen Plinthe und ruhen erhöht auf einem Steinsockel. Der kräftige Mann mit Baskenmütze und Arbeitskleidung steht breitbeinig fest und statisch im Winkel zu der viel schmaleren jungen Frau, deren Haare mit einem Tuch gebunden sind. Der Faltenwurf der Kleidung der Frau wird durch die feine, betonte Körperkontur bestimmt. Sie hält mit leicht ausgestreckten Armen ein Messinstrument in den Händen. Beide Figuren konzentrieren sich darauf. Es wird deutlich, dass es sich hierbei um die Konversation von Schülerin und Lehrmeister handelt. Der Aufstellungsort vor dem Haupteingang der gleichzeitig errichteten Schule und die Komposition auf einem trapezförmigen Platz entsprechen der offenen Haltung der unregelmäßig angeordneten Figuren. Die qualitätvolle Bildhauerarbeit spiegelt die Formalästhetik des Realismus der 1950er-und 1960er-Jahre wider. Das wird sowohl innerhalb des Themas als auch in der verhältnismäßig groben Oberflächenbehandlung der Figuren deutlich. Sie wirken nicht nur physiognomisch real, sondern verkörpern ebenso eine kraftvolle Größe. Daraus entwickeln sich die gewünschten dogmatischen Züge.

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Völlig entgegengesetzt in ihrem Ausdruck, wirken die beiden "Traubenessenden Jugendlichen" von Erich Otto. Sie wurden (1961/1962) für die Einkaufspassage "Webergasse" geschaffen, einem exzellenten Beispiel der Nachkriegsmoderne (Abbruch 1999). Halblebensgroß wirkt das in seiner Haltung locker komponierte Paar zufrieden und ausgelassen. Die Kleidung, die Frisur und die lässige Lehn- und Sitzposition sind modern und versprühen jugendlichen Elan. Die klare Kontur und lebensnahe Darstellung lassen das Werk deutlich in seine Entstehungszeit einordnen. Von besonderer Qualität erscheint die Ausarbeitung bestimmter Details, wie die Gesichter, die Schuhe und die Trauben, die das Paar aus einer spitz zulaufenden Tüte isst. Heute, nachdem die Nachkriegsgestaltung der Gasse abgebrochen wurde, befindet sich die Bronzeplastik abseits in einem Plattenbauwohngebiet. An diesem Ort, ohne angemessenen räumlichen Bezug, wirkt die Plastik belanglos - war sie doch ursprünglich vielmehr für einen öffentlichen Kontext im innerstädtischen Ruhebereich konzipiert worden.

Das "Hockende Wildschwein", 1958 von Waldemar Grzimek gestaltet, markierte durch die naturnahe Darstellung, den kraftvollen Corpus und den fast freundlich wirkenden Blick den Eingang zum Zoo. Einst war es die Dominante des Vorplatzes und lud die Besucher regelrecht ein. Die bildhauerische Qualität der Bronzeplastik verdeutlicht sich in der Feinheit der Oberfläche und dem ausgewogenen Verhältnis zwischen dynamisch wachem Blick des Tiers und statischer Ruhe in der Sitzhaltung. Durch Wegnahme des Pflanzbeetes, Veränderung der Bodenbeläge und eine unvorteilhafte Reduzierung des Sockels steht es heute unmotiviert und unscheinbar innerhalb einer Betonfläche.

Das zunehmend große Interesse an der Kunst und Kultur der DDR verlangt heute nach qualifizierten Bewertungen und kunsthistorischen Einschätzungen zahlreicher Bildwerke. Bedauerlicherweise ist die bisherige Beschäftigung damit jedoch oftmals geprägt von einer Vielzahl interner gesellschaftlicher Konflikte, die in Deutschland während der Trennung und nach der Wiedervereinigung politisch geradezu exemplarisch sind.

Die offizielle Bildhauerkunst in der DDR war der Kulturabteilung der SED sowie deren kommunalen Bezirksleitungen unterstellt6. Weil der Arbeiter- und Bauernstaat DDR politisch vor allem den "Neuen Menschen des Sozialismus" formen wollte, spielen besonders gesellschaftliche Themen, wie Arbeit, Lernen und Sport eine zentrale Rolle in der Kunst.

Die vorgestellten drei Bronzen waren ursprünglich in ihr städtebauliches und gartengestalterisches Umfeld regelrecht eingebettet. Anhand dieser Plastiken zeigt sich die Bedeutung, welche die Auftragskunst in der DDR gehabt hat und der hohe Anspruch, der an die Gestaltung und Pflege der eigenen Umwelt gestellt wurde, was sich bereits in der Hochwertigkeit des Materials der Kunstwerke widerspiegelt.

Sowohl in der BRD als auch in der DDR waren die 1950er- und 1960er-Jahre geprägt vom Wiederaufbaugedanken des modernen und kraftvollen Staates. Dazu gehörte als zentraler Beitrag die Kunst im öffentlichen Raum.

Literatur

1) Meyers Konversationslexikon, 5. Band. Leipzig und Wien 1897, S.192.

2) Geisler, Matthias in: Ander, Roland: "Ich war auch eine Trümmerfrau ..." Enttrümmerung und Abrisswahn in Dresden 1945-1989. Dresden 2010, hier S. 6 f.

3) Vgl. ebd.

4) Casper-Hehne, Hiltraud/Schweiger, Irmy: Deutschland und die "Wende" in Literatur, Sprache und Medien. Universitätsverlag Göttingen 2009, hier S. 121.

5) Jacob, Daniel: Skulpturenführer Dresden. Dresden 2010.

6) Simpson, Simone: Zwischen Kulturauftrag und künstlerischer Autonomie. Dresdner Plastik der 1950er und 1960er Jahre. Köln/Weimar/Wien 2008.

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