Wie Städte ihre Klimaanpassung in die Planung integrieren
Klimaanpassung in der kommunalen Planung
von: M.Sc. (TUM) Jonas RenkMit den fortschreitenden gravierenden Klimaveränderungen in Deutschland, die sich hier bekanntermaßen vor allem im allgemeinen Temperaturanstieg, zunehmenden Hitzewellen und Trockenphasen sowie Starkregenereignissen äußern, steigt auch die Notwendigkeit, einerseits bestmöglich zu versuchen, die anthropogen bedingten Klimaveränderungen durch weniger Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen und sich andererseits gleichzeitig effektiv an die Klimaveränderungen anzupassen. Letzteres betrifft insbesondere die Städte, da dort - bedingt durch den gegenüber dem Umland höheren Bebauungs- und Versiegelungsgrad und den damit zusammenhängenden Wärmeinseleffekt sowie die komplexen zentralen Entwässerungssysteme - die negativen Folgen des Klimawandels wie gesundheitliche Belastungen durch Hitze, Trockenschäden, Hochwasser und Überschwemmungen zusätzlich verschärft werden.
Stadtklima vor Ort
Eine grundlegende Voraussetzung für eine effektive Klimaanpassung in den Städten bilden genaue Erkenntnisse über die lokalen stadtklimatischen Gegebenheiten. Denn nur auf der Basis dieses Wissens können zielführend die konkret vor Ort geeigneten Maßnahmen zur Klimaanpassung getroffen werden. Hierfür erscheint es zunächst erforderlich, den stadtklimatischen Ausgangszustand zu ermitteln, zu analysieren und zu bewerten. Dabei sollten die lokal unterschiedlich ausgeprägten Bebauungs- und Versiegelungsgrade ebenso wie die Versorgung mit Grünflächen und Bäumen auf lokaler Ebene ermittelt und eingestuft werden. Der Luftaustausch sollte untersucht und wichtige Kaltluftbahnen (Kaltluftabflussbahnen und -leitbahnen) mit Strömungsrichtung lokalisiert und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit beurteilt werden. Wichtige Kalt- und Frischluftentstehungsflächen auf der einen Seite und Bereiche mit hoher Überwärmung auf der anderen Seite sollten definiert werden und können in einer Klimafunktionskarte auf gesamtstädtischer Ebene dargestellt werden. Im Verbund mit der stadtklimatischen Untersuchung bietet es sich auch an, verkehrsbedingte Belastungen mit Luftschadstoffen wie Stickstoffdioxid zu ermitteln und lufthygienische Belastungsbereiche zu kennzeichnen, da diese Problematik ja auch mit dem Luftaustausch zusammenhängt. Im Hinblick auf die absehbaren zunehmenden Starkregenereignisse und in deren Folge die steigende Überschwemmungsgefahr liegen, zumindest was die größeren Fließgewässer angeht, häufig bereits umfassende fachliche Grundlagen vor, die in die Analyse eingebunden und bei Bedarf durch zusätzliche Untersuchungen entsprechend ergänzt werden können. Sinnvoll könnte es in diesem Kontext auch sein, Potenziale für dezentrale Entwässerung durch Versickerung und Retention zu ermitteln.
Konzeption
Auf Grundlage dieser Untersuchungen können raumbezogen konkrete Ziele und Vorgaben für die Sicherung, Entwicklung und Wiederherstellung von stadtklimatisch günstigeren Strukturen abgeleitet und in Karten für die kommunale Planung dargestellt werden. Entsprechende Ziele können beispielsweise darin bestehen, in einem Bereich den Versiegelungsgrad zu steuern und die Nachverdichtung zu begrenzen sowie insbesondere Grünflächen zu erhalten, zu entwickeln und neu anzulegen sowie an geeigneten Stellen hitze- und trockenheitstolerante großkronige Laubbäume zu pflanzen. Es können gesamtstädtische Klimafunktionskarten und Planungshinweiskarten erstellt werden, die in der Stadtentwicklung genutzt werden können, um eine Ersteinschätzung hinsichtlich der stadtklimatischen Relevanz und der möglichen Folgen einer Planung zu treffen.
Synergien
Maßnahmen zur Klimaanpassung weisen ein hohes Potenzial für Synergien sowohl im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung als auch speziell für Naturhaushalt, Landschaft und biologische Vielfalt (Biodiversität) auf. Beispiele für mögliche Synergieeffekte werden auch in den Tabellen 1 und 2 deutlich. Hierin zeigt sich auch die große Bedeutung von Klimaanpassung im Zusammenhang mit der Grünen Infrastruktur einer Stadt.
