Das verlorene Paradies

Nachlese zur Gestaltung der IGW Blumenhalle 2017

IGA Berlin 2017 Messen und Veranstaltungen
Der karge Baum der Erkenntnis erschloss sich dem Betrachter erst auf den zweiten und dritten Blick. Foto: Thomas Herrgen

Die Internationale Grüne Woche Berlin (20. bis 29. Januar 2017) als größte Agrar- und Gartenbaumesse der Welt setzte anlässlich des 500. Jubiläums der Reformation den Satz von Martin Luther "Das Paradies ist überall" um. Gezeigt wurden in der Blumenhalle 2.2 sieben Natur- oder Kulturlandschaften, Bildausschnitte mehrerer Kontinente. Das Konzept war von den niederländischen Gestaltern "The Floral Agency" und "The Wunderkammer" entwickelt worden. Doch es überzeugte nicht alle.

Die Planer, Floristen, Gärtner und Pflanzenlieferanten wollten in der Blumenhalle zeigen, dass sich jeder sein kleines, grünes Paradies gestalten oder es genießen kann, wo und wie er will. Denn was ein "Paradies" ist, liegt stets im Auge des Betrachters, sei es ein Garten, ein Balkon, ein Park, gar ein Friedhof oder die Natur selbst. Der Hauptteil der Ausstellung widmete sich dann der Nachempfindung verschiedener Naturparadiese aus mehreren Kontinenten, wie etwa mediterrane, nordafrikanische oder südamerikanische Landschaftselemente. Hier gab es beispielsweise Kakteen in einer Sandfläche, Strelitzien in Kübeln oder Gräserhütten der Wüsten zu sehen. Australien war durch einen tasmanischen Farnwald vertreten, der durch seine dunkelgrünen Farben und die exotischen Pflanzenformen geheimnisvoll wirkte. Sie alle waren jedoch praktisch nicht begeh- oder nutzbar, was die vielen Schilder "Betreten verboten!" auch bei den Besuchern anmahnten. Paradiese ohne Menschen? Keine Bänke, keine Hängematten, keine Sitzplätze, ausschließlich Bilder zum Betrachten, durchaus schöne Bilder und gut gemachte Inszenierungen, aber am Ende doch "verlorene Paradiese".

So gar nicht passen in das Paradiesthema wollten die Tulpenskulptur und die floristischen Ringe. Das Frühlingserwachen (Tulpen) und der ewige Kreislauf der Natur sind zwar wichtige und schöne Aspekte der Grünen Branche und für jeden Gartenbesitzer natürlich auch, doch das Zusammenspiel mit den anderen Bildern gelang leider nicht.

Bedrohte Paradiese

Auch Hinweise, zumindest textliche, dass viele Paradiese der Welt bedroht sind, durch den Klimawandel, steigende Meeresspiegel, Brandrodung oder Kriege und Terror fehlten gänzlich. Das hätte zur Wertschätzung von Landschaften und Gärten sehr beigetragen und die Besucher animiert, ihre eigenen Paradiese neu zu bewerten. Auch ein Nachahmungseffekt für eigene Gärten war schwierig, wurden doch hauptsächlich Naturlandschaften gezeigt und keine Gartenkultur der Welt, obwohl mit der IGA 2017 in Berlin genau das zum Thema wird.

Die Vorankündigungen sprachen des Weiteren davon, dass Tiere integraler Bestandteil von Paradiesen seien. Selbstverständlich konnte nun niemand in einer Messehalle mit echten Vögeln, Schmetterlingen, oder gar Säugetieren rechnen, wollte man aus einer Blumenhalle nicht einen Zoo machen. Doch ausschließlich zwei Giraffen-Silhouetten im afrikanischen Bereich waren dann doch zu wenig Tiersymbolik.

Ähnlich das angekündigte Thema Wasser, das in der Natur überall vorkommt und für jeden Garten unerlässlich ist. Dazu gehören Teiche, Wasserfälle, Kaskaden, Sprudler, Bäche, Rinnsale und vieles mehr. Wasser ist ein Lebenselexier und macht etwa Oasen erst grün. In der Blumenhalle war jedoch nur ein Sprudelstein zu sehen, als einzige Wasserquelle in der gesamten Hallenschau.

Religion und Reformation

Die biblische Darstellung des Paradieses - eingebettet in den Bereich der Kleingärtner - sollte natürlich nicht fehlen. Der "Baum der Erkenntnis" ragte deshalb an exponierter Stelle empor, war allerdings völlig kahl. Eine grüne Schlange aus Stoff hing im Geäst und ein großer roter Apfel aus Kunststoff darüber. Die Figuren Adam und Eva fehlten, sodass sich das Bild erst auf den zweiten Blick erschloss, wenn überhaupt. Der Reformator Luther, als weiße Skulptur im Kleingarten-Schaubereich präsent, hielt ein offenes Buch in Händen mit seinem Ausspruch "Das Paradies ist überall". Die benachbarte Lutherrose vervollständigte den Bezug zum Reformator. Die fünfblättrige weiße Blüte mit einem roten Herzen und einem schwarzen Kreuz in der Mitte war Luthers Siegel und ist heute Symbol der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Es wurde aus 30.000 aufgeklebten Erbsen, Bohnen und Linsen als Bodenrelief gefertigt, insofern mit Nahrungsmitteln, die nach der Messe entsorgt werden müssen; ein zumindest zu hinterfragendes "Kunstwerk", das zum Beispiel auch aus getrockneten Blüten hätte hergestellt werden können.

Bilanz und Ausblick

Zur IGW zeigten 1650 Aussteller aus 66 Ländern ihre Angebote und fast 400.000 Gäste aus der ganzen Welt besuchten die zehntägige Messe, die meisten von ihnen auch die Internationale Blumenhalle, die regelmäßig zur beliebtesten Publikumsattraktion gewählt wird. Viele werden die Hallenschau sicher als schön in Erinnerung behalten. Gemessen an dem von den Machern und Planern angekündigten, ideellen Überbau blieb das Ergebnis jedoch hinter den Erwartungen des (Fach-)Publikums zurück. Frühere Ausstellungen wie das "Parlament der Blumen", der floristische Mode-Laufsteg, der thüringische Wald (2015) oder der "Karneval der Blumen" im vergangenen Jahr waren überzeugender. Es wäre wünschenswert, wenn diese Strahlkraft künftig wieder erreicht würde und die Schau zudem an ihren angestammten Platz in Halle 9 zurückkehren könnte, wo sie im größeren und höheren Raum besser zum Tragen kommt. Die nächste Grüne Woche findet vom 19. bis 28. Januar 2018 statt.

Weitere Informationen:www.gruenewoche.de, www.bureausierteelt.nl (Design Blumenhalle: "The Floral Agency", Leiden [NL]), www.thewunderkammer.eu (Kooperation: "The Wunderkammer", Amsterdam [NL]). Vertretungen in der Blumenhalle: www.g-net.de (Zentralverband Gartenbau e. V.), www.bund-deutscher-friedhofsgaertner.de/bdf, www.friedhoftreuhand-berlin.de

Thomas Herrgen

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