Naturnahe Grünanlagen im 26-jährigen Langzeittest

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Grünflächen
1990: allmähliches Aufwachsen der Gehölze in den ersten Jahren. Foto: Holger Brux

In den 1980er-Jahren war das Konzept der "Naturnahen Grünanlage" Gegenstand von zahlreichen Forschungsvorhaben, Publikationen und Planungen. Neben dem Ziel einer naturnäheren Entwicklung aus stadtökologischen Gründen hoffte man, dass sich dadurch auch der Pflegeaufwand deutlich reduzieren würde. In dieser Zeit wurden durch das damalige Gartenbauamt Bremen drei neue Grünanlagen konzipiert und hergestellt, wobei genau diese Fragen eine große Rolle gespielt haben. Unter wissenschaftlicher Begleitung wurde ein Pflegekonzept entworfen, welches eine naturnahe Entwicklung und eine gleichzeitige Freizeitnutzung der Grünanlage ermöglichen sollte. Der erwartete Erfolg sollte durch eine wissenschaftliche Begleituntersuchung dokumentiert werden.1+2

Zuletzt 2011 - und damit 26 Jahre nach der ersten Untersuchung - wurden in der Grünanlage "Krimpelsee" erneut die Vegetation und ausgewählte Tiergruppen sowie ergänzend das Nutzerverhalten erfasst.3 Nachfolgend werden die wesentlichen Ergebnisse vorgestellt und der langfristige Erfolg des Konzeptes bewertet.

1983 bis 1986 - Beginn

Die Grünanlage wurde ausgehend von den vorhandenen Wasserflächen als naturnah zu entwickelnde Grünanlage geplant und hergestellt. Dabei sollte sie erstmals neben den Naherholungsbedürfnissen der Anwohner auch ökologischen Ansprüchen gerecht werden. Dazu wurden die Ufer naturnah angelegt, mit heimischen Gehölzen bepflanzt und ein artenreicher Röhrichtsaum initiiert. In Senken wurden kleine Tümpel angelegt und die Wiesenflächen mit artenreichem Saatgut eingesät.

1986 bis 1990 - Versuchsphase

Für die Grünanlage wurde ein dreistufiges Pflegekonzept erarbeitet, bei dem man einzelne Zonen unterschied:

  • Erholungs- und Freizeitzone
  • Übergangszone
  • Naturnah zu entwickelnde Zone

Für jede Zone wurden detaillierte Pflegemaßnahmen vorgeschlagen. Zudem wurden auf einzelnen Versuchsflächen verschiedene Mahdkonzepte erprobt. Das Ganze wurde in jährlichen Untersuchungen von 1986 bis 1990 wissenschaftlich begleitet.

1995 - Konsolidierung

Etwa zehn Jahre nach der Herstellung der Grünanlage überprüfte man erneut die Entwicklung der Flora und Fauna. Dabei wurde festgestellt, dass sich in einigen Bereichen Neophyten, Brennnesseln und Disteln ausgebreitet hatten. Zudem hatten Wildkaninchen erhebliche Schäden verursacht. Auch durch die Nutzung des Menschen sind im Park Schäden zu verzeichnen. So wurden Bänke und Papierkörbe durch Vandalismus beschädigt und durch Angler Lücken in der Ufervegetation verursacht.

2011 - Langzeitkontrolle

Bei der Untersuchung nach 26 Jahren fiel zunächst auf, dass die Gehölze das Landschaftsbild dominierten. Bot die Grünanlage zu Beginn noch Raum für Pionierarten und Bewohner offener Landschaften, so haben sich mittlerweile Arten reiferer Biotope angesiedelt. Nach wie vor war jedoch eine vielfältige Flora und Fauna zu finden.

Auch die Rahmenbedingungen haben sich erheblich verändert. Auf den ehemaligen Freiflächen um die Grünanlage herum ist ein dichtes Gewerbegebiet entstanden.

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Erfolgskontrolle 1: Biodiversität in der Stadt: Wert für wildlebende Flora und Fauna

Vor allem die Röhrichte und Gehölze, die weitgehend ohne Pflege belassen wurden, haben sich zu naturschutzfachlich wertvollen Biotopen entwickelt. Aber auch die Wiesenflächen, Ruderalfluren und Tümpel bereichern die Vielfalt, benötigen jedoch eine regelmäßige und vor allem qualifizierte Pflege. Von den untersuchten Tiergruppen zeigten vor allem die Vögel einen positiven Bestandstrend, wobei von der fortschreitenden Sukzession der Gehölze besonders Vogelarten der Wälder profitierten. Für die Libellen und Amphibien erwiesen sich zwei kleine Tümpel als wichtige Habitate. Diese sind jedoch in den letzten Jahren immer mehr verlandet und zugewachsen, weshalb sich die Lebensbedingungen für diese Tiergruppen verschlechtert haben. Vergleicht man die Ergebnisse mit den Angaben für die in Bremen heimischen Pflanzen- und Tierarten, wird deutlich, dass in dem mit gut 23 Hektar relativ kleinen Gebiet erhebliche Anteile der regionaltypischen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum gefunden haben. Das unterstreicht den naturschutzfachlichen Wert auch kleinerer Rückzugsräume für die Natur.

Erfolgskontrolle 2: Freizeitnutzung/Soziale Funktionen

Die Grünanlage wird von unterschiedlichen Nutzergruppen zur Naherholung und Freizeitgestaltung genutzt. An der Spitze steht (Spazieren-)Gehen als Erholungsfunktion, gefolgt von Fahrradfahren als Verkehrsfunktion. Die anderen Freizeitnutzungen wurden bei den Stichproben in deutlich geringerem Maß beobachtet. Um diese Nutzungsmöglichkeiten, die positive Effekte für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung sowie für die Qualität und den Wert eines Stadtteils haben, zu fördern und gleichzeitig eine naturnahe Entwicklung zu ermöglichen, ist eine darauf abgestimmte Pflege erforderlich. Schon zu Beginn der Untersuchung zeigte sich, dass die erhoffte Kostenreduzierung durch extensive Pflege mit einer Reduzierung der Pflegeintensität und -häufigkeit nicht automatisch eintritt. Eine effektive naturnahe Pflege unter Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche erfordert qualifiziertes Personal sowie differenzierte und häufig etwas aufwendigere Pflegemaßnahmen. Diese müssen jedoch so geplant werden, dass sie auch langfristig wirtschaftlich tragbar sind.

Erfolgskontrolle 3: Pflege

Bei der Grünanlage Krimpelsee hat sich herausgestellt, dass die Mulchmahd eine Vereinfachung darstellt. Die meisten Grünflächen werden daher einmal im Jahr im September mit dem Schlegelmäher gemäht, wobei das Mähgut zerkleinert wird und auf den Flächen verbleibt. Die mit Büschen und Bäumen bestandenen Randbereiche und ein etwa 3 Meter breiter Uferrandstreifen werden gar nicht gemäht. Entlang der Wege wird ein rund 2 bis 2,5 Meter breiter Streifen regelmäßig (10 bis 14 Mal pro Jahr) kurz gemäht. Der Gehölzschnitt in den Wintermonaten zur Auslichtung der Gehölze erfolgt in einem 15-Jahre-Rhythmus immer nur für Teilbereiche der Anlage).4 Die Hauptfleete werden einmal im Jahr in den Wintermonaten abgebaggert und die Ufervegetation wird kurz geschnitten, um einer Verschlammung entgegen zu wirken).5

Grünflächen
2011: 26 Jahre nach Fertigstellung ist der Tümpel im Sommer trockengefallen, die dichten Gehölze versperren die Sicht auf den See. Foto: Inka Müller
Grünflächen
Tabellen: Holger Brux, Inka Müller

Was hat nicht funktioniert?

Die zunächst geplante kleinräumig differenzierte Pflege der Wiesen konnte aus Kostengründen nur über wenige Jahre hinweg durchgeführt werden. Entscheidend war dabei auch, dass diese Pflege nur durch entsprechend hoch qualifiziertes Personal durchgeführt werden kann, da vor Ort fachlich fundierte Entscheidungen erforderlich sind.

Mehrere Versuche zur Entwicklung artenreicher Blumenwiesen durch Ansaat erwiesen sich als erfolglos. Auffällig waren die vielen durch Wildkaninchen verursachten Baumschäden. Durch Vandalismus wurden zahlreiche Sitzbänke beschädigt. Sie werden nicht mehr ersetzt.

In einigen, teils durch die Aufbringung von Mulch oder Kompost eutrophierten Bereichen haben sich dichte und hohe Distelbestände entwickelt. Diese erfüllen beispielsweise als Nahrungsquelle für viele Schmetterlingsarten eine wichtige ökologische Funktion für die Fauna, schränken jedoch die Erholungsnutzung und auch die biologische Diversität ein.

Mit der Zeit haben sich auch am Krimpelsee einige Neophyten ausgebreitet, die die heimische Flora in Teilbereichen verdrängen. Der giftige Riesen-Bärenklau und der vor allem entlang von Gewässern verbreitete Japanische Staudenknöterich wurden daher durch entsprechende zusätzliche Pflegemaßnahmen zum Teil erfolgreich bekämpft.

Für die Tümpel ist keine regelmäßige Pflege vorgesehen. Sie bieten Lebensraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten und gehören zu den naturschutzfachlich wertvollsten Bereichen der Grünanlage. Die natürlichen Verlandungsprozesse erhöhen die Gefahr der Austrocknung im Sommer. Hier ist zu entscheiden, ob die unregelmäßige Pflege bedarfsweise intensiviert oder das Verlanden in Kauf genommen wird.

Fazit

Zum Naturschutz gehört auch die Möglichkeit zum Naturerleben. Grünanlagen machen die Natur begehbar und sind in zunehmend verdichteten Siedlungsbereichen für die Lebensqualität wichtiger denn je - das gilt auch für wildlebende Tiere und Pflanzen. Das Beispiel der Grünanlage Krimpelsee in Bremen zeigt, dass die Kombination der Funktionen Regenwasserrückhaltung, Verkehrsweg für Fußgänger und Radfahrer, Grünanlage, Angelmöglichkeit und Sport effektiven Naturschutz nicht ausschließt. Die Verknüpfung von lenkendem Wegenetz, durch Wasserflächen unzugänglichen Bereichen ("Wildnisinsel") und betretbaren Grünflächen sowie einer extensiven Pflege funktioniert auch 26 Jahre nach Fertigstellung und lässt wildlebenden Pflanzen und Tieren ausreichend Lebensraum.

Durch die Umsetzung dieser Pflegemaßnahmen und die Schaffung ungestörter Rückzugsbereiche konnte sich trotz einer Zunahme der Nutzungsintensität vor allem durch Radfahrer in den letzten Jahren eine vielfältige Flora und Fauna entwickeln. Das Nebeneinander von Natur und Erholung hat zwar Nachteile wie Störungen und Individuenverluste, aber auch positive Effekte wie die Erhöhung und den Erhalt der Strukturvielfalt, die durch die regelmäßige Pflege gesichert werden.

Zu berücksichtigen ist der grundlegende Wandel der Umgebung durch die Entwicklung eines Gewerbegebietes. Zusammen mit einer benachbarten Kleingartenanlage stellt die Grünanlage Krimpelsee unterdessen eine grüne Insel im Bremer Stadtteil Obervieland dar. Dieses erfolgreiche Beispiel zeigt, wie mit vertretbarem Aufwand in einer Großstadt ein wichtiger Beitrag zur Biodiversität geleistet werden kann.

Quellen

1 Brux, H. 1989. Zur Notwendigkeit von Naturschutz in Grünanlagen. Landschaft + Stadt 21(4): 144-147.

2 Brux, H. 1991. Naturnahe Grünanlagen in der Praxis: Die Entwicklung von Parkwiesenansaaten in Bremen über einen Zeitraum von sechs Jahren bei unterschiedlicher Pflege. Das Gartenamt 40(9): 588-596.

3 Müller, I. 2012. Naturnähe und Naherholung in städtischen Grünanlagen - Erfolgskontrolle am Beispiel des Krimpelsees in Bremen. Masterarbeit C.-v.-O.-Universität Oldenburg.

4 Umweltbetrieb Bremen 2011 mdl.

5 Bremischer Deichverband am linken Weserufer 2011 mdl.

 Holger Brux
Autor

Geschäftsführer IBL Umweltplanung GmbH

 Inka Müller
Autorin

M.Sc. Landschaftsökologin

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