Stadtplatz Annastraße und Grünzug Motzberg in Kassel

Neue Grundstückszuschnitte heben städtebauliche Qualität

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1 Der neue Stadtplatz wird temporär für Stadtteilfeste genutzt. Foto: Wette+Küneke

Kassel wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört. Umso beliebter ist daher der bunte Stadtteil Vorderer Westen mit erhaltenen Gründerzeitquartieren, belebter Einkaufsstraße und der Nähe zur Innenstadt. In der aufstrebenden nordhessischen Großstadt bietet sich ein ähnliches Bild wie in anderen Wachstumsregionen: Innenstadtnaher Wohnraum ist ein knappes und begehrtes Gut, teilweise durch Straßenverkehr belastet und weist häufig eine Unterversorgung an nutzbaren Grünflächen auf.

Das vorgestellte Projekt ist ein Bestandteil des gesamten Programms der Städtebauförderung "Aktive Kernbereiche Friedrich-Ebert-Straße". Zum Gesamtprogramm gehören Neuordnung des Verkehrs, Rückbau von Straßenquerschnitten und Gestaltung von Straßen- und Grünräumen zur Qualifizierung des Wohnumfeldes. Dass hierbei neuer Wohnraum entstehen kann, der nicht zu Lasten der Freiraumversorgung geht, bildet eine Ausnahme.

Flächentausch als Grundlage für die Stadtentwicklung

Der neu entstandene Grünzug ist auf einen Grundstückstausch im städtischen Umfeld zurückzuführen: Die bestehenden Grünflächen der Stadt Kassel wurden um nicht genutzte Freiflächen der angrenzenden Geschosswohnungsbauten einer Wohnungsbaugenossenschaft (GWH) zu einem attraktiven Grünzug ergänzt. Der neue Grünzug weist im nördlichen Drittel Stadtplätze auf, die beidseitig der für den Fußgänger- und Radfahrverkehr aufgewerteten und auf zwei Fahrspuren rückgebauten Friedrich-Ebert-Straße angeordnet sind. Durch eine Reduzierung des Anwohnerparkens konnte der nördliche Stadtplatz realisiert werden. Im Gegenzug des Grundstückstauschs erhielt die GWH ein am Rand gelegenes, bislang ungenutztes Hanggrundstück der Stadt Kassel für den Bau eines Hochhauses. So ergab sich die Chance, das Quartier um attraktive Freiflächen und Wohnungen im Rahmen des Programms "Aktive Kernbereiche" zu erweitern.

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2 Der nördliche Grünzug nach der Umgestaltung mit öffentlicher Wegeverbindung. Foto: Wette+Küneke
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3 Der nördliche Grünzug vor der Umgestaltung. Foto: Wette+Küneke

Herausforderungen und Ziele

Mangelnde öffentliche Freiflächen, Abstandsgrün im Bereich des Mehrgeschosswohnungsbaus und mit dichten Bäumen bestandene Rasenflächen boten nur unzureichende Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten in einem dicht bebauten Stadtviertel mit zwei Schulen in der Nachbarschaft. Der Flächentausch zeigte sich dabei als langwieriger Prozess, da neben Grundstücken der GWH zusätzliche Parzellen, die als Parkplatz genutzt wurden, von der Stadt Kassel erworben werden mussten. Eine weitere Aufgabe bestand darin, die Fällung von teilweise geschädigten Bäumen als Chance für die Schaffung eines vielfältig nutzbaren Platzes im Quartier zu begreifen und gleichzeitig eine Öffnung und Verbindung eines stadtinternen Grünzuges zu ermöglichen.

Ziel des Projektes war es, durch Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen einen von der Stadtgesellschaft mitgestalteten Grünzug und Stadtplatz in einem mit Grünflächen unterversorgten Stadtteil zu etablieren.

Auf administrativer Ebene ermöglichte der Grundstückstausch die Basis für einen zusammenhängenden Grünzug. Die Planung erfolgte auf Stadtteilebene mit generationsübergreifenden mehrtägigen Bürgerworkshops. Für die Bauphase führte das Stadtteilbüro, das für die Gesamtheit der Maßnahmen im Vorderen Westen eingerichtet wurde, eine Begleitung für die Anwohner durch.

Die neuen Stadtplätze innerhalb der Friedrich-Ebert-Straße

Im Zuge der Aufwertung der Friedrich-Ebert-Straße werden die Annaplätze als Bestandteile des geplanten Grünzugs von der Parkstraße zur Luisenstraße neu gestaltet.

