Zunderschwamm

Muss eine Linde bei auffälliger Belaubung untersucht werden?

Baumkontrolle
Das OLG betont, dass allein das Vorhandensein von Totholz noch kein Anlass für eingehende Untersuchungen ist. Nach dem Ergebnis des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens seien vorliegend aber weitere, im Rahmen ordnungsgemäßer Sichtkontrolle erkennbare Symptome hinzugetreten, die eingehende Untersuchungen erfordert hätten. Foto: LuSch, fotolia.com
Baumkontrolle
Das OLG betont, dass sich der Baumeigentümer bei der Kontrolle im Regelfall an den FLL-Baumkontrollrichtlinien orientieren kann, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung als Orientierungshilfe anerkannt werden. Foto: Kerstin Nimmerrichter/pixelio.de

Die Notwendigkeit eingehender Untersuchungen bei auffälliger Belaubung und Pilzfruchtkörpern des Zunderschwamms bei einer Linde steht im Mittelpunkt eines Urteils des OLG Brandenburg vom 15.01.2019 - 2 U 49/17 -, juris. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 10.09.2015 parkte die Klägerin ihr Fahrzeug am Fahrbahnrand einer öffentlichen Straße. An diesem Tag brach von einer Linde der Beklagten ein großer, schwerer und weitverzweigter Ast von mehreren Metern Länge und einem Durchmesser von circa 50 Zentimetern und stürzte auf die Motorhaube des geparkten Pkws. Die Beklagte hatte zuletzt vor dem Schadeneintritt am 30.07.2015 eine Sichtkontrolle des Baumes ohne Befund durchgeführt, insbesondere ohne Feststellung eines Pilzbefalls. Totholz hatte sie bereits im April 2015 von einer Fachfirma beseitigen lassen.

Das LG Potsdam hat die Klage durch Urteil vom 28.09.2017 - 4 O 305/16 -, juris nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung abgewiesen. Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Landgericht von einer ordnungsgemäßen Baumkontrolle ausgegangen, die keinen Anlass zu weitergehenden Maßnahmen gegeben habe. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens hat es nach Auffassung des Landgerichts nicht bedurft, nachdem der Zeuge bekundet hatte, der auf Fotos erkennbare Pilz sei bei der Sichtkontrolle noch nicht vorhanden gewesen und könne sich auch innerhalb von 24 Stunden bilden.

Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG Brandenburg nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens das Urteil des LG Potsdam aufgehoben und der Klage dem Grunde nach insgesamt und der Höhe nach überwiegend stattgegeben. Das OLG hebt zunächst hervor, dass Sichtkontrollen bei Bäumen in angemessenen Abständen vorzunehmen sind, was ein bis zweimal im Jahr sei, wenn nicht besondere Einzelfallumstände eine häufigere Kontrolle gebieten. Das OLG betont, dass sich der Baumeigentümer bei der Kontrolle im Regelfall an den FLL-Baumkontrollrichtlinien orientieren kann, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung als Orientierungshilfe anerkannt werden. Hierbei seien insbesondere das Alter und etwaige Vorschäden des Baumes sowie die Verkehrsbedeutung des angrenzenden Bereichs zu berücksichtigen. In der Folge präzisiert das OLG einzelfallbezogen die Voraussetzungen für die Notwendigkeit eingehender Untersuchungen. Das OLG betont, dass allein das Vorhandensein von Totholz noch kein Anlass für eingehende Untersuchungen ist. Nach dem Ergebnis des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens seien vorliegend aber weitere, im Rahmen ordnungsgemäßer Sichtkontrolle erkennbare Symptome hinzugetreten, die eingehende Untersuchungen erfordert hätten. Die erkennbaren Pilzfruchtkörper seien bereits mehr als ein Jahr - wahrscheinlich eher drei Jahre - am Stamm vorhanden gewesen. Somit sei der Pilz bereits bei der Sichtkontrolle im Juli 2015 vorhanden und bei deren ordnungsgemäßer Durchführung vom Boden aus erkennbar gewesen. Die auffällige Belaubung in Verbindung mit dem Pilzfruchtkörper hätte jedenfalls eine eingehende Untersuchung erfordert. Im Rahmen einer solchen hätte die Beklagte Defektanzeichen, wie beispielsweise einen hohlen Klang, feststellen und durch geeignete Sicherungsmaßnahmen den Astausbruch verhindern können. Dass der Baumkontrolleur im Rahmen der Sichtkontrolle den Pilzfruchtkörper offenbar übersehen habe und die hieraus resultierende Notwendigkeit eingehender Untersuchungen verkannt habe, sei vorliegend schadenkausal geworden und begründe die Haftung der Beklagten.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist ein neuerlicher Beleg dafür, dass es entscheidungserheblich fast nie auf das nach wie vor umstrittene Baumkontrollintervall ankommt. Hinsichtlich desselben stellt das OLG den Sachstand dar, ohne sich eindeutig zu positionieren, ob die differenzierten Kontrollintervalle nach den FLL-Baumkontrollrichtlinien vorzugswürdig sind oder das überholte starre Halbjahreskontrollintervall aus der älteren Rechtsprechung. Immerhin akzeptiert das OLG die FLL-Baumkontrollrichtlinien als Orientierungshilfe für den Pflichtigen. Hier wäre nach wie vor eine grundsätzliche Klärung durch den BGH wünschenswert, die aber voraussetzt, dass dorthin ein Fall gelangt, bei dem es überhaupt entscheidungserheblich auf das Kontrollintervall ankommt. Hinsichtlich der Notwendigkeit eingehender Untersuchungen als Resultat ordnungsgemäßer Sichtkontrollen ist die Entscheidung des OLG aufgrund der Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten gut nachvollziehbar. Das Landgericht hatte offenbar nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung des Baumkontrolleurs die Notwendigkeit einer weitergehenden Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten verkannt.

Ass. jur. Armin Braun,GVV-Kommunalversicherung

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