Von Verkehrsflächen zu freien urbanen Flächen

Lyons erstaunliche Grünflächenentwicklung seit 2000

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Besucher betrachten die Neuheiten in den Kübeln des Tete d\'Or. Foto: Horst Schmidt

Die Grünflächen und die urbanen Freiräume in Lyon haben am Nationalen Feiertag, dem 14. Juli 2019, zum abendlichen großen Feuerwerk ihre Leistungsfähigkeit und Qualität wieder einmal beweisen können. Mit dem bisherigen Leiter des Lyoner Gartenamts - Directeur des Espaces Verts Daniel Boulens - war ich auf dem Weg durch die Innenstadt zur Baustelle an der Saône, der späteren Terrasse des Presqu'ile, um das große Feuerwerk unterhalb der Kirche Basilique de Notre Dame auf der Höhe des Hügels La Fourviere zu bewundern. Über die Baustelle hinweg gab es eine ideale Sicht auf das Spektakel. Mit uns war mindestens halb Lyon auf den Beinen und fand in den neuen Grünzügen und den gesperrten Straßen entlang der Rhône und der Saône den idealen Beobachtungsplatz.

Nach dem Spektakel strömte man nicht flugs nach Hause. Man flanierte zu später Stunde durch die Grünanlagen, über begrünte Plätze, urbane freie Räume mit Wasserspielen und Bepflanzungen zu den vielen gastronomischen Angeboten im Freien auf Plätzen und entlang der Straßen. Lebensqualität und Lebensfreude der Bürger waren bei dem bunten Treiben deutlich zu spüren. Sie konnten sich nur auf diesen freien urbanen Flächen entwickeln, die in vielen Fällen den früheren Verkehrsflächen abgetrotzt worden waren.

In den vergangenen Jahren ist in Lyon viel getan worden, um diese Flächen wieder für die Bürger zu schaffen, die ihnen so nach und nach von der autogerechten Stadt genommen worden waren. Viele Parkplätze wurden aufgegeben, einige Tiefgaragen gebaut, Straßen zurückgebaut und dem Fußgänger zurückgegeben. Eine neue, nein alte Qualität zum Aufenthalt und zur Kommunikation wurde diesen urbanen Freiräumen damit den Einwohnern geschenkt. Durch die Aufgabe der Parkplätze konnten die Fassaden der straßenbegleitenden Häuser wieder erlebt werden, da man nicht nur eng am Haus gedrängt entlang laufen musste, sondern den Straßen- oder Platzraum wieder frei in seiner ganzen Dimension mit den Bäumen überschauen und erleben konnte.

Über den Parc des Bergers du Rhône, der den Parc La Tete d'Or und den Parc Gerlande entlang der Rhône durch die gesamte Innenstadt verbindet und den Park entlang der Soane, wurde in Stadt und Grün bereits berichtet. Gegen große Bedenken sind diese grünplanerischen und städtebaulichen Highlights durchgesetzt und realisiert worden. Das Ergebnis wurde von den Bürgern und Touristen begeistert angenommen und die Spitze der Verwaltung, der man anfangs keine Wiederwahl zugetraut hatte, fand große Zustimmung. Das ist das Geheimnis warum in Lyon in den vergangenen zwanzig Jahren so viel im öffentlichen Grün möglich wurde.

Ein neuer großartiger Garten - Terrasses de la Presqu'ile - liegt direkt an dem Fluss Saône und ist Teil des den Fluss begleitenden Parks gegenüber der markanten Basilika Notre Dame auf dem Hügel Fourviere. Er wird zurzeit mit erheblichem Aufwand erstellt. Nur mit diesem hohen Aufwand ist die freiräumliche und städtebauliche Verbesserung mitten in der Innenstadt zu erreichen. Die große zweistöckige Parkierung direkt am Saôneufer wird aufgegeben, eine kleinere Tiefgarage erstellt und ihr "Dach" zu einem Garten mit Bäumen und Blumenpflanzungen nach einem Wettbewerb gestaltet.

Der Übergang herunter zum Wasser der Saône zeigt sich bereits heute mit den Sitzstufen, die den Anschluss zum flussbegleitenden Park entlang der Saône herstellen und bereits zum Feuerwerk dicht gedrängt genutzt wurden. Die Fertigstellung des Gartens wird sich etwas verzögern, da man auf römische Funde gestoßen ist, was in Lyon aufgrund der frühen Geschichte auch erwartet werden konnte. Über die Ausgrabungen wird auf den Bauzäunen berichtet und so die Bevölkerung informiert. Die Information der Bürger wird sehr ernst genommen, und es wird auch über die 3. Baustufe des Parc Blandan (S+G Heft 1 2017) durch Schilder und Fotos berichtet.

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Verschiedene Baumarten auf dem Place Francfort, Blick auf die Rückseite des Bahnhofes. Foto: Horst Schmidt
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Jardin de Rue, Bepflanzung und Pflege durch Bürger. Foto: Horst Schmidt

Es war die ehemals zentrale Fläche der Kaserne mit den Mannschaftsgebäuden. Alte Bäume zwischen den Häusern konnten erhalten werden und spenden nun den dankbar angenommenen Schatten. Um die Struktur der Kaserne, die eine beachtliche historische Bedeutung mit seiner Festungsanlage hat, bewusst zu erhalten, wurden einige Gebäude nur zum Teil abgetragen. Bei einem Gebäude blieben die Mauern des Erdgeschosses stehen und wurden so saniert, dass sie längerfristig erhalten werden können. Die Fenster und Türen wurden so vergittert, dass der Innenraum nicht betreten werden kann, aber die Einsicht möglich ist. Die Kellerräume wurden zerstört und mit Erde und Recyclingmaterial des Abbruchs verfüllt. Im Innenraum soll sich die Vegetation spontan und unbeeinflusst entwickeln.Zahlreiche Bäume, Sträucher, Stauden und Einjährige haben sich bereits eingestellt. Ein interessantes Experiment, das von allen Besuchern miterlebt werden soll. Bei einem anderen Gebäude blieben von den Erdgeschosswänden 60-80 Zentimeter stehen und wurden ebenfalls saniert. Dieser Innenraum ist betretbar, weist Sitzmöglichkeiten auf, ist gestaltet und bewusst bepflanzt. Auch hier ist das Kellergeschoss zerstört und mit Erde und Recyclingmaterial aufgefüllt. Zwischen diesen beiden Gebäuden liegt eine Rasenfläche, die vielseitig genutzt werden kann. Weitere Nebenflächen weisen zum Beispiel einen sehr großen Tisch mit Sitzblöcken aus Mauerresten auf, die für Feiern genutzt werden können.

Flächen mit Spontanvegetation zum Beispiel mit blühendem Rainfarn wurden erhalten und durch niedrige Einzäunung geschützt. Das alte Schlösschen "La Motte" am Rand wartet noch auf seine private Sanierung, die als Hotel erfolgen soll. Auch dieser Park wird abends geschlossen und morgens früh wieder geöffnet, was sich sehr gut bewährt hat.

Viel tut sich auch im Umfeld des Bahnhofs - La Gare Lyon Part Dieu. Der Innenstadtumbau geht zügig voran und wird mit Ausstellungen und Informationstafeln kommuniziert. Im großen Einkaufszentrum Part-Dieu wird auf die zukünftige großflächig erlebbare Dachbegrünung mit Bildtafeln hingewiesen. Zwischen Bahnhof und Busbahnhof liegt der viel begangene Stadtplatz - Place de Francfort - zum Andenken an die Partnerstadt Frankfurt. Der Platz ist auf Grund der starken Fußgängerfrequenz befestigt, weist aber große speziell angelegte Wurzelräume mit künstlicher Bewässerung für die vielen Bäume auf.

Man hat hier für den gewünschten Schattenwurf bewusst unterschiedliche Baumarten - Ginkgo, Zedern, Schnurbäume, Gleditschien - verwendet, um Erfahrungen mit unterschiedlichen Baumarten bei diesem typischen Stadtplatz zu sammeln. Weitere Bäume wie die immergrüne Eiche Quercus ilex und der Zürgelbaum Celtis australis werden getestet, um sich für den Klimawandel zu wappnen. Im Anschluss an den Place de Francfort kann man ein weiteres Experiment bewundern. Kleine schmale Flächen am Haus auf dem Bürgersteig werden von den Bürgern bepflanzt und gepflegt.

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Kommunikationsplatz in der Innenstadt, vorher Verkehrsfläche. Foto: Horst Schmidt
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Umwandlung einer Straße durch Private und die Stadt. Foto: Horst Schmidt
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Erhalt der Kasernengebäudemauern 60–80 Zentimeter und im Hintergrund 2,50 Meter. Foto: Horst Schmidt


Die Zustimmung der Stadt liegt nicht nur vor, der Belag wird dafür sogar von der Stadt entfernt. Über neue Pflanzenzüchtungen können sich die Besucher des Parks Tete d'Or informieren. Gärtnereien bepflanzen 100 Kübel des Parks mit Neuheiten von Sommerblumen, Gemüse und Kleingehölzen. Die Besucher können mit ihrem Smartphone den Gärtnereien zu den Pflanzen ihre Meinungen mitteilen. Im Zuge der Nachverdichtung sind neue öffentlich nutzbare Grünflächen bei Baugenehmigungen auf privaten Flächen festgesetzt worden, die auch durch die Eigentümer unterhalten und gepflegt werden. Diverse Straßenbaumpflanzungen sind ebenfalls auf diese Weise entstanden.

Lyon schmückt das Stadtbild mit reichlich Sommerblumen, auch mit großen Kübelpflanzen die zum Teil im Winter in der Stadtgärtnerei überwintern, aber auch mit Pflanzen, die das ganze Jahr draußen bleiben wie Magnolien, Kiefern und anderen Blütenpflanzen. Auf diese Kübelpflanzen und viele Sommerblumen hat man leider in Deutschland aus Spargründen oft schon lange verzichtet. Aber man geniert sich in Lyon auch nicht, die kleinen Rasenflächen in den zentralen Innenhöfen mit dem Schild "Rasen betreten verboten (Pelouse interdite)" zu versehen und den 1960 entstandenen 10.000 Quadratmeter großen Dachgarten Jardin de Perrache auf dem Bahnhof der Halbinsel (Gare de Perrache), der kaum von der Öffentlichkeit benutzt wird, durch Urban Gardening (Jardin partenage) nutzen zu lassen. So wird das Stadtbild durch viele grüne Aktivitäten angereichert, die die Lebensqualität deutlich spür- und sichtbar verbessern.

Nördlich von Lyon erstreckt sich der "Grand Parc Miribel-Jonage" als einer der größten Metropolparks in Europa mit 2200 Hektar. Er stellt den Übergang in die nördlich anschließende Landschaft entlang der Rhône dar. Vom Parc Gerland (80 ha) im Süden von Lyon führt mit dem schmalen Park Berges du Rhône (10 ha) die Grünverbindung entlang der Rhône zum 117 Hektar großen Parc de la Tete d'Or, der seine Fortsetzung im Parc de la Feyssine (40 ha + 20 ha Wald) findet. Es schließt sich die 375 Hektar große Reserve naturelle de Crepieux-Charmy an, ehe der Grand Parc Miribel-Jonage beginnt. Auf der Gemarkung Lyon selbst liegt der 2006 geschaffene Parc Gerland, der durch die gesamte Innenstadt von Süd nach Nord führende Park Berges du Rhône entstand ab 2005, während der Parc de Tete d'Or als historischer Park mit Zoo bereits ab 1856 angelegt worden ist.

Der Parc de la Feyssine wurde von der Nachbargemeinde Villeurbanne, die direkt an Lyon grenzt, 2002 angelegt. Er ist die Fortsetzung des Parc de Tete d'Or und seine Ergänzung mit vielen naturnäheren Übergängen. Die Landschaftsarchitekten haben hier den Wunsch der Kommune nach einem urbanen-naturnahen Park realisiert, wo neben Orchideen, Weiden, Pappeln und eine über 100 Jahre alte prächtige Platane wachsen. Man kann den Park durchwandern oder ihn mit dem Fahrrad erleben.

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Übersichtsplan Grand Parc Miribel – Jonage. Foto: Horst Schmidt
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Aussichtspunkt zur Vogelbeobachtung. Foto: Horst Schmidt
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Badestrand im Grand Park Miribel – Jonage. Foto: Horst Schmidt
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Eine der Naturbademöglichkeiten im Grand Parc Miribel . Foto: Horst Schmidt


Unter dem Bürgermeister Louis Pradel wurde anschließend 1965 der naturnahe Bereich Reserve naturelle de Crepieux-Charmy unter besonderen Schutz gestellt, um hiermit ein Schutzgebiet für die Trinkwasserversorgung der gesamten Metropole zu schaffen. Das Gebiet darf durch die Öffentlichkeit nicht betreten werden, was immer wieder zu Diskussionen geführt hat, da auch hier eine sehr interessante Vegetation mit etlichen Orchideenarten zu finden ist.

Dafür wurde schrittweise zwischen 1970-80 der Grand Parc Miribel-Jonage für die Öffentlichkeit freigegeben und erschlossen. Er ist mit seiner Größe von 2200 Hektar und seiner landschaftlichen Vielseitigkeit ein idealer Freizeit- und Erholungspark. Er bietet ein großes Spektrum an Aktivitäten in einer sekundär geschaffenen Landschaft in gut erreichbarer Nähe der Agglomeration Lyon von drei Millionen Einwohnern und wurde bereits im Jahr 2006 von vier Millionen Besuchern frequentiert. Ursprünglich eine "wilde Landschaft", in der die Rhône bis 1840 in dieser Niederung immer wieder neue Mäander, Durchströmungen und Inseln schaffte, bis man dort den Kies als Baumaterial entdeckte und großflächig abbaute.

Ab 1870 wurden die Kanäle Miribel und Jonage gebaut, die nun den Park umschließen. Zusammen mit den Ausbaggerungen stellte sich eine Absenkung des Grundwasserspiegels ein. Durch die Kiesausbeute entstanden die Wasserflächen "Des Eaux Bleues" in einer Größe von 350 Hektar, die für das Freizeitvergnügen der Städter ab 1978 erschlossen wurden. Die großen Wasserflächen bieten neben dem Baden auch weitere nautische Aktivitäten wie Segeln, Rudern und Surfen an. Es gibt vier große Strandbereiche, die überwacht werden. Drei sind kostenlos und bestehen aus dem anstehenden Kies. Ein Bereich wurde mit Sand geschaffen, der Eintritt kostet und verschiedene weitere Aktivitäten, wie Golf, Tennis, Badminton anbietet.

Ein ausgiebiges System von Wegen für Fußgänger und Radfahrer wurde angelegt und eine große Zahl von Routen ausgewiesen (Rundwege von 29, 18, 14, zehn und vier Kilometer), die zum Teil mit Führern oder mit dem Audioguide begangen werden können. 75 Kilometer Fahrradwege wurden separat angelegt, um Störungen zwischen Fußgängern und Radfahrern zu vermeiden.

So werden die Elemente der Landschaft und die über 1000 verschiedenen Arten der Flora und Fauna erläutert und das nötige Umweltwissen angeboten. 230 Vogelarten halten sich im Laufe des Jahres hier auf und können von verschiedenen Punkten aus beobachtet werden. 25 Säugetierarten und 40 Libellenarten gibt es hier und 800 Pflanzenarten inklusiv der 33 Orchideenarten wurden festgestellt. Diese große Artenvielfalt bietet immer wieder erstaunliche Naturerlebnisse.

Auch die Landwirtschaft mit 500 Hektar und einem Bauernhof mit Reitmöglichkeiten, 100 Hektar naturnahe Wiesenflächen, 800 Hektar Wald, 600 Hektar Naturschutz, das großzügige Angelgebiet, ein pädagogischer Garten und Kinderspielplätze gehören zum Angebot. Es ist ein großes Anliegen der Institutionen, die diesen Park betreiben, mit den Ressourcen des Parks Wissen über unsere Umwelt in die Bevölkerung zu tragen und die Anforderungen eines ökologisch sinnvollen Umgangs mit der Natur wirksam zu vermitteln.

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Skulptur an der Einfahrt des Grand Parc Miribel – Jonage "Ici" von Ugo Rondinone. Foto: Horst Schmidt

Der Park wird vom Zusammenschluss der beiden Departements Rhône und L'Ain und den elf beteiligten Kommunen, zum Beispiel Lyon und Villeurbanne, geplant und getragen. Für das Jahr 2030 hat man bereits ein Programm beschlossen, um den Park den Erfordernissen gemäß weiter zu entwickeln. Mit einem jährlichen Aufwand für Unterhaltung und Weiterentwicklung von sieben Millionen Euro wird der Bevölkerung ein großartiges Angebot der Erholung in der Natur und mit Schutz der Natur in kurzer Entfernung mit dem Rad, dem Auto und einer Buslinie geboten. Für Seminare, Schulungen und Veranstaltungen stehen 800 Quadratmeter Gebäude zur Verfügung. Sieben gastronomische Einrichtungen stehen für die Versorgung bereit.

80 zum Teil sehr große Events und Konzerte werden pro Jahr im Park durchgeführt. Es wird auch hier wieder deutlich, wie in dieser Region die Lebensqualität durch die vielfältigen Angebote in Landschaft, öffentlichem Freiraum und Grünausstattung attraktiv entwickelt wird.

Autor

Ehemaliger Leiter des Gartenbauamtes Karlsruhe

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