Nachhaltig gestaltete Schulhöfe

von:
Erneuerbare Energien Hochschulen
Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof". Erfurt/Bad Berka 2010. Die Fibel wird beim Thillm (Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien) unter der Nummer 166 vertrieben; Bereits in Heft 3/2010 von Stadt+Grün wurde auf den Seiten 31–36 auf dieses Werk Bezug genommen. Gestaltung, Bildbearbeitung: calibris/marketing + design

Mit dem Beginn der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" im Jahre 2005 startet an der FH Erfurt auch meine Lehrveranstaltungsreihe, die sich mit der Um- und Neugestaltung von Schulhöfen befasst. In dieser Lehrveranstaltung, in der es immer um die Bearbeitung von konkreten Entwurfsprojekten geht, sollten Studierende zunächst Ideen entwickeln, auf welche Weise das Thema "Erneuerbare Energie" im Schulhof in Erscheinung treten kann. Später habe ich dieses Thema zu einem wichtigen Bestandteil bei einer ausgeweiteten Fragestellung gemacht: nämlich, wie ein Schulhof neu gestaltet sein sollte, um ihn als "nachhaltigen Schulhof" charakterisieren zu können. Als Landschaftsarchitekt bin ich daran interessiert, wie eine neue Entwicklung für Schulhöfe sich darstellen könnte. Auf neue Herausforderungen, die sich aus der globalen Forderung einer "Nachhaltigen Entwicklung" ergeben, ist bislang gar nicht oder nur unzulänglich eingegangen worden - so scheint es mir jedenfalls. Denn mit bisherigen Forderungen, ein Schulgelände naturnah oder auch ökologisch zu gestalten, ist der Anspruch an eine Nachhaltige Entwicklung nur teilweise eingelöst.

Jetzt, gut fünf Jahre später, liegen mit dieser Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" die Früchte der Arbeit mit den Studierenden und den wissenschaftlichen Mitarbeitern vor.

Rio de Janeiro 1992 und die UN-Dekade 2005 bis 2014

Wenn bei Bildungsfragen im Kontext zu Nachhaltiger Entwicklung auf die Konferenz 1992 in Rio de Janeiro verwiesen wird, so ist das nicht ganz korrekt. Sehr wohl gibt es ein Kapitel 36, das sich der "Förderung der schulischen Bildung, ... usw." widmet. Der Durchbruch zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) erfolgte jedoch zehn Jahre später, während der Folgekonferenz in Johannisburg 2002. Dort erst wurde die UN-Dekade BNE 2005 bis 2014 beschlossen. Seitdem sind viele brauchbare und gute Materialien für die Lehre in der Schule entwickelt und verteilt worden. In Lehrplänen und in entsprechenden Unterrichtseinheiten scheint BNE heute schon gut verankert zu sein, hinsichtlich der Gestaltung von Schul-Außenanlagen (Schulhöfen) gibt es aber noch sehr großen Handlungsbedarf. Anders ausgedrückt: zwischen der Lehre, die in Klassenzimmern stattfindet und der tatsächlich von Schülerinnen und Schülern zu machenden sinnlichen Erfahrungen, bestehen große Unterschiede. Dabei wäre es wünschenswert, wenn in der nächsten Umgebung derjenigen Orte, an denen Lehre stattfindet, eine adäquate sinnliche Erfahrung gemacht werden könnte. - Also auf den Schulhöfen! Aber wie soll diese potenziell machbare sinnliche Erfahrung aussehen? Mit welchen, oder an welchen Objekten soll eine sinnliche Erfahrung gemacht werden können?

