Aktionsbündnis zur Sicherung genetischer Ressourcen

Netzwerk Pflanzensammlungen

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Pflanzensammlungen Forschung und Bildung
Sortenretter bei der Arbeit. Foto: DGG 1822

Knapp sieben Jahre ist es her, dass die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. in Erfurt das Symposium "Pflanzensammlungen sichten, pflegen und bewahren" veranstaltete und damit den Grundstein für das 2011 gegründete und über das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung geförderte Netzwerk Pflanzensammlungen legte. Aus dem kleinen Pflänzlein hat sich mittlerweile eine große Pflanze mit kräftigen Wurzeln entwickelt, die sich immer weiter verzweigen.

Sinnbildlich lässt sich der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Netzwerkakteuren mit dem Austausch von Pflanzen über deren Wurzelwerke gleichsetzen. Sie holen über chemische Signale Hilfe, teilen Nährstoffe und tauschen sich übers Wetter und mögliche Gefahrenquellen aus.

Das deutschlandweit agierende Netzwerk hat mit der Einbindung vieler unterschiedlicher Interessengemeinschaften eine wohl einmalige Plattform geschaffen, die mit Hilfe ehrenamtlicher Akteure ein umfangreiches Wissen zu pflanzengenetischen Ressourcen vereint und sich für den Erhalt wertvoller Pflanzensammlungen in der Stadt und auf dem Land einsetzt. Gelungen ist hierbei die Integration von privaten Pflanzensammlern, im Dialog mit wissenschaftlichen Institutionen und im Einklang mit den Interessen der Deutschen Genbank Zierpflanzen. Mittlerweile befinden sich in der Pflanzendatenbank des Netzwerks Pflanzensammlungen an die 40.000 erfasste Akzessionen von Arten und Kultursorten aus unterschiedlichsten Zierpflanzensammlungen.

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Der Salbei-Experte Frank Fischer und Volker Köpcke bei der Verifizierung. Foto: DGG 1822
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Die Salbei-Sammlung von Jennifer Warschun. Foto: Jennifer Warschun

Dokumentiert werden Bäume, Sträucher, Stauden und ein- bis zweijährige Zwiebelpflanzen. Die zu den einzelnen Akzessionen verzeichneten detaillierten Beschreibungen dienen als Grundlage für die Züchtung, die Wissenschaft und die Forschung. Gesichert werden soll darüber hinaus die biologische Artenvielfalt und unser gartenkulturelles Züchtungserbe.

Meldungen mit der Bitte um Hilfestellung für die Erhaltung von oft sehr einzigartigen und in ihrem Bestand gefährdeten Pflanzensammlungen treffen immer häufiger in der Koordinierungsstelle des Netzwerkes Pflanzensammlungen ein und machen deutlich, wie wichtig die Vernetzung untereinander und ein gemeinsamer Austausch sind, um handlungsfähig zu bleiben. Schwere Krankheiten, ein Todesfall oder Auslauf des Mietvertrages für den Garten, es gibt viele Gründe, warum ganz plötzlich Pflanzenpaten gefunden werden müssen, um eine Sammlung an einen anderen Standort zu retten.

Am Beispiel eines plötzlich verstorbenen Sempervivum-Sammlers aus Mecklenburg Vorpommern lässt sich das Prinzip der Patenschaften gut erläutern. 4500 Hauswurz-Arten und -Sorten hatte Peter Dieckmann aus der Gesellschaft der Staudenfreunde über Jahrzehnte zusammengetragen Wäre da nicht das Netzwerk Pflanzensammlungen über Mitglieder der Gesellschaft informiert worden, die Pflanzen wären früher oder später verloren gegangen. Zunächst waren Gespräche mit dem Notar nötig, damit das Grundstück zur Besichtigung und Verifizierung des Pflanzenerbes freigegeben werden konnte. Nach einer sorgfältigen Dokumentation wurde die Sammlung in die Obhut von vier zuvor ausgesuchten Paten nach Gießen, Hamburg, Mestlin und an eine bereits bestehende Hauswurz-Sammlung in Travemünde übergeben.

Im Juni 2016 fand dort das "Gipfeltreffen" der Sempervivum-Sammler statt. Aus Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz kamen über 50 Spezialisten angereist zum Treffen der Fachgruppe "Sempervivum und Jovibarba" aus der Gesellschaft der Staudenfreunde. Norddeutschlands größte Hauswurz-Sammlung des Travemünders Peter Großmann wurde mit der Enthüllung der Schautafel des Netzwerks Pflanzensammlungen feierlich eröffnet. In der Sammlung von Großmann befinden sich aktuell 1420 Arten und Sorten, darunter auch 600 Akzessionen aus der aufgelösten Mecklenburger Sammlung. Weitere Sempervivum-Schaugärten aus dem Nachlass sind zuvor in der Baumschule Rinn in Gießen und ganz aktuell auf dem Forsthof Mestlin entstanden und öffentlich für Interessierte zugängig.

Für eine wertvolle Salbei-Sammlung der seit Jahresanfang geschlossenen Gärtnerei Warschun am Bodensee konnte ebenfalls eine gute Lösung gefunden werden. Über 100 Arten und Sorten, darunter Besonderheiten wie der Salvia sagittata (Pfeilblättriger Salbei), eine türkisblühende Salvia Hybride Camchaque, der goldblühende Salvia madrensis und der Salvia patens Guanajuato mit sehr großen Blüten im schönsten Blau waren von der Besitzerin Jennifer Warschun aus nahezu allen Gegenden der Welt zusammengetragen worden. Glücklicher Weise hat sich auf den Aufruf des Netzwerkes Pflanzensammlungen unmittelbar der Botanische Garten Hamburg gemeldet, mit dem Angebot, die gefährdete Salvia-Sammlung mit aufzunehmen. Der dortige technische Leiter, Volker Köpcke, hegt und pflegt zusammen mit seinen Mitarbeitern bereits eine 200 Akzessionen starke Salbeisammlung, die im Sommer in ihrer ganzen blühenden Vielfalt in einem Senkgarten des Botanischen Gartens steht und zum Beispiel Kinder dazu anregt, die Bestäubungsmechanismen von Hummeln und Bienen zu beobachten.

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Die Schautafel von Peter Großmann. Foto: DGG 1822
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Freiwillige Helfer im Landgarten Frank. Foto: Renate Zickenheimer

Der Botanische Garten Hamburg beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der Kultivierung von Salbei. Insgesamt gibt es um die 800 Arten dieses schönen Lippenblütlergewächses. Der Salbei ist nicht nur eine Zierde, dessen Blätter teilweise wohltuende ätherische Öle verströmen, sondern er kann auch eine besondere Wirkung als Teedroge und Heilpflanze haben. Forscher haben herausgefunden, dass der Rotwurzel-Salbei drei Inhaltsstoffe mit deutlicher Anti-Tumor-Wirkung enthält.

Für viel Spaß sorgte eine Pflegeaktion mit vielen ehrenamtlichen Helfern für den Landgarten Frank, die das Netzwerk Pflanzensammlungen zusammen mit der Gesellschaft der Staudenfreunde am 29.06. und 30.06. 2016 veranstaltete. Unter dem Motto "Gemeinsam gärtnern in Heppenheim" wurde der ehemals so gepflegte und nun stark verwilderte Landgarten Frank der 2010 verstorbenen Gartengestalterin Reinhilde Frank von Brombeeren und Brennnesseln befreit.

Reinhilde Frank hinterließ nach ihrem Tod eine umfangreiche Pfingstrosen-Sammlung mit 150 verschiedenen Sorten in mehreren Arten. Darunter auch eigene Züchtungen, wie ,Angelique', ,Belga Rosa', oder 'Marlene', um nur einige zu nennen. Diese Sammlung befindet sich in einem langgestreckten Garten, der in unterschiedliche Räume aufgeteilt ist. Darin befinden sich Standorte für verschiedene Lebensbereiche von Stauden. Den Kern bildet ein mit Buchs eingefasster Bauerngarten nach historischem Vorbild. Neben den Pannonien-Beeten sind auch ein Rosengärtchen, ein Schattenbereich, ein Obstgarten und zwei Teiche integriert und seltene historische Sorten freigelegt. Vor allem wachsen dort Staudenpflanzen, aber auch chinesische Strauchähnlichen und Pannonien Adelaide.

Um das Franksche Erbe im Sinne des National Trusts zu bewahren, möchte das Ehepaar Bahlo einen dauerhaften Helferkreis pflanzeninteressierter Menschen etablieren. Wie die bisherige Erfahrung zeigt, lässt sich ohne die Mitwirkung anderer dieser Kraftakt nicht bewältigen. Später soll der Landgarten zudem als Begegnungsstätte für garteninteressierte Menschen genutzt werden und für den Gartentourismus geöffnet werden.

Das Netzwerk "Natur" beispielsweise, gegründet vom Deutschen Franchise-Verband e. V. und Town & Country Haus pflanzt in den Städten und den Gemeinden Bäume und initiiert Umweltprojekte, die mit Hilfe von öffentlichen Institutionen und Verwaltungen oder mit Stiftungen und NGOs umgesetzt werden.

Ein anderes Projekt "NatureFund" mit Sitz in Wiesbaden versteht sich als gemeinnützige Naturschutzorganisation, die weltweit Land kauft, um Lebensräume für die Vielfalt und die Pflanzen zu bewahren. Mit einer SMS kann man fünf Euro spenden und mit einem Mausklick im Zuge von Aufforstungsprojekten auf der ganzen Welt Bäume kaufen und spenden.

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Der Landgarten Frank ein historisches Kleinod. Foto: Renate Zickenheimer
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Treffen des Fachbeirates der Deutschen Genbank Zierpflanzen in Hannover. Foto: Bundessortenamt

Ähnlich verfährt "MoorFutures" eine Initiative des mecklenburgischen Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutze des brandenburgischen Ministeriums für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft und der Ausgleichsagentur aus Schleswig Holstein. Mit dem Erwerb von Kohlenstoffzertifikaten kann der Bürger vor der eigenen Haustür dazu beitragen, dass die Moore ihre ursprünglichen Leistungen wieder erfüllen können und damit eine Verbesserung der Treibhausgasbilanz stattfindet.

Rettungsaktionen solcher Art wären ohne das Internet und den damit verbundenen Vernetzungsmöglichkeiten undenkbar. Blitzschnell sind oft die Reaktionen auf die ins Internet oder über den E-Mail-Verteiler gestellten Angebote, Anfragen oder Hilferufe. Innerhalb weniger Tage werden für gefährdete Sammlungen neue Besitzer gefunden, es werden Moore gerettet, Bäume für den Regenwald gepflanzt und Informationen über diese Ereignisse auf Facebook gestellt. Vor allem Mitmach-Aktionen sind beliebt und sorgen jenseits der virtuellen Vernetzung für den realen Kontakt auf Augenhöhe.

Wir befinden uns mitten im Zeitalter der digitalen Information mit globaler Reichweite. Auch Jahrtausend altes Pflanzenwissen kann heute gescannt und digital aufbereitet werden und als Basis für neue Forschungen, etwa für die Entwicklung neuer Arzneimittel weltweit benutzt werden. Erfahrungen sind über Youtube oder Whats App für Millionen von Menschen kommunizier- und erlebbar.

Auch wenn die digitale Revolution die Kommunikation und den Austausch von wichtigen Informationen mittlerweile weltweit garantiert, ist hinsichtlich der Sicherung unserer pflanzengenetischen Ressourcen dennoch die höchste Warnstufe angesagt und es bedarf vor allem praktischer Maßnahmen zur Sicherung. Große Sorge macht den Städten, Kommunen und Ländern das drastisch zunehmende Artensterben bedingt durch die Folgen des Klimawandels. Trockenheit und extreme Temperaturschwankungen machen vor allem den Straßenbäumen zu schaffen. Durch die verschlechterten Lebensbedingungen treten vermehrt Pilze und andere Krankheiten auf und es setzt ein Massensterben bestimmter Baumarten, zum Beispiel der Kastanie durch die Miniermotte oder der Linde durch das Triebsterben ein. Die Stadt Hannover testet seit 2015 neue Arten, vor allem aus Nordamerika stammende Bäume, wie den Ginkgo oder den Amberbaum, die unserem kontinentalen Klima mehr gewachsen sind als die vielerorts gepflanzten Ahornbäume. Zudem wird dazu aufgerufen, mit einer Spende Baumpate zu werden, damit abgängige Bäume nachgepflanzt werden können. Es ist ein großer Verlust, dass das Modell der Stadtgärtnereien in vielen Städten aus Kosten- und Effizienzgründen aufgegeben wurde. Die Erwerbsgärtnereien orientieren sich nach Angebot und Nachfrage und die Sortimente sind in der Regel nicht auf seltene historische Sorten oder besondere von den Experten empfohlene "Klimabäume" ausgerichtet. Eine Stadtgärtnerei könnte als Genpool aus dem bereits vorhandenen Bestand der Stadtparks und der Straßenräume eine gezielte, dem Bedarf angepasste Aufzucht an Jungpflanzen betreiben, damit bei Verlusten fristgerecht geliefert werden kann.

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Der Schlosspark Benrath mit dem Pflanzenerbe von Friedrich Weyhe und Peter Joseph Lenné. Foto: Johanna Masurek, Stiftung Schloss und Park Benrath
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Der Schlosspark Benrath mit dem Pflanzenerbe von Friedrich Weyhe und Peter Joseph Lenné. Foto: Johanna Masurek, Stiftung Schloss und Park Benrath

Vorbildcharakter hat hier das Gartenamt der Stadt Düsseldorf, das historisch wertvolle Einzelgehölze gezielt vermehrt und später in der städtischen Baumschule aufziehen lässt. Dort entsteht in der Tat ein Genpool auf dem elf Hektar großen Baumschulgelände. Die schönsten und vitalsten Stadt- und Parkbäume werden zukünftig über Ableger, Absenker oder Steckholz vegetativ vermehrt und in Teilen als Edelreiser auf einer Unterlage aufgepfropft und veredelt. Prominentes Beispiel ist eine 180 Jahre alte, durch das Sturmtief Ela zerstörte Blutbuche aus dem Schlosspark Benrath, die mit Hilfe eines Buchenexperten veredelt wurde.

Dass es ein öffentliches Interesse für die beschriebene Problematik gibt, veranschaulichen die großzügigen privaten Spenden zur Vermehrung und Aufforstung eines großen Anteils der 30.000 Bäume, die bei dem Sturm vor zwei Jahren zerstört wurden.

Auf der 58. deutschen Gartenamtsleiterkonferenz wurde zum Leitthema "Grün in der Stadt" nach Fulda eingeladen. Vielleicht gibt es neue Antworten auf viele nötige Strategien zum Schutz des Stadtgrüns.

Mit der Unterzeichnung der Übereinkommen der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung von 1992 in Rio de Janeiro hat Deutschland sich verpflichtet, wertvolle Schutzsammlungen zu erhalten. Die Deutsche Genbank Zierpflanzen baut zurzeit unter der Koordination des Bundessortenamts einen Genpool auf, der sich aus vielen dezentralen Sammlungen von sammlungshaltenden Partnern zusammensetzt. Der Schwerpunkt bei den vegetativ vermehrbaren Zierpflanzen liegt bislang noch auf Rose und Rhododendron, doch entstehen bereits weitere Teilnetzwerke zu neuen Gattungsschwerpunkten. Aktuell wurde die berühmte Zuschendorfer Hortensiensammlung aufgenommen. Hierbei handelte es sich um Deutschlands größte Hortensiensammlung mit über 350 Sorten, die eine über 200-jährige Geschichte des Hortensienanbaus in Sachsen wiederspiegeln.

In Planung ist auch eine zentrale Datenbank, die alle Sammlungen von sammlungshaltenden Partnern auflistet. Die Allgemeinheit kann dann in Zukunft über eine Suchfunktion nach bestimmten Gattungen, Arten und Sorten recherchieren und Pflanzenmaterial in geringen Mengen anfordern, wenn diese in den dezentralen Sammlungen vorhanden sind.

Weitere Informationen: www.netzwerkpflanzensammlungen.de.

Autorin

Projektleiterin Netzwerk Pflanzensammlungen, Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V.

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