Grünstrukturen und Ränder stärken

Karlsruher Visionen: Der Freiraumentwicklungsplan

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Entsiegelung Klimagerechte Landschaftsplanung
Abb. 1: Der Rhein zieht die Menschen an, obwohl er in Karlsruhe im kanalisierten Bett verläuft. Die Sitzterrassen entstanden im Rahmen des Projektes Landschaftspark Rhein zum 300. Stadtjubiläum. Foto: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe

Perspektiven sind gefragt, wenn es darum geht, die Ränder einer Stadt zur Landschaft und zu den inneren Grünräumen hin als klare, raumbildende Kanten herauszuarbeiten. Das Wechselspiel zwischen den dichten urbanen Räumen und den prägenden Strukturen des Stadtgrüns muss weiter akzentuiert werden. Offene Areale sind in Karlsruhe wertvoll und erhaltenswert, weil diese in der weitgehend reliefarmen Stadt Weite und Distanz vermitteln.

Die Freiraumentwicklungsplanung bildet ein Aktions- und Handlungsfeld das zumindest auf Augenhöhe mit der Stadtplanung und mit allen planenden Akteuren agieren muss. Ja, diese soll zudem vorausschauend und vorweglaufend die Spielräume und die Möglichkeiten einer Stadtentwicklung untersuchen, aufzeigen und mitgestalten. Der Klimawandel stellt die Städte und das Stadtgrün vor neue Herausforderungen, deren Umfang und Bewältigung derzeit nur ansatzweise abzuschätzen sind. Zusätzlich zu den etablierten Planungsleitlinien wie dem Flächennutzungsplan, dem Landschafts- beziehungsweise Grünordnungsplan sowie neu hinzugekommenen Fachplanungen zur ökologischen Tragfähigkeit, zur Biotopentwicklung, zur Klimaanpassung und andere bedarf es einer konzeptionellen Leitplanung, die auch visionär über den Zeithorizont der vorgenannten Planwerke hinaus, die Notwendigkeiten und die Potenziale der Freiraumentwicklung einer Kommune aufzeigt.

Karlsruhe hat anlässlich des 300. Stadtjubiläums ein "Räumliches Leitbild Karlsruhe" auf den Weg gebracht, das als visionärer Rahmenplan Perspektiven für die künftige Stadtentwicklung aufzeigen soll. Drei interdisziplinäre Planungsteams erarbeiteten von 2013 bis 2015 im engen Dialog mit der Bevölkerung und mit Experten diese Planungsleitlinie.

Einen besonderen Stellenwert nahm die Fragestellung ein, wie sich der Stadtorganismus künftig in die umgebende Landschaft einbinden wird und wie die Stadtränder zu klaren Konturen ausgeformt werden können. Die Aspekte der Freiraumentwicklung wurden durch das Karlsruher Gartenbauamt gewichtet eingebracht und durch einen Plan "Freiraumentwicklung" visualisiert. Diese Beiträge wurden anschließend vertieft und erweitert zu einem eigenständigen Freiraumentwicklungsplan.

Der Gemeinderat hat 2017 diesen als städtebaulichen Rahmenplan, im Sinne von §1, Absatz 6, Nr. 11 Baugesetzbuch, mit Perspektiven über 2030 hinaus beschlossen. Darin eingeflossen sind die Erfahrungen des Verfassers aus fast vier Jahrzehnten Zuständigkeit für die "konzeptionelle Grünplanung" in Karlsruhe sowie die Perspektiven, die bislang noch nicht umgesetzt werden konnten. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass unter anderem die stadtgestalterische Dimension der Freiraumplanung auf allen Handlungsebenen relevant ist. Deswegen beleuchtet der Plan neben der konzeptionellen Ebene mehr als 60 Einzelprojekte und Aufgabenstellungen, um auch auf der konkreten Arbeitsebene für den Dialog mit den anderen planenden Ämtern die freiraumplanerischen Erfordernisse aufzuzeigen.

Vielschichtige Leitlinien

Karlsruhe wurde 1715 als Planstadt im Hardtwald gegründet. Die weitere Stadtentwicklung beanspruchte umfangreiche Waldareale und Niederungsgebiete. Trotzdem prägen noch heute keilartig in die Stadt vorgreifenden Wälder, Reste der Niederungen und der historische Stadtgrundriss mit den 32 vom Schlossturm ausgehenden "Strahlen" das Stadtbild und die Freiraumstruktur. Der Klimawandel stellt die weitere Stadtentwicklung vor besondere Herausforderungen. Gilt der Oberrheingraben mit seinen ausgeprägten sommerlichen Trockenperioden ohnehin schon als klimatisch besonders belastete Region. Die überwiegend sandigen Böden bilden weitere Stressfaktoren für das Stadtgrün. Um die Lebensqualität zu sichern und um eine weitere Erwärmung zu mindern sind in Karlsruhe umfangreiche Maßnahmen nötig, deren Grundlage eine ökologisch leistungsfähige und eine für die vielfältigen Nutzungen belastbare Freiraumstruktur sein muss.

So gilt es, die grünen Keile und die Grünspangen zwischen der Rheinaue und der Vorbergzone weiter zu stärken. Zudem müssen bestehende Barrieren entschärft und dadurch der Bezug zur umgebenden Landschaft überwunden werden. Im Fokus stehen dabei Verkehrstrassen und bauliche Areale, die den Grünverbund unterbrechen. Künftige Ausbauplanungen sowie städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen müssen genutzt werden, um diese Defizite zu beseitigen oder zumindest deutlich zu entschärfen (Abb. 2a, 2d, 2e und 5). Die Grünvernetzung, die als zweite Ebene der Grünstruktur die Stadtquartiere in überschaubare Nachbarschaften gliedert, hat bereits eine beachtliche Engmaschigkeit erreicht. Insbesondere im Zuge der Innenentwicklung besteht jedoch Ergänzungsbedarf (Abb. 2b).

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Abb. 2a: Die Leitstruktur des Karlsruher Grüns besteht aus drei Waldkeilen, die in der Stadt in Parkanlagen übergehen sowie aus zwei Querspangen zwischen der Rheinaue und der Vorbergzone. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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2b Ein dichtes Netz von Grünverbindungen durchzieht die Stadt und bindet an die umgebenden Landschaftsräume an. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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Abb. 2c: Die Wegeachsen des Karlsruher Fächers und die historischen Gartenanlagen sind unverwechselbare Bestandteile des Stadtbildes. Sie verdienen einen besonderen Schutz im Zuge der weiteren städtebaulichen Entwicklung. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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Abb. 2d: Stadträumlich wirksame Landschaftsräume: eine besondere Aufgabe wird es sein, die Siedlungs- und die Waldränder landschaftsgerecht zu stärken (dunkelgrün) und die Verkehrsbarrieren zu entschärfen sowie neue zu vermeiden (rot). Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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Abb. 2e: Exemplarische Darstellung der Aufgabenstellungen und der Defizite: dazu gehören die weitere Freiraumvernetzung, die Minimierung von Störfaktoren, Gewässerrenaturierungen, die Stadt- und Stadteinfahrtengestaltung und die Gartendenkmalpflege. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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Abb. 2f: Die künftigen Maßnahmenschwerpunkte: Grüne Nordspange, Verbund nach Süden (grüne Areale) und der stadtklimaverträgliche Stadtumbau (blaue Schraffur). Zudem sind Konflikte mit Verkehrs- und Bauplanungen (rotes Ausrufezeichen) und die langfristigen Potentiale einer Grünentwicklung (Rotes P) verortet. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe

Eine dritte Schicht bilden die historischen Gartenanlagen und die Schlossstrahlen, die zu den besonders charakteristischen und unverwechselbaren Komponenten des Karlsruher Grüns gehören. Deren gartenkulturelle Prägung steht in einem spannungsvollen Wechselspiel zu den nahe gelegenen Landschaftsräumen. Im Rahmen der gartendenkmalpflegerischen Betreuung dieser Anlagen muss künftig stärker auf den Umgebungsschutz geachtet werden. So greift aktuell ein Hochhausprojekt in die zentrale Sichtachse Schloss/Schlossplatz/ Stadt ein, das nachteilig mit den histori-schen Dominanten konkurriert (Abb. 2c).

Karlsruhe wird von Landschaftsräumen mit unterschiedlicher Charakteristik umgeben: die Rheinaue im Westen, der nord-süd gerichtete bewaldete sandige Hardtrücken und im Osten die Hügelzone, die den Übergang zwischen dem Kraichgau und dem Schwarzwald bildet. Diese Landschaften wirken bis in die Siedlungsräume ein, sie ergänzen und bereichern die städtischen Freiraumangebote. Um die typische Struktur und das Landschaftsbild dieser Teilräume zu erhalten und weiterzuentwickeln, sollen Landschaftsstrukturkonzepte erarbeitet werden, die Leitlinien für Vorhaben und Maßnahmen in diesen Arealen aufzeigen, zum Beispiel für Außenbereichsvorhaben, für Ausgleichsmaßnahmen oder für den Biotopverbund.

Das Thema "Klare Konturen" aus dem "Räumlichen Leitbild Karlsruhe" wird zudem in diesen Plänen zu behandeln sein, etwa die Gestaltung der inneren und äußeren Ränder: viele Siedlungsränder wirken unbefriedigend in die Landschaft ein, weil das Rahmengrün fehlt. Wo immer möglich, sollten die Waldränder als raumbildende Kanten stärker herausgearbeitet werden. Offene Areale sind in Karlsruhe wertvoll und erhaltenswert, weil diese in der weitgehend reliefarmen Stadt Weite und Distanz vermitteln.

Die zahlreichen Verkehrstrassen belasten und zerschneiden die Landschaft. Bei neuen Vorhaben, sofern diese überhaupt noch vertretbar sind, muss stärker darauf geachtet werden, dass der Landschaftsverbund möglichst wenig beeinträchtigt wird, etwa in Form von Tunneln oder breiten Grünbrücken.

Nahezu 50 Prozent der Gemarkungsfläche werden land- und forstwirtschaftlich genutzt. Die Landwirtschaft muss im dicht besiedelten Stadtgebiet künftig noch mehr landschaftspflegerisch und ökologisch ausgerichtet werden. Ziel wäre eine weitgehende Biozertifizierung, die auf den umfangreichen städtischen Flächenanteilen initiiert werden sollte. Die siedlungsnahen Wälder werden stark für die Naherholung nachgefragt. Vertraute Waldbilder mit höheren Altholzanteilen sind bei der Bevölkerung sehr beliebt. Dort soll aus freiraumplanerischer Sicht künftig der Wirtschaftsaspekt stärker in den Hintergrund treten. In den siedlungsferneren Arealen gilt es, sich nach den Prinzipien einer "Urbanen Waldwirtschaft" auszurichten (Abb. 2d).

Zahlreiche Gedankenansätze erscheinen aus heutiger Sicht visionär oder sogar unrealistisch. Es handelt sich dabei aber um Potenziale der Stadt- und Grünentwicklung, die zu gegebener Zeit, mitunter auch schneller als man denkt, reale Aufgaben werden können. Deswegen müssen diese, wie man so sagt, im Hinterkopf behalten werden, um sie dann bei Bedarf schnell und strategisch wirksam in die Diskussion einzubringen. So belegen etwa die Raffinerien einen größeren Teil der Rheinaue, die bei Nutzungsänderungen in Teilen renaturiert werden sollten. Dadurch könnten der Zugang an den Rhein verbessert, der Biotopverbund gestärkt und die kanalisierten Flussläufe wieder freier in der Landschaft schwingen.

Auch der Standort des großflächigen Rangierbahnhofs, der die Innenstadt vom Oberwald - einem der grünen Keile - abtrennt, bietet sowohl städtebaulich als auch für den Freiraum hochwertige Entwicklungspotenziale. Der nördliche Rand des Rheinhafens mit seinen historischen Lagerhäusern könnte längerfristig den Weg für die immer wieder diskutierte Anbindung der Stadt an den Rhein frei machen. Eine gewässerbegleitende Promenade würde dann den zum Stadtjubiläum 2015 eingeweihten Landschaftspark Rhein wirksam abrunden (Abb. 2e).

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Abb. 3: Freiraumentwicklungsplan und Maßnahmen – Karlsruhe mit den über 60 Projekten einer weiteren Grünentwicklung. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe

Im Großen und im Kleinen denken und handeln

Freiraumplanung muss auf allen Ebenen mit durchgehend hohem Qualitätsanspruch agieren, das garantiert insgesamt überzeugende Ergebnisse.

Beispiele: Die grünen Querspangen zwischen Rhein und Vorbergzone bilden wichtige Gliederungselemente innerhalb der Siedlungsareale. Sie benötigen planungsrechtlich eine verbindliche Sicherung um ihre vielfältigen Aufgaben wahrnehmen zu können. Freiraumstrukturkonzepte sind die Grundlage für deren Weiterentwicklung und für deren Schutz. Städtebauliche Entwicklungen im Umfeld müssen intensiv mit den Freiraumbelangen abgestimmt und abgewogen werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Randausbildung (Abb. 2e, 4, 7 und 8).

Die Stadtstraßen dienen zunächst einmal der Erschließung. Als wohnungsnahe, baumbestandene "Freiflächen", die sich als enges Geflecht durch die Stadt ziehen, beeinflussen sie das Stadtklima und das Wohnumfeld positiv. Etliche Straßen sind immer noch baumlos, weil der Verkehr alle Flächen beansprucht oder weil Leitungstrassen dies ausschließen. Der Freiraumentwicklungsplan zeigt anhand zahlreicher Situationen die noch schlummernden Potenziale auf. Es wird zudem angeregt, in baumlosen Straßen bei Leitungserneuerungen Schritt für Schritt Korridore für Baumpflanzungen freizustellen, in dem die Leitungen stärker gebündelt werden (Abb. 6). Dies setzt eine vorrausschauende Planung voraus. Auch sollten mehr Sonder- oder auch Übergangslösungen gefunden werden, um zumindest punktuelle Verbesserungen auch aus stadtgestalterischer Sicht zu bewirken.

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Abb. 4: Der Freiraumstrukturplan für den östlichen Teil der Nordspange bildet eine gewichtige Grundlage für deren weitere planerische Vertiefung und für die Abstimmung mit der Stadtplanung. Plan, Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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Abb. 5: Strukturskizze für eine Grünspange zwischen dem südlichen Hardtwald und dem Park "Günther-Klotz-Anlage. Voraussetzung sind ein längerfristiger, auf dieses Ziel hin gerichteter Stadtumbau und ein breiter Gründeckel über der Stadtautobahn. Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe
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Abb. 6: Leitungstrassen in einer Straße: Zug um Zug müssen Korridore freigestellt werden um die Standortvoraussetzungen für klimawirksame Baumpflanzungen zu ermöglichen. Zeichnung: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe

Beobachtungen und Erfahrungen zum Nachdenken

Planung beinhaltet in der Regel Abwägung und Priorisierung. Diese werden durch die Planungsbeteiligten und durch die politisch Entscheidenden bestimmt. Freiraumbelangen, die für die Lebensqualität und die Zukunftsfähigkeit einer Stadt grundlegend, ja unverzichtbar sind, müssten allerdings Priorität eingeräumt werden. Die Praxis wird jedoch überwiegend von Kompromissen geprägt, die häufig den Freiraumerfordernissen nur bedingt gerecht werden. Es besteht Verbesserungs- und Optimierungsbedarf wie nachfolgende Beispiele aufzeigen sollen:

  • Innenentwicklung kann nur befürwortet werden, wenn diese nicht auf Kosten vorhandener, für das Stadtklima leistungsfähiger Grünsubstanz geht. Grün auf/an Gebäuden bildet nur bedingt einen Ersatz für Vegetation, die auf gewachsenem Boden wächst. In Zeiten des Klimawandels muss Innenentwicklung mit stadtökologischen Verbesserungen einhergehen.
  • Die Straßenraumgestaltung wird noch immer vorrangig von den Verkehrsbelangen und von der Lage der Ver- und Entsorgungsleitungen bestimmt. Baumpflanzungen und Aufenthaltsqualitäten sind zwar erwünscht, müssen sich aber in der Regel unterordnen. Nachdenklich stimmt es, dass stadtklimatisch erforderliche Baumpflanzungen auch dann nicht möglich sind, wenn Fahrspuren reduziert werden, weil der gewonnene Raum bevorzugt für Fahrradspuren genutzt wird.
  • s stellt sich die Frage: wer ist zuständig für den öffentlichen Raum zu dem auch die Straßen zählen? Sind dies überwiegend die ingenieurtechnischen Ämter oder sollte dies nicht auch eine freiraumplanerische Aufgabe sein, die gestalterische und ökologische Aspekte stärker mit einbezieht. In Hannover wird ein Landschaftsarchitekt erfolgreich als Koordinator bei Straßenraumgestaltungen eingesetzt!
  • Großprojekte werden zunehmend an eigens dafür gegründete städtische Gesellschaften übertragen. Dies erschwert es der Verwaltung, aber auch der Politik, im notwendigen Maß auf die Realisierungsdetails Einfluss zu nehmen. So bleiben bei der kürzlich in Betrieb gegangenen Karlsruher U-Bahn die Gestaltung und die Aufenthaltsqualität der von Straßenbahnen befreiten Straßenräume in Teilen deutlich hinter deren neu gewonnenen Potenzialen zurück. Dies liegt aber auch daran, dass dem Individualverkehr immer noch eine zu hohe Priorität eingeräumt wird. Für derartige Projekte mit besonderer stadträumlicher Relevanz sind koordinierende Stabsstellen mit gestalterischer Kompetenz hilfreich, die alle Belange zu optimierten Lösungen führen und dabei immer das gesamte Erscheinungsbild des Vorhabens im Auge behalten.
  • In städtischen Verdichtungsräumen müssen Mensch und Natur in einer ausgewogenen Beziehung zueinander stehen. Ökologie, Biodiversität, Nutzwert und Gestaltung sind wesentliche Funktionen der Freiräume, die miteinander im Einklang zu bringen sind. Dabei nimmt die Gartenkultur einen unverzichtbaren Stellenwert ein, auch wenn diese nicht immer optimierten Biodiversitätsansprüchen gerecht werden kann.
  • Der spezielle Artenschutz und das vertraute Erscheinungsbild in tradierten Gartenanlagen konkurrieren häufig miteinander. So gibt es zum Beispiel beim Umgang mit dem Heldbock Zielkonflikte zwischen dem Anspruch des Naturschutzes ein Heldbockhabitat zu fördern und dem Wunsch, gestalterisch prägende Alteichenbestände möglichst lange zu erhalten. Hier sind differenzierte ortsbezogene Strategien gefragt. Häufig verbleibt vom Heldbock belebtes Schnittgut in Parks und Gärten, um dessen Verbreitung zu unterstützen. Das kann nicht grundsätzlich wünschenswert sein.
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Abb. 7: Der städtebauliche Rahmenplan Zukunft Nord gibt eine beispielhafte, verzahnende Randausbildung zwischen der Nordstadt und dem Landschaftraum Alter Flugplatz vor. Abb.: Büros Machleidt, SINAI u. a.
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Abb. 8a: Die fingerartig ausgeformte Grünstruktur gliedert das Wohngebiet, das auf ehemaligem Kasernengelände entstanden ist. Büro Vandkunsten, Luftbild Roland Fränkle Stadt Karlsruhe
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Abb. 8b: Neue Erlebnisqualitäten entlang des wieder frei gestellten Waldrandes. Foto: Thomas Henz, Gartenbauamt Karlsruhe

Immer wieder neue Herausforderungen

An dieser Stelle konnten nur einige Schwerpunkte und Gedanken aus dem Freiraumentwicklungsplan Karlsruhe vorgestellt werden. Das Aktionsfeld und die Aufgaben in einer Stadt mit 300.000 Einwohnern, Tendenz steigend, sind äußerst vielfältig und es kommen immer wieder neue Fragen und Herausforderungen auf. So konnte das Thema "Schwammstadt" in diesem Plan noch nicht vertieft werden. Auch Karlsruhe wird im eher trockenen Oberrheingraben von Starkregenereignissen nicht verschont bleiben. Die Infrastruktur muss darauf ausgerichtet werden und das Stadtgrün wird und kann aufgrund seiner engmaschigen Vernetzung seinen Beitrag leisten. Diese zusätzliche Funktion erfordert jedoch zusätzliche Grünflächen im Siedlungsbereich und eine konsequente Flächenentsiegelungsstrategie.

Autor

Garten- und Landschaftsarchitekt

Stadt Karlsruhe

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