Ausgehend von der umgestalteten Friedrich-Ebert-Straße, die den Platz in Ost-West-Richtung durchschneidet, soll der Stadtplatz den Straßenraum mit der Parklandschaft verbinden und so die städtebauliche Trennung aufheben. Der Boulevard Friedrich-Ebert-Straße ist dabei das prägende städtebauliche Element, an das sich die eigenständigen und gestalterisch eindeutig getrennten Platzflächen nördlich und südlich der Straße anschließen. Die beiden Platzteile sollen ihrerseits nahtlos in die angrenzenden Grünflächen der "Grünen Banane" übergehen. Die funktionalen Anforderungen an den Platz leiten sich aus den Beteiligungsverfahren zum integrierten Handlungskonzept Friedrich-Ebert-Straße und zum städtebaulich-freiraumplanerischen Konzept zur Grünen Banane ab. Das Planungsgebiet nördlich der Friedrich-Ebert-Straße umfasst eine Fläche von insgesamt 850 Quadratmeter, wovon der Stadtplatzbereich ca. 350 Quadratmeter einnimmt. Das südliche Areal mit einer Gesamtfläche von 1280 Quadratmeter beinhaltet den ca. 910 Quadratmeter großen Stadtplatzbereich.

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4 Lageplan der neuen Verbindung: Neue Grundstückszuschnitte der Stadt Kassel und der Wohnungsbaugesellschaft führen zu einem durchgängigen Grünzug mit Stadtplätzen. Abb. Stadt Kassel
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5 Der Stadtplatz nach der Umgestaltung. Foto: Reimund Lill Fotografie

Neben der städtebaulichen Aufgabe folgt der Entwurf dem Grundgedanken eines multifunktional nutzbaren Stadtplatzes mit hoher Aufenthaltsqualität. Der Stadtplatz Annastraße wird ein Begegnungsort sein, der die Ansprüche aller Altersgruppen berücksichtigt. Die Platzfläche wird mit hell- bis mittelgrauen Betonplatten mit einer schmutzabweisenden Oberflächenversiegelung in den Formaten 40/60 Zentimeter und 40/40 Zentimeter belegt und eröffnet dadurch vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Im nordwestlichen Platzbereich werden die Außenmauern des ersten in der Friedrich-Ebert-Straße erbauten, jedoch kriegszerstörten Hauses mit einem dreireihigen Klinkerverband nachgezeichnet.

Charakteristisch werden die langen roten Bänke mit Sitzauflagen auf der nördlichen Platzhälfte sein. Dieses Motiv wird auf der Südseite aufgenommen: der Rahmen für die vorgesehene Bauminsel wird aus roten Bankelementen gebildet. Vier im zeitigen Frühjahr violett blühenden Paulownien werden einen weiteren Akzent setzten. Durch die Einbeziehung der Seitenstraßen und der charakteristischen Sitzelemente wird eine einprägsame Platzgestaltung erreicht werden.

Der neue Grünzug

Nördlicher Bereich

Das Motiv der roten Bänke, das für den nördlichen und südlichen Platzbereich des Annaplatzes entlang der Friedrich-Ebert-Straße vorgesehen ist, wird an der Parkstraße aufgenommen. Hier wird als Auftakt ein kleiner Platz mit einer langen roten Bank entstehen, der von Anwohnern aus dem Quartier genutzt werden kann. Ein 2,5 Meter breiter, mit grauem Betonpflaster belegter Weg führt in kurzer Verbindung zum Annaplatz. Unter größtmöglichem Erhalt der bestehenden Gehölze wird der Spiel- und Aufenthaltsbereich gestaltet. Bestehende Böschungen und Höhenunterschiede werden mit Natursteinblöcken aus rotem Sandstein gefasst. Das Spielangebot wird mit einem neuen Spielhaus mit Rutsche im Sandspielbereich, einem generationsübergreifendem Geschicklichkeitsspiel und einer Drehscheibe verbessert.

Eine lange Bank mit hoher Lehne und zwei Tischen dient als nachbarschaftlicher Begegnungsplatz. Es besteht die Möglichkeit, die Tische mit privaten Stühlen zu ergänzen.

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6 Der Stadtplatz vor der Umgestaltung. Foto: Wette+Küneke
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7 Eine breite Treppenanlage bildet den Auftakt für den Grünzug und verbindet den westlich angrenzenden Stadtteil. Foto: Wette+Küneke

Südlicher Bereich

Insgesamt bleibt der parkartige Charakter mit den bestandsbildenden Parkbäumen und dem waldartigen Südhang erhalten. Der Gehölzbestand am Südhang wird vorsichtig ausgelichtet, um eine Naturverjüngung zu fördern. Die bestehenden Gehölze werden punktuell durch blühende Sträucher ergänzt. Auf den Rasenflächen werden abschnittsweise Zwiebeln (z. B. Narzissen und Krokusse) gesteckt.

