Der Zentralfriedhof Wien – eine lebendige Totenstadt

Nekropole mit Glanz

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Abb. 1: Der Zentralfriedhof Wien mit einer annähernd pentagonalen Form umschließt heute eine Fläche von etwa 2,5 Quadratkilometern. Neben Grab-Abteilungen für viele Religionen gibt es auch freie Grünflächen zur Erholung und naturbelassene Bereiche. Foto: Wikimedia, Peter Gugerell
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Abb. 2: Die als Allee gestaltete Zentralachse führt vom Haupteingang an der Simmeringer Hauptstraße über die Alten Arkaden zur pompösen, dem Heiligen Borromäus gewidmeten Friedhofskirche im Jugendstil. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 3: Inzwischen unterhält der Zentralfriedhof neben den christlichen, jüdischen und orthodoxen Abteilungen auch einen islamischen Friedhofsteil und Bereiche fürAngehörige von Splitterreligionen, wie etwa die Bahai. Foto: Thomas Herrgen

Die heutige Republik Österreich, insbesondere Wien verströmt noch immer die Atmosphäre des früheren Kaiserreichs. Die 1918 nach dem Ersten Weltkrieg untergegangene Donaumonarchie vermochte es, Prunk, Glanz und Gloria zu inszenieren, sogar weit über das Leben hinaus. Auch Tod und Bestattung wurden und werden noch heute prächtig begangen, vor allem auf dem Wiener Zentralfriedhof, der mit seinen Architekturen, axialen Wegesystemen und der schier unüberschaubaren Zahl von Grabstätten und Ehrengräbern für Musiker, Schriftsteller, Maler, Schauspieler und Politiker die vielleicht größte Ansammlung verstorbener Prominenter darstellt. Diese sind in der Regel auch, zusammengefasst nach Berufsgruppen, bestattet. Weitere Abteilungen gibt es für alle Religionen, für die Toten von Kriegen, Aufständen oder Katastrophen und seit jüngerer Zeit auch für Haustiere. All das braucht sehr viel Platz und Organisation und so ist der Zentralfriedhof Wien mit etwa 2,5 Quadratkilometern Fläche der zweitgrößte Friedhof Europas und gehört zu den zehn größten der Welt. Mit seinen vielen Alleen, Plätzen, naturbelassenen Wiesen und Freiflächen in den großzügigen Zwischenräumen ist er zudem auch einer der grünsten.

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Abb. 4: 2020 wird Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag begangen. Er starb bereits 57-jährig 1827 und wurde 1888 vom Währinger Ortsfriedhof am Rande Wiens auf den Zentralfriedhof in den Ehrenhain der Musiker umgebettet. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 5: Auch Franz Schubert (1797–1828) wurde 1888 in den Musiker-Ehrenhain, umgebettet. Er erhielt ein zeitgemäßes Grabzeichen aus Marmor, mit verehrenden und seine Musik würdigenden Allegorien. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 6: Mozart starb bereits 1791 und sollte nach der Eröffnung des neuen Friedhofs umgebettet werden. Seine exakte Grablege auf dem Sankt Marxer Friedhof war aber nicht mehr bekannt. Die Stadt Wien errichtete deshalb ein Denkmal innerhalb der Musikerabteilung auf dem neuen Zentralfriedhof. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 7: Der bedeutende, 1833 in Hamburg geborene Komponist Johannes Brahms lebte 25 Jahre lang in Wien, wo er 1897 auch verstarb. Er ist ebenfalls auf dem Ehrenhain der Musiker beigesetzt. Foto: Thomas Herrgen

Entstehungsgeschichte

Vom Namen her könnte man vermuten, dass der Wiener "Zentral"friedhof inmitten der Stadt läge. Doch zentral bedeutete hier, ein einziger neuer Begräbnisplatz, quasi eine Art "Mega-Nekropole" als Ersatz für alle innerstädtischen und bereits ausgelasteten Friedhöfe, zusammenfassend für die gesamte Stadt als Ort der Totenruhe. Denn tatsächlich befindet er sich fast außerhalb, ganz am südöstlichen Stadtrand. Er entstand ab 1870 nach einem Wettbewerb, den die Frankfurter Architekten Carl Jonas Mylius und Alfred Friedrich Bluntschli gewannen. Nach nur drei Jahren Bauzeit von 1871 bis 1874 war die neue Anlage realisiert. Sie sollte nach und nach alle kommunalen Friedhöfe in der Wiener Innenstadt ersetzen.

Bei der Standortwahl und Größenbemessung wurde angesichts des starken Bevölkerungswachstums und der damaligen Ausdehnung des Kaiserreichs angenommen, dass Wien bis Ende des 20. Jahrhunderts von ca. 1,1 Millionen Einwohnern (1871) auf rund 4 Millionen anwachsen würde. Tatsächlich hat Wien heute ca. 1,9 Millionen Einwohner (Stand 2019).

Des Weiteren sollte das Gelände eben sein mit guter Bodenbeschaffenheit. Das gefundene Areal bei Simmering mit weichem und fruchtbarem Lössboden erfüllte alle Bedingungen, so auch für Bäume, Sträucher und alle weitere Vegetation, die dort künftig einmal gedeihen sollte. Das freie Gelände sorgte dafür, dass die Architekten großen Gestaltungsspielraum hatten. Schon im Grundriss sind sehr klare Strukturen, die Positionierung der Gebäude, Alleen, Wege und Freiräume zwischen den Grabstellen zu erkennen. Die funktional im Raster angelegten Wege werden von zwei Zentralwegen im 45 Grad Winkel ab Haupttor diagonal durchschnitten. Sie führen tief in das Friedhofsgelände hinein und haben weitere Parallelen.

Der Zentralfriedhof wurde bis 1921 insgesamt sieben Mal erweitert, auch für andere Religionsgruppen (neben den mehrheitlichen Katholiken), Konfessionen und Bestattungsformen, wie etwa eine evangelische und eine neue jüdische Abteilung, außerdem zwei Waldfriedhofsabteilungen und Urnengräber oder Kolumbarien, die resultierend aus der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugelassenen Feuerbestattung entstanden.

Darüber hinaus wurde von 1907 bis 1910 die zentrale Borromäuskirche nach Plänen des Architekten Max Hegele errichtet. Sie ist bis heute das bedeutendste Jugendstilbauwerk Wiens. Mit seiner gegenwärtigen Größe von 2,5 Quadratkilometern nimmt der Zentralfriedhof etwa 0,6 Prozent der gesamten Stadtfläche Wiens (415 km²) ein und mit etwa 330.000 Grabstellen und rund 3 Millionen Bestatteten inklusive den Urnengräbern ist er nach Hamburg-Ohlsdorf der zweitgrößte Friedhof Europas.

Boulevard der Prominenten

In seiner Kernfunktion als Ort der ewigen Ruhe für Menschen aus allen sozialen Schichten, Wohnvierteln und Berufen dient der Zentralfriedhof seit jeher auch als Ruhestätte für Prominente etwa aus den Bereichen Musik, Literatur, Schauspiel, Oper, Architektur oder Politik. Für die einzelnen Berufsgruppen wurden jeweils eigene Quartiere, bei Prominenten als Ehrenhaine gestaltete Bereiche vorgesehen. Die historischen Grabstätten mit bildhauerischen Grabzeichen sind im Stil der jeweiligen Zeit oft opulent und überbordend ausgeschmückt. Bestattungen auf dem Gelände des künftigen Zentralfriedhofs gab es bereits vor der eigentlichen baulichen Gestaltung, worauf die Jahreszahlen mancher Grabsteine verweisen. Teilweise fanden nach Inbetriebnahme des neuen Friedhofs auch Umbettungen von den Innenstadtfriedhöfen zum Zentralfriedhof statt.

Die für Wien bekannteste Gruppe sind die Musiker, Komponisten und Hofkapellmeister des 19. Jahrhunderts, so die Strauss-Dynastie mit Johann Strauss I. (Vater, 1804-1849) und Johann Strauss II. (Sohn, 1825-1899) sowie den Angehörigen. Johann Strauss III. (Enkel, 1866-1939) liegt hingegen auf dem Grinzinger Friedhof in Wien begraben.

Auch Ludwig van Beethoven (1770-1827), an dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr erinnert wird, ist auf dem Zentralfriedhof bestattet. Seine erste Ruhe fand er zunächst auf dem Währinger Ortsfriedhof (damals Vorort, heute 18. Wiener Gemeindebezirk), wo er bereits ein erstes Mal für Untersuchungen exhumiert worden war. Dieser folgte eine zweite für Vermessungen des Skeletts und dann 1888 das endgültige Begräbnis auf dem Ehrenhain der Musiker des inzwischen fertig gestellten Zentralfriedhofs. Dort ruhen unter anderem auch der in Hamburg geborene Komponist Johannes Brahms (1833-1897), Franz Schubert (1797-1828, umgebettet 1888) oder der Komponist und Musikkritiker Hugo Wolf (1860-1903). Der in Salzburg geborene Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) starb zwar auch in Wien, wurde jedoch auf dem Sankt Marxer Friedhof (3. Bezirk, Wiener Innenstadt) in einem einfachen Grab beerdigt. Als man ihn umbetten wollte, war die genaue Grablege jedoch nicht mehr bekannt. Deshalb errichtete die Stadt Wien, in Erinnerung an seinen 100. Geburtstag 1856, nachträglich ein Denkmal für Mozart auf dem Musiker-Ehrenhain des Zentralfriedhofs, das die Anmutung eines Grabes hat. Die Opulenz seiner Ausstattung und des Grabzeichens entsprechen dem Zeitgeschmack.

Einzug der Moderne

Im 20. Jahrhundert änderte sich der Stil der Grabstätten dramatisch, er wurde sachlicher, puristischer und zurückhaltender - mit Ausnahmen. Die Architektin und Widerstandskämpferin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000), unter anderem Erfinderin der "Frankfurter Küche", liegt in einem einfachen Rasengrab bestattet, das ein schlichtes kubistisches Grabzeichen aus hellem Naturstein mit Inschrift aufweist.

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Abb. 8: Die in Wien geborene und gestorbene Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) war eine der ersten österreichischen Architektinnen. Sie entwarf unter anderem Häuser für den Wiener Werkbund und die berühmte "Frankfurter Küche" für die May-Siedlungen der späten 1920er-Jahre. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 12: Der österreichische Bauingenieur Alois Negrelli (1799–1858) schuf viele Brücken, Straßen oder Eisenbahnstrecken und wirkte wesentlich bei Planung und Bau des Suez-Kanals mit. 1929, als späte Ehrung, erhielt er dieses Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 9: In der Zentralachse vor der Friedhofskirche liegt die Präsidentengruft. Alle österreichischen Bundespräsidenten und ihre Ehepartner*innen haben ein Anrecht auf einen Platz. Es gibt keine Bestattungspflicht, aber die meisten lassen sich hier beerdigen, so auch zuletzt Kurt Waldheim und Thomas Klestil. Foto: Thomas Herrgen
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Abb 10: Das Ehrengrab des von 1970–1983 amtierenden österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky (1911–1990) wird von einer Sonnenscheibe und einer Trauerbuche geziert, ein Entwurf des Bildhauers Karl Prantl. Die Grabrede für Kreisky am 7. August 1990 hielt sein langjähriger politischer Freund Willy Brandt. Foto: Thomas Herrgen
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Aus der deutsch-österreichischen, ursprünglich jüdischen Familie Wittgenstein mit Wurzeln im Wittgensteiner Land gingen namhafte Unternehmer wie Karl Otto Clemens (1847–1913), sein Sohn und Pianist Paul und der Philosoph Ludwig Wittgenstein hervor. Die Familie war nach Wien übersiedelt und hat dort auch ihr bedeutungsschweres Familiengrab errichten lassen. Foto: Thomas Herrgen

Auch für Arnold Schoenberg (1874-1951), dem Komponisten und Erfinder der 12-Ton-Musik, wurde ein heller Naturstein gewählt. Der von dem österreichischen Bildhauer Fritz Wotruba gestaltete Würfel steht mit einer Spitze auf dem Sockel. Für den Bühnen- und Filmschauspieler Curd Jürgens (1915-1982) entstand ein polierter Grabstein mit zwei Masken. Das mit einer Platte belegte Grab trägt eine bepflanzte Schale. Sein Berufskollege Hans Moser (1880-1964) liegt in einem sehr einfachen Grab mit schwarzem Stein und goldener Schrift.

Für den österreichischen Popmusiker und Rapper Falco, eigentlich Johann "Hans" Hölzel (1957-1998, Autounfall in der Dominikanischen Republik) entstand auf dem Wiener Zentralfriedhof ein beeindruckendes Grab. Vor einem polierten, roten Natursteinobelisken schlägt eine Glasplatte mit nahezu lebensgroßer schwarz-weiß Silhouette des Sängers einen Viertelkreis zum Fußende. Die Figur im Fledermauskostüm erscheint so, als würde der Verstorbene gerade aus dem Grab aufsteigen.

Prominente der Gegenwart

Im 21. Jahrhundert wurden die Grabstätten noch individueller, teilweise moderner. Für die Kammerschauspielerin Inge Konradi (1924-2002) entstand ein Harlekin aus Bronze mit Schirm auf einem Sockel. Die kleine und schöne Skulptur wirkt sehr poetisch. Deutlich schlichter ist das Grabzeichen für den Komponisten Györgi Sàndor Ligeti (1923-2006). Sein Urnengrab ist mit einem querformatigen, dicken Glas-"Stein" auf einem Betonsockel gekennzeichnet, die Schrift im Innern des Glases eingekapselt.

Der Künstler Franz West (1947-2012) hat sein Grabzeichen noch zu Lebzeiten selbst angefertigt. Seine modernen Kunstobjekte nannte er "Neurosen", wurmartige Hohlkörper aus eingefärbtem Aluminium. Auf dem Zentralfriedhof ziert eine in sich gedrehte Schlange in Pink sein Grab nahe der Friedhofskirche.

Auch für Schlagersänger Udo Jürgens (1934-2014) entstand in Wien ein künstlerisch-aufwändiges Grabzeichen entworfen von seinem neun Jahre jüngerem Bruder, Maler und Fotografen Manfred Bockelmann. Es zeigt einen zugedeckten Flügel aus Marmor mit der Signatur des Sängers. Im Innern soll sich angeblich die Asche des Stars befinden. Ausgeführt hat das einzigartige Grabzeichen Hans Muhr, ein österreichischer Bildhauer und Künstler, der auch schon das Grab für den früheren Wiener Bürgermeister Dr. Helmut Zilk (gest. 2008) angefertigt hatte. Alle Ehrengräber sind entsprechend den Farben Wiens mit rot-weißen Blumen, etwa Eisbegonien geschmückt und diese werden meistens in Kreis- oder Ovalform vor das Grabzeichen gepflanzt.

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Der 1934 in Klagenfurt als Jürgen Udo Bockelmann geborene Schlagersänger Udo Jürgens machte Karriere in Deutschland, lebte und starb aber 2014 in der Schweiz. Seine Asche wurde seinem Wunsch entsprechend in Wien beigesetzt. Den Marmorflügel als Grabzeichen entwarf sein jüngerer Bruder Manfred. Foto: HeinzLW, Wikimedia

Die Stadt Wien hatte bereits 1905 einen Wald- und Wiesengürtel beschlossen, der bis heute entlang der äußeren Stadtränder zum vollständigen Schluss kam. Der Zentralfriedhof ist integraler Bestandteil dieses grünen Rings. Es war einer der ersten Grüngürtel weltweit, der auch durch Flächenankäufe der Stadt und rechtliche Schutzmaßnahmen abgesichert war. Der Wiener Grüngürtel hat eine Gesamtfläche von rund 21 500 Hektar. Etwa 12.000 davon sind durch die höchste Widmungskategorie "Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" abgesichert. Landwirtschaftliche Flächen, Parkanlagen und auch Friedhöfe ergänzen diese Kernbereiche in weiteren Kategorien.

Aufgrund seiner Größe und des Grünbestandes mit rund 17.000 Bäumen sowie Heckengesamtlängen von etwa 40 Kilometern beherbergt der Zentralfriedhof heute auch eine bunte Fauna. Häufig anzutreffen sind die vielen Eichhörnchen, die von Friedhofsbesuchern gern gefüttert werden. Größere Tiere sind Rehe, die hauptsächlich auf den alten jüdischen Friedhof kommen. Sie finden dort an alten Grabsteinen wachsende immergrüne Pflanzen, eine sichere Futterquelle im Winter. Auch Dachse, Feldhamster, Frösche, Marder, Turmfalken und weitere Kleintiere finden Lebensräume. In den 1980er-Jahren musste die Forstverwaltung sogar Jäger einsetzen, um den Wildbestand zu kontrollieren. Gegenwärtig versucht man, das ökologische Gleichgewicht ohne Bejagung zu erhalten. Die Umweltschutzabteilung der Stadt Wien sorgt mit ihrem Arten- und Lebensraumschutzprogramm "Netzwerk Natur" dafür, dass es neben den gepflegten Alleen und Gräberreihen auch viele verwilderte, naturnahe Bereiche gibt.

Raum für Biodiversität

Ein 2011 eröffneter "Naturgarten" mit rund 40.000 Quadratmetern Fläche befindet sich bei Tor 9. Durch seine Abgeschiedenheit ist er ein Paradies für Insekten, Amphibien, Schmetterlinge, Bienen, Enten, Rehe und weitere Tiere. Ein Feuchtbiotop mit Schilfgürtel, zwei große Schmetterlingswiesen, die im Sommer abwechselnd nicht gemäht werden, ein begrünter, felsiger Hügel sowie ausgewählte Bäume und Sträucher sorgen für Vielfalt. Schmale Pfade führen durch den Naturgarten, hin zu Sitzgelegenheiten aus Steinkreisen. Seit einigen Jahren wird auch die Imkerei betrieben, die inzwischen etwa 80 Kilogramm Honig pro Jahr produziert.

Eine der jüngsten Neuerungen auf den Zentralfriedhof ist der vom Architekten Christof Riccabona entworfene und von der Städtischen Steinmetz Werkstätte ausgeführte "Park der Ruhe und Kraft". Er wurde 1999 bei Tor 3 eröffnet. Dieser geomantische Landschaftspark mit fünf unterschiedlich gestalteten Bereichen lädt Besucher zur Entspannung und Besinnung ein. Er entstand auf Rest- und Überhangflächen mit altem Baumbestand und fügt sich nahtlos in das grüne Friedhofsgefüge ein.

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Abb. 14: Freiflächen, wie jene am westlichen Ende der Zentralachse, wurden als Naturgarten gestaltet, mit Sitzsteinen und extensiver Pflege. Auch Bienenstöcke und eine Imkerei sind etabliert. Foto: Friedhöfe Wien, Harald Lachner
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Abb. 15: Seit 2011 existiert gegenüber dem Zentralfriedhof auch ein Tierfriedhof. Die 3D-Animation aus der Planungsphase zeigt das kreisförmig aufgebaute Entwurfskonzept mit Funktionsgebäuden und Grabstellen. Grafik: Tierfriedhof Wien,Architekturbüro Gerda Eisler, Wien
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Abb. 16: Mit zahlreichen Gedenkstätten und Massengräbern wird auf dem Zentralfriedhof an geschichtliche Ereignisse gedacht. Erst seit jüngerer Zeit erinnert diese Stele an mehr als 1000 NS-Justizopfer, die zwischen 1938 und 1945 unschuldig zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Foto: Thomas Herrgen

Der Friedhof für Vierbeiner & Co.

Gegenüber des Haupteingangs zum Zentralfriedhof, jenseits der Simmeringer Hauptstraße, liegt der 2011 eröffnete Tierfriedhof Wien (tfw). Seit neun Jahren können hier nun auch verstorbene Haustiere bestattet werden. Viele Tierbesitzer mussten zuvor ihre Vierbeiner der Tierkörperbeseitigungsanstalt übergeben. Schon länger gab es jedoch die Möglichkeit zur Kremierung. Die Asche durfte ohne Bestattungszwang in einer Urne mit nach Hause genommen oder auf Privatgrund bestattet werden. Was aber fehlte war ein äußerer Rahmen, eine Abschiedszeremonie und ein richtiges Grab, das bei der Trauerarbeit hilft. Denn Haustiere bringen viel Freude und Antrieb in das Leben, vor allem älterer oder einsamer Menschen, die an ihren kleinen Lebewesen sehr hängen und bei ihren Besitzer*innen nach dem Tod eine Leere hinterlassen. Viele Kommunen betreiben inzwischen Tierfriedhöfe, wo diese Liebsten bestattet werden können, wie auch die Stadt Wien.

Ein runder Entwurf

Die Gestaltung des tfw basiert auf Plänen des Wiener Architekturbüros Gerda Eisler und ähnelt einem normalen Friedhof. Nur ist alles etwas kleiner, aber sämtliche Einrichtungen wie Büro- und Funktionsgebäude, Aufbahrungsraum, Urnenwand, Wasserzapfstellen gibt es auch und schließlich die eigentlichen Grabfelder in Form von Kreisen. Der Eingang und alle Gebäude mit Putz und Anstrich in Grau und Violett, sowie Mauern aus Sichtbeton bilden einen großen Kreis innerhalb eines Platzes. Die Grabstellen sind entsprechend der Bestattungsform als verschieden große, begehbare Kreise mit äußerem und innerem Kranz zweireihig angelegt, entweder für Urnenbestattung, oder Kleintiere und größere Tiere zur Erdbestattung. Alle Grabfeldkreise wurden mit Corten-Stahl Bandeisen markiert und eingefasst. Die mittleren und großen Kreise erhielten im Zentrum einen Laubbaum (z. B. Ahorn, Robinie oder Eberesche) und eine Rundbank mit Holzsitzauflage.

Grabgestaltung für "Kiki, Winni und Mogli"

Nach der Bestattung und Verfüllung eines Grabes werden die Tiergräber von der Friedhofsverwaltung zunächst mit einem Holzbrettchen und einer Namensplakette aus Metall gekennzeichnet, bis sich das Grab gesetzt hat. Später gestalten die Tierbesitzer die Gräber ganz individuell mit Blumen, Bodendeckern, Accessoires wie Figuren oder Windrädern, auch Solar LED-Leuchten, Rankbögen oder ganzen Pavillons über dem Grab. Dass dabei die eine oder andere Idee "kitschig" wirken, betrifft einen Tierfriedhof genauso, wie jeden anderen Friedhof. Auch Grabsteine dürfen errichtet werden, doch dafür gibt es, was Fundamente, Sockel- und Steinhöhen betrifft, genaue Vorschriften.

Die Tierfriedhofsverwaltung hilft bei der Grabgestaltung mit zahlreichen kostenpflichtigen Angeboten. Dazu gehören neben Grabsteinen selbst auch die Pflege und Dauergrabpflege. In Wien werden ganz überwiegend Hunde und Katzen bestattet. Erlaubt sind aber auch Kaninchen, Hamster, Vögel und andere Kleintiere. Die regulären Ruhezeiten hängen vom Gewicht des Tieres ab und betragen zwischen zwei und fünf Jahren. Je nach Grabgröße dürfen ein bis zwei Tiere bei Erdbestattung und zusätzlich zwei bis drei Urnen in einem einzigen Erdgrab bestattet werden. Im radial gebogenen Kolumbarium ist je Fach eine Urne erlaubt. Mittel- und langfristig, nach den ersten Erweiterungen, soll der Tierfriedhof Wien parkartig entwickelt werden, das heißt mit noch mehr Bäumen, Sträuchern, Rasen- und Wiesenbereichen sowie Bänken als Ort der Stille, für Ruhe und Erholung.

Belegung und Entwicklungspotenzial

Der Tierfriedhof ist der erste seiner Art in Wien. Neben der weiterhin kostenfreien Tierkörperbeseitigung und -kremierung kann die Stadt seit 2011 nun auch die Erd- und Urnenbestattung für Haustiere anbieten, ein Service, den es im übrigen Westeuropa etwa schon auf den alten Hundefriedhöfen in Großbritannien und anderen Tierfriedhöfen, zumeist in Großstädten schon länger gibt. Wien hat diese Bedarfslücke geschlossen und die große Nachfrage zeigte, dass damit einem Bedürfnis in der Bevölkerung Rechnung getragen wurde. Zwischenzeitlich wurde der Tierfriedhof bereits mehrmals erweitert, hat aber seine Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht.

Der Zentralfriedhof Wien insgesamt ist mit seinen Jugendstilbauten, historischen Grabstätten, den Ehrengräbern, Gedenkhainen, seiner vielfältigen Gestaltung und den reichlichen Grün- und Freiflächen dazwischen nicht nur eine kulturhistorische und touristische Attraktion, sondern auch ein wichtiges Naherholungsgebiet. Auf dem weitläufigen Areal findet sich immer ein einsames oder schattiges Plätzchen. Dies und viel mehr macht die Bedeutung von Friedhöfen für das Stadtgrün insgesamt aus.


Zentralfriedhof

  • Entstehung/Realisierung:
    1870-1874, Erweiterungen bis 1921
  • Entwurf:
    Carl Jonas Mylius und Alfred Friedrich Bluntschli, Frankfurt am Main
    nach einem Architektenwettbewerb (1. Preis)
  • Ausdehnung/Fläche:
    Ca. 250 ha (ca. 2,5 km²)
  • Betreiber:
    Friedhöfe Wien www.friedhoefewien.at (> Zentralfriedhof)
  • Adresse:
    Simmeringer Hauptstraße 339, A-1110 Wien
  • Links:
    www.friedhoefewien.atzentralfriedhof.atzentralfriedhof.at
  • Bauherr/Betreiber:
    Tierfriedhof Wien (tfw)Simmeringer Hauptstraße 339A, A-1110 Wien
    www.tfwien.at
  • Größe:
    Ca. 2500 m² (ca. 0,25 ha)
  • Planung:
    Architekturbüro Gerda Eisler (ehem. Smogawetz),
    www.arch.eisler.wien
  • Eröffnung:
    2011
  • Gesellschafter/Träger der Tierfriedhof Wien GmbH:
    -
    die B&F - Bestattung und Friedhöfe Wien GmbH (70 %)
    - die ebswien tierservice Ges.m.b.H Nfg KG (15 %)
    - die REIWAG Facility Services GmbH (15 %).
  • Partner:
    Stadt Wien, A-1082 Wien, www.wien.gv.atWiener
    Tierkrematorium GmbH (wtk), A-1110 Wien,www.wtk.at
  • Leistungen und Preisliste:
    www.tfwien.at/preise/
Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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