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Schulhöfe und Nachhaltige Entwicklung - politische Zielstellung und lokale Aktion

Nachhaltige Entwicklung ist im Zusammenhang mit der Rio-Konferenz 1992 immer als ein politischer Begriff zu lesen. Insofern ist NE global zu denken und innerhalb der dazu passenden Politiken werden globale Entwicklungsziele formuliert. Für eine Anwendung auf der lokalen Ebene müssen diese politischen Ziele entsprechend angepasst werden. Aber zunächst bleibt es bei den Zielen und mit diesen sind sinnliche Erfahrungen nicht zu machen. Dazu braucht es eine dingliche Ebene, anders gesagt: aus den politischen Zielen müssen anschauliche Objekte werden. Und diese Objekte müssen eine Beschaffenheit aufweisen, die den politischen Zielen der BNE entspricht. Wenn dieser Schritt des Konkretisierens erfolgt ist, wird es möglich, sich Klarheit über genau diese Beschaffenheit der Objekte oder Dinge zu verschaffen. Es braucht demzufolge Parameter und Indikatoren, mit denen die unterschiedliche Beschaffenheit von Objekten beschrieben und charakterisiert werden kann. Damit ist gleichsam das "Handwerkszeug" gegeben, um arbeiten zu können:

  • sei es, um lediglich fest zu stellen, ob das Objekt eine entsprechende Beschaffenheit aufweist, oder nicht (Beispiel, man fragt: Gibt es im Schulhof einen Schulgarten? Ja oder Nein? Nur wenn die Antwort Ja ist, machen weitere Fragen über die qualitative Beschaffenheit einen Sinn);
  • sei es, um den Erfüllungsgrad der gewünschten Beschaffenheit fest zu stellen (Beispiel, man fragt: Wie hoch ist der Grad der Bodenversiegelung? Damit wird auch das Faktum der Regenwasserversickerung und das Faktum der Lebensräume für Pflanzen und Tiere angesprochen).

Herangehensweise innerhalb eines Zielkonkretisierungsprozesses

Mit dieser Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" werden die Leser notwendigerweise in die Arbeitswelt eines Landschaftsarchitekten mitgenommen. Ein vorgesehener Beitrag sollte die Idee von einem neu gestalteten Schulhof auch aus einem pädagogischen Blickwinkel beleuchten. Auf diesen zugesagten Beitrag musste ich als Herausgeber bedauerlicherweise verzichten. Aber das macht die Fibel nicht schlecht oder gar unbrauchbar. Es fehlt lediglich ein vorgesehener Puzzlestein, der gepasst hätte, um den kompatiblen anderen Blick auf den gleichen Gegenstand darstellen zu können.

Als Landschaftsarchitekt ist man gehalten, immerzu Schritte innerhalb eines Zielkonkretisierungsprozesses zu tun, seien es nun große oder kleine Schritte. Solch eine Zielkonkretisierung hat gewöhnlicher Weise vier logische Phasen. Diese können folgendermaßen benannt werden:

  • Problemstrukturierung
  • Lösungssuche
  • Lösungsanpreisung
  • Lösungskonkretisierung (vgl. Weckwerth, Helmut: Kommunale Freiraumplanung, in: Müller/Korda (Hrsg.): Städtebau, Stuttgart, Leipzig 1999; 4. Auflage, S. 510)

Diesen vier logischen Phasen können konkrete Leistungsphasen zugeordnet werden, wie sie zum Beispiel in der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) detailliert beschrieben sind. Damit lässt sich der gesamte Ablauf von der Beauftragung bis zur Übergabe der realisierten Um- und Neugestaltung eines Schulhofs beschreiben. Da spielen die Schülerinnen und Schüler und die Lehrerinnen und Lehrer als Nutzer der künftigen Anlage natürlich die Hauptrolle. Aber der Planungsprozess kann sich ganz abstrakt entwickeln. Die Nutzer müssen nicht zwingend in die Entwicklung von der ersten Entwurfsidee bis zur Übergabe des gebauten fertigen Projektes eingebunden, das heißt beteiligt werden. Um Partizipation sollte es hier, im Verfolgen eines Projektes, das einen Beitrag für Bildung für Nachhaltige Entwicklung leisten soll, aber schon gehen!

Das Ermöglichen einer praktisch durchführbaren Partizipation, insbesondere der künftigen Nutzer einer Schulhof-Anlage, sehe ich mit der nun vorliegenden Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" vorbereitet. Denn, indem alle am Planungs- und Umsetzungsprozess Beteiligten wissen, was die logischen Schritte sind und wo wer auf welche Weise aktiv werden kann oder muss, sollte das anspruchsvolle Projekt einer "Nachhaltigen Schulhofgestaltung" wohl gelingen. Das ist die Theorie. Wir alle wissen aus Erfahrung, dass die Fragen und Probleme beim Tun kommen!

Idee für ein neues Landesförderprogramm

Wenn man sich in der Frage einer Um- und Neugestaltung eines Schulhofs an eine Institution wendet, ist man wohlberaten. Dort, beispielsweise in einem Landschaftsarchitektur-Büro arbeiten Fachleute. Deren Leistung kann natürlich nicht kostenlos erbracht werden. Aber es steht einem damit die erforderliche Profession zur Verfügung. Man benötigt "lediglich" Finanzmittel, um die Leistungen der Landschaftsarchitekten und die Arbeit der Firmen des Garten- und Landschaftsbaus honorieren zu können. Meist scheitert der gute Wille aber an den nicht bereitstehenden Finanzmitteln.

Um dieses Problem zu bewältigen haben sich Lehrerinnen oder Elternvertreter schon an die Hochschule und auch an mich gewandt. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, aber seitens der Hochschule dürfen keine Leistungen erbracht werden, die freiberuflich arbeitende Landschaftsarchitekten erbringen könnten. Das ist nachvollziehbar, denn mit der kostenlosen Leistung der Hochschule kann kein marktwirtschaftlich agierendes Büro mithalten. Dafür habe ich großes Verständnis, weil ich selber mehr als zwei Jahrzehnte der freiberuflichen Tätigkeit nachging.

Möglich und auch sehr sinnvoll ist eine Zusammenarbeit mit der Hochschule dennoch. Das Ergebnis beispielsweise eines Studienprojektes, in dem es um das Entwickeln von Entwurfsideen geht, ist meist ein "bunter Blumenstrauß" mehr oder weniger guter Gestaltungsansätze. Das ist eine hervorragende Grundlage, sich in einem Kollegium eine Meinung zu bilden, denn die Diskussionen drehen sich dann nicht um hohle Worthülsen sondern um ganz konkrete Gestaltungsideen, die von den Studierenden zeichnerisch dargestellt wurden. Ich selbst habe derartige Entwurfs-Projekte in den vergangenen fünf Jahren immer wieder auf die Aspekte der Nachhaltigen Entwicklung fokussiert. Natürlich ist das Ergebnis dieser meist intensiven Auseinandersetzung in einzelnen Entwurfsideen oder im Gesamtansatz wiederzufinden. Insofern wird Nachhaltige Entwicklung ganz selbstverständlich innerhalb der Diskussion eines Gremiums, das sich um die Belange einer Um- und Neugestaltung eines Schulhofs bemüht, angesprochen werden.

Mit den Entwurfsergebnissen der Studierenden wird man gewöhnlicher Weise nicht auf die Baustelle gehen können, um eine Um- und Neugestaltung zu beginnen. Und man muss einem studentischen Entwurfsprojekt immer auch die Möglichkeit des Scheiterns einräumen. Das muss man ganz klar sehen!

Wer die Absicht hat, eine Idee ernsthaft baulich zu realisieren, braucht das professionelle Mitwirken von Landschaftsarchitekten. Das Ansinnen einer baulichen Realisierung setzt aber nicht immer Finanzmittel aus den offiziellen Etats der kommunalen Haushalte voraus. So stehen beispielsweise Finanzmittel aus bestimmten Förderprogrammen zur Verfügung; da müssen gegebenenfalls unterschiedliche Programme geschickt kombiniert werden. Oder es stehen Finanzmittel privater Sponsoren bereit. In beiden Fällen bedarf es einer gekonnten Akquise. Und auch dafür können die Ergebnisse aus einem Studien-Projekt gute Hilfsdienste leisten, ohne dass Berufsverbände oder Architektenkammern etwas einzuwenden hätten.

Es sei mir gestattet, auf eine Einrichtung besonders hinzuweisen, auf "Grün macht Schule". Das ist eine Einrichtung in Berlin. "Grün macht Schule" hat sich zur Aufgabe gemacht, Schulen zu informieren, zu beraten und zu betreuen und "schulische Initiativen bei der Planung und Durchführung von Umweltprojekten, insbesondere bei der Schaffung und Gestaltung kindgerechter, naturnaher Freiflächen und ökologischer Lernorte auf Schulgeländen" zu unterstützen. (vgl. website von www.gruen-macht-schule.de ) Die wichtigste Grundlage für "Grün macht Schule" stellt das 1993 vom Abgeordnetenhaus von Berlin verabschiedete Sonderprogramm "Jugend mit Zukunft" mit dem Teilprogramm "Vom Schulhof zum Spielhof" dar. Daraus können Berliner Schulen seit Jahren Mittel für die Umgestaltung von Schulfreiflächen beantragen, wenn diese in Eigeninitiative umgebaut werden. Finanzmittel aus diesem Programm stehen vorrangig für Material zur Verfügung, aber auch für Honorare für Landschaftsarchitekten, die eine Konzeption erarbeiten und sich dann für eine anleitende Betreuung der Schule zuständig zeigen.

Nach meiner Kenntnis handelt es sich nicht um sehr große Beträge, die bereit gestellt werden können, aber sie sind doch ausreichend, dass eine Schule nicht zögern muss, sich an ein Landschaftsarchitektur-Büro zu wenden, um eine Konzeption aus professioneller Hand zu erhalten. Wenn für ein Schulgelände eine abgestimmte Gesamtkonzeption vorliegt, kann die bauliche Realisierung auch schrittweise vonstatten gehen. Eine sehr große Bedeutung erlangt dabei die Partizipation, das meint das Einbinden von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie der Eltern. Die Erfahrung zeigt, dass dieses Vorgehen die beste Prävention gegen Vandalismus darstellt. Die website von "Grün macht Schule" zeigt eine Fülle realisierter Projekte, die eine Vielfalt unterschiedlichster Gestaltungsideen sichtbar machen.

Im Hinblick auf die Lage der Fachhochschule Erfurt in Thüringen, möchte ich für diesen Freistaat einen Wunsch äußern: Es wäre für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) sehr hilfreich, wenn das zuständige Landesministerium eine Initiative auf den Weg brächte, die Ähnliches zu leisten vermag wie das eben vorgestellte Sonderprogramm in Berlin. Mit der Existenz beispielsweise eines Förder-Programms hätte vermieden werden können, was ich in letzter Zeit schon so oft habe mit ansehen müssen: so manche Schule stand schon "in den Startlöchern", voller Interesse und Engagement, aber ohne irgendwelche Finanzmittel zur Aufgabe der guten Idee genötigt. Das Berliner Sonderprogramm will Hilfe zur Selbsthilfe fördern. Insofern dienen die Fördermittel der Anschub-Finanzierung von Projekten. Erwartet wird eine hohe Eigenbeteiligung oder Drittmittel zum Beispiel von einem Förderverein oder von Sponsoren.

Der Gebrauch der Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof"

Was ist wohl die Kernfrage, mit der sich die Gestaltungsfibel befasst, oder anders gefragt: wie lässt sich die Fibel einsetzen? Darauf will ich nun im Folgenden eingehen.

Dass es bei einer Nachhaltigen Entwicklung eines Schulhofs um mehr geht als um eine ökologische oder "natürliche" Ausrichtung der Gestaltung, ist schon erwähnt. Es ist also nahe liegend, das bekannte Bild des Nachhaltigkeits-Dreiecks wachzurufen, um zu prüfen, welche Themen einer Nachhaltigen Entwicklung mit dem Freiraumtyp Schulhof in Verbindung gebracht werden könnten. Der Versuch einer eindeutigen Zuordnung von Themen einer nachhaltigen Freiraumentwicklung zu den drei Seiten des Dreiecks, also zu ökologischer Verträglichkeit, sozialer Gerechtigkeit, ökonomischer Leistungsfähigkeit, dieser Versuch einer Zuordnung führte nicht all zu weit. Aber der Gedanke war auch keine Sackgasse, zeigte der Versuch doch, dass viele Themen einer nachhaltigen Freiraumentwicklung sich mehreren Seiten des Dreiecks zuordnen ließen. Offenbar musste die Betrachtungsebene anders gewählt werden. Der Schlüssel zur Lösung heißt Indikatoren, das sind diejenigen Faktoren, mit denen sich die unterschiedlichen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung genau beschreiben lassen. Jedenfalls eignen sich Indikatoren, um die Beschaffenheit von Objekten und Dingen erfassen und meistens auch bemessen zu können.