Das Wegenetz wird neu geordnet und nach Südosten erweitert. Der Verbindungsweg vom Annaplatz zur Luisenstraße wird mit Betonstein belegt. Die übrigen Wege werden aus gut begehbaren Flächen aus Beton hergestellt. Somit wird die Pflege dauerhaft minimiert, da eine leichte maschinelle Reinigung möglich ist und kein aufkommendes Kraut aus den Fugen entfernt werden muss.

Der sich bislang wenig zur Luisenstraße öffnende Südhang wird durch eine neue Treppenanlage unter Schonung des angrenzenden Gehölzbestandes erschlossen. Eine bislang untergeordnete Wegebeziehung westlich der bestehenden Sporthalle wird mit der sich verjüngenden Treppenanlage eine neue stadträumliche Qualität erzeugen und das südöstlich liegende Wohnquartier und die Königstorschule besser an Grünzug und Annaplatz anbinden.

Das Motiv der roten Bänke wird in der Gesamtanlage als wiederkehrendes Element aufgenommen. Die Treppen werden abschnittsweise von Betonmauern gefasst, die von Künstlern von KolorCubes Kassel gestaltet wurden. Eine Ortbetonwand gliedert den unteren Treppenlauf, so dass hier ein Sitz- und Chillbereich für die Jugend entsteht. Es ist vorgesehen, die Mauern und Sitzelemente von Jugendlichen gestalten zu lassen.

Auf dem Plateau des Motzberges bleibt der Parkcharakter erhalten und die Nutzung für alle Altersstufen durch verbesserte Spiel- und Aufenthaltsangebote optimiert. Sämtliche Wege werden mit Betonsteinpflaster befestigt.

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8 Spielbereiche und Rasenfläche erfreuen sich großer Beliebtheit. Foto: Wette+Küneke
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9 Umbau des Baskettballfeldes zu einem vielfältig nutzbaren Spielbereich. Foto: Wette+Küneke
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10 Mit einem Fest wurde die intensive Anwohnerbeteiligung abgeschlossen. Foto: Wette+Küneke

Die Spiel- und Aufenthaltsbereiche werden neu geordnet und nach Anregungen aus den durchgeführten Beteiligungen ausgestattet. Nördlich der Sporthalle wird ein neuer Bereich für Kleinkinder entstehen. Das bestehende Basketballfeld im Südwesten wird zu einem generationsübergreifenden Mehrzweckspielfeld für weitere Aktivitäten entwickelt. Das Spielangebot wird durch ein zusätzlich aufgestelltes Fußballtor auf der westlichen Längsseite erweitert.

Insgesamt wird ein großzügiger, vielfältig nutzbarer Bürgerpark mit hohem Aufenthaltswert für das gesamte Quartier und darüber hinaus entstehen.

Zusammenfassung und Fazit

Das umgesetzte Projekt schafft im begehrten Kasseler Stadtteil Vorderer Westen einen Mehrwert in vielfacher Hinsicht. Durch Flächentausch entstehen hochwertige 2-4 Zimmer- Wohnungen mit insgesamt rund 2600 Quadratmeter Wohnfläche und zusammenhängende öffentliche Grünflächen von 12 200 Quadratmeter. Grünflächen und Stadtplatz bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten mit einer breiten Palette an Spielangeboten für alle Altersgruppen. Ein durchgehender Grünzug wurde angelegt, der unter anderem zwei Schulen miteinander verbindet. Somit wurden sichere Schulwege ermöglicht und insgesamt eine hohe Aufenthaltsqualität im Quartier geschaffen. Eine neue großzügige "Treppenanlage der Jugend" verbindet den südlich gelegenen Stadtteil mit dem neuen Angebot.

Die positive Resonanz der Bewohner auf die fertiggestellten Anlagen bestätigt die ambitionierte Planung: Auf dem Annaplatz werden Feste gefeiert, die vielen von den Bürgern mitbestimmten Angebote werden generationsübergreifend intensiv genutzt.

 Ludger Röken
Autor

Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel
 Jana Steinbeck
Autorin

Landschaftsarchitektin

Dipl.-Ing. Wolfgang Wette
Autor

Landschaftsarchitekt und Landschaftsplaner, Inhaber von Wette+Küneke Landschaftsarchitekten

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