Landmarken aus fünf Kontinenten auf der IGA Berlin 2017

Internationale Gartenkabinette der renommiertesten Landschaftsarchitekten eröffnet

Die Internationale Gartenschau (IGA) Berlin 2017 macht Schluss mit Themengärten, die zu über 90 Prozent aus schwarzem Schotter oder gefärbtem Rindenmulch bestehen. "So etwas wollen wir hier nicht haben", hatte IGA-Geschäftsführer Christoph Schmidt bereits vor zwei Jahren klargestellt. Schmidt hat Wort gehalten: Bei der Eröffnung der IGA Berlin 2017 am 13. April 2017 offenbarten die neun internationale Gartenkabinette der Öffentlichkeit erstmals ihre betörende ästhetische Vielfalt. Auch über das Gartenfestival hinaus sollen die Schaugärten ihren Platz auf dem IGA-Gelände in Berlin-Marzahn behalten. Die Planer aus Australien, Brasilien, Chile, China, Deutschland, dem Libanon, Südafrika, Thailand und dem Vereinigten Königreich waren in einem kuratierten Verfahren ausgewählt worden. Ihr Auftrag lautete, Gestaltungen vorzunehmen, die einerseits ihre eigene kulturelle Herkunft reflektieren und andererseits eine Brücke in die Zukunft internationaler Gartenkunst schlagen. Stadt+Grün stellt im Folgenden die neun jeweils 380 Quadratmeter großen Landmarken sowie ihre Schöpfer vor.

Tom Stuart-Smith errang bereits acht Mal die Goldmedaille auf der Chelsea Flower Show. Der Londoner Landschaftsarchitekt widmet sich dem Spannungsfeld wilden Wachstums und gelenkter Gestaltung. Er erzählt die Geschichte einer Wiese mit exotischen Pflanzen, die zunächst von Bäumen, dann von Tieren besiedelt wird, die ein Wegenetz aus Schneisen durch die Vegetation schlagen. Erst dann kommt der Mensch mit ersten Hütten. In seinem Gartenkabinett symbolisiert eine Betonwand die Behausung, eine lange niedrige Pritsche und eine flache Eisenschüssel stehen für das Mobiliar. Der Bodenbelag kann aus Feinkies, die Gebäudefragmente umgebend aus Steinplatten, bestehen, so als hätte er ein früheres Haus überdauert.

Wannaporn "Pui" Phornprapha will den Besuchern zeitgenössisches thailändisches Lebensgefühl vermitteln. Die Landschaftsarchitektin aus Bangkok hat sich von der Geologie der Inseln im Süden ihres Landes und der dortigen Landschaft inspirieren lassen. Die Besucher sollen beim Betrachten über das Selbst, die Zeit und die Natur der Schönheit reflektieren können. Von einer abstrakten Mündungslandschaft führt ein Weg durch die Beete, bis er hinter einer Heckenwand zu verschwinden scheint. Dahinter beginnt der "Garten des Geistes", eine surreale Landschaft mit goldglänzenden Insel-Monumenten auf einer ruhigen dunklen Spiegelfläche. Durch Reflektionen am Boden und den Seitenwänden erscheint der Insel-Horizont schier endlos.

Zhu Yufan widmet sich einem "Garten des abgeschiedenen Vergnügens" (chin.: Dule Yuan). Er stellt das im 11. Jahrhundert in China entwickelte Dule-Yuan-Konzept gegen das "modernistische Problem chinesischer Gärten". Im Mittelpunkt steht eine unabhängige, introspektive Denkweise, die zu einem idiosynkratischen Lebensstil führen soll. Diese Gedanken drücken sich in geometrischen Formen aus. Zu sehen sind ein Bambuspfad, ein Blumengarten und ein Wasserkanal. Mit modernen Materialien und Technologien wird eine traditionelle Bambushütte nachgebildet. Auch hier verstärken Spiegel beim Betrachter das Gefühl der Grenzenlosigkeit des Raumes. Die Spiegelflächen fungieren als Schnittpunkte zwischen Existierendem und Gedachtem, zwischen Sehen und Gesehen werden. Für Zhu ist es die "Essenz chinesischer Gärten".

Kate Cullity und Perry Lethlean stellen in ihrem Schaugarten "Cultivated by Fire" den Feuerstab-Anbau der australischen Aborigines in den Mittelpunkt. Er nutzt die kontrollierte Verbrennung von Land für zur Steigerung der Fruchtbarkeit des Bodens. Die Landschaftsarchitekten aus Melbourne haben einen Mosaikgarten auf roter Erde gebaut, dessen Elemente an die verbrannten und regenerierten Landschaften in Australien erinnern. Dabei werden essbare Pflanzen und Gräser, die als Nahrungsquelle der von den Aborigines gejagten Wildtiere dienen, eine wichtige Rolle spielen. Beim World Architecture Festival 2014 erhielten die zwei Planer für die Gestaltung des National Arboretum in Canberra die Auszeichnung "Landscape of the Year".

Alex Hanazaki will mit einem szenisch angelegten, interaktiven Raum und einer kraftvollen Linienführung die Sinne der Betrachter stimulieren. Thematisch orientiert sich der Landschaftsarchitekt aus dem brasilianischen São Paulo an den Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Mit Stützwänden aus Cortenstahl werden verschiedene visuelle Ebenen geschaffen. Der Boden ist mit Kies gestaltet worden. Bereits beim Betreten des Gartens fällt der Blick auf ein ausgedehntes Wasserbecken, das das Licht reflektiert. Skulpturale Steinwände ragen aus dem Becken. Aus ihnen ergießen sich Wasserfontänen, deren Klang zugleich besänftigend und betörend wirken soll. Aus einem bestimmten Blickwinkel scheint das Wasserbecken in Flammen zu stehen. Materialien und Pflanzen unterstreichen die poetische Wirkung.

