Zertifizierter Wanderweg

Keine Haftung für waldtypische Gefahren

Sicherheit Baumkontrolle
Waldwege seien mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht. Der Landesgesetzgeber habe eine solche Gleichstellung gerade nicht vorgenommen, sodass dem Waldeigentümer Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen nicht zumutbar seien. Foto: by-sassi, pixelio.de

Dem noch nicht rechtskräftigen - aufgrund einer noch anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH (- VI ZR 357/21 -) - klageabweisenden Beschluss des OLG Naumburg vom 15.12.2020 - 2 U 66/20 - lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war am 13.07.2018 auf dem zertifizierten "Qualitätswanderweg" Harzer-Hexen-Stieg im Wald der beklagten Kommune unterwegs. Während der Wanderung stürzte eine circa 10 bis 12 Meter hohe Eiche um und verletzte den Kläger so schwer, dass er seither querschnittsgelähmt ist. Mit der Klage begehrt er ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000 Euro sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für alle materiellen, auch zukünftigen, unfallbedingten Schäden.

Die Beklagte hatte mit dem Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch das örtliche Forstamt, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die ständige Betreuung ihres Kommunalwaldes geschlossen. Sie bewarb den Wanderweg touristisch als zertifizierten "Qualitätswanderweg". Nach dem Unfall veranlasste sie Baumkontrollen, als deren Ergebnis insgesamt 278 Bäume als nicht "voll gesund" bewertet und gefällt wurden.

Das LG Magdeburg hat durch Urteil vom 04.03.2020 - 10 O 701/19 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht sich maßgeblich auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 02.10.2012 - VI ZR 311/11 - berufen, wonach waldtypische Gefahren grundsätzlich keine Haftung des Waldbesitzers begründen. Dies gilt nach Auffassung des Landgerichts auch für besonders beworbene und/oder zertifizierte Wanderwege. Eine interne Stellungnahme der Beklagten gegenüber ihrem Haftpflichtversicherer stelle im Übrigen weder ein selbständiges Schuldversprechen noch ein Schuldanerkenntnis im Sinne von §§ 780 f. BGB dar.

Das OLG Naumburg hat die Berufung durch Beschluss vom 15.12.2020 - 2 U 66/20 - als unbegründet zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das Berufungsgericht stellt hinsichtlich des Inhaltes und Umfangs der Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers maßgeblich auf § 22 LWaldG Sachsen-Anhalt ab als Umsetzung der bundesrechtlichen Rahmenregelung in § 14 Abs. 1 BWaldG. Dort hat der Landesgesetzgeber eine Differenzierung zwischen waldtypischen und waldatypischen Gefahren vorgenommen und den Waldeigentümer von der Haftung für waldtypische Gefahren befreit.

Nach Auffassung des OLG bezieht sich nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Haftungsfreizeichnung des Waldeigentümers für waldtypische Gefahren auch auf Wanderwege. Waldwege seien mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht. Der Landesgesetzgeber habe eine solche Gleichstellung gerade nicht vorgenommen, sodass dem Waldeigentümer Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen nicht zumutbar seien.

Ein Waldeigentümer hafte in Sachsen-Anhalt demgemäß auch nicht bei Unfällen auf sogenannten "Qualitätswanderwegen" für die Verwirklichung waldtypischer Gefahren. Auch ein Qualitätswanderweg bleibe ein Wanderweg in der freien Landschaft, dessen Benutzung auf eigene Gefahr erfolge. Im Übrigen erfolge die vorliegende Zertifizierung hauptsächlich nach den Kriterien als landschaftlich und kulturell abwechslungsreicher und möglichst naturbelassener Wanderweg mit perfekter Markierung zur Orientierung.

Die zertifizierte Qualität spiegele sich also gerade darin wieder, dass der Wald möglichst naturbelassen bleibt, in Wanderkarten und vor Ort aber zur Orientierung der Waldbesucher gut ausgeschildert ist. Eine Übernahme einer besonderen Verpflichtung, für Verkehrssicherheit zu sorgen, sei mit dieser Zertifizierung nicht verbunden. Im Übrigen stelle die naturbelassene Waldpflege eine ordnungsgemäße und unter ökologischen Gesichtspunkten geförderte Art der Waldbewirtschaftung dar.

Einer besonderen Hinweisbeschilderung auf waldtypische Gefahren bedürfe es entgegen der Auffassung des Klägers auch bei zertifizierten Wanderwegen nicht. Aus dem mit dem Land geschlossenen Betreuungsvertrag ergäben sich keine überobligatorischen Verkehrssicherungspflichten. Für ein Schuldversprechen im Sinne von § 780 S. 1 BGB bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Aus nach dem Unfall getroffenen Maßnahmen lasse sich für einen zuvor bestehenden rechtswidrigen Zustand nichts herleiten. Diese Maßnahmen seien ersichtlich aus der Übernahme einer politischen und moralischen, nicht einer rechtlichen Verantwortung, erfolgt.

Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des OLG Naumburg überzeugt in jeder Hinsicht. Sie liegt hinsichtlich der Ablehnung der Haftung des Waldeigentümers für waldtypische Gefahren auf zertifizierten Wanderwegen auf einer Linie mit dem Urteil des OLG Saarbrücken vom 16.03.2017 - 4 U 126/16 -, juris zu "Premiumwanderwegen" im Saarland. Es bleibt zu hoffen, ist meiner Einschätzung nach aber auch zu erwarten, dass der BGH die Entscheidung bestätigen wird.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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