Leserbrief
Schlossgarten Osnabrück – ein vielschichtiges Denkmal
Schlossgarten Osnabrück – ein vielschichtiges Denkmal
Wenn Denkmale mehr als 250 Jahre alt sind, dann haben sie meistens viele Umgestaltungen erfahren – entsprechend den jeweils aktuellen bau- und gartenkünstlerischen Strömungen und angepasst an die jeweiligen Nutzungsbedürfnisse –, wurden dezimiert oder auch erweitert, erhielten Um- und Einbauten. So auch der Schlossgarten Osnabrück. Seit geraumer Zeit ist es Konsens der Denkmalpflege, die Schichten auch sichtbar zu lassen, bei Neuinterpretationen zumindest aber zu berücksichtigen.
Der Schlossgarten Osnabrück ist zwar eine Planung des berühmten Barockmeisters Martin Charbonniers, wurde jedoch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Stil des englischen Landschaftsgartens umgestaltet. Erst nach dem Wiederaufbau des Schlosses, das ebenso wie der Garten im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört worden war, gab Werner Lendholt (1912–1980), zu der Zeit Professor für Grünplanung und Gartenarchitektur an der heutigen Leibniz Universität Hannover, dem Garten um 1960 wieder seine barocke Grundstruktur zurück. Auf der ursprünglichen Fläche entstand eine moderne, zeitgemäße Anlage, in der sich die barocken Gartenteile wiederfinden. Dem Schloss vorgelagert war das Parterre, interpretiert im Stil der 1960er Jahre: neun quadratische, symmetrisch angeordnet Beete mit farbenfroher Saisonbepflanzung, beidseitig flankiert von flachen Wasserbecken mit Springstrahlen, in gleicher Größe und Anordnung. Beete als auch Wasserbecken hoben sich kaum aus dem sie umgebenden Rasen heraus, waren jedoch durch breite Steinkanten von diesem getrennt. Zwei kastenförmig geschnittene Lindenreihen bildeten jeweils seitlich den räumlichen Abschluss. Den südlichen, vormals landschaftlich überformten Teil der Anlage, hatte Lendholt entsprechend den funktionalen Anforderungen an eine innerstädtische Erholungsanlage als große Liegewiese ausgebildet, die von einer Doppelreihe Bäumen dreiseitig gerahmt wird. Tatsächlich barock sind nur die vier Steinskulpturen, Allegorien auf die Kontinente Europa, Asien, Afrika und Amerika, die den Treppenaufgang zur Terrasse zieren. Sie wurden im Zuge der Neugestaltung vom früheren Rittergut in Eggermühlen nach Osnabrück gebracht.
Es ist also zu kurz gegriffen, die Neugestaltung auf den barocken Erstentwurf zurückführen zu wollen, da das bisherige Erscheinungsbild seinen Ursprung in der Nachkriegsplanung Lendholts hatte. Mit der Entfernung des gesamten Parterres ist wieder eine typische Gestaltung aus der Zeit des Wirtschaftswunders unwiederbringlich verlorengegangen.
Seit der Gestaltung durch Lendholt haben sich die Ansprüche an die innerstädtische Grünanlage "Schlossgarten" gewandelt, der Nutzungsdruck ist höher geworden, finanzielle und personelle Ressourcen für die Pflege geringer und gärtnerische Kenntnisse bei den wenigstens Pflegenden noch vorhanden. Darauf musste reagiert werden. Die Stadt Osnabrück hat den Weg des Wettbewerbs gewählt, um eine Lösung für das Dilemma zu finden. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Auslobende, Jury und Teilnehmende des Wettbewerbs der jüngeren Denkmalschicht mehr Beachtung geschenkt hätten. Selbst bei Fachleuten scheint diese noch so zeitnah empfundene Epoche kaum eine Lobby zu haben. Es wird Zeit, sich Kenntnisse über ihre typischen Gestaltmerkmale anzueignen und Qualitäten der inzwischen 60 Jahre zurückliegenden Gestaltungen wertzuschätzen. Nur dann können qualifizierte Entscheidungen über die Zukunft vorhandener Grünanlagen getroffen werden.
Dr. Ursula Kellner