Spielplätze aus der Sicht von Enkel und Opa

Kleckern und Klettern

von:
Generationenparks
Berlin Gleisdreieck. Kindliche Kooperation– Wasser frei. Fotos: Soweit nichts anderes angegeben von Hanns-Werner Heister

Spielen ist kein Kinderspiel, sondern für Kinder - wie auch für Jugendliche und Erwachsene - lebensnotwendig. Dasselbe gilt für (öffentliche) Kinderspielplätze angesichts enger Wohnungen und isolierter Klein- oder Patchworkfamilien. Kinder sind darin geradezu gefangen, so wie sie von medialisierten Spielen gefangengenommen werden und sich gefangen nehmen lassen. Im Prinzip haben sie aus solchen Gefängnissen Freigang.

Da aber die Straße in Städten für Kinder lebensgefährlich ist, sind Inseln relativer Sicherheit wie eben Kinderspielplätze überlebensnotwendig. Wie es aussieht, hat sich das in den Kommunen seit längerem herumgesprochen. Es ist keine Gnade, sondern ein Bestandteil des "Rechts des Kindes auf Ruhe und Freizeit […], auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben" (Artikel 31, Absatz 1 UN-Kinderrechtskonvention KRK). Die Vertragsstaaten, zu denen die Bundesrepublik Deutschland seit 2010 gehört, gewähren diese Rechte nicht nur, sondern verpflichten sich ausdrücklich dazu, deren Wahrnehmung zu fördern, nicht zuletzt durch "die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung sowie für die aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung" (Artikel 31, Absatz 2 UN-KRK).

Quantität und vor allem Qualität der Kinderspielplätze verbesserten und verbessern sich. Dennoch sind sowohl der Erhalt des derzeitigen Stands wie Verbesserungen möglich und nötig.

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Kinderfeindlichkeit wie Kinderarmut sind mitnichten verschwunden. Besonders letztere wächst. "Nach Berechnungen des Kinderhilfswerks leben in Deutschland 2,8 Millionen Kinder in Armut. Das ist jedes fünfte Kind. 1960 war es jedes 75. Kind." Das ist also entschieden schlechter geworden. Besser dagegen die mindestens prinzipielle Bereitschaft, etwas gegen Verschlechterungen zu tun: "Zur Bekämpfung der Kinderarmut würden Deutsche sogar mehr Abgaben zahlen."1 Unverändert freilich scheint eine Grundhaltung: "Die deutsche Gesellschaft sei "anhaltend kinderfeindlich", hat der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" [15.11.14] resümiert. […] So würden mancherorts Mütter aus Restaurants geworfen, weil sie stillten oder ihre Babys schrien [...]. Nicht wenige Cafés verböten das Abstellen und Mitführen von Kinderwagen. Einige Fluggesellschaften betrieben gar Werbung mit kinderfreien Zonen".2

Die Polarisierung von Armut und Reichtum führt zu sozialer Ausgrenzung und Abschottung der Privilegierten. Sie betrifft auch kinderhaltige Zonen. So zum Beispiel in Berlin im November 2014: "Ein massiver Zaun grenzt den privaten Spielplatz von den öffentlichen Wegen ab. Im Neubau dahinter sind die ersten Wohnungen bezogen. Seit Sommer 2014 gibt es in dem Gebäude auch ein Vier-Sterne-Hotel der israelischen Fattal-Gruppe mit 309 Zimmern sowie Büroflächen. […] Der neue Sand im Buddelkasten ist fast weiß. Darin stehen vier große Metallzylinder. Vielleicht sollen Kinder von dort in den Sand hüpfen? […] Vier Schwing-Stangen gibt es noch, zwei Schaukeln und zwei Bänke. Familien mit Kindern sind aber noch nicht in das Haus eingezogen."3

Kot und Müll

Soweit ich sehe, sind sowohl die Hinterlassenschaften von Hunden wie von Heroinabhängigen vielerorts aus den Sandkästen verschwunden. Es hängt aber insgesamt sehr vom Stadtviertel ab, vom Engagement der Bewohner einerseits und der Verwaltungen andererseits. Auch sammeln die Eigentümer von Hunden brav deren Kot in die hierfür vorgesehenen Tüten von Rasenflächen auf, jedenfalls wenn jemand zusieht. Das ist anderswo, etwa in Hamburg südlich der Elbe (Neugraben, Neuwiedenthal), oder in anderen Berliner Bezirken wie in Moabit anders. "Viele Halter", so eine Freundin per Mail am 18.09.14, "schaffen es ja, das Produkt in einen Beutel zu stecken, nicht aber, den dann mittels dreier Schritte in den Müllbehälter zu stecken". Das ist verständlich, da es ja um gesunden Auslauf für die Hunde geht, nicht für die Herrchen und Frauchen. Doch selbst das richtige Verhalten in dieser Hinsicht hindert Hunde nicht daran, manche Rasenflächen im Umfeld von Spielplätzen so zu zerwühlen, als wären Wildkaninchen und Wildschweine am Werk. Und Herrchen wie Frauchen hindern sie ihrerseits nicht daran.

Ein Extrem der Verwahrlosung ist es, aber nicht einmalig, sondern so auch früher oft schon, dass sich zum Beispiel im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg "die Verstecke für die Drogen im Park nicht mehr nur in den Bäumen befinden, sondern auch auf dem Piraten-Kinderspielplatz."4

Wasser und Erde

Dass es auf Kinderspielplätzen für schon windelfreie Kleinkinder wie für Erwachsene meist keine Toiletten gibt, ist verschmerzbar. Nicht nur wäre der Aufwand für die doch eher seltenen Notwendigkeiten zu groß, sondern auch die Appetitlichkeit solcher Anlagen ist meist zu gering. Natur und Kultur halten es aus, wenn gelegentlich Hecken und Randzonen für pipi rustique oder gar größere Geschäfte genutzt werden. Der Sicht- und Luft-Schutzstreifen sollte freilich breit genug sein. Er ist es jedoch nicht immer.

Eine Frage des Aufwands ist es, die auch auf solche Weise gut gedüngten und eben an den Rändern versteckten Brennnesseln, die Stickstoffanzeiger und Kinderschädiger sind wegzumähen. Das Problem des Pflegeaufwands besteht auch für die weitaus besseren Brombeeren und andere Nutzpflanzen wie etwa die anspruchslosen Johannisbeeren: Wegen des zu Recht gefürchteten Fuchsbandwurms müssten sie von unten her bis zur Fuchsdefäkationshöhe beschnitten werden. Die Kratzer bekämen durch diese Maßnahme hauptsächlich die Erwachsenen ab und bei der Kosten-Nutzen-Analyse von Schmerz und Wohlgeschmack könnte individuell entschieden werden.

Immerhin gibt es auch da ein Umdenken von Grau zu Grün. Gegenüber früheren "sterilen" "möblierten Spielplätzen" "geht man inzwischen dazu über, die natürliche Vegetation und Landschaftsform in das Konzept zu integrieren. Seitdem wird zu einer standortgerechten Artenvielfalt ermuntert, Bäume und Sträucher mit genießbaren Früchten sollen das Naturerlebnis intensivieren. Ausdrücklich verboten sind vier giftige Pflanzenarten: Pfaffenhütchen, Seidelbast, Stechpalme und Goldregen."5 Ebenfalls positiv fällt auf, dass die Spielplätze durchweg phantasievoller angelegt sind.

Dass dennoch nach wie vor viel Fades, Hässliches, Unnützes und Unbrauchbares aufgestellt wird, versteht sich. Man fragt sich unwillkürlich, woher manche Herstellerfirmen und GestalterInnen so viele schlechte Ideen beziehen. Und warum Stadtverwaltungen solches Zeug auch noch käuflich beziehen. Manchmal nähern sich neuere Spielplätze sogar dem Typus jenes "Abenteuerspielplatzes" an, der vor drei bis vier Jahrzehnten (in der Zeit also, in der ich noch Vater und nicht Opa war) eine Besonderheit war.6 Früher war also nicht alles besser. So haben viele, tendenziell alle größeren Spielplätze inzwischen Wasserstellen mit Holzrinnen oder Steinkanälen. Das ist ein passabler Ersatz für die Rinnsale und Bäche, die Kinder auf dem Land oder am Rande der Städte zur Verfügung haben. Freilich, es ist ein Ersatz.

Mehrgenerationenplätze

Ein vielleicht kleines, jedenfalls im Prinzip lösbares Problem ist es, dass für Krabbelkinder - und das sind die meisten immerhin etwa ein Jahr lang - die Spielmöglichkeiten eingeschränkter sind. Gerade bei den dringend nötigen Spielplätzen zwischen Häusern gibt es, anders als in Parks, keine Ausweichmöglichkeiten auf Rasenflächen. Hier, im Gegensatz zur Politik, wären "Schutzzonen" von Nutzen, undoktrinär abgegrenzte ruhigere Räume am Rand. Umgekehrt brauchen größere Kinder abgegrenzte Spielräume für Ball- und Baller-Spiele, in diesem Fall sogar tunlichst vergittert und etwas käfigartig. Wünschenswert sind weiter, wenn möglich, für noch größere Kinder und sogar Jugendliche Einrichtungen für Skateboard-Kunststücke und ähnliches - aber dafür reicht oft der Platz nicht. Hier werden wahrscheinlich nicht genug, aber doch immer mehr Möglichkeiten anderswo geschaffen, getrennt von den eigentlichen Kinderspielplätzen.

Bewegungsparcours und Mehrgenerationenplätze oder Bewegungsparks (beschönigende Wörter für "Seniorenspielplatz" - nicht alle Älteren sind infantil oder debil) müssen dagegen nicht sein, jedenfalls nicht in der Nähe von Kinderspielplätzen. Da genügen klassische, hinreichend bequeme Bänke für Mütter und Väter, Omas und Opas.

Ein noch größeres Problem ist Frei- und Spielraum für Jugendliche. Je schlechter ein Stadtviertel wirtschaftlich-sozial gestellt ist, desto dringender ist der Nachhol- und Ausbaubedarf. Denn dort besetzen immer mehr Jugendliche die eigentlich für Kinder gedachten Spielplätze. Diese sind oft der einzige Ort, an dem sie abends und nachts in Ruhe und ohne Kaufzwang wie in Gaststätten oder Diskotheken zusammensitzen können, niemand vorbeikommt und sie stört und sie sich unbeobachtet fühlen. Diese Freiheit von Kontrolle ist freilich zwiespältig. Sie fördert Verschmutzung und Vandalismus. Dagegen würden vorab größere Abfallbehälter samt häufigerer Leerung für die bei den nächtlichen Sitzungen anfallenden Bierflaschen, Essensreste, Zigarettenstummel und anderen Müll bis hin zu den erwähnten Heroinspritzen helfen. Die besten Abfalleimer helfen allerdings wenig ohne entsprechendes Verhalten und ein Minimum an Entgegenkommen. Letztlich geht es nur in einem sozialen Klima, das gemeinwohlorientiertes, soziales Verhalten fördert. Das ist im Zeitalter der fast totalen Privatisierung freilich leichter gesagt als getan.

Luft ohne und mit Feuer

Von den klassischen vier Elementen fehlt in der Regel das Feuer auf Kinderspielplätzen. Grillen und ähnliches ist dort zu Recht verboten. In größeren Parks mag es für abgrenzbare Flächen gestattet sein. Für Picknick ohne Feuer reicht der Platz am Rand von Kinderspielplätzen meist.

Besser wäre es, wenn es möglichst allerorten das Abenteuer Spielplatz gäbe. Abenteuerspielplätze sind doch etwas dünn gesät, aber immerhin … "Ein Abenteuerspielplatz ist kein ,klassischer' Spielplatz, sondern vielmehr eine soziale oder kulturelle Einrichtung. Das wird allein schon dadurch deutlich, dass Abenteuerspielplätze zumeist von hauptamtlichem Personal betreut werden.

Auf einem Abenteuerspielplatz stehen die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft im Mittelpunkt und es gibt auf Abenteuerspielplätzen viele pädagogisch angeleitete Angebote. So werden auf Abenteuerspielplätzen Hütten gebaut, es wird Feuer gemacht, getöpfert, gemalert, gekocht und natürlich wird die Natur erkundet.

Für Abenteuerspielplätze gibt es verschiedene Bezeichnungen. Je nach Region werden Abenteuerspielplätze auch als Aktivspielplätze oder Bauspielplätze bezeichnet. Auch wenn die Schwerpunkte auf Bau-, Aktiv- und Abenteuerspielplätzen unterschiedlich gelagert sind, eines haben Spielplätze dieser Art gemein: Abenteuerspielplätze ermöglichen es Kindern, sich gezielt oder auch zufällig in Gruppen zu treffen und dort zu experimentieren, selbst aktiv zu werden, zu lernen mit Risiken umzugehen, Grenzen auszuprobieren und diese spielerisch zu erweitern."7

Statt der einstigen vorwiegend einförmigen Klettergerüste ins Nirgendwo, durch reckartige Stangengebilde verschiedener Höhe ergänzt, gibt es heute auf vielen Spielplätzen vielfältige, oft phantasievolle regelrechte Kletterlandschaften. Sie bilden manchmal eine zweite Ebene über dem Boden und damit fast eine Andeutung des mehrstöckigen Waldes und Urwaldes. Der Zugang über Leitern, Treppen, Seile, Netze, bergsteiger- oder freeclimber-affine Kletterwände bildet eine Herausforderung für Geschicklichkeit und planmäßige Tätigkeit. Dem anstrengenden und längerdauernden Aufstieg antwortet dann die lustvolle, kurze und rauschhafte Abfahrt über die Rutsche, bei der sich die Typenvielfalt ebenfalls wesentlich vergrößert hat.

Leider gibt es fast nie eine Analogie zum Plansch- und Nichtschwimmerbecken in den Schwimmbädern: Krabbelkinder, aber auch nicht so geschickte oder starke kleine Kinder kommen nicht in die Höhe. Das Problem ist also ähnlich wie bei den Schutzzonen, nur liegen die Altersgrenzen hier höher. Da aber auch diejenigen, die es alleine nicht schaffen, nach oben kommen wollen, sind die Erwachsenen als Kran-Ersatz in der Pflicht.8 Das widerspricht freilich allen pädagogischen Prinzipien, die Selbstbestimmung und Eigenaktivität sowohl als Mittel wie als Ziel menschlicher Entwicklung ansehen.9 Auf manchen Spielplätzen gibt es jedoch bereits leicht ersteigbaren und zugleich nicht zu schnellen Rutschen.

Bäume

Die Phantasie der zuständigen Behörden und Gestalter hört freilich generell meist an den Grenzen des Apparativen und Anorganischen auf, wie schon bei Brombeeren und Brennnesseln angedeutet wurde. Das Motto scheint etwa zu lauten: "Lieber tote bunt angestrichene Waren als lebendige grüne Bäume mit roten Früchten". Es fragt sich, warum nicht auch niedrige Obstbäume, Weiden oder andere Bäume mit Verzweigungen schon unten am Stamm an Kinderspielplätzen gepflanzt werden - oder gleich Heister-Formen mit kleinkinderadäquater Verzweigungsstruktur. Es müssen ja nicht Kirschbäume mit ihrem leicht brechendem Holz sein. Birnbäume sind ausgesprochenes Hartholz, und auch Apfelbäume sind solide. Generell sind Bäume nicht gefährlicher als Klettergerüste aller Art, aber abwechslungsreicher. Die mit gutem Grund beliebte Rutsche freilich fehlt hier - zugestanden. Dafür sind eben die Kletter-Geräte zuständig.

Der Erhaltungs- und Pflegeaufwand bei Bäumen ist wohl auch nicht größer als bei diesen oft sehr aufwendigen Bauwerken, eher im Gegenteil: Das Höhenwachstum ist wegen eventueller Haftungen rasch mit einem Sägeschnitt reduzierbar. Aber Geräte bringen natürlich erheblich mehr Gewinn als Bäume. So oder so stehen für alle Fälle im Bundesverband der Spielplatzgeräte und Freizeitanlagen Hersteller e. V. eine Reihe spezieller Anbieter von Fallschutzanlagen bereit.10

Wirklich wichtig für die Sicherheit der Kinder wäre etwas anderes: verschließbare Türen an Kinderspielplätzen, die erst von Schulkindern, also ab etwa sechs Jahren, ohne Hilfe von Erwachsenen zu öffnen sind. Früher gab es die. In der letzten Zeit habe ich sie nicht mehr gesehen. Gerade bei kleinen Spielplätzen unmittelbar an Straßen sind die problemlos zu öffnenden Türen objektiv gefährlich und erfordern eine dauernde Notfallbereitschaft der zuständigen Erwachsenen.

Kinder-Abenteuer. Wildnis in der Stadt

Was entschieden fehlt, sind Brachen aller Art in der Stadt mit Stock und Stein, Wasser und Grün als Kinderspielplätze. Sie können verständlicherweise nicht eigentlich geplant und angelegt werden. Sie könnten aber zugänglich bleiben oder wieder zugänglich gemacht werden. Stattdessen stehen dort teure Zäune, Gitter und sonstige Absperrungen. Die Angst vor der Wildnis scheint immer noch, auch nach 10.000 bis 12.000 Jahren neolithischer Revolution, seelisch tief verankert, oder ist es wieder in einer antibiotisierten Umwelt.

Zur Angst vor der Wildnis kommt die vor und in der Zivilisation hinzu. Diese tritt hier vor allem wohl in Gestalt von Haftungen auf. Sie ließen sich aber durch entsprechende Warnschilder doch weitgehend ausschließen, statt die Kinder auszuschließen, also mit Varianten wie "Betreten erlaubt! Eltern haften für ihre Kinder". Tretroller-, Fahrrad- oder gar Skateboard-Fahren ist im Übrigen gefährlicher als das Spielen auf Brachen. Dass die Kinder alleine losziehen, in einem höheren Alter, etwa in der Größenordnung gegen Ende der Grundschulzeit, ist in der autogeplagten Großstadt schwierig, aber doch nicht ganz unmöglich. Nur, solche zugänglichen Brachen gibt es praktisch nicht, allenfalls in Miniaturausführung. Große Pfützen im freien Umfeld etwa von Baustellen, in die Kinder jeglichen Alters hineinplatschen können, sind ein unzulänglicher Ersatz für Wasser, echte Erde statt Sand, Luft und Feuer.

Die Problematik zeigt exemplarisch das Großprojekt Berlin Gleisdreieck. Es sind schöne und nützliche und vielfältige Spielräume entstanden, samt Radwegen, kleinteiligen und abwechslungsreichen Miniaturlandschaften und anderem mehr. Der für Enkel und mich weite Weg lohnt sich. Dennoch hätte da ruhig mehr so bleiben können, wie es war. Das Pflanzen-Wachstum entlang von Schienensträngen und selbst Straßen ist in Quantität und Qualität schon imponierend genug. Auf stillgelegtem Schienengelände ist die Biodiversität noch erheblich größer - und war es auch im Fall Gleisdreieck. Hiervon war vieles als Natur erhaltenswert, statt es mit Bau- oder Pflanzenkultur zu vernichten oder zu überformen. Es wäre billiger und besser im Hinblick auf Spiel- und Naturvielfalt gewesen. Das da gesparte Geld wäre für andere Spielplätze oder den Ausbau der Kindergärten und die Besserbezahlung der ErzieherInnen besser verwendet gewesen.

Ein zulänglicher Ersatz für Brachen und andere kulturerzeugte Wildnisse, ja sogar mehr als das, sind oder wären natürliche Wildnisse innerhalb der Hochzivilisation, zumal Wälder oder Wäldchen. Feuer ist hier freilich im Unterschied zu Brachen und Ödland nicht am Platz. Aber ansonsten ist Platz für eine außerordentliche Vielfalt von spielerischen Tätigkeiten und Platz für Kinder. Wälder liegen aber logischerweise in der Regel am Rand der Stadt und taugen daher der langen Wege wegen kaum für das Alltagsvergnügen von Kindern. Deren Zeit ist durch Kindergarten oder Kinderkrippe und Kindertagesstätte wie Schule samt Hausaufgaben doch sehr beschränkt. Von dem viel zu teuren öffentlichen Nahverkehr reden wir da gar nicht. Nicht alle Familien haben ein Auto, das ja auch nicht gerade billig im Unterhalt ist.

Das gleiche Problem gilt für Seen. Hier war etwa in Berlin früher manches tatsächlich besser. Denn heute ist der Grunewaldsee, abgesehen vom autobahn-umzingelten Halensee ausgerechnet der stadtnächste der südlichen Seen-Kette, völlig von Hunden okkupiert und für Kinder und andere Menschen unbenutzbar. Dabei wäre es für die dort vorherrschenden Upperclass-Autos ein leichtes, die Hunde in Auslaufgebiete etwas weiter weg zu transportieren, leichter jedenfalls, als es der Weg für Kinder und Eltern ist.

Inzwischen wird Natur (die wir hier besser in Gänsefüßchen setzen sollten) auch zu Spielzwecken hergestellt und in Fragmenten wiederhergestellt. Das ist löblich. Ausgesprochen albern aber ist die Reklame dafür: "Der Naturerfahrungsraum im Park auf dem Gleisdreieck ist der erste Naturerfahrungsraum in Berlin."11 Er mag der erste künstliche (2009) sein, jedenfalls in Berlin. Aber Naturerfahrungsräume fanden sich längst vorher, eben in der Natur, ob Grunewald mit See oder Wannsee ohne Wald. "Eine besondere Attraktion bietet die neu angelegte Hügellandschaft, deren Mulden im Sommer regelmäßig mit Wasser gefüllt werden und zum Plantschen und Matschen einladen."12 Der Begriff "Sommer" ist unklar. Abgesehen davon können und wollen Kinder eigentlich zu allen Jahreszeiten matschen. Die klare Grenze setzt da nur die Tatsache, dass Wasser bei 0 Grad Celsius gefriert und dann je nach Umständen für anderes, etwa Schliddern oder Eislaufen brauchbar wird.

Dennoch ist das Winterhalbjahr für Spielplatz-Spielen ein Problem. Es dauert zwar zum Glück nur etwa sechs Monate. Aber die Zeit zieht sich, vor allem angesichts der kurzen Tageslänge. "Indoor-Spielplätze", also überdachte, beheizte und beleuchtete Spielplätze sind hier eine Lösung, teils als eigenständige Einrichtungen wie etwa Tennishallen oder Sportplätze, teils kleinformatiger in Häuserkomplexe integriert. Mit der Pracht der Einkaufspassagen des Typs "Galerie" und sonstiger Tempel für Waren können diese Bauwerke für Kinder nicht mithalten. Überdies gibt es sie nur mit Eintritt, dafür meist ohne Pflanzen.

Insgesamt ist bei Spielplätzen also noch einiges zu tun - oder zu lassen oder zuzulassen: Klettern ist wie das Leben nicht völlig ungefährlich, Kleckern mit Matschepampe macht nass und dreckig (dafür gibt es Waschmaschinen), doch Dreck fördert das Immunsystem und ist in Maßen genossen gesund. Es versteht sich, dass das weder ein Plädoyer für Umwelt-Verschmutzung noch mangelhafte Stadt- und Parkreinigung noch Vernachlässigung der kindlichen Körperpflege ist. Jedenfalls: "Dreck reinigt den Magen" - so der Volksmund, der spielerische Umgang damit aber auch Sinne und Seele.

Anmerkungen

Für Erfahrungen und Hinweise danke ich Samuel, Cecilia, Julian, Carmen, Hanne, Hilmar, Karin, Anabella und Ursula.

1 Die Welt, 14.1.14.

2 Zitiert nach Junge Welt, Berlin, 16.11.14.

3 Streit um Luxusneubau an der Friedrichstraße. Bewohner von Luxuswohnungen sperren Spielplatz ab, Martin Klesmann und Uwe Aulich, Berliner Zeitung, 18.11.14.

4 Aleksandar Zivanovic: Görlitzer Park. Die Grasfrage, Berliner Zeitung 27.06.13.

5 www.kindersicherheit.de/nc/kindersicherheit/rubrik/artikel/zuhause-und-unterwegs/spielplatz-wo-sicherheit-zum-kinderspiel-wir.html (Zugriff 02.11.14). Hervorhebung H.-W.H.

6 So richtig häufig dürfte er auch heute noch nicht sein. "585 Abenteuerspielplätze gefunden" ist eine allerdings nicht unerhebliche Mindestanzahl. (http://www.spielplatznet.de/k/abenteuerspielplatz, Abruf 02.11.14)

7 www.spielplatztreff.de/abenteuerspielplatz (Zugriff: 02.11.14). Hervorhebungen H.-W. H. Wie einige Stichproben auf dieser Website zeigen, entsprechen freilich nicht alle so benannten Plätze auch diesen Anforderungen.

8 Kinder unter drei Jahren dürfen (und können) sowieso nicht allein auf Spielplätze. www.kindersicherheit.de/nc/kindersicherheit/rubrik/artikel/zuhause-und-unterwegs/spielplatz-wo-sicherheit-zum-kinderspiel-wir.html (Zugriff 02.11.14).

9 Das Abschieben auf die Eltern löst das Problem nicht. "Um Kleinkinder beim Klettern nicht zu überfordern, sollten nur solche Geräte aufgesucht werden, bei denen die Kleinen selbständig hinauf und hinunter klettern können, dann ist die Sturzgefahr schon fast gebannt"; so Martina Abel, Geschäftsführerin der BAG Mehr Sicherheit für Kinder e. V. in Bonn. www.kindersicherheit.de/nc/kindersicherheit/rubrik/-40ba43a40f.html (Zugriff 02.11.14).

10 www.bsfh.info/index.php (Zugriff 02.11.14).

11 www.gruen-berlin.de/parks-gaerten/park-am-gleisdreieck/projekte/naturerfahrungsraum/ (Abruf 08.11.14).

12 Ebenda.

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