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Implementierung
Für die Umsetzung der Klimaanpassung in der kommunalen Planung erscheinen innerhalb des formellen Planungsinstrumentariums auf der gesamtstädtischen Ebene der Flächennutzungsplan (FNP) und der Landschaftsplan (LP) sowie dementsprechend auf der nachgeordneten Ebene der Bebauungsplan (BPlan) und der Grünordnungsplan (GOP) von besonderer Bedeutung. In der Bauleitplanung sollte Klimaanpassung bei der Vorbereitung und Leitung der Flächennutzungen und der Festlegung von Entwicklungszielen umfassend eingebunden werden. Dies ergibt sich auch aus den Vorgaben des Baugesetzbuches (vgl. § 1 Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a sowie § 1a Abs. 5 BauGB). Über Darstellungen und Festsetzungen kann die Klimaanpassung zum einen indirekt beeinflusst werden, indem Nutzungsarten gesteuert und etwa Vorgaben zum Bebauungs- und Versiegelungsgrad getroffen werden. Zum anderen bestehen auch Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten, mit denen Maßnahmen zur Klimaanpassung unmittelbar umgesetzt werden können. Die in den Tabellen 1 und 2 aufgezeigten Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten für die Bauleitplanung erscheinen für die Klimaanpassung besonders wichtig. In den Tabellen sollen die möglichen Klimaanpassungseffekte der jeweiligen Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeit sowie mögliche Synergieeffekte im Sinne einer nachhaltigen und umweltverträglichen Planung aufgezeigt werden. In der Bebauungsplanung können über die Festsetzungen des § 9 BauGB hinaus auch anderweitige Festsetzungen, zum Beispiel in Bayern über örtliche Bauvorschriften nach Art. 81 BayBO, getroffen werden. Letztere können im Hinblick auf Klimaanpassung beispielsweise Vorgaben zum Hochwasser-, Gewässer- beziehungsweise Grundwasserschutz und zur dezentralen Entwässerung, etwa zur Verwendung von versickerungsfähigen Oberflächenbelägen, beinhalten.
In der kommunalen Landschaftsplanung - womit hier die Aufstellung von Landschaftsplänen (LP) und Grünordnungsplänen (GOP) gemeint ist - sollte die Klimaanpassung umgesetzt werden, indem die Thematik gezielt in die Konkretisierung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege und das Aufzeigen der Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele eingebunden wird (vgl. § 9 Abs. 1 BNatSchG). Viele der Angaben des § 9 Abs. 3 BNatSchG, die für die Landschaftspläne und Grünordnungspläne verwendet werden sollen, eignen sich für die Klimaanpassung und können darüber hinaus für umfassende Synergieeffekte genutzt werden. Für eine effektive und somit umsetzungsorientierte Klimaanpassung sollte die kommunale Landschaftsplanung anschlussfähig gegenüber der Bauleitplanung sein. Daher sollten die Angaben der Landschaftspläne und Grünordnungspläne ein möglichst hohes Maß an Verwertbarkeit für die Bauleitplanung aufweisen (vgl. dazu auch § 9 Abs. 3 S. 2 BNatSchG) und es sollte die Möglichkeit genutzt werden, die in der Landschaftsplanung für die örtliche Ebene konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen in die Bauleitpläne zu übernehmen (vgl. dazu § 11 Abs. 3 BNatSchG) - auch in Bundesländern ohne Primärintegration der Landschafts- in die Bauleitplanung.
Fazit
Die kommunale Bauleit- und Landschaftsplanung bietet somit ein hohes Potenzial, die Klimaanpassung in den Städten effektiv zu implementieren. Voraussetzung sind genaue Kenntnisse darüber, wie der stadtklimatische Ausgangszustand ist, wo Potenziale und Problemfelder bestehen und welche konkreten Klimaanpassungsmaßnahmen vor Ort zielführend sind. Die vielseitigen Synergieeffekte von Klimaanpassungsmaßnahmen sollten hierbei gezielt im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung und insbesondere zugunsten der Grünen Infrastruktur angestrebt und genutzt werden.
Literatur
Literatur
Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634).
Bayerische Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl. S. 588, BayRS 2132-1-B), die zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (GVBl. S. 523) geändert worden ist.
Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) vom 23. Februar 2011 (GVBl. S. 82, BayRS 791-1-U), das zuletzt durch § 1 Abs. 339 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist.
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) geändert worden ist.