Strategien für das Grün in einer rasant wachsenden Stadt

Landschaftsentwicklung und Freiraumplanung in Berlin

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IGA Berlin 2017 Internationale Gartenausstellungen
Der Große Tiergarten in Berlin. Foto: Ulrich Reinheckel, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Der Blick zurück in die Geschichte Berlins zeigt, dass das Wachstum der Stadt stets Herausforderungen mit sich brachte und Berlin in der Vergangenheit immer wieder zeitgemäße Antworten fand, die nachhaltige Wirkungen erzeugten: Stadtentwicklung mit Grün, urbane Dichte und Ausgleich im Freiraum. Die dabei gezeigte Lösungskompetenz ist die Grundlage für das Selbstbewusstsein der Stadt- und Freiraumplanung, auch heute Antworten auf die Fragen der wachsenden Stadt zu finden, die urbanes Leben mit grüner Qualität verbinden.

Städtisches Grün zur öffentlichen Nutzung der Berliner Bevölkerung stand erstmals mit dem Ausbau des Tiergartens ab 1742 im Vordergrund. Ein Jahrhundert später entstanden mit der Unterstützung des Königs durch Peter Joseph Lenné die ersten stadtweiten Grünkonzepte in Berlin und Potsdam.

Schon damals hat die zunehmende Industrialisierung, die zu immenser Verdichtung und Ausweitung Berlins führte, in der städtischen Bevölkerung ein neues Bedürfnis nach Erholung, frischer Luft und Grün, Spiel und Sport im Freien erzeugt. Die beängstigenden räumlichen Formen der Verstädterung machten grüne Erholungsflächen für die Stadtbewohner unumgänglich.

Den Gartengestaltern einer zunehmend bürgerlich geprägten Gesellschaft stellten sich neue Aufgaben. Neue Formen und Inhalte wurden für Parks entwickelt. Der Park als Ort der Gartenkunst und als Naturerfahrungsraum konnte sich als öffentlicher Raum für Begegnung und gemeinschaftliches Leben weiterentwickeln. Es entstanden die ersten kommunalen Verwaltungsstrukturen für das städtische Grün. Die Berliner Volksparks, so zum Beispiel der Friedrichshain von Gustav Meyer, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestaltet und waren ein Ausgangspunkt der Volksparkbewegung in den 1920er-Jahren.

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In der Weimarer Republik wurden diese Ideen im kommunalen Grün weitergeführt. Der in den 1920er-Jahren unter dem Einfluss von Martin Wagner aufgestellte Generalfreiflächenplan mit Radikalgrünzügen umfasste Verbindungen zu Wäldern, Seen und Rieselfeldern in der Umgebung Groß-Berlins. Diese konzeptionelle Freiraumstruktur wurde eine Grundlage für das heutige Berliner Stadtgrün.

In der wachsenden Stadt von heute gilt es, mit der Stadtgesellschaft einen Dialog zu führen: Wie viel, wo und was muss das Berliner Stadtgrün leisten und wie werden Parkanlagen, (Klein-)Gärten, Spazierwege, Grünzüge, Biotope und Brachen bewahrt, gepflegt und entwickelt?

Berlins Grün in der Gegenwart

Das Berliner Stadtgrün ist heute ein wesentlicher Teil der Berliner Stadtlandschaft und trägt zu einer hohen Lebensqualität bei.

Der Freiraum erfährt in einer sich verdichtenden und wachsenden Stadt eine verstärkte Wahrnehmung und intensivere Nutzung. Dabei steht der Wert des Stadtgrüns für Lebens-, Standort- und Umweltqualität in Konkurrenz zum Flächenbedarf für Wohnraum der erschwinglich bleiben soll. Angesichts der vielschichtigen kulturellen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen und der Transformationsphasen, die eine wachsende Stadt mit sich bringen, braucht Berlin eine gute Antwort für den öffentlichen Raum und das Berliner Stadtgrün. An Hand der vielfältigen Nutzungen - teils Übernutzungen - der Parks und des öffentlichen Raums zeigt sich, dass sich das städtische Leben verstärkt auf den öffentlichen Raum ausdehnt.

Eine Veränderung der Wahrnehmung von Grün und öffentlichem Raum in der Stadt als Gemeinschaftsraum ist die Folge. Damit einher geht der verstärkte Wunsch der Bürgerschaft, in Planung, Gestaltung und Umsetzung eingebunden zu werden. Im Berliner Stadtgrün werden diese sozio-ökologischen Veränderungen zum Teil durch die engagierten Do-it-Yourself-Gruppen im öffentlichen Raum erkennbar. Theatergruppen, Musikveranstaltungen, Gemeinschafts-, Umwelt und interkulturelle Gärten finden ihren Raum in den Berliner Grünanlagen und im öffentlichen Raum.

Mit der Internationalen Gartenausstellung (IGA) 2017 im Bezirk Marzahn-Hellersdorf lädt die deutsche Hauptstadt von April bis Oktober unter dem Motto "ein MEHR aus Farben" zu einem erlebnisreichen Festival internationaler Gartenkunst und grüner urbaner Lebenskultur ein. Dabei geht es nicht allein um ein Gartenfest, sondern auch darum, mit dieser Veranstaltung die grüne Infrastruktur zu verbessern, die Standortqualifizierung voran zu bringen und Marzahn-Hellersdorf mit seiner peripheren Lage an das Zentrum von Berlin heranzuführen. Durch einzelne Maßnahmen konnten neue Impulse für Infrastruktur, Nutzung, Stärkung und Qualifizierung des öffentlichen Raumes umgesetzt werden. Die Beispiele der IGA Berlin 2017 zeigen, dass die grünen Orte der Stadt Begegnung und Austausch, Freizeit und Erholung wie Miteinander und Integration ermöglichen. Hinzu kommt, dass das Stadtgrün das Stadtklima beeinflusst, zum Klimaschutz beiträgt und die Grundlage für Flora und Fauna ist und damit in seiner Vielfalt die biologische Artenvielfalt unterstützt.

Die IGA Berlin 2017 dient damit der beispielhaften Weiterentwicklung des Berliner Stadtgrüns.

Berlins Grün gemeinsam gestalten - solidarisch, nachhaltig und weltoffen

Berlin als ein Beispiel für die europäische Stadt im 21. Jahrhundert steht nicht nur vor den Herausforderungen durch den Klimawandel, einer nachhaltigen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur mit Energieeffizienz, ressourcenschonendem Umgang und wirtschaftlichem Betrieb, sondern sucht auch Antworten auf den demographischen Wandel, die sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen, Integration und den interkulturellen Austausch. Nach der Trennung der Stadtplanung und der Freiraumplanung in zwei Senatsverwaltungen durch die Senatsumbildung nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2016 wird es in den nächsten Jahren darum gehen, das Selbstverständnis der für Naturschutz, Freiraumplanung und Stadtgrün zuständigen Senatsverwaltung neu zu gestalten. Der Naturschutz und das Stadtgrün werden die beiden großen Themen sein, die durch eine projektorientierte, interdisziplinäre und integrierte Vorgehensweise innerhalb der Verwaltung und insbesondere der Stadtentwicklung umzusetzen sind. Dabei spielt auch die Bürgerbeteiligung eine wichtige Rolle.

Zudem werden in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung 2016 konkrete Weichenstellungen für die Zukunft festgeschrieben. Gefordert sind neue Pläne für eine grüne und soziale Infrastruktur und ein Stadtvertrag auf der Basis gesellschaftlicher Diskurs- und Aushandlungsprozesse mit der Stadtgesellschaft. Dies soll im Rahmen einer Charta zum Berliner Stadtgrün, die die dauerhafte Erhaltung und den Schutz wichtiger Grün-, Frei- und Naturflächen sowie Regeln für eine weitere Entwicklung definiert, erarbeitet werden. Bis 2021 sollen folgende Ziele erreicht werden:

  • Berlins grüne Infrastruktur ist zukunftsfähig und nachhaltig aufgestellt.
  • In Kooperation mit den Bezirken und partizipativ mit den Berlinern sind neue multifunktionale Grünanlagen entstanden, die den Nutzungsansprüchen der wachsenden Stadt durch ihre Gestaltung gerecht werden, die biologische Artenvielfalt sichern, das Stadtklima positiv beeinflussen und Räume für eine ruhige Erholung bieten.
  • die polyzentrale Struktur Berlins ist erkennbar geblieben und hat durch grüne Verbindungsräume, die 20 grünen Hauptwege sowie mit vielfältigen Fuß- und Radwegen an Qualität und Nutzbarkeit gewonnen.
  • Das Tempelhofer Feld und die Tegeler Stadtheide werden als sozial-ökologische Ausgleichsräume von gesamtstädtischer Bedeutung wahrgenommen.
  • Neue Stadtquartiere nutzen vorhandene Infrastrukturen und werden ökologisch zukunftsfähig gestaltet. Graue und grüne Infrastruktur werden zusammen weitergestaltet.
  • Die Berliner wertschätzen das grüne Profil der Stadt, das im Sinn des Landschaftsprogramms, der Strategie Stadtlandschaft und des Stadtentwicklungsplans Klima ausgestaltet wurde, die als Grundlage herangezogen werden können.

Um die grünen Ziele bis 2021 zu realisieren, sollen in einer Charta für das Berliner Stadtgrün zukünftige Handlungsfelder und Instrumente definiert werden. Damit wird eine gemeinsame Grundlage für Politik, Verwaltung und lokale Akteure/Bürgerschaft geschaffen. Ziel ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses und die Wertschätzung von Stadtgrün, die Schaffung von Umweltgerechtigkeit und die Begleitung der wachsenden Stadt mit konkreten Handlungsleitlinien.

Ansatzpunkte sind:

  • Sicherung und Entwicklung der Freiräume der Stadt und Gestaltung der Regionalparks gemeinsam mit dem Land Brandenburg
  • Qualifizierung des öffentlichen Raumes durch Planung und Sanierung von Grünanlagen mit hoher Aufenthaltsqualität und inklusiver Gestaltung
  • Schaffung neuer Stadtquartiere grün geprägt, mit urbanen Gärten und Naturerfahrungsräumen
  • In-Wertsetzung der gesamtstädtischen Ausgleichskonzeption durch ein integriertes Kompensationsmanagement
  • Weiterentwicklung besonderer Orte wie Tempelhofer Feld, Tegeler Stadtheide, Lichterfelde Süd und Spreepark als sozialökologische Erfahrungsräume
  • die Verbesserung der personellen und finanziellen Ressourcen der Bezirke für die Grünflächenpflege

Als Instrumente werden eingesetzt:

  • das Landschaftsprogramm (LaPro) mit dem Kompensationsflächenmanagement
  • die Strategiestadtlandschaft
  • der Stadtentwicklungsplan Klima (SteP Klima)
  • die Strategie Biologische Vielfalt
  • der Kleingartenentwicklungsplan
  • der Friedhofsentwicklungsplan
  • die Stadtbaumkampagne
  • die Grünflächensanierung, grünes Programm der Städtebauförderung

Ausblick

Die Weichenstellungen im Koalitionsvertrag und die in einem lebendigen Prozess zu erarbeitende Charta für das Berliner Stadtgrün führen zu veränderten Arbeitsweisen mit Experimenten, Erprobungen und Ergebnissen, die in kleinen Schritten erfolgen, immer wieder ausgewertet und die an die dabei gewonnenen Erkenntnisse angepasst werden. Dabei wird ressortübergreifend kooperiert und zusammen mit der Berliner Stadtgesellschaft partizipativ nach Lösungswegen gesucht. Der Erhalt der "Grünen Freiräume" und die Legitimation steigender Aufwände für Unterhaltung und Investition werden somit nicht mehr als isolierte Interessen wahrgenommen, sondern als Teil einer integrierten Freiraumplanung mit Zukunftsorientierung, als ein öffentlicher Prozess der Abwägung aller Ansprüche einer Stadtgesellschaft von heute und morgen. Eine spannende Aufgabe!

Dipl.-Ing. Ursula Renker
Autorin

Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Abt. III, Ref. III C – Freiraumplanung und Stadtgrün

 Klaus Wichert
Autor

Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr, und Klimaschutz, Abt. III, Ref. III C – Freiraumplanung und Stadtgrün

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