Ein Tornado verwüstet die Gärten der Villa Taranto

Naturgewalt im Gartenparadies

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Botanischer Garten Historische Parks und Gärten
Die Villa Taranto ist ein Gartenkunstwerk aus den 1930er Jahren. Pavillon und Wasserbecken am Terrassengarten verdeutlichen den Zeitgeschmack. Foto: Thomas Herrgen

Zu den Naturkatastrophen, die sich extrem verheerend auswirken, gehören - neben Erdbeben und Tsunami - auch energiereiche Tornados. Vor allem bekannt aus den Vereinigten Staaten vernichten diese "Windhosen" alles am Boden, was auf ihrem Weg liegt: Häuser, Bäume, Mauern, Lkw, Autos, einfach alles. Für Menschen bleibt nur die schnellstmögliche Flucht. Ende August 2012 entstand in Norditalien - außergewöhnlich für diese Gegend - ein Tornado am Westufer des Lago Maggiore. Seine räumlich extrem begrenzte Wirkung entlud er punktgenau im Umfeld der Villa Taranto mit ihren wertvollen Gärten, ein botanisches Juwel aus den 1930er Jahren. In nur wenigen Minuten war das Lebenswerk des Erschaffers praktisch vernichtet.

Ein schottischer Traum

Die Provinzhauptstadt Verbania liegt exponiert an der Westseite des Lago Maggiore und ist eine Verschmelzung der Städte Intra und Pallanza. Ihre Schnittstelle bildet die grüne Landzunge Punta della Castagnola. 1931 hatte der schottische Ritter Captain Neil McEacharn hier einen Garten mit Villa erworben und vier Jahre später die Umgestaltung und Erweiterung begonnen. Ziel war es, einen botanischen Garten internationalen Ranges aufzubauen. McEacharn war 1884 als Sohn einer reichen schottischen Adelsfamilie geboren und konnte seinen Leidenschaften und Interessen wie Reisen, Botanik und Gartenbau ausgiebig nachgehen. Angeblich soll er siebenmal die Welt umrundet, dabei immer neue Pflanzen mitgebracht und in Verbania kultiviert haben.

McEacharn kaufte Nachbargrundstücke hinzu und gestaltete das Gelände mit Hilfe des englischen Gartengestalters Henry Coker. Die Terrassierung des Hanges entlang der Punta della Castagnola erfolgte unter praktischen, ästhetischen und botanischen Gesichtspunkten. Der schließlich 20 Hektar große "Garten" wuchs bis 1940 räumlich und inhaltlich zu einem vielfältigen Parkparadies mit mehr als 20.000 Pflanzen an. Schon 1938 vermachte der Gartenbesitzer sein junges grünes Reich dem italienischen Staat, mit der Auflage, dass ihm ein Nutzungsrecht auf Lebenszeit verbleibe. McEacharn wohnte bis zu seinem Tod 1964 in der Villa Taranto. Er erforschte und herbarisierte Pflanzen und genoss sein Lebenswerk, das seit 1952 auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

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Der schottische Erbauer des Gartens ist in einem Mausoleum (Hintergrund) auf dem Grundstück bestattet. Die Achse davor endet an einer Fontäne mit Sitzplatz und spendet angenehme Kühlung. Foto: Thomas Herrgen

Vor der Zerstörung

Bis August 2012 kamen jährlich mehr als 150.000 Besucher, die pro Kopf gerne einen stattlichen Eintritt zahlten, um auf dem schluchtartigen Gelände Waldaspekte, Bäume und Sträucher aus aller Welt, Rasenteppiche, Blumenbeete, Teiche mit Indischen Lotosblumen (Nelumbo nucifera), verschiedene Wasserbecken und ein Gewächshaus mit Riesenseerosen (Victoria amazonica) zu sehen. Die Pflanzensammlung umfasste bis zum Tornado etwa 8500 Arten und war für die Wissenschaft von hohem Wert. Im Frühling erblühen normalerweise mehr als 80.000 Geophyten, im Sommer dominieren bunte Wechselflorbeete, im Spätsommer die in 300 Sorten blühenden Dahlien bevor im Herbst noch die überreichen Farben und Formen des Laubs verzaubern. Ein geschickter Rundweg führt durch die Anlage, vorbei an allen Attraktionen zu denen auch das Grab von McEacharn gehört, ein Mausoleum mit Sichtachse und Wasserbecken davor. Topografischer und inhaltlicher Höhepunkt der Anlage ist der Terrassengarten mit zentraler Kaskade, die sich in ein geometrisches Wasserbecken ergießt. Der Stil der 1930er Jahre ist unverkennbar. Bronzeskulpturen säumen den Bereich und der Blick geht in die Ferne bis zum schneebedeckten Monte-Rosa-Massiv.

Der Verbania Tornado

Es geschah am 26. August 2012, ein Sonntag gegen Ende des Hochsommers. Nach wochenlanger Hitze und Trockenheit schob sich eine wolkenreiche Kaltluftzelle über Norditalien. Die heiße Luft am Boden stieg blitzartig in die Höhe, wobei sie sich verwirbeln kann. So entstand im Gebiet von Verbania eine signifikante "Windhose", ein Luftwirbel, der den Druckunterschied zwischen der kalten Luft oben und der warmen Luft unten ausgleicht.

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Typische Windhose: Ein Tornado in den USA. Quelle: Wikipedia [gemeinfrei], Ursprung: NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration; Washington DC)

Dabei kam es zu Windgeschwindigkeiten zwischen 150 und 180 Kilometer pro Stunde, sodass der Tornado alles, worauf er traf, zerstörte. Bei größeren Tornados, etwa in den USA können am Rand des Luftwirbels bis zu 500 Kilometer pro Stunde erreicht werden. Gleichzeitig fielen in wenigen Minuten 77 Millimeter Niederschlag, der den Boden aufweichte und zu Überflutungen führte. Binnen kürzester Zeit standen 20 Zentimeter Wasser in den Straßen von Verbania.

Ursachen

Die am meisten vertretene Hypothese ist, dass das durch Konvektion ausgelöste Phänomen einer "Superzelle" für die Entstehung des Tornados verantwortlich war. Bei Superzellen handelt es sich um eine Einzelzelle, ein Zell-Cluster oder eine Einbettung in eine Böenlinie. Hauptmerkmal ist die Rotation des Aufwindbereiches, die Mesozyklone, die durch eine vertikale Windscherung, das heißt eine Änderung der Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe, entsteht. Das Phänomen ist durch die CNR (Consiglio Nationale delle Ricerche - Istituto italiano di Idrobiologia) von Pallanza hinsichtlich seiner Intensität in die Stufe F1 bis F2 auf der internationalen Fujita-Skala eingestuft worden. Das sind die höchsten Werte, die jemals für ein Wetterereignis dieser Art in dieser Region festgestellt wurden.

Auswirkungen

Starker Regen mit aufweichendem Boden, dann der enorme Wind mit dem auf nur wenigen 100 Metern Breite wütenden Tornado hinterließen eine Schneise der Verwüstung: entwurzelte, teilweise 100-jährige Bäume, zerstörte Pergolen, Pavillons und Mauern, abgerissene große Äste, zerfetzte Baumkronen, aufgeplatzte Wegebeläge, leergefegte Staudenflächen und vieles mehr.

Das lokale Ereignis hatte eine extrem hohe Intensität. Der Tornado, der die Stadt Verbania und in begrenztem Umfang auch einige andere Küstenstädte am Lago Maggiore traf, dauerte nur einige Minuten; dann war McEachearns Gartenkunstwerk ruiniert.

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Tornado Villa Taranto 2012, Bild vorher: Pergola-Gang intakt. Foto: Thomas Herrgen
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Tornado Villa Taranto 2012, Bild nachher: Pergola-Gang zerstört. Foto: Villa Taranto

Der Park wurde sofort für den Rest des Jahres geschlossen und nach den Aufräumungsarbeiten am 16. März 2013 wieder eröffnet. Die Restaurierung, Neubepflanzung und der Wiederaufbau wurden laut Roberto Ferrari, dem Gartendirektor der Villa Taranto jedoch mit mindestens vier Jahren veranschlagt. Auf der Internetseite der Villa Taranto gab es einen Spendenaufruf. Gegenüber der Nachrichtenagentur ANSA äußerte sich Gartendirektor Ferrari schockiert, gleichzeitig aber entschlossen, den Garten wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.

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Tornado Villa Taranto 2012, Bild vorher: Gewächshaus mit Wasserbecken. Foto: Thomas Herrgen
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Tornado Villa Taranto 2012, Bild nachher: Gewächshaus mit Wasserbecken. Foto: Villa Taranto
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Tornado Villa Taranto 2012, Bild vorher: Parkausschnitt Foto: Thomas Herrgen
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Tornado Villa Taranto 2012, Bild nachher: Weg und entwurzelte Parrotie. Foto: Villa Taranto

Tornados und Klimawandel

Wie bei anderen Extremwetter-Ereignissen lässt sich von einem einzelnen Tornado noch kein Rückschluss auf Klimaveränderungen ziehen. Zudem werden Tornados erst seit den 1950er Jahren systematisch beobachtet und ihre Messdaten ausgewertet. Verglichen mit anderen Ereignissen und Parametern ist dies in Bezug auf das Klima ein kurzer Erhebungszeitraum. Dennoch ist festzustellen, dass die Anzahl der Tornados weltweit zugenommen hat, wobei die Zahl "schwerer" Tornados abnahm. Dies lag jedoch vor allem an der neuen Stufenskala, die Tornados nach einem anderen Schweregrad einordnet. In Italien sind in der Regel kleinere Tornados - genau wie in Deutschland - zwar auch bekannt, ihre Zahl und Intensität hat in den letzten Jahren jedoch zugenommen. Grund sind die höheren und über längere Zeiträume auftretenden Sommertemperaturen mit stärkerer Verdunstung aus dem Mittelmeer und den großen Seen. Die erhöhte Wolkenbildung hat häufigere Gewitter zur Folge. Schwere Gewitter sind Voraussetzung für "Superzellen" und diese wiederum für Tornados.

Im Klimawandel werden die Sommer in Mitteleuropa zwar allgemein trockener, wärmer und sonnenreicher, allerdings nimmt die Zahl darin eingebetteter Extremereignisse wie Starkregen, Gewitter, Stürme, Hagelschlag und auch Tornados potenziell zu. Ein Tornado ist dabei ein sehr kleinräumiges Phänomen mit kurzer Lebensdauer, aber schweren Folgen.

Laut Climate Service Center (CSC) in Hamburg gibt es Ansätze, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Häufigkeit und Stärke von Tornados zu berechnen. Dafür werden meteorologische Parameter untersucht, die für die Entstehung von Tornados wichtig sind. Dies sind vor allem vertikale Windscherung und Labilität der Atmosphäre, die mit der "zur Konvektion verfügbaren potenziellen Energie" (CAPE) ausgedrückt wird. Nach aktuellen Untersuchungen und Datenauswertungen der letzten Jahre nimmt CAPE in einigen Teilen der Erde zu. Simulationen mit Klimamodellen würden außerdem zeigen, dass in den USA die Tage mit Unwettern und damit auch Tage mit Tornados zunehmen werden. "Grundlage für die Rechnungen war ein Anstieg der Treibhausgase nach dem A1B Szenario des IPCC's." Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen, oft auch als Weltklimarat bezeichnet. In seinen Sachstandsberichten wird das Szenario der Gruppe A1B als "balanced" bezeichnet, das heißt Bedingungen bei "ausgewogener" Nutzung fossiler und nichtfossiler Energiequellen. Bei gleichzeitig hohem Wirtschaftswachstum wird in diesem Szenario ein Temperaturanstieg von 2,4 bis 6,4 Grad Celsius und eine Meeresspiegelerhöhung von 18 bis 59 Zentimeter bis zum Ende des 21. Jahrhunderts prognostiziert.

Unter diesen Bedingungen werden sich Ereignisse wie die am Lago Maggiore künftig häufen. Wann und wo das sein wird, lässt sich nach heutigem Stand der Wissenschaft aber nicht prognostizieren. Tornado-Vorhersagen und -Warnungen gibt es bisher nur unmittelbar vor Eintreten des Ereignisses. Für Garten- und Parkanlagen kann das nur bedeuten, dass ausreichend viele Fluchtwege vorhanden und gekennzeichnet sein müssen, gemäß der Empfehlung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bei Tornados: "Rette sich wer kann!". Und das Sichern von Bäumen, oberirdischen Bauwerken und weiteren Gartenelementen gegen die Kraft von Tornados ist schlicht unmöglich.



Quellen

www.villataranto.it

www.climate-service-center.de

wiki.bildungsserver.de/klimawandel

www.dwd.de (Presse/Broschüren/Tornado_PDF.pdf)

Videos (kurz nach der Zerstörung, Ende August 2012):

www.ansa.it/web/notizie/videogallery/italia/2012/0...

www.dailymotion.com/video/xt34mr_maltempo-tornado-...

www.youtube.com/watch?v=D9vnIau4BJs

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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