Waldrand

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch für Baum am Hang?

Baumpilze
Die Entscheidung des OLG Hamm bestätigt zunächst die ständige Rechtsprechung, dass Waldrandbäume, die an Nachbarbebauung angrenzen, selbstverständlich ebenso wie Straßenbäume einer ordnungsgemäßen Sichtkontrolle bedürfen. Foto: Adobe Stock, Tom Bayer

Dem klageabweisenden rechtskräftigen Berufungsurteil des OLG Hamm vom 26.08.2022 -I- 26 U 157/20 - lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 11.08.2015 stürzte eine in Hanglage stehende Eiche vom Waldrand des Waldgrundstückes der beklagten Kommune auf das benachbarte Grundstück des Klägers zu 1 und beschädigte sein dort geparktes Fahrzeug schwer. Die Klägerin zu 2 ist der Vollkaskoversicherer des Klägers zu 1. Sichtkontrollen des schadensursächlich gewordenen Baumes durch die beklagte Stadt haben in der Vergangenheit nicht stattgefunden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Eiche sich überhaupt auf dem Waldgrundstück der beklagten Kommune befindet oder ganz oder teilweise auf dem Grundstück des Klägers zu 1. Mit der Klage macht der Kläger zu 1 Schadenersatzansprüche in Höhe von circa 10 500 Euro geltend, die Klägerin zu 2 in Höhe von circa 18.000 Euro.

Das LG Essen hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten durch Urteil vom 29.09.2020 - 4 O 88/17 - abgewiesen. Das Gericht geht weder von einer schadenursächlich gewordenen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Stadt als Baumeigentümerin aus noch von einem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 BGB. Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung hat das OLG Hamm durch Urteil vom 26.08.2022 - I - 26 U 157/20 - zurückgewiesen.

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Nach Beweisaufnahme geht das LG Essen zunächst aufgrund Sachverständigengutachtens davon aus, dass der schadenursächlich gewordene Baum vollständig auf dem Grundstück der Beklagten, und zwar mit einem geringen Abstand von 0,30 Meter zur Grundstücksgrenze, gestanden hat, sodass die Eigenschaft der Stadt als Baumeigentümerin vor dem OLG unstreitig ist. Eine schadenursächlich gewordene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das OLG Hamm nach Beweisaufnahme hingegen ebenso wenig feststellen können wie das LG Essen. Soweit die Kläger behaupten, im Jahre 2009 hätte die Beklagte einen Abwasserkanal neben dem umgestürzten Baum verlegt und hierbei Baumwurzeln durchtrennt, konnte dies aufgrund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht festgestellt werden. Vielmehr sind nach den Feststellungen des Sachverständigen die Bauarbeiten im Bereich des Schachtbauwerkes mindestens 14 Meter (im Mittel 17,3 Meter) von dem schadenursächlich gewordenen Baum entfernt durchgeführt worden und damit weit mehr als dem nach den Bestimmungen der DIN 18920 geforderten Mindestabstand von etwa 6,5 Meter, der sich aus dem vierfachen Stammumfang von 1,6 Meter ergibt. Eine regelmäßige Sichtkontrolle des Waldrandbaumes hätte nach Auffassung des Sachverständigen in Abständen von etwa alle 15 Monate erfolgen müssen. Selbst bei Durchführung solcher Kontrollen hätte aber die für den Umsturz des Baumes ursächlich gewordene Schädigung nicht festgestellt werden können. Der Bruch des Baumes ist nach den Feststellungen des Sachverständigen auf holzabbauende Pilze zurückzuführen, nämlich des Hallimasch. Dies hätte im Rahmen gebotener Sichtkontrolle aber nicht festgestellt werden können. Die Hanglage des Baumes spiele für den Umsturz keinerlei Rolle, da Bäume in einer Hanglage ebenso sicher stehen, wie in ebenen Lagen. Der Kläger habe ebenso wenig einen Anspruch auf Schadenersatz aus dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog. Eine objektive Gefahrerhöhung allein reiche nicht aus, um der Beklagten nachbarrechtlich die mittelbare Verantwortung für den Baumumsturz zuzuweisen. Dies setze voraus, dass die Störung des Nachbargrundstücks bei pflichtgemäßem Verhalten vorbeugend beherrschbar gewesen wäre, mithin, dass bei pflichtgemäßer Durchführung der Regelkontrolle der Befall des Baumes mit dem holzabbauenden Pilz erkennbar und die Gefahr dadurch abstellbar gewesen wäre. Dies sei hier jedoch gerade nicht der Fall. Im Hinblick auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch hat das OLG sich ebenso wie das LG Essen in vollem Umfang der Entscheidung des OLG Dresden vom 06.03.2013 - 1 U 987/12 -, juris angeschlossen, wo ebenfalls auf die Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Baumeigentümer im Vorfeld abgestellt worden ist.

Das Urteil des OLG Hamm überzeugt insgesamt. Die Entscheidung bestätigt zunächst die ständige Rechtsprechung, dass Waldrandbäume, die an Nachbarbebauung angrenzen, selbstverständlich ebenso wie Straßenbäume einer ordnungsgemäßen Sichtkontrolle bedürfen. Wichtig ist auch der Hinweis auf die - hier eingehaltenen - Abstände bei benachbarten Bauarbeiten gemäß DIN 18920. Schließlich bestätigt die Entscheidung die aus meiner Sicht erfreuliche Tendenz in der jüngeren Rechtsprechung, (neben dem erwähnten Urteil des OLG Dresden vom 06.03.2013 insbesondere OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2019 - I - 18 U 32/19 -, Urteilsbesprechung Braun, SuG 12/2020, 59) strengere Anforderungen an die Voraussetzungen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs zu stellen, als dies überwiegend in der älteren Rechtsprechung (nur beispielhaft OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.2002 - 4 U 73/01 -, VersR 2003, 74; AG Hamburg, Urteil vom 05.10.2007 - 7c C 102/05 -, juris) der Fall war.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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