In der Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" sind zehn ausgewählte Indikatoren zu finden, mit deren Hilfe die Aspekte einer Nachhaltigen Entwicklung des Freiraumtyps Schulhof präzise dargestellt werden können. Viele der ausgewählten Indikatoren stehen auf der Liste der politischen Agenda ganz weit vorne, sind gleichsam Chefsache.

Beispielsweise der Indikator "Biodiversität": schon 1992 wurde auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, kurz CBD) beschlossen und inzwischen von fast 190 Staaten unterzeichnet. Das Abkommen dient dem Schutz des Artenreichtums und dem Schutz der Vielfalt der Lebensräume. Auf dieser Grundlage aufbauend kann ein Komplex an Fragen gestellt werden, deren Beantwortung ein Licht darauf wirft, wie gut relevante Aspekte der Nachhaltigen Entwicklung bereits erfüllt sind oder auch nicht.

Vollkommen klar wird dabei, dass nicht nach einer Gesetzmäßigkeit im Sinne einer naturgesetzlichen Gegebenheit gesucht werden muss. Nachhaltige Entwicklung dient keinem Selbstzweck sondern vordringlich dem Schutz der Lebensgrundlagen von jetzt lebenden Menschen und dem Schutz von Lebensbedingungen, die künftigen Generationen von Menschen es ebenfalls ermöglichen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

An die Adresse des Indikators "Biodiversität" gerichtet, halten wir folgende Fragen in Bezug auf eine Nachhaltige Entwicklung beim Freiraumtyp Schulhof für sinnvoll:

  • Gibt es Bäume? Wie viele? Wie viele davon sind heimisch?
  • Gibt es Einzelsträucher? Wie viele? Wie viele davon sind heimisch?
  • Gibt es Strauchpflanzungen? Wie viele davon sind heimisch?
  • Gibt es Hecken? Wie viele? Wie viele davon sind heimisch?
  • Gibt es Rasenflächen? Wie hoch ist ihr Anteil am Schulhof?
  • Gibt es Wiesenflächen? Wie hoch ist ihr Anteil am Schulhof?
  • Gibt es ökologische Nischen? (zum Beispiel Nistkästen, Kompost, Teich, "Wilde Ecke")
  • Gibt es einen Schulgarten? Werden auch regionale Obst- und Gemüsesorten angepflanzt?

Abgefragt werden diverse Einzelelemente, die in der Freiraumgestaltung vorkommen und die einen bestimmten Beitrag für eine angestrebte Entwicklung bei Lebensräumen und Artenvielfalt, der Zusammensetzung und der strukturellen Vielfalt leisten. Sofern das Element vorhanden ist, kann es quantitativ erfasst werden, sei es anzahlmäßig oder als Flächenanteil. Außerdem kann dargestellt werden, ob die pflanzliche Ausstattung des Schulhofs eher einen heimischen Charakter hat oder eher nicht.

Jede Antwort kann bewertet werden. Hilfreich, weil in Schulen leicht nachvollziehbar, ist eine Bewertung mit Schulnoten. In der Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" sind die gebräuchlichen Noten 1 bis 6 in drei Gruppen zusammengefasst. Das ermöglicht eine sehr leicht lesbare graphische Darstellung in der Sprache unserer Verkehrsampeln. Grün steht für die Notenwerte 1 bis 2, Gelb für 3 bis 4 und Rot für 5 bis 6. Aus der Einzelbetrachtung lässt sich für den hier vorgestellten Indikator "Biodiversität" eine Zwischennote generieren.

Ein weiterer Indikator sei noch vorgestellt, nämlich "Gesundheitsvorsorge". Dabei handelt es sich um einen Indikator, den man gerne dem sozialen Nachhaltigkeitsaspekt zuordnen möchte. Wir werden jedoch feststellen, dass auch gewichtige Argumente existieren, ihn der ökonomischen Leistungsfähigkeit zuzuordnen.

