Gemeinde im Fichtelgebirge engagiert sich für Gartenkultur

Öffentliche Gärten im Kräuterdorf Nagel

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Artenvielfalt Biodiversität
Abb. 1: Lageplan der öffentlichen Gärten im Kräuterdorf Nagel. Grafik: Gemeinde Nagel 2021, Layout: a.k.m. Bayreuth
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Abb. 2: Plan des "Duft- und Schmetterlingsgartens". Grafik zur Verfügung gestellt von der Gemeinde Nagel 2021. Abbildung und Planung: Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsarchitektin Marion Schlichtiger, Wunsiedel

Nagel ist eine kleine Gemeinde im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel im Naturpark Fichtelgebirge mit etwa 1700 Einwohnern und liegt am Nageler See, einem naturnahen Badesee. Kräuterkunde hat in Nagel eine lange Tradition, die seit einigen Jahren durch eine engagierte Gruppe aus lokalen Kräuterkundigen wieder aufgegriffen und mit Aktionen, Veranstaltungen und Kursen, die auch über Nagel hinaus auf viel Interesse stoßen, neu belebt wird.

Der Natur- und Kräuterdorfverein Nagel e. V. und die Nageler "Kräuterfrauen" haben sich in Nagel mit ihrem Engagement inzwischen fest etabliert. Viele der "Kräuterfrauen" vom "Kräuterstammtisch Herberia" haben sich in einer Umweltstation ausbilden lassen und sind - teilweise bereits seit vielen Jahren - als "Kräuterführerinnen" zertifiziert.

Offensichtlich gestärkt durch einen Bürgerentscheid 2012 zugunsten der Etablierung Nagels als "Kräuterdorf" wurde dort neben den öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen des Natur- und Kräuterdorfvereins Nagel e. V. und der "Kräuterfrauen" ein Gesamtkonzept erarbeitet, mit dem die Nageler Bevölkerung zur Anlage eigener Natur- und Kräutergärten angeregt wird. Außerdem wurde die Anlage von öffentlichen Kräutergärten von der Gemeinde beschlossen, geplant und erfolgreich umgesetzt - in Form von Freiraumprojekten, die für eine Gemeinde der Größe von Nagel äußerst umfassend erscheinen und dennoch relativ schnell realisiert wurden.

So befinden sich heute im Kräuterdorf Nagel vier öffentlich zugängliche Gärten: der Kräutergarten am "Haus der Kräuter" zentral in Nagel, der "Bauerngarten" im östlich gelegenen Ortsteil Reichenbach, der "Duft- und Schmetterlingsgarten" westlich vom Nageler See und der "Zeit- