Konzepte für mehr Grünflächen in der französischen Metropole

Neue Grüntöne in Paris

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1 Im Juli 2018 wurde der Jardin Truillot eröffnet. Die ca. 5000 Quadratmeter große Fläche ermöglicht nun einen freien Blick auf die Kirche Saint Ambroise und schafft eine grüne Abkürzung zwischen zwei Boulevards. Entlang der Brandmauer links zieht der Gemeinschaftsgarten. Foto: Verone Stillger

Wenn es darum geht, eine Großstadt umwelt- und klimafreundlicher zu gestalten, lohnt ein Blick auf die französische Hauptstadt: Paris hat sich auf den Weg gemacht, im Sinne von Klimaschutz, Gesundheit und Lebensqualität den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, die Stadt grüner und ihre Bewohner zu Gärtnern zu machen.

Die Stadtverwaltung von Paris hat hierzu in Kooperation mit zahlreichen Akteuren und als Konkretisierung eines politischen Willens verschiedene Konzepte vorgelegt, die Inspirationen bieten können auch für Kommunen hierzulande. "Paris muss sich ständig wieder neu erfinden" sagt die Bürgermeisterin Anne Hidalgo (www.reinventer.paris/2015-2016/en/accueil-de/).

Der Großraum Paris hat knapp 12 Millionen Einwohner, die Stadt zirka 2,2 Millionen. Hektik und Stress, Verkehrschaos, Umweltverschmutzung, ungleiche Lebensverhältnisse mit Wohnungsnot und teilweise drangvoller Enge (Einwohnerdichte mehr als 20.000 Einw./km²) und wenig Freiflächen prägen das Leben in dieser Stadt. Lösungen zu entwickeln für die ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen in Paris war 2014 die zentrale Aussage im Wahlkampf von Anne Hidalgo, Parti Socialiste.

Charta Objectif 100 hectares - Ziel 100 Hektar

Als gewählte Bürgermeisterin von Paris etablierte sie mit der Stadtverwaltung eine Charta mit dem ehrgeizigen Ziel 100 Hektar in Paris Grün werden zu lassen durch neue Grünflächen, vor allem auf und an öffentlichen und privaten Gebäuden. Ein Drittel des neuen Grüns soll für urbane Agrikultur genutzt werden. Das Ziel soll bis zum Ende ihrer Amtszeit 2020 erreicht werden.

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2 Ausgewählte Parisculteurs-Projekte der Wettbewerbe 2016 und 2018. Abbildung: www.parisculteurs.paris/fr/ charte-100-hectares/
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3 Aufforderung zur Beteiligung bei Végétalisons Paris: Jardiner dans les rues de Paris, c’est permis! dt. Gärtnern in den Straßen von Paris, das ist erlaubt! Foto: Verone Stillger
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4 Ein Beet von Anwohnern und einer Kita-Gruppe, dt. Hier wird gegärtnert, vor dem Eingang eines Supermarktes Rue de Bagnolet. Foto: Verone Stillger
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5 Blick in den Bistroteil der Recyclerie im ehemaligen Bahnhofsgebäude. Foto: Verone Stillger

2015 wurden für dieses ambitionierte Ziel zunächst die im Besitz der Stadt Paris befindlichen begrünbaren (Dach-)Flächen ermittelt. Im Januar 2016 wurde von 33 Institutionen und Unternehmen die Charta Objectif 100 hectares (dt. Ziel 100 ha) unterzeichnet, darunter Banken, Hotels, Kaufhäuser, aber auch Kultureinrichtungen wie Centre Pompidou, Universität Sorbonne und Radio France. Die Stadt und die Unterzeichner verpflichten sich, für das gemeinsame Ziel 100 Hektar zu handeln. Die Charta umfasst eine Selbstverpflichtung der Stadt, ihren eigenen Besitz zu begrünen. Die unterzeichnenden Partner versprechen, an den Aktionen teilzunehmen, die im Zusammenhang mit dem Konzept Parisculteurs realisiert werden und außerdem ihren begrünbaren Besitz zu veröffentlichen. 2017 sind 38 neue Unterzeichner hinzugekommen: Akteure aus dem Verkehrswesen wie RATP, der staatliche ÖPNV-Betreiber im Großraum Paris, und die französische Bahn SNCF, private und öffentliche Immobilienunternehmen, die Oper an der Bastille sowie Eau de Paris, öffentliches Unternehmen, für Wasser und Abwasser sowie GRDF Gaz, der französische Erdgaskonzern.

Das Konzept Parisculteurs

Ein wichtiger Schritt, um konkrete Projekte zu entwickeln, war 2016 der Wettbewerb Les Parisculteurs (Wortschöpfung aus la culture dt. Bildung oder auch Anbau, cultivateur dt. Landwirt) mit der Aufforderung, Projekte zu entwickeln für eine dauerhafte Begrünung. Firmen und Initiativen konnten für 35 vorgeschlagene Standorte, basierend auf einer von der Stadt Paris vorbereiteten technischen und wirtschaftlichen Analyse, Ideen entwickeln. Parisculteurs wird finanziell von den Unterzeichnern der Charta unterstützt.

Die erste Ausschreibung von Parisculteurs fand 2016 eine große Resonanz: 144 Bewerbungen wurden eingereicht und daraus 32 Projekte ausgewählt, ergibt ein Plus von zirka 5,5 Hektar mehr Grün. Die Bandbreite reicht von Gemeinschaftsgärten bis zu professionellem Gemüse- und Kräuteranbau. Bis Juli 2018 wurden 14 Projekte realisiert.

2018 startete der Wettbewerb erneut: Parisculteurs saison 2 mit 33 neuen Projekten und zirka 9 Hektar Fläche. Ein Schwerpunkt liegt auf Grünprojekten im Zusammenhang mit dem sozialen Wohnungsbau. Gezielt unterstützt wurde daher von der Stadt eine Begrünung von Gebäuden mit Sozialwohnungen. Ende 2018 folgt die Ausschreibung für Saison 3.

Die Stadt Paris bietet eine Boite à outils (dt. Werkzeugkoffer) für Projektanträge sowie ein Handbuch zum Begrünen von Gebäuden mit notwendigen Vorklärungen, technischen Aspekten sowie Informationen zu Substraten und zur Unterhaltung (www.parisculteurs.paris/data/terrains_0917a/categorie/5/boite-a-outils-parisculteurs_bf77a.pdf).

Dafür verantwortlich ist Pénélope Komitès, stellvertretende Bürgermeisterin von Paris und zuständig für Grünflächen, Natur in der Stadt, Biodiversität, urbane Agrikultur und Friedhöfe.

Drei Projekte von Parisculteurs stellt der nächste Abschnitt kurz vor:

  • Urbane Agrikultur und Gemeinschaftsgarten Facteur graine

Der Gemüseanbau und die Imkerei von Facteur graine (dt. Briefträger für Samen) erfolgt seit September 2017 auf 700 Quadratmetern in Anlehnung an Prinzipien der Permakultur mit aktiver Beteiligung von Mitarbeitern der französischen Post. Die Erträge werden günstig an die Mitarbeiter des darunter liegenden Postverteilerzentrum de la Chapelle verkauft.

  • Urbane Agrikultur Les Toits Didot

Auf einer Fläche von 2070 Quadratmetern, verteilt auf vier Dächer eines Komplexes mit Sozialwohnungen, ist vorgesehen, Kompost herzustellen, Gemüse, Früchte, Kräuter und essbare Blüten mit verschiedenen Anbauformen zu kultivieren und in einer Filiale von Franprix im Erdgeschoss zu verkaufen. Projektbetreiber ist unter anderem Gally, ein großes Garten- und Landschaftsbauunternehmen, das Dachgärten und Fassadenbegrünung anbietet und Büros mit Fruchtkörben versorgt. Ein Teilprojekt wird aktuell realisiert.

  • Urbane Agrikultur und Bildung Ecol'haut

Die Stadt finanziert die Projekte nicht. Die Ermittlung der Standorte und Vorklärung inkl. der technischen Rahmenbedingungen (Tragfähigkeit der Dachkonstruktion, Zugänglichkeit, rechtliche Fragen zum Besitz etc.) ist der Beitrag der Stadt Paris. Die Investitionen sind Sache der Preisträger. Ein Beispiel: Bei 680 Quadratmeter Gemüseanbaufläche auf dem Dach der Grundschule Saint Benoît im noblen 6. Arrondissement am linken Seineufer, kalkuliert der Investor 80.000 Euro. Nach zwei Jahren soll das Projekt Ecol'haut (dt. hohe Schule, gesprochen klingt es wie écolo dt. umweltbewusst) durch den Verkauf von Gemüsen und Früchten an die Schulkantine und die Eltern der Schüler rentabel arbeiten.

Das Konzept Végétalisons Paris

Parallel zur öffentlichen Vorstellung der Wettbewerbsergebnisse wurden 2016 Infoveranstaltungen und Bildungsprogramme angeboten, um die Bevölkerung für mehr selbstgestaltetes Grün in der Stadt zu motivieren und das Spektrum möglicher Grünformen in der Stadt zu zeigen. Als weiteren Baustein für das 100-Hektar-Ziel wurde Végétalisons Paris (dt. Lasst uns Paris begrünen) entwickelt. Die Bürgerinnen und Bürger werden als Einzelpersonen oder Gruppen angesprochen, um Paris durch ihre Initiative grüner zu machen: Développer et cultiver de nouveaux espace de nature en ville, (dt. Neue Räume für Natur in der Stadt entwickeln und kultivieren).

Dies geschieht in erster Linie mit der Webplattform Végétalisons Paris, verschiedenen Bildungsangeboten und einem sogenannten Permis de Végétalisation (dt. Erlaubnis zum Begrünen). Alle Ausprägungen sind willkommen, so die Aussage der Stadt: Grün auf Baumscheiben, Holzkonstruktionen, Fassaden etc. Pénélope Komitès, die Pariser Dezernentin für Grün, möchte durch das Gärtnern ein mehr an Vegetation in der Stadt und neue soziale Kontakte erreichen sowie den Bürgern die Möglichkeit bieten, sich in der Stadt zu engagieren.

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6 Die Ausstattung der Cantine erfolgte nur mit aussortierten Möbeln aus anderen Bars und Restaurants. Die Speisekarte verspricht 100 Prozent vor Ort zubereitetes Essen aus lokalen Produkten, z.T. aus dem angrenzenden Garten. Foto: Verone Stillger
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7 La Recyclerie mit der ferme urbaine, dt. Stadtbauernhof, und Gastronomie, Sitzplätze entlang der Gleise. Foto: Verone Stillger
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8 Blick auf die stillgelegten Gleise der petite Ceinture, rechts der Gemeinschaftsgarten Les Jardins du Ruisseauund links das Außengelände der Recyclerie. Auf der rechten Seite grenzt die Bebauung unmittelbar an. Deshalb kann von einzelnen Dächern Regenwasser in den Garten geleitet werden. Foto: Verone Stillger

Da die Projekte im öffentlichen Raum angesiedelt sind, ist eine Erlaubnis zum Begrünen erforderlich. Sie kann im Netz beantragt werden mit einer kurzen Beschreibung des Projektes und gilt zunächst für drei Jahre. Der Antragsteller verpflichtet sich per Unterschrift, heimische Blütenpflanzen zu verwenden, keine Pestizide einzusetzen, die Ästhetik zu beachten sowie für Reinigung und Wässern zu sorgen. Auf Nachfrage wird ein Startpaket mit Pflanzerde und Samen zur Verfügung gestellt. Die Teilnahme an einem Einstiegskurs im Maison du Jardinage (dt. Haus des Gärtnerns) im Parc von Bercy wird empfohlen. Dort gibt es auch persönliche Beratung, eine anschauliche Ausstellung und Informationsmaterial.

Die Spannweite der kleinen Projekte im Straßenraum ist riesig, sowohl im Hinblick auf Ästhetik als auch Pflegezustand und Interpretation des Begriffs heimische Pflanzen. Nicht alles gelingt oder wird gepflegt und gewässert. Das war im heißen Sommer 2018 zu sehen, trotzdem fällt auf, wie liebevoll viele kleine Ecken gestaltet und betreut werden.

Auf Basis des Vertrags werden Aussagen zum Ort und zu den Zielen des jeweiligen Projekts auf der Webseite vorgestellt. Sie sind dort durch einen Klick auf einer Karte zu identifizieren. Je nach Art des Projektes erfolgt eine Zuordnung zum 100-Hektar-Ziel oder bei Gemüseanbau auch zu den angestrebten 33 Hektar urbane Agrikultur. Das heißt winzig kleine Projekte werden genauso in die Bilanz einbezogen wie kommerziell genutzte Dachflächen mit Gemüseanbau. Stand 25.10.2018 sind bei Végétalisons Paris 1247 realisierte Projekte erfasst.

Außerdem soll die Webseite die Menschen vernetzen. Sie bietet Informationen zu praktischen Fragen, zeigt Interessierten, welche Projekte in ihrem Stadtviertel existieren, wo zusätzliche Akteure gesucht werden oder Pflanzen oder Geräte abzugeben sind oder Gießunterstützung während der Urlaubszeit gesucht oder angeboten wird.

Viele belächelten zunächst gerade diese kleinen Initiativen, aber mittlerweile sind sie so zahlreich und durch digitale Verknüpfung, originelle Präsentationen, Bildungsangebote etc. sichtbar, dass Grün ein neu wahrgenommener Faktor in der Stadt ist. Ein Interesse an Pflanzen, an Ernährung, der Produktion von Lebensmitteln, Mitentscheiden und gemeinsamem Gestalten drückt sich aus in sehr unterschiedlichen Initiativen und Projekten, die häufig verknüpft sind: kulturelle Veranstaltungen wie Filmabende im Kontext von Grün und Umwelt. Die sozialen und politischen Fragen zur Zukunft des Lebensraumes Stadt und der Ernährung werden thematisiert: Notre avenir se joue dans nos assiettes, dt. Unsere Zukunft spielt sich auf unseren Tellern ab.

Neue öffentliche Grünflächen sind in einer so dicht bebauten Stadt schwer zu realisieren. In die Bilanz einbezogen werden allerdings auch Parks und andere Flächen, deren Planungsauftakt bereits lange vor dem Start des Konzeptes 100 Hektar datiert. Ein anderes Beispiel ist eine stillgelegte Bahnfläche. Durch die Mitunterzeichnung der Charta haben sich nun auch SNCF und RATP die Verpflichtung auferlegt, geeignete Flächen zu entwickeln.

La petite Ceinture

Die sogenannte petite Ceinture, dt. kleiner Gürtel, ist eine zweigleisige Bahntrasse, die rund um die Pariser Innenstadt führt. Sie wurde für den Personen- und Warentransport und zur Verteidigung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt. Seit 1934 ist die Bahnlinie stillgelegt und in unterschiedlichem Ausmaß überwachsen und mit einer fast ländlichen Atmosphäre Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Einzelne Abschnitte sind seit 2008 geöffnet, weitere 2018 hinzugekommen. Insgesamt sind bislang 3,5 Kilometer zu betreten. Die Öffnung dieser Grünverbindung wurde seit den 1990er-Jahren von den Bürgern gefordert.

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9 Filmabend auf den Gleisen als temporäre Veranstaltung. Foto: Verone Stillger
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10 Außenbereich der Recyclerie mit kleinen Sitzmöglichkeiten entlang der Gleise und Selbstbedienung der Gäste. Foto: Verone Stillger
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11 Blick in das Bistro im alten Bahnhof. Foto: Verone Stillger

Die Nutzung und Gestaltung der zu öffnenden Abschnitte erfolgt nach einer 2015 für zunächst zehn Jahre geschlossenen vertraglichen Einigung der Stadt Paris mit der SNCF. Es sollen insgesamt 10 Kilometer und damit fast 20 Hektar Grün bis 2020 für die Bevölkerung, zum Teil in üppig bewachsener Umgebung mitten in Paris, gewonnen werden. Damit öffnen sich völlig neue Blickbeziehungen auf die Stadt. Verschiedene Gemeinschaftsgärten haben sich entlang der Bahnstrecke angesiedelt. Workshops zur Ausgestaltung der neuen Abschnitte finden mit den Anwohnern statt. Die Planungsgeschichte und aktuelle Entwicklungen mit Ateliers und Aktionen folgen in einem weiteren Artikel.

Les Jardins du Ruisseau und la Recyclerie

Ein Kompromiss von französischer Bahn und der Stadt Paris ermöglicht seit 1998 Anwohnern in der Nähe des berühmten Pariser Flohmarkts den in einem Einschnitt mitten im Verkehrsgewühl liegenden Bahnsteig an der Porte de Clignancourt zu nutzen. Zwei Projekte existieren hier. Eine Folge von kleinen Gartenräumen, Beeten, Hühnerstall und Kompostplatz entstand auf knapp 1,5 Hektar, von Anwohnern und Schulklassen aus der Umgebung betreut. Mit Einsetzen der Dunkelheit wird der Zugang geschlossen. Im Jahr 2000 wurde ein Verein gegründet, der seit 2016 eine bezahlte Mitarbeiterin hat. Sie ist zuständig für die Führung von Gruppen, Organisation und Kontakte zu Behörden.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Gleise liegt die Recyclerie mit Gemüseanbau, Hühnern auf der Böschung, Kompostanlage, Sitzplätzen in Verbindung mit einem Bistro im ehemaligen Bahnhofsgebäude und Bienenvölkern sowie einem Repaircafé. Infoveranstaltungen werden zu den Themen Anbau in der Stadt oder Kreislaufwirtschaft angeboten. Augenzwinkernd der Hinweis, dass wegen der Nachtruhe von Hühnern, Pflanzen und Nachbarn das Außengelände ab 22.45 Uhr geschlossen ist.

Kulturveranstaltungen wie Filmabende und das jährliche Tanzfestival Sur les railes, dt. Auf den Gleisen, werden von beiden Projekten unterstützt.

Le plan biodiversité de Paris 2018-2024

Nur kurz erwähnt wird hier ein weiteres Konzept der Stadt Paris. Es stellt mit La biodiversité est indispensable à la ville, dt. Die Biodiversität ist unverzichtbar in der Stadt, ebenfalls die Entwicklung von mehr Grün in den Mittelpunkt. Symbolisch wurde Biodiversität 2016 zu einer Ehrenbürgerin von Paris gewählt. Genauso wie der Plan ParisPluie, dt. Pariser Regen Plan wurden beide 2018 vom Rat der Stadt beschlossen.

Insgesamt umfasst Le plan biodiversité drei Schwerpunkte und 30 geplante Aktionen, zum Beispiel + de nature en ville mit dem Ziel 20 Orte der Biodiversität und zehn Feuchtgebiete als Grünvernetzungen zu realisieren. 2018 wurden Initiativen und Gemeinschaftsgärten aufgefordert, sich mit Projekten für Umweltbildung, Entwicklung und Schutz der Biodiversität zu bewerben. Ergebnisse liegen aktuell noch nicht vor.

Zu nennen sind auch der im März 2018 beschlossene neue Plan climat der Stadt sowie seit 2016 das Programm Eco-Rénovons Paris Objectif 1000 Immeubles (dt. Umweltfreundliche Sanierung für 1000 Pariser Mietshäuser) einschließlich einer Begrünung für Dächer, Wände oder Höfe.

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12 Der Blick geht in Richtung Boulevard Richard-Lenoir, in umgekehrter Blickrichtung zu Abb. 1. Das einzeln stehende Haus soll noch abgerissen werden. Links und rechts der Bänke sind die Flächen mit Weinanbau zu erkennen, rechts der eingezäunte Gemeinschafts- und Schulgarten. Schule und Kindergarten haben einen direkten Zugang zur Grünfläche. gruppe DGT. Abbildung: DGT Dorell.Ghotmeh.Tane/ Architects par ville de Paris
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13 Im Jardin Truillot wächst neben Wein auch Spalierobst. Foto: Verone Stillger
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14 Réalimenter Masséna, ein Preisträger im Wettbewerb Réinventer Paris, dt. Paris neu erfinden, Entwurf der Arbeitsgruppe DGT. Abbildung: DGT Dorell.Ghotmeh.Tane/ Architects par ville de Paris

Grün à la mode in Paris?

Es bewegt sich etwas in Paris: in den Köpfen von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, in der Stadtplanung und der Verwaltung wird das Thema Grün mit seinen Facetten thematisiert und erlangt eine andere Wahrnehmung. Wichtig für weitere Diskussionen zur Pariser Stadtentwicklung, denn der Zugewinn an Grünfläche durch die Umgestaltung von Dächern wird gering bleiben. Aber die Beschäftigung mit lokal produzierten Nahrungsmitteln und Ernährungskultur sorgt offenbar für einen neuen Zugang zu Umweltfragen. Aktuell entstehen auch Projekte, die Schnittblumen anbieten, wegen der kurzen Transportwege, aber auch um heimische Blumen wieder ins Bewusstsein zu bringen.

Das Staunen darüber, welche Menge an Gemüse und auf welche Weise auf einer professionellen Dachfarm angebaut werden kann, ist bei Führungen zu erleben. Natürlich passt es auch zum Zeitgeist; Dachfarmen werden in manchen Hotels chic inszeniert oder für Events und Werbung genutzt. Aber offenbar begeistert Grün in der Stadt auch viele Menschen. Eine Akteurin aus dem Jardin des Ruisseau erzählt, dass der Gemeinschaftsgarten ihr seit mehr als zehn Jahren zunehmend Vergnügen bereite. Einmal der Garten selbst, die Begegnungen von Jung und Alt dort, aber auch die gefühlte Strahlwirkung auf andere Stadtbewohner und neue Grünprojekte in der Stadt würden ihr Leben in Paris besser machen.

Pariculteurs-Projekte zeigen, dass die Investitionen in nachhaltige Entwicklung mit kurzen Wegen und frischen Produkten sich auch ökonomisch rechnen. Für Aussagen zur Nachhaltigkeit der Projekte ist es allerdings noch zu früh.

Offenbar stärken die verschiedenen Projekte, Programme und Aktionen den Blick auf die komplexen Umweltzusammenhänge, weil etwas sichtbar wird und auch in einem riesigen Stadtgefüge positive Veränderungen möglich sind. Zu lesen ist die Aufforderung Faire Pousser des rêves, dt. Träume zum Wachsen bringen. Besonders erlebbar ist dies durch Veränderungen bei den Verkehrswegen: Radschnellwege, neugestaltete autofreie Seineufer. All das ist nur eine Facette in der Stadtentwicklung von Paris in dem großen Wettbewerb um neue Verkehrsstraßen, Büro- und Geschäftshäuser, Superhotels, aber immerhin es gibt sie, und manchmal berühren sich diese Welten. Das bis 2023 von einem Investor geplante sehr große Immobilienprojekt Milles Arbres (dt. 1000 Bäume) über der Stadtautobahn wirbt mit dem Slogan: Ouand c'est vert, c'est mieux! dt. Wenn es grün ist, ist es besser! Nutzt Marketing nur den Zeitgeist?

Arbeiten von Preisträgern des Wettbewerbes für innovative Stadtplanungsprojekte Réinventer Paris, dt. Paris neu erfinden, einem Wettbewerb von 2014 für 23 ausgewählte Standorte im Besitz der Stadt Paris oder ihrer Partner, zeigen dezidiert ökologische Aspekte. Das Projekt Réalimenter Masséna, für die Umgebung des alten Bahnhofs Masséna von einer interdisziplinären Gruppe um die Architektin Lina Ghotmeh, legt einen Schwerpunkt auf Ernährung, urbane Agrikultur und Kreislaufwirtschaft in dem durch ein großes Holzgebäude ergänzten Bahnhof. Die Baugenehmigung wurde im August 2018 erteilt. Neues zu entdecken in Paris bleibt spannend.

Prof. Verone Stillger
Autorin

Landschaftsarchitektin, BFSP Zukunft Lebensraum Stadt

Hochschule Osnabrück

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