Es sind sechs Fragen, die diesen Indikator beschreiben:

  • Gibt es Sportflächen (zum Beispiel entsprechend den Schulbauempfehlungen für Thüringen 1997)?
  • Gibt es Sportflächen, die auch außerhalb des Sportunterrichts genutzt werden können (in Pausen oder für Freizeitsport)?
  • Gibt es Angebote, die zur sportlichen Aktivität einladen?
  • Gibt es Angebote, die zum Beispiel Motorik und Gleichgewichtssinn fordern?
  • Gibt es Angebote, um zur Ruhe zu kommen (Stressbewältigung)?
  • Ist der Schulhof vor Lärm und Luftschadstoffen geschützt?

Selbstverständlich könnte der Bezug Schulhof und Gesundheitsvorsorge auch mit Vermeiden von Unfällen in Zusammenhang gebracht werden. In der Fibel werden aber sportliche Aktivitäten fokussiert - und das hat seinen gewichtigen Grund nicht im Hinblick auf leistungssportliche Disziplinen, sondern im Hinblick auf die größten Kostenlasten des Gesundheitswesens. Die höchsten Kosten verursachen das Herz-Kreislauf-System, das Muskel-Skelett-System und psychische Erkrankungen. Die Ursachen liegen an falscher Ernährung, an Bewegungsarmut und an Stress. Der Fragenkomplex versucht, in diesen Problemkomplex in gewissem Umfang Korrekturen einzubringen. Diese Korrekturmöglichkeiten können zusammengefasst werden mit: Anreize geben zu mehr Bewegung und zu größerer Beweglichkeit. Das heißt, dass das Lehrgebiet Schulsport nur am Rande tangiert wird. Viel wichtiger ist es, Anreize zur Überwindung der allgemein herrschenden Bewegungsarmut oder gar Trägheit zu schaffen. Im Report der Zentrale für gesundheitliche Aufklärung und des Robert Koch Institutes wird 2008 dargelegt, dass nur eine Minderheit der Kinder und Jugendlichen die empfohlene täglich einstündige körperliche Aktivität ausübt. Diese nimmt mit Beginn der Pubertät noch weiter ab, besonders bei Mädchen. "Die größten Defizite - so ist es zu lesen - sind hier bei Jungen und Mädchen zu beobachten, die aus Familien mit niedrigem Sozialstatus kommen, einen Migrationshintergrund haben oder in den neuen Bundesländern aufwachsen", so der Report. (Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof", S. 60)

Durch vernünftige Angebote in der Schulkantine und den Angeboten im Schulhof sollen sowohl die Ernährungsgewohnheiten verbessert, als auch Ausdauer, Beweglichkeit und Geschicklichkeit trainiert werden. Und um zur Ruhe und innerer Einkehr kommen zu können sind Nischen, erfass- und erlebbare Raumeinheiten mit äußerer Ruhe erforderlich. Das sind Einrichtungen und Bilder, die nichts mit den Sportanlagen mit normierten Maßen für den Hochleistungssport gemein haben, eher mit Bewegungs- und Lauflandschaften.

Mit einer solchen strukturellen Vorgabe können mehrere Schritte im Verfolgen einer Zielkonkretisierung gemacht werden: Zunächst erfasst die Checkliste die wesentlichen Elemente für eine sorgfältige Bestandserfassung, die dann bewertet wird. Aber auch für die konzeptionelle Arbeit leistet diese Checkliste Hilfsdienste, denn sie könnte akribisch genau abgearbeitet werden, damit nichts unversucht bleibt, die, in der Gestaltungsfibel benannten Indikatoren ins beste Licht zu rücken, um dem Schulhof in Zukunft eine sehr gute Nachhaltige Entwicklung attestieren zu können.

Was eben für die Arbeit des Landschaftsarchitekten angesprochen war, kann sinnentsprechend auch für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer gelten. Es macht viel Sinn, beispielsweise die Bestandserfassung und Bestandsbewertung in Unterrichtseinheiten einzubinden. Da kann für jede Altersstufe etwas dabei sein, was dazu dient, die Umgebung des Lernorts "Klassenzimmer" zu erkunden, sorgfältig zu erfassen und auch noch zu bewerten. Welch weitreichende Folgen das haben kann, ist mir durch den Kommentar einer Lehrerin klar geworden, als meine Studenten den Schulhof, der zu ihrer Schule gehört, in seinem Bestand erfasst und bei der Präsentation mit mangelhaft bewertet hatten. "Ja, sagte diese Lehrerin, die Studenten haben recht! Aber wir sehen das nicht mehr. Wir sind jeden Tag auf diesem Schulhof und eine Veränderung ist nicht in Aussicht gestellt worden. Wir sind abgestumpft."

Für die Kinder enthält eine derart praktische Frage- und Aufgabenstellung das sehr bedeutende Potenzial, dass sie lernen, die totale Komplexität ihrer Umwelt zu erkennen. Sie machen sich mit einer großen Serie an Einzelerfahrungen ein Bild vom Großen & Ganzen oder ein Bild davon, "was die Welt im Innersten zusammen hält", um es mit Goethes Faust zu sagen.

Ausblick

Wo soll die Reise mit der Nachhaltigen Schulhofentwicklung hingehen? Zuerst muss festgestellt werden, dass es sich bei der Nachhaltigen Schulhofentwicklung nicht um einen revolutionären Umsturz handelt, ich denke, dass das herausstellt werden konnte. Betrachtet werden Elemente der Freiraumgestaltung, die inzwischen einen gewissen Grad an "Normalität" erlangt haben, die bekannt sind und in technischer Hinsicht auch erprobt. Das Neue an der Nachhaltigen Schulhofentwicklung besteht darin, dass diese bekannten Elemente der Freiraumgestaltung nicht länger nur Möglichkeiten für die Gestaltung des Schulgeländes sind. Es sind keine Optionen, sondern unverzichtbare Bestandteile in einem hochkomplexen Gebilde, das sich "Nachhaltiger Schulhof" nennt.

Warum unverzichtbar? Nun, weil nur durch das Zusammenspiel und das Zusammenwirken die eingeforderte Balance sich einstellen kann, die eine ausgewogene Beziehung zwischen den Aspekten der ökologischen Verträglichkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der ökonomischen Leistungsfähigkeit herstellen und aufrecht erhalten kann. Das "Reiseziel" ist also ein Schulhof, der in der Tat mit einem neuen Erscheinungsbild aufwartet. Leistungsfähige Funktionalität in allen Aspekten, die Nachhaltige Entwicklung in einem Schulhof beschreiben, in Verbindung mit hoher Gestaltqualität können eine Bildwelt der Alltagskultur generieren, die eine Kindheit und Jugend sosehr prägen kann, dass bewusstes nachhaltiges Handeln erstmals möglich werden kann. Nachhaltig zu handeln heißt ja keineswegs Verzicht leisten zu müssen, ist keine Aufforderung zu darben. Das ist nicht gemeint, wenn Gro Harlem Brundtland 1987 fordert, sich so zu verhalten und zu handeln, dass künftige Generationen ebenfalls ihre Bedürfnisse befriedigen können sollen. Darin steckt doch die Aufforderung, allzeit sehr weit nach vorne zu schauen und die Folgen des eigenen Verhaltens und Handelns zu erkennen und genauestens abzuwägen, was für eine Entwicklung günstig oder katastrophal wäre.

Wenn in der Kindheit und Jugend nicht geeignete Bilder geprägt werden können, die als ein immanentes Wertesystem ihre Wirkung entfalten, bleibt die Aufforderung zu nachhaltigem Verhalten und Handeln eine fast unlösbare Aufgabe. Deswegen stehen meines Erachtens Schulen so sehr in der Pflicht, in der Lehre, zusammen mit den gesamten baulichen Anlagen, bei Kindern und Jugendlichen geeignete Bildwelten zu schaffen, die eine Zukunftsfähigkeit ausstrahlen. In der Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" sind einige Anregungen zur Bewältigung dieser großen Aufgabe und Herausforderung zu finden.

Die Gestaltungsfibel "Nachhaltiger Schulhof" wird vom Thillm (Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien) vertrieben. Man kann die Broschüre dort direkt bestellen, daher nachfolgender Link: www.thillm.de/thillm/start_serv_pub.htlm. Die Fibel wird in der Liste geführt unter der Nummer 166.

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