Teresa Moller macht im Schaugarten "Being under the Trees" die Betrachter mit den in Chile heimischen Anden-Scheinbuchen (Nothofagus obliqua) bekannt. Dafür hat die Landschaftsarchitektin aus Santiago ihr Gartenkabinett waldähnlich bepflanzt. Über Rohmarmorplatten, die nach dem Zufallsprinzip platziert worden sind, können sich die Besucher innerhalb des Gartens frei bewegen. Kleine Bänke aus Rohmarmorfragmenten laden zum Verweilen, Entspannen und Träumen ein. Weil die Gartenanlage eine Hommage an die natürliche Schönheit ist, wird sie den Kräften der Natur überlassen. Dem Wuchern der Pflanzen und dem Überwachsen der Marmorplatten sind keine Grenzen gesetzt. Der im Norden Chiles abgebaute Travertin-Marmor und die im Süden verbreiteten Scheinbuchen stehen symbolisch für das ganze Land.

Anton Comrie präsentiert einen üppigen Blumenstrauß einjähriger in Afrika beheimateter Pflanzenarten, ein "Afrikanisches Bouquet". Der Landschaftsarchitekt aus Johannesburg hat sie in eine zerbrechliche Landschaft aus leichtem Metallgestänge, die wie ein gestrandetes Schiff auf geneigtem Strand liegt, eingebettet. Feine Dünengräser wachsen durch das Gestänge und erzählen eine lang vergessene Geschichte. Gewalzte Kupfertöpfe symbolisieren Behältnisse mit kostbaren Geschenken. Es geht um Geben, Teilen und Grenzen überschreiten, schlussendlich um das Bedürfnis, unsere Welt auf Kosten der Freiheit anderer zu kontrollieren. Comrie setzt sich so mit Kolonialismus, Apartheid und Sklaverei, Fremdenfeindlichkeit und Krieg auseinander.

Vladimir Djurovic führt mit "Der versunkene Garten" in einen grünen Korridor, der eine beruhigende Wirkung entfalten soll. Der Landschaftsarchitekt aus dem libanesischen Broumana leitet dann in die intime und behagliche Atmosphäre eines tiefer liegenden Gartens. Er enthält alle Gestaltungselemente eines traditionellen libanesischen Gartens. Dazu zählen Frische und Schatten spendende Rebenranken, aber auch Wasserklänge und betörende Düfte, die eine anregende Stimmung erzeugen sollen. Djurovic, der in seiner Heimat für die Gärten vieler privater Residenzen und Rückzugsorte fern des Alltags verantwortlich zeichnet, wurde bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter einer der höchstdotierten Architekturpreise, der Aga Khan Award for Architecture.

Der Beitrag des Berliner Künstlers Martin Kaltwasser, "Los Angeles Garden", stellt eine Referenz an die älteste Partnerstadt der deutschen Hauptstadt dar. Zugleich ist der Schaugarten als Kritik an einer urbanen Ideologie gedacht, die auf der Verdrängung von Natur zugunsten der Automobil-Monokultur basiert. Eine umzäunte Rasenfläche mit sechs hohen Palmen in einer Art sechseckigen Anordnung und zwei gegenüberliegenden Sitzbänken ist umgeben von einer Asphaltfläche und parkenden Fahrzeugen. Auf dem Parkplatz sind nur einige winzige Alibi-Gartenversatzstücke eingearbeitet, wie sie millionenfach in den fast völlig durch Automobilmonokultur homogenisierten urbanen Bereichen in Los Angeles vorkommen. cm/hb

Tom Stuart-Smith erzählt die Geschichte einer Wiese mit exotischen Pflanzen. Foto: Hendrik Behnisch
Tom Stuart-Smith Foto: Christian Münter
Wannaporn „Pui“ Phornprapha will den Besuchern zeitgenössisches thailändisches Lebensgefühl vermitteln. Foto: Hendrik Behnisch
Wannaporn \"Pui\" Phornprapha Foto: Christian Münter
Zhu Yufan widmet sich dem im 11. Jahrhundert in China entwickelten Dule-Yuan-Konzept. Foto: Hendrik Behnisch
Zhu Yufan Foto: Christian Münter
Kate Cullity stellt den Feuerstab-Anbau der australischen Aborigines in den Mittelpunkt. Foto: Hendrik Behnisch
Kate Cullity Foto: Christian Münter
Anton Comrie präsentiert einen üppigen Blumenstrauß einjähriger in Afrika beheimateter Pflanzenarten. Foto: Hendrik Behnisch
Anton Comrie Foto: Christian Münter
Alex Hanazaki Foto: Christian Münter
Alex Hanazaki will mit einem szenisch angelegten Raum die Sinne der Betrachter stimulieren. Foto: Hendrik Behnisch
Teresa Moller hat ihr Gartenkabinett mit Anden-Scheinbuchen waldähnlich bepflanzt. Foto: Hendrik Behnisch
Teresa Moller Foto: Christian Münter
Vladimir Djurovic führt in die intime und behagliche Atmosphäre eines traditionellen libanesischen Gartens. Foto: Hendrik Behnisch
Vladimir Djurovic Foto: Christian Münter
Martin Kaltwassers Schaugarten stellt eine kritische Auseinandersetzung mit einer US-amerikanischen Stadtideologie dar, die zu Lasten urbanen Grüns geht. Foto: Hendrik Behnisch
Martin Kaltwasser Foto: Christian Münter

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
eine*n Landschaftsarchitekt*in/-planer*in, Schwerte  ansehen
Sachbearbeiter*in Gewässerbau in der Abteilung..., Giessen  ansehen
Projektleitung Freiraum-/Grünplanung (m/w/d), München  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen