Stahl und Holz – gegensätzliche Materialien für den Erlenmattpark in Basel

Möglichkeitsräume für den Spielplatz

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Spielplatzbau
Boulderwand mit Ausblick über das gesamte Gelände. Fotos: KuKuK

Klettern, Sitzen, Springen, Spielen, sich ausruhen, sich treffen und beobachten - dies alles ist möglich auf dem Spielplatz als Teil des großen Erlenmattparks, der auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände der Deutschen Bahn 2011 in Basel eröffnet wurde und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Badischen Bahnhof liegt. Fangen wir zunächst bei der Geschichte des Erlenmattparks an. Fast 100 Jahre lang (von 1900-1998) befand sich der Güterbahnhof der Deutschen Bahn als abgeschlossenes Terrain mitten auf Schweizer Gebiet und trennte so Kleinbasel vom Naherholungsgebiet Lange Erlen.

Erst Ende der 1980er Jahre gab die Deutsche Bahn den Güterbahnhof nach und nach auf. Nach einem ersten städtebaulichen Ideenwettbewerb für die Neugestaltung des Gebiets Ende der 1990er Jahre, an dem sich 273 Büros aus ganz Europa beteiligten, fand in den Jahren 2001/2002 ein zweiter Wettbewerb statt, der auf einem Positionspapier basierte, das von einer Begleitgruppe aus Bewohnerinnen und Bewohnern der angrenzenden Quartiere erarbeitet wurde. Vorangegangen waren Begehungen, Diskussionsforen und Fachtagungen, bei denen der Bevölkerung die besten Projekte des ersten Wettbewerbs vorgestellt wurden.

Den internationalen zweiten Wettbewerb gewann das Büro Raymond Vogel Landschaften AG zusammen mit dem Architekturbüro Ernst Niklaus, Fausch Zürich Aarau und den Verkehrsplanern Stadt-Raum-Verkehr Zürich. Zusammen mit der Stadtgärtnerei Basel unter der Leitung von Emanuel Trub und dem für das Projekt Verantwortlichen Roland Wiedmer sowie dem Biologen Martin Frei, der die Stadtgärtnerei bei der Erarbeitung der Naturschutzmaßnahmen unterstützte, wurde ein Konzept erarbeitet, das Natur und Stadtpark vereint und naturbelassene Biotope neben künstlich gestalteten Freizeitflächen stehen lässt.

Nach einer Bodenreinigung und Bodenmodellierung wurden zunächst auf einer Fläche von 33 900 Quadratmeter erste Wege, Wiesen, Aufenthalts- und Spielbereiche angelegt. Damit kam die Stadtgärtnerei dem Bedürfnis der Menschen in der Großstadt nach einem humanen Lebensumfeld entgegen. Neben einer Wohnung, die Rückzug vom Alltag bietet, braucht der Städter auch ausreichend Freiraum, Stadtgrün und Erholungsmöglichkeiten.

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Cortenstahlwände mit Zwischenräumen.
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Blick über die Erlenmatt.

Basel, die drittgrößte Stadt in der Schweiz ist dicht bebaut. Sie steht im Standortwettbewerb zu den umliegenden Gemeinden, die noch ausreichend über Grünflächen verfügen, und muss, um als Wohn- und Arbeitsort attraktiv zu bleiben, den Lebensraum in der Stadt mit vielfältigen Grünanlagen aufwerten. Der erste Teil des Parks wurde bereits mit den Bauarbeiten des ersten Wohnblocks realisiert. Die Bewohner sollten sich schneller heimisch fühlen und sich mit ihrem neuen Lebensraum früh identifizieren können.

Mit einem Güterbahnhofsgelände assoziiert man zunächst eine öde unbebaute Fläche. Die durchlässigen und mageren Schotterböden ließen allerdings sonnige, trockenheiße Standorte entstehen, die zu Ersatzlebensräumen für selten gewordene Trockenbiotope der früheren Rheinauen wurden. Eine einmalige erhaltungswürdige Fauna und Flora entstand. Um ein Nebeneinander von Natur und erholungsbedürftigen Menschen zu ermöglichen, war eine klare und vielseitige Nutzungs- und Standortdifferenzierung nötig. Entstanden sind sonnige und schattige Parkbereiche, intensiv genutzte Bauminseln, extensiv genutzte Wiesenflächen, locker bewachsene Bahnschotterflächen und warme, trockene und lichtoffene Standorte, um die Artenvielfalt bewahren zu können.

Auf den intensiv genutzten Parkbereichen wurden Bäume gepflanzt, zwischen Blumeninseln entstanden Liegewiesen, kurz geschnittener Rasen wurde für Spiel und Sport eingeplant. Daneben war noch genügend Platz für das karge Schotterplateau als Voraussetzung für eine intakte Natur. Bei der Anordnung der Bäume wurde auch darauf geachtet, dass die Frischluftzufuhr durch den frischen Wind vom Fluss Wiese nicht beeinträchtigt wurde. "Die räumliche Grundstruktur, die wir zur Verfügung stellen - die sogenannten Möglichkeitsräume - beeinflusst die Art und Weise, wie die Menschen den Park beleben", so Emanuel Trub. Möglichkeitsräume sind auch kennzeichnend für den Spielplatz, der von KuKuk (Kunst Kultur Konzeption) aus Stuttgart geplant und gestaltet wurde. Es lag nahe, die ursprüngliche Nutzung als Güterbahnhof in der Planung zu berücksichtigen.

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Kleinkindbereich und Treffpunkt für Erwachsene.
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Faszination Cortenstahlwände.

Die Räume zwischen den langen Güterzügen, die Gleis an Gleis in einem Güterbahnhof stehen, sind unter anderem Vorbild für die Gestaltung der Raumsituation auf dem Erlenmattspielplatz. So wurden Kletterwände aus Holz und Cortenstahl hintereinander gereiht, die Zwischenräume entstehen lassen - Holz und Stahl, zwei Materialien, wie sie nicht unterschiedlicher sein könnten: das Material Holz, das Natur assoziiert und Wärme ausstrahlt und der harte Cortenstahl, dessen Oberfläche durch sein breites Farbspektrum, das von rötlich-braun bis schwarz-violett variiert, seine malerische Qualität erhält. Die Holzwände sind aus einzelnen Eichenkanthölzern gebaut, deren Länge, Breite und Höhe den Maßen der Originalbahnschwellen entsprechen.

Die Cortenstahlwände erinnern an die Materialität von Güterwagons. Die Wände auf dem Gelände ermöglichen unterschiedliche Bewegungsabläufe. So gibt es eine hölzerne Kletterwand, die auf der einen Seite als Boulderwand mit Klettergriffen gestaltet ist, an denen die Kinder und Jugendlichen hochklettern können, an der auf der anderen Seite Taue befestigt sind, die zu einer benachbarten niedrigeren Holzwand führen. Auch von dieser Richtung aus gelangen die Kletterer über einen Hangelwald aus Seilen auf die Wandoberkante und haben freien Blick über das Erlenmattgelände. Zwei unterschiedliche Erfahrungen werden dadurch ermöglicht: Auf der einen Seite die glatte und gerade Wand, die nicht nachgibt, an der steil hochgeklettert werden muss, um bezwungen zu werden, auf der anderen Seite die Seilstruktur, die instabil ist, die nachgibt, über die balanciert werden muss - beide Seiten der Wand stellen unterschiedliche Herausforderungen ans Klettern dar.

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Rutschenturm mit einer im Innern stark verdichteten Kletterstruktur.
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Sinnesschulung am Klangspiel.

Nur über eine lockere und langsam ansteigende Struktur aus Robinienhölzern außen, die sich im Innern des Turmes verdichtet, kann man nach oben klettern. In verschiedenen Höhen gibt es Rutschen, die wieder nach unten ins Freie führen. Auch gibt es Ausgucke. Während also der Aufstieg schwierig ist, wird das Hinuntergleiten zum Kinderspiel. Der Turm ermöglicht dadurch zwei unterschiedliche Erfahrungen: Die Struktur fordert heraus, Kinder müssen sich anstrengen, Hindernisse überwinden, um nach oben zu gelangen, erfahren zum Teil auch leidvoll, dass sie mit ihren Kräften an ihre Grenzen stoßen, dass sie vielleicht noch zu klein sind, zu unbeweglich oder zu ungeübt, um durch die enge Kletterstruktur nach oben zu kommen. Manche Stellen erfordern sogar Mut: Kann ich den nächsten Robinienstamm greifen ohne Gefahr zu laufen, wieder abzurutschen? Diese Anstrengung wird oben mit einem Ausblick über das gesamte Gelände belohnt, hier ist auch eine Verschnaufpause möglich, von hier aus gelangt man schnell durch die Röhrenrutschen nach unten ins Freie.

Dann gibt es auf dem gesamten Platz auch Orte, die die Sinne ansprechen: Ganz natürlich durch die reichhaltige Vegetation mit ihren Farben, Formen und Düften und durch die Artenvielfalt an Kleinstlebewesen, die beobachtet und erlauscht werden können. Aber auch durch von Menschenhand geschaffene Elemente: So wurden Materialien verwendet, die sich unterschiedlich anfühlen - hart oder weich und rau oder glatt bei Holz, Stahl, Steinen und Sand; eben oder uneben beispielsweise bei den glatten Wänden und den Kletterstrukturen aus organisch gewachsenen Robinienstämmen und -rundhölzern.

Plätscherndes Wasser und knisternder Kies unter den Füßen erzeugen Geräusche. Räume wurden geschaffen, die unterschiedliche Blickwinkel ermöglichen: Außerhalb und innerhalb der Holzstrukturen zum Beispiel sind Ein- oder Ausblicke möglich, auch macht es einen Unterschied, ob ich oben auf einer Wand oder am Fuß einer Wand stehe. Schließlich engen die Räume zwischen den Wänden den Blick ein, wohingegen die offen gestalteten Bereiche auf der Fläche den Blick weiten. Fast unnötig erscheint bei dieser Vielfalt von Sinneseindrücken das Klangspiel, das an einer Seite der Cortenstahlwand angebracht wurde und auf dessen Stäbe mit einem Schlegel gespielt werden kann.

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Biker auf "Schüttgut".

In der Verlängerung einer der Cortenstahlwände öffnet sich ein kleiner, geschützter Matschspielbereich für kleinere Kinder, die mit ihren Eltern den Platz besuchen. Während die Erwachsenen sich unterhalten können, spielen die Kinder ungezwungen im Sand, der durch Wasser aus einem Wasserspender - im Übrigen ein alter ausgedienter Eisenbahnpuffer - so richtig zum Matschen und freien Spielen einlädt. Der Erlenmatt wird dadurch auch zu einem Treffpunkt für Eltern und Erwachsene.

Alle Bürger, ob klein oder groß können sich auf der Erlenmatt wohlfühlen. Der Platz ist so offen konzipiert, dass er jederzeit verändert und an neue Bedürfnisse angepasst werden kann. So war es überraschend für die Spielraumplaner, dass der Platz von Menschen benutzt wird, an die bei der Planung zunächst gar nicht gedacht wurde. Die Bereiche, die tagsüber von vielen Kindern - allein oder zusammen mit ihren Eltern bespielt werden - verwandeln sich abends zu einem Treffpunkt von Jugendlichen, die als Biker mit ihren Rädern über die Steinfindlinge, die zwischen den Cortenstahlwänden liegend wie zufällig aus den Güterwagons gefallenes Schüttgut wirken, hinweg schanzen oder die Steine und Wände als Hindernisse für ihr Parkouring nutzen.

Mit einem solchen Planungs- und Gestaltungsansatz, der von Beginn an Vorhandenes in die Überlegungen einbezieht und die künftigen Nutzerinnen und Nutzer mit ihren Bedürfnissen und Wünschen ernst nimmt und Umnutzungen zulässt, finden Menschen und Natur wieder zusammen: So wie manche Menschen eher die schattigen engen Bereiche bevorzugen, andere sich lieber in der Sonne aufhalten und sich zeigen, es Menschen gibt, die sich gerne bewegen oder solche, die sich lieber zurückziehen und sich ausruhen, so gibt es Pflanzen und Tiere auf dem Erlenmatt, die ebenfalls gegensätzliche Bedürfnisse haben und Orte aufsuchen, an denen sie überleben können. Ein friedliches Zusammenleben wird möglich. Möglichkeitsräume entstehen, die je nach Lust und Laune, je nach persönlichen Vorlieben und persönlichem Können genutzt, gestaltet und umgestaltet werden können.

Anmerkung

Die einleitenden Ausführungen zur Geschichte der Erlenmatt sind entnommen aus der Publikation "Die Erlenmatt. Vom geschlossenen Bahnareal zum offenen Lebensraum", herausgegeben von der Stadtgärtnerei Basel, Basel 2012.

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