Neue Geschäftsstelle mit Bildungszentrum modernisiert Verbandsleben
Zentrum für Kleingärten eröffnet
von: Eva Foos, Thomas Stölting, Sandra von Rekowski
Die gesellschaftlichen Herausforderungen, denen Kommunen, Stadt- und Regionalentwicklung heute gegenüberstehen, sind enorm und haben mit den zunehmenden Extremwetterereignissen und aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen neue Ausmaße erreicht. Kleingartenvereine und -verbände befinden sich – wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen – mitten in diesen vielschichtigen und drängenden Veränderungsprozessen. Da Fläche in Städten und Kommunen ein endliches Gut ist, müssen unter anderem Lösungen gefunden werden, die Wohnen und Grün in räumlicher Nähe zueinander unter einen Hut bringen. Unabdingbar dafür ist eine aktive Stadtplanung, die das Kleingartenwesen als wichtigen Bestandteil grüner Infrastruktur anerkennt und in die Gesamtentwicklung einbindet.
Aber auch das Kleingartenwesen selbst ist gefragt. Um die gesellschaftliche Akzeptanz weiter hochzuhalten und kleingärtnerische Strukturen mit vielfältigem ehrenamtlichem Engagement zu unterstützen, befindet sich das Kleingartenwesen aktuell in einem Modernisierungsprozess. Erneut sind die Verbände und Vereine gefragt, kreative Lösungsansätze zu entwickeln. Der Einsatz für noch mehr Biodiversität und Klimaschutz, noch mehr naturnahe klimafreundliche Gärten sowie weitere niedrigschwellige Angebote für die Nachbarschaft haben in den letzten Jahren einen enormen Schub bekommen und werden über Seminare, Fachberatung und Zeitschriften der Vereine und Verbände gefördert.
Mit dem neuen Bundeszentrum in Berlin-Neukölln fügt der BKD diesem Wirken eine wichtige Dimension hinzu und schafft einen Veranstaltungsort mit Weiterbildungsangeboten und eigenem Lehrgarten für Kleingärtnerinnen und Kleingärtner aus der gesamten Bundesrepublik.


Das neue Bundeszentrum ist eröffnet
Am 27. August 2024 eröffnete der Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands e. V. (BKD), Dachorganisation von rund 900.000 Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern in Deutschland, mit geladenen Gästen aus dem Kleingartenwesen, den Kommunen, der Wissenschaft sowie europäischen Partnerorganisationen aus neun Ländern sein neues Bundeszentrum.
Es ist zugleich Ausstellungszentrum zur Zukunft der Kleingärten, Bildungs- und Seminarhaus sowie Tagungs- und Veranstaltungsort. Und es ist die Geschäftsstelle des Bundesverbands der Kleingartenvereine Deutschlands e. V. sowie des Deutschen Schreberjugend Bundesverbands e. V. Damit ist das Bundeszentrum im Sinne aller Kleingärtnerinnen und Kleingärtner die Repräsentanz des Kleingartenwesens in der Bundeshauptstadt, im politischen Berlin.
Rückenwind kam aus dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Bundesbauministerin Klara Geywitz unterstrich bei der Eröffnung vor 150 Gästen, welch unverzichtbaren Beitrag Kleingärten für das Leben in Stadt und Land leisten, für das Stadtklima, die Biodiversität und für soziale Integration. Sie betonte erneut, dass sich das Bundeskleingartengesetz aus Sicht des Bundesministeriums bewährt hat und unverändert in seiner aktuellen Form zu erhalten ist: "Dieses Gesetz beschützt die Kleingärten in der Bundesrepublik und es bleibt so wie es ist." Ihr Ministerium hatte das in nachhaltiger Holzbauweise errichtete Projekt in der Hermannstraße zu 90 Prozent gefördert. Auch der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Neukölln Gerrit Kringel hieß den neuen Nachbarn BKD und die Gäste in seinem Bezirk willkommen und betonte, man freue sich, einen so wichtigen Verband in fußläufiger Nähe zum Neuköllner Rathaus zu wissen: "Sie haben den richtigen Standort gewählt. Kleingärten sind unverzichtbar."
Die Idee der Kleingärten hat eine lange Geschichte, die bis ans Ende des 18. Jahrhunderts zurückreicht. Berlin-Neukölln – das bedeutet zugleich eine Rückkehr an den Ort der Gründung des ersten deutschen Dachverbandes des Kleingartenwesens RVKD e. V., die vor etwas mehr als 100 Jahren am 15. Mai 1921 im Rathaus von Neukölln stattgefunden hat.
Das neue Bundeszentrum ist aber auch Sinnbild der innovativen Kraft der Kleingartenidee wie auch der gelebten Praxis und des Zukunftswillens der fünf Millionen Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in Deutschland. Als Veranstaltungs- und Diskussionsort wird das Zentrum der politischen Interessenvertretung der Kleingärten zusätzlichen Schwung verleihen. Zudem soll das Grüne Klassenzimmer im Außenbereich eine Anlaufstelle nicht nur für Schulklassen werden, sondern für alle am Gärtnern interessierten Menschen.
Das in nachhaltiger Holzbauweise errichtete Gebäude wurde seitens des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundesstages gefördert, wodurch der Bau in dieser Form überhaupt erst ermöglicht wurde. Mit dem nachhaltigen Pilotprojekt wird einerseits der Weißbuchprozess "Grün in der Stadt" der Bundesregierung vorangebracht. Zudem verdeutlicht das Vorzeigeprojekt einmal mehr die bedeutsame, gesellschaftliche Relevanz des Kleingartenwesens hierzulande.
Das Kleingartenwesen in Deutschland gewinnt durch das Bundeszentrum eine zentrale Einrichtung für Kommunikation, Vernetzung und Wissensvermittlung mit weitreichendem gesellschaftlichem und politischem Mehrwert für Kompetenzen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Biodiversität und Grün in der Stadt. Der BKD als Dachverband und seine ihm angeschlossenen Landesverbände werden durch das Bundeszentrum eine gemeinsame Adresse haben, von der aus sich die Zukunft des Kleingartenwesens in Deutschland gemeinsam mit den Partnern aus Politik, Verwaltung, dem Naturschutz und anderen mehr gestalten lässt.



Ausstellung Stadt Natur Mensch
Als weiterer Festakt fand die Eröffnung der Dauerausstellung "Stadt | Natur | Mensch" statt. Thomas Stölting, ihr Kurator, erläuterte Aufbau und Inhalte der bundesweit ersten Ausstellung zur Zukunft des Kleingartenwesens, dankte allen Mitwirkenden und lud zum anschließenden Rundgang ein.
Am Ausgangspunkt der Dauerausstellung stehen der Klimawandel und das Artensterben und die Frage, was dies für die Stadtnatur und das Kleingartenwesen bedeutet. Die Ausstellung, gefördert durch die Deutsche Postcode Lotterie, gliedert sich in verschiedene Stationen: Naturkreisläufe, naturnahes Gärtnern, Umweltgerechtigkeit, Freiraum Kleingarten und die Zukunft der Kleingartenidee.
Sie richtet sich an die fachinteressierte Öffentlichkeit, an Verwaltung und Politik, an die über 13 100 Kleingartenvereine in Deutschland und nicht zuletzt an Kinder und Jugendliche.
Für die künftige Entwicklung der Städte spielen die Kleingärten eine bedeutende Rolle und dies zeichnet die Ausstellung nach. Themen wie Abkühlungseffekte für die benachbarte Wohnbebauung, hohe Bodenqualität, Kleingärten als Schutzräume für Artenvielfalt und nicht zuletzt ihre soziale Funktion stehen dabei im Mittelpunkt.
Besucherinnen und Besucher dürfen sich auf eine ebenso poetische wie informative Reise durch die Welt der Kleingärten freuen. Sie können auf der rund 160 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche den Autolärm und die Hektik der Stadt wahrnehmen, aber auch das Zwitschern der Vögel und das Summen der Insekten oder die Geräusche der Regenwürmer im Erdboden. Schließlich können sie in einem Planspiel die Kleingartenanlage der Zukunft selbst planen oder mithilfe einer Pflanzendatenbank klimaresiliente Pflanzen für Garten oder Balkon auswählen. So vermittelt die Ausstellung fundiertes Wissen und spricht zugleich alle Sinne an. Nicht zuletzt macht sie deutlich, dass die Städte selbst ökologischer und grüner werden müssen, um angesichts der spürbaren Auswirkungen des Klimawandels bewohnbar zu bleiben. Kleingärten spielen hier eine wichtige Rolle. Kleingärtnerinnen und Kleingärtner tragen ganz nebenbei, allein schon durch naturnahes Gärtnern, zur Schaffung von Umweltgerechtigkeit bei.
Die Ausstellung ist an drei Tagen (Di., Do. + Sa.) von 11 Uhr bis 17 Uhr für die Öffentlichkeit geöffnet. Gruppen können die Ausstellung nach Voranmeldung an allen Werktagen besuchen. Der Eintrittspreis beträgt für Erwachsene 6 Euro, für Kinder und Jugendliche 2,50 Euro.
Internationale">www.stadt-natur-mensch.de.


Internationale Kleingartenorganisationen vor Ort
Auch die Gäste aus dem europäischen Ausland und ganz Deutschland, die im Rahmen des Europäischen Fachkongresses "Kleingärten in Europa: Grün für alle" an diesen Tagen im Bundeszentrum tagten, nahmen an der Eröffnung des Bundeszentrums teil.
Der BKD ist Mitglied der Internationalen Dachorganisation des europäischen Kleingartenwesens, der Fédération Internationale des Jardins Familiaux und richtete am 27. und 28. August 2024 den oben genannten Fachkongress mit Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Partnerorganisationen sowie Gästen aus Politik, Kommunal- und Landesverwaltung, aber auch der Wissenschaft, im Bundeszentrum aus.
Auch hier waren die bewegenden Themen der Klimawandel, Stadtplanung und Biodiversität sowie bei all dem eine nachhaltige Weiterentwicklung und der Erhalt des Kleingartenwesens in Deutschland und anderen Ländern Europas. Gute Beispiele aus dem gesamten Bundesgebiet wurden vorgestellt und diskutiert.
Das Kleingartenwesen in Deutschland, insbesondere dessen Schutz durch das Bundeskleingartengesetz hat international eine besondere Stellung. Selbst ein "gutes Beispiel", legt das Bundeskleingartengesetz fest, dass Pachtpreise für einen Kleingarten auf das Vierfache der ortsüblichen Pachtpreise für Anbauflächen des gewerblichen Obst- und Gemüsebaus begrenzt sein müssen. Damit ist das Kleingärtnern ein vergleichsweises günstiges Hobby, das zeitlebens ausgeübt werden kann, denn solche Pachtverträge sind unbefristet und können nicht einfach gekündigt werden. Solche und ähnliche Themen und zukunftsfähige Ansätze und deren Übertragbarkeit auf andere Länder wurden auf dem Kongress engagiert erörtert.
Der Internationale Kongress hat eine lange Tradition und wird seit 1927 regelmäßig durchgeführt, 2024 zum 39. Mal. Lange Zeit auch ein Beitrag zum friedlichen Zusammenleben in Europa, soll er heute vor allem den internationalen wissenschaftlichen Diskurs befördern. Darüber hinaus pflegen einzelne Kleingartenorganisationen seit Jahren bilaterale Beziehungen zu Partnerorganisationen im Ausland, wie der Landesverband Westfalen und Lippe der Kleingärtner e. V. mit dem polnischen Partnerverband. Dies soll auch in Zukunft der Fall sein, denn Kleingärtnern kann überall einen wichtigen gesellschaftlichen, ökologischen und klimatischen Beitrag leisten.


Kleingärten als Orte der Begegnung und Teilhabe
Siedlungsgebiete der Zukunft müssen umweltgerecht sein, lärmarm, integrativ, zugleich grüner und kompakter (durch das Schließen von Baulücken). Sie müssen bestehendes Grün bewahren und neues schaffen, nicht zuletzt durch Kleingärten als Orte der Begegnung, der Erholung, der Teilhabe, des Lernens, der Selbstversorgung sowie der Verbindung und Einbindung in die Nachbarschaft. Stadtnatur ist wichtig für die Frisch- und Kaltluftzufuhr oder für den Wasserrückhalt, für Bewegung, gesundheitliches Wohlbefinden, die Stärkung von sozialer und biologischer Vielfalt, für den Erhalt alter und die Erprobung neuer Pflanzensorten, die dem Klimawandel standhalten. Das kleingärtnerische Bildungswesen, der Bundeswettbewerb "Gärten im Städtebau" und der "BKD-Wissenschaftspreis" sind bereits wichtige Instrumente des Kleingartenverbandswesens zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Gartenkultur. Hinzu kommt seit August 2023 das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderte Verbundprojekt "Kleingärten für Biologische Vielfalt"¹ von BKD und dem Deutsche Schreberjugend Bundesverband, das zur zeitgemäßen Erneuerung des Kleingartenwesens beiträgt.
Der BKD präsentiert sich in Aufbruchstimmung, zu der nicht zuletzt auch der Deutsche Schreberjugend Bundesverband mit seinem Engagement beiträgt. Zwei Verbände unter einem Dach, die ein modernes, aufgeschlossenes Bild von der Kleingartenkultur vermitteln und zeigen, dass sie längst nicht mehr nur für den Rückzug ins Private der Scholle stehen. Mit dem neuen Bundeszentrum als wichtigem Veranstaltungs- und Lernort ergeben sich nun noch mehr Möglichkeiten für Bildung, Zusammenarbeit und Vernetzung, die der Sache der Kleingärten und einer nachhaltigen Entwicklung von Siedlungsräumen dienen, sei es mit anderen Verbänden oder mit staatlichen und nicht-staatlichen Kooperationspartnern. Kleingartenverbände, Grünflächenämter, Stadtplanung und Politik müssen weiter im Austausch bleiben, noch enger zusammenarbeiten und gemeinsam Strategien und Konzepte entwickeln.
Der Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands e. V., die angeschlossenen Landesverbände und ihre Mitglieder stellen sich den Herausforderungen, begleiten und gestalten diesen Entwicklungsprozess für eine nachhaltige Weiterentwicklung und den Erhalt dieser vielseitigen grünen Oasen – am neuen Bundeszentrum, in ganz Deutschland und darüber hinaus.
Anmerkung
1 Das Projekt „Kleingärten für Biologische Vielfalt“ wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.