Kulturlandschaftsgestaltung durch Licht-Installationen

Licht-Landschaften

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Kulturlandschaften Stadtentwicklung
Überblick über die bei der Befragung verwendeten Nahaufnahmen. Foto: Matthias Schneider, 2011

Das Verständnis von sowie der Umgang mit Kulturlandschaften haben sich in den letzten Jahren auf europäischer wie auch auf bundesdeutscher Ebene geändert. Sowohl die Europäische Landschaftskonvention als auch das deutsche Raumordnungsgesetz gehen dabei mittlerweile von einem offenen (Kultur-) Landschaftsbegriff aus, der keinen Landschaften aufgrund (scheinbar) mangelnder Qualitäten den Präfix "Kultur" vorenthält. Diese Abkehr von einem streng normativen Kulturlandschaftsbegriff ermöglicht auch die Einbeziehung von urbanen Kulissen sowie "zerstörten" Landschaften, wie sie in Bergbau- und Industrieregionen vorgefunden werden können.

Gleichzeitig setzt sich in Bezug auf den Umgang mit Kulturlandschaften ein Handlungsansatz durch, der, statt auf die Erhaltung eines gegenwärtigen oder die Wiederherstellung eines historischen Zustandes, auf eine kreative Weiterentwicklung und Gestaltung fokussiert. Bei dieser "Gestaltung" von Kulturlandschaften im Sinne des Raumordnungsgesetzes (§ 2 Abs. 5 ROG) geht es um deren Inwertsetzung. Dahinter verbirgt sich nicht etwa ein Ansatz, der die Geschichte einer Landschaft und ihren gewachsenen Charakter ignoriert, sondern eine behutsame Weiterentwicklung und Optimierung vorhandener und möglicherweise brachliegender endogener Potenziale (vgl. Fürst & Löb 2004).

Da Landschaften zudem immer auch Lebens-, Aktions- und Rekreationsräume für Menschen sind, darf ihre Gestaltung, trotz möglicher anderer Prämissen bei Inwertsetzungsprozessen, die Bedürfnisse der Einwohner nicht ignorieren. Dies ist besonders in Zeiten des Zusammenwachsens Europas und der Globalisierung wichtig, da Kulturlandschaften Identität und Heimat in einer sich wandelnden Welt stiften können. Da eine Kulturlandschaft durch die räumlichen Aktivitäten der Menschen vor Ort entsteht, sorgt gerade dies für ihre Unverwechselbarkeit und damit für Alleinstellungsmerkmale, die eine charakteristische, regionale Identität erzeugen. Letzteres kann bereits als Selbstzweck und als ein vorrangiges Ziel aus europäischer Perspektive betrachtet werden (vgl. auch Europäische Landschaftskonvention).

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Kulturlandschaften Stadtentwicklung
Überblick über die bei der Befragung verwendeten Distanzaufnahmen. Foto: Matthias Schneider, 2011

Diese veränderte Zielsetzung macht auch das Beschreiten neuer planerischer Wege notwendig. Eine bisher eher exotisch anmutende Möglichkeit der Inwertsetzung von Kulturlandschaft ist dabei der Einsatz von Lichtinstallationen für prägende Landmarken. An der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund wurde in diesem Zusammenhang die Frage untersucht, inwiefern Lichtinstallationen für Landmarken einen Beitrag zur Inwertsetzung von Kulturlandschaften und insbesondere zur Stärkung regionaler Identität leisten können (Schneider 2012). Im Zentrum stand dabei eine empirische Untersuchung, die auf dem Konzept der Landschaftsbildbewertung (vgl. Roth 2012) basiert. Als Untersuchungsraum diente das Ruhrgebiet - eine Region, die durch den Strukturwandel nicht nur sinnbildlich für den permanenten Wandel einer lebendigen Kulturlandschaft steht, sondern auch für die Bedeutung von Image und Identität im Wettbewerb der Regionen um Investitionen und Einwohner.

Licht ist allgegenwärtig

Künstliches Licht erfüllt im 21. Jahrhundert vielfältige Aufgaben und prägt das nächtliche Erscheinungsbild des öffentlichen Raums maßgeblich. Die einzelnen "Lichtsorten" lassen sich dabei oft nicht mehr scharf in ihrer Funktion trennen. Neben den ursprünglichen Grundfunktionen wie Kriminalitätsprävention und Verkehrssicherung wird künstliches Licht seit jeher, in den letzten Jahrzehnten allerdings verstärkt, als Gestaltungsmittel eingesetzt: Als Ergänzung städtebaulicher Maßnahmen, zum Hervorheben historischer Monumente oder als Lichtkunst mit ästhetischem Eigenwert tragen Lichtinstallationen dazu bei, den nächtlichen Raum aufzuwerten und repräsentative Bilder zu inszenieren. Die seit den Anfängen im 19. Jahrhundert existierende Euphorie bei der Verbreitung flächendeckender Beleuchtung hat dabei zu einem exponentiellen Wachstum nächtlicher Helligkeit geführt. Die zunehmende "Lichtverschmutzung", die besonders in urbanen Agglomerationsräumen allgegenwärtig ist, stellt nicht nur ein ästhetisches, sondern auch ein gesundheitliches Problem dar. Die aktuelle Debatte um Klimaschutz und Energiewende wirft zudem längst überfällige Fragen zu ökologischen und monetären Kosten der Beleuchtung auf. Die aktuelle Menge an künstlichem Licht, die Notwendigkeit seiner Koordination zur Erfüllung unterschiedlicher Aufgaben und die lauter werdende Kritik an Lichtverschmutzung führen dabei zu zunehmenden Nutzungskonflikten und schaffen ein neues Aufgabenfeld für die Raumplanung. Als vergleichsweise jungem Planungsinstrument kommt dabei dem (kommunalen) Lichtmasterplan besondere Bedeutung zu. Diese Entwicklung vollzieht sich vor dem Hintergrund einer generell steigenden Relevanz informeller Planungsinstrumente und flexibler Strategien zur Bewältigung neuer, hochdynamischer Aufgaben- und Problemstellungen. Die integrative Betrachtung von gestalterischen und funktionalen Aspekten des Lichts, die Schaffung eines einheitlichen Lichtkonzepts inklusive ausreichender Dunkelzonen sowie die Beachtung des Energiebedarfs sind dabei die wesentlichen Herausforderungen.

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Die Auswertung der wahrgenommenen Dominanz zeigt, dass die Wirkung von Lichtinstallationen abhängig vom landschaftlichen Kontext (urban/rural) und der Menge an Umgebungslicht ist.

Künstliches Licht und Kulturlandschaft - Untrennbare Gegensätze?

Noch vor 30 Jahren wären die Begriffe "Künstliches Licht" und "Kulturlandschaft" wohl kaum in einem Atemzug genannt worden. Wird einer Kulturlandschaft zum Beispiel per se eine bioökologische Relevanz unterstellt, wäre künstliches Licht aufgrund seiner potenziell negativen Auswirkungen auf Flora und Fauna eher eine streng zu regulierende Größe, als ein bewusst gewähltes Gestaltungsmittel. Auch nach dem damals vorherrschenden konservativ-ästhetischem Verständnis von Kulturlandschaftserhaltung konnte künstliches Licht kein positiv prägender Bestandteil einer Kulturlandschaft sein, da bereits sein Charakter als Symbol für Urbanität einem klassischen Landschaftsideal entgegenstehen musste. Neuere Ansätze, wie im europäischen Raumentwicklungskonzept formuliert, gehen jedoch davon aus, dass nur "eine kleine Anzahl von Kulturlandschaften [...] als einmalige Beispiele historischer Kulturlandschaften unter Schutz gestellt werden (sollten)" und dass "in einem Großteil der Fälle [...] die kreative Weiterentwicklung beziehungsweise Wiederherstellung der Landschaften wichtiger (ist) als die Erhaltung der gegenwärtigen Situation" (Website EC). Zudem wird heute vielfach, wie in der Europäischen Landschaftskonvention, die soziale Konstitution einer Kulturlandschaft in den Vordergrund gestellt. Die recht offene Definition beschreibt eine Kulturlandschaft als "ein Gebiet, wie es vom Menschen wahrgenommen wird, dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/oder menschlichen Faktoren ist" (Website CoE). Damit wird nicht zuletzt auch der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts Rechnung getragen, in welcher die Verschmelzung von Urbanität und Landschaft in suburbanen "Zwischenstädten" de Facto längst stattgefunden hat.

Licht-Landmarken als Imagefaktor im Ruhrgebiet

Im vom Niedergang der Montanindustrie stark betroffenen Ruhrgebiet wird mit dem Thema Kulturlandschaft bereits seit einiger Zeit kreativ umgegangen. Im Norden der Region wurde in den 1990er Jahren aus einem Nebeneinander von dichter Besiedlung, vorindustriellen ruralen Inseln sowie brachgefallenen Gewerbeflächen, mit ihren zum Teil noch vorhandenen baulichen Strukturen, der Emscher-Landschaftspark. Er entstand als Herzstück der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscherpark, die als Maßnahme regionalisierter Strukturpolitik zwischen 1989 und 1999 realisiert wurde. Durch die Revitalisierung von Industriebrachflächen und die Umnutzung funktionslos gewordener Förderanlagen, Gasometer und Stahlwerke sollte eine Umdeutung eben jener Kulturlandschaft vom sichtbaren Symbol des Verfalls zur Chance für künftige Entwicklungen erreicht werden. Ein häufig gewähltes Mittel war dabei die gewollte Verfremdung durch Kunst, wie im Falle der vielfach durch Skulpturen zu Landmarken umgestalteten Abraumhalden (vgl. Boldt & Gelhar 2008). Lichtinstallationen spielten hier von Anfang an eine große Rolle. Dabei bediente man sich mehrerer Funktionen künstlichen Lichts. Es wurde verwendet, um Aufmerksamkeit zu erregen und den Blick auf jene Elemente zu lenken, die es zu betonen galt. Mit seiner Hilfe versuchte man auch, die Relikte der Vergangenheit optisch aufzuwerten. Eine der wichtigsten Funktionen war in den meisten Fällen jedoch die erwähnte bewusste Verfremdung. Mit Lichtinstallationen versuchte man, neue Assoziationen in Bezug auf alte Kulturlandschaftselemente zu wecken (vgl. Prossek 2009). Hier sind in erster Linie die Landmarken zu nennen, zu denen Halden, stillgelegte Produktionsstätten und andere markante Solitäre zählen.

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Nahansicht Stauwehr Baldeney bei Tag. Foto: Matthias Schneider, 2011
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Nahansicht Stauwehr Baldeneybei Nacht. Foto: Matthias Schneider, 2011
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Fernansicht Halde Rheinpreußen bei Tag. Foto: Matthias Schneider, 2011
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Fernansicht Halde Rheinpreußen bei Nacht. Foto: Matthias Schneider, 2011
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Nahansicht Kläranlage Bottrop bei Tag. Foto: Matthias Schneider, 2011
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Nahansicht Kläranlage Bottrop bei Nacht. Foto: Matthias Schneider, 2011

Das Konzept der "Industriekultur" wurde in den Jahren nach dem Ende der IBA weiterverfolgt und zuletzt im Kulturhaupstadtjahr 2010 unter dem Titel "Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel" wieder aufgegriffen. Die Idee der Lichtkunst entwickelte eine Eigendynamik, die ein Stück weit zum Markenzeichen der Region geworden ist. So existiert in der Stadt Unna das Zentrum für internationale Lichtkunst und im Jahr 2010 fand im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres die erste Biennale für internationale Lichtkunst statt. Als Pendant zu den Emscher Licht-Landmarken wurde für die Hellwegzone, den Kern der Region, im Jahr 2002 das Projekt "Hellweg - Ein Lichtweg" initiiert, welches ebenfalls Lichtinstallationen im öffentlichen Raum bündelt (vgl. Website Lichtgestaltung NRW). Das Repertoire der heutigen Landmarken umfasst nicht mehr ausschließlich montanindustrielle Relikte sondern auch Bauwerke der Gegenwart, wie illuminierte Stauwehre oder Lichtinstallationen für die Faultürme von Kläranlagen. (s. a. "Die Stadt und ihre künstlichen Lichter", Stadt und Grün 11/2012, S.58ff.).

Messbarkeit des Erfolgs

Das Festhalten am Gedanken der Licht-Landmarken und die Realisierung vieler neuer Projekte in den letzten Jahren scheint der Idee mittlerweile einen gewissen Erfolg zu attestieren. Es bleibt jedoch die Frage bestehen, inwiefern dieser konkret messbar beziehungsweise den einzelnen Projekten zuzuordnen ist. Betrachtet man Kulturlandschaft als Image generierenden weichen Standortfaktor, welcher für den Verbleib der Menschen in der Region von Bedeutung sein kann, ist insbesondere die Wahrnehmung der Einwohner relevant (vgl. auch die wahrnehmungsbezogene Landschaftsdefinition der europäischen Landschaftskonvention).

Wenn es gelingt, ein Verfahren zur Erfolgskontrolle zu entwickeln, könnte die standort- und präferenzgerechte Planung neuer Installationen wesentlich optimiert werden. Zu diesem Zweck wurden Einwohner des Ruhrgebiets in einer zunächst explorativen Studie nach ihrer Wahrnehmung und Bewertung landschaftsbildprägender Lichtinstallationen in der Region befragt. Dabei kam ein speziell für diesen Zweck modifiziertes nutzerabhängiges Landschaftsbildbewertungsverfahren zum Einsatz. Insgesamt 100 Befragten wurden großformatige Fotos von acht ausgewählten Landmarken der Region gezeigt. Dies waren der Gasometer Oberhausen, die Zeche Recklinghausen II, der Dortmunder Fernsehturm, das Stauwehr des Baldeneysees in Essen, zwei Kläranlagen und zwei Abraumhalden (vgl. auch die nebenstehenden Abbildungen).

Jedes der acht Objekte war dabei insgesamt viermal abgebildet:

  • Jeweils sowohl als Nahaufnahme als auch aus einer Distanz von ein bis zwei Kilometern, zur Darstellung und Bewertung unterschiedlicher Nah- und Fernwirkung. Um dabei Aufnahme- beziehungsweise Betrachterstandpunkte zu wählen, die von möglichst vielen Menschen sowohl am Tag als auch bei Nacht beziehungsweise in der Dämmerung aufgesucht werden, wurden keine strengen Distanzvorgaben getroffen, sondern im genannten Rahmen leicht variierende Distanzen verwendet.
  • Jeweils einmal bei Tag und einmal bei Nacht (bei eingeschalteter Beleuchtung der Landmarke/Lichtinstallation) aus dem gleichen Blickwinkel und gleicher Distanz zum direkten Tag-Nacht-Vergleich. Im Falle der Nachtimpressionen kommen dabei Langzeitbelichtungen von zwei Sekunden Dauer zum Einsatz, um einen der aktuellen nächtlichen Wahrnehmung vor Ort entsprechenden Bildeindruck zu gewährleisten.
  • eine Vergleichbarkeit der Aufnahmen sicherzustellen, wurden sie im November 2011 bei (etwa) gleichen Licht- und Wetterverhältnissen aufgenommen. Zusätzlich wurde bei der Motivwahl eine weitere Unterteilung vorgenommen, damit eine möglichst große Variabilität der Bildkontexte in der Stichprobe enthalten ist und so eine potenzielle Wirkung kontextbezogener Kovariablen untersucht werden konnte:
  • Vier der Objekte (Gasometer, Zeche, Halden) stellen eher museale Relikte der industriellen Vergangenheit der Region dar (auch wenn sie mittlerweile zum Teil eine neue Nutzung gefunden haben). Die anderen vier (Fernsehturm, Stauwehr, Kläranlagen) sind Bauwerke, die ihren ursprünglichen Zweck gegenwärtig noch erfüllen.
  • Jeweils zwei der Objekte aus den beiden oben genannten Gruppen sind dabei in einen eher urbanen Kontext eingebettet, der in der Distanzperspektive der Tagaufnahme durch verschiedene bauliche Nutzungen und Verkehrsinfrastruktur beziehungsweise bei der Nachtaufnahme durch umfangreiche Beleuchtung geprägt ist. Die anderen vier Objekte sind Teil eher ländlicher beziehungsweise suburbaner Panoramen. Sie befinden sich am Rand des Ruhrgebietes oder in den zum Teil sehr großzügig dimensionierten Freiräumen im Städtenetz. Die Distanzsicht zeigt dabei einen wenig bebauten, eher ruralen Ausschnitt. Bei Nacht sind diese Landschaften somit weitgehend verdunkelt, was der betrachteten Lichtinstallation ein gewisses Alleinstellungsmerkmal verleiht.

Die Befragten sollten die ästhetische Wirkung und den Grad an Regionalspezifität des gezeigten Landschaftsausschnittes sowie die Dominanz der Landmarke über ihr Umfeld auf einer sechsstufigen Skala (ähnlich den Schulnoten) bewerten. Zudem wurde nachgefragt, ob der gezeigte Landschaftsausschnitt den Befragten bekannt sei und die Möglichkeit eingeräumt, freie Kommentare zu den gezeigten Bildern abzugeben. Gewöhnungs- und Reihenfolgeeffekte wurden durch eine Randomisierung der Bildfolge ausgeschlossen (zufällige Bildreihenfolge bei der Befragung). Um Stimmen aus allen Teilen des Ruhrgebiets einzufangen, wurde die Umfrage im regionalen Schienenpersonenverkehr durchgeführt, was auch eine Situation ermöglichte, in der die Befragten über ein gewisses Maß an ungebundener Zeit für die Teilnahme an der Umfrage verfügten.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Lichtinstallationen zu einer allgemein positiveren ästhetischen Wahrnehmung der Landschaftsausschnitte beitragen. Sie wurden im Schnitt um 0,6 Wertstufen besser bewertet, als die entsprechenden Tagaufnahmen. Auf der anderen Seite führt die nächtliche Beleuchtung zu einem (wenn auch nur leichten) Verlust an regionaler Eigenart: Die nächtlichen Landschaften wurden als um durchschnittlich 0,28 Wertstufen weniger typisch für die Region angesehen. Dies kann als Zeichen für die weite Verbreitung von Lichtinstallationen und die damit verbundene Austauschbarkeit gedeutet werden. In einigen Fällen trugen die Installationen auch zur Steigerung der (wahrgenommenen) Dominanz der Landmarken über ihr Umfeld bei: Die Bewertungsunterschiede zwischen Tag- und Nachtbildern lagen bei 0,4 Wertstufen.

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Fernansicht Gasometer Oberhausen bei Tag. Foto: Matthias Schneider, 2011
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Fernansicht Gasometer Oberhausen bei Nacht. Foto: Matthias Schneider, 2011

Licht als großer Gleichmacher

Die Ergebnisse machen zudem deutlich, dass Licht noch immer als Symbol für Urbanität angesehen wird: Die Licht-Landmarken in ruralem Kontext wurden in puncto Ästhetik durchweg schlechter bewertet als jene, die Bestandteil urbaner Panoramen sind. Dies gilt im Besonderen für jene rural geprägten Landschaften, die in der Tag-Wertung am besten abschnitten. Sie büßten in den Augen der Befragten sogar an Schönheit ein. Das gegenteilige Bild zeigt sich bei jenen urbanen Landschaftsausschnitten, deren Tag-Wertungen zu den Schlechtesten gehörten: Sie gewannen laut Bewertung deutlich an Schönheit dazu. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich in Bezug auf die Ästhetik die Nacht-Wertungen aller Landmarken im oberen Mittelfeld "einpendeln".

Bei der Betrachtung der Regionalspezifik tritt zunächst der zu erwartende Fall ein, dass die urbanen Ausschnitte generell als typischer für die altindustrielle Region angesehen werden, als die ruralen. Ebenso verhält es sich in Bezug auf die musealen Relikte der Vergangenheit gegenüber den austauschbareren modernen Bauwerken. Bezeichnend ist jedoch, dass einige der modernen, funktionalen Bauten durch die nächtliche Beleuchtung an Eigenart gewinnen. Möglicherweise ist dies psychologisch zu erklären: Die Befragten hielten bereits das Vorhandensein der Lichtinstallation für ein untrüglichen Zeichen dafür, dass es sich um ein regionaltypisches Denkmal handeln muss (da man es sonst wohl nicht beleuchtet hätte). Möglicherweise lässt es jedoch auch den Schluss zu, dass die Profilierung des Ruhrgebiets als "Lichtregion" bei den Bewohnern angekommen ist.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass es sich bei gestalterisch verwendetem künstlichem Licht um einen großen Gleichmacher handelt, der neben dem beschriebenen Eigenarts-Effekt in den meisten Fällen für eine zumindest moderate Verbesserung der ästhetischen Wahrnehmung der Landmarken sorgt. Dieser Effekt ist umso stärker, je negativer die Tagwahrnehmung ist. Das extremste Beispiel ist die Bottroper Kläranlage, deren blaue Beleuchtung im Mittel für eine optische Aufwertung von beinahe zwei Wertstufen sorgt. Dies soll jedoch nicht falsch verstanden werden: Lichtinstallationen sind gewiss kein Allheilmittel zur Behebung landschaftsästhetischer Defizite. Bereits durch die stark variierenden Bewertungen der gezeigten Landschaftsausschnitte wird deutlich, dass für Kausalerklärungen und die Ableitung planerischer Maßnahmen stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist.

Mehr oder weniger Licht?

Ist die Idee der Licht-Landmarken also ein Erfolgsmodell? Interessant sind die Möglichkeiten, welche die Beleuchtung funktionaler Zweckbauten liefern: Sie können in Gestalt und Funktion völlig anders wahrgenommen werden, als es unbeleuchtet der Fall wäre. Die angestrebte Umdeutung musealer Landmarken von Symbolen des Verfalls zu Wegweisern der Zukunft ist hingegen ein zweischneidiges Schwert. Sie funktioniert insofern, als dass eine ästhetische Aufwertung in der Wahrnehmung erfolgt. Auf der anderen Seite findet ein gewisser Identitätsverlust statt, da das Medium Licht bei seiner heutigen Omnipräsenz oft auch für Austauschbarkeit sorgt. Die im Ruhrgebiet versuchte Inwertsetzung historischer Kulturlandschaftselemente durch künstlerische Lichtinstallationen, ist also eine Gratwanderung, die aufzeigt, dass hier für die Zukunft prinzipiell zwei Strategien denkbar sind:

  • Ein Mittelweg zwischen Verfremdung und Eigenartserhalt bei der konkreten Ausgestaltung einzelner Installationen oder
  • die Inkaufnahme gewisser Eigenartsverluste zugunsten einer vollendeten Umdeutung durch starke Verfremdung oder anderenfalls der komplette Verzicht auf eine gestalterische Lichtinstallation.

Die Ergebnisse der beschriebenen Untersuchung sprechen dabei eher für die zweite Strategie. Die beiden in puncto Ästhetik am schlechtesten bewerteten Landmarken waren jene, bei denen das Licht eher sparsam eingesetzt wurde und die Kommentare der Befragten ("mehr Licht muss her!") unterstrichen den Wunsch nach stärkerer Beleuchtung. Dies soll nicht bedeuten, dass dem Erhalt der Eigenart bei der Gestaltung von Lichtinstallationen keinerlei Bedeutung zukommen soll. Die Aussage ist eher als Plädoyer für mehr Konsequenz zu verstehen, die eben auch zu der Entscheidung führen kann, im Zweifelsfall auf gestaltendes Licht zu verzichten, wenn etwa der Bezug zum Charakter eines Ortes nicht sinnvoll hergestellt werden kann. Weniger Licht ist hingegen im Umfeld der Landmarken gefragt. Die Dominanz der Landmarken in urbanem Umfeld wurde bei Nacht als vielfach niedriger angesehen, als bei Tag. Sie gehen in der Distanzperspektive zwischen den übrigen Stadtlichtern regelrecht unter. Hier kann lediglich eine vorausschauende Lichtmasterplanung helfen, wünschenswerte Solitäre herauszuarbeiten und dem "Wildwuchs" des Lichts in den Städten des 21. Jahrhunderts sinnvoll zu begegnen. Im Falle des Ruhrgebiets, einer Region, in der Städte nahtlos ineinander übergehen, wäre zudem anzudenken, Lichtmasterpläne in interkommunaler Kooperation gemeinsam aufzustellen, um die Fernwirkung von Licht-Landmarken über den bisherigen an administrativen Grenzen orientierten Geltungsbereich der Pläne hinaus sicherzustellen.

Generell sollte das Thema Licht in der Raum-, Landschafts- und Freiraumplanung in Zukunft umfassender berücksichtigt werden. Eine stärkere Beteiligung der Bürger wäre dabei im Sinne einer sich demokratisierenden Planungskultur wünschenswert. Eine denkbare Möglichkeit dafür wäre der Einsatz des in dieser Untersuchung verwendeten Landschaftsbildbewertungsverfahrens, gegebenenfalls in einer modifizierten und optimierten Version. Die Gegenüberstellung von Tag- und Nachtbildern kann selbstverständlich nur Tendenzen aufzeigen. Ein Nacht-Nacht-Vergleich mit und ohne Beleuchtung der jeweiligen Landmarke und ihrem Umfeld, im Optimalfall als Simulation zur Wirkungsabschätzung vor der Realisierung der Projekte, wäre dem vorzuziehen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass künstliches Licht einen Beitrag zum Erscheinungsbild heutiger urbaner Kulturlandschaften leistet - nicht nur als Folge funktional-technisch motivierter Beleuchtung, sondern als bewusst eingesetztes Gestaltungsmittel.


Literatur und Quellen

Boldt, Kai-William; Martina Gelhar (2008): Das Ruhrgebiet - Landschaft, Industrie, Kultur. Darmstadt: Primus Verlag.

Fürst, Dietrich; Stephan Löb (2004): Inwertsetzung von Kulturlandschaft - Aktivierung der Entwicklungspotentiale von Kulturlandschaft im Umfeld ostdeutscher Städte. Bonn: Selbstverlag.

Prossek, Achim (2009): Bild-Raum Ruhrgebiet - Zur symbolischen Produktion der Region. Detmold: Verlag Dorothea Rohn.

Roth, Michael (2012): Landschaftsbildbewertung in der Landschaftsplanung. Entwicklung und Anwendung einer Methode zur Validierung von Verfahren zur Bewertung des Landschaftsbildes durch internetgestützte Nutzerbefragungen. IÖR-Schriften Band 59. Berlin: Rhombos-Verlag.

Schneider, Matthias (2012): Licht-Landschaften - Einsatzmöglichkeiten von Lichtinstallationen in der Kulturlandschaftsgestaltung. Dortmunder Beiträge zur Landschafts- und Umweltplanung Bd. 1. Uelvesbüll: Der Andere Verlag.

Website CoE (Council of Europe): Europäisches Landschaftsübereinkommen.

www.coe.int/t/dg4/cultureheritage/heritage/Landscape/VersionsConvention/german.pdf (zuletzt zugegriffen am 28.11.2012)

Website EC (European Commission): Eurek - Europäisches Raumentwicklungskonzept. Auf dem Wege zu einer räumlich augewogenen und nachhaltigen Entwicklung der Europäischen Union.

ec.europa.eu/regional_policy/sources/docoffic/official/reports/pdf/sum_de.pdf (zuletzt zugegriffen am 28.11.2012)

Website Lichtgestaltung NRW: Hellweg - ein Lichtweg.

www.lichtgestaltung-nrw.de (zuletzt zugegriffen am 28.11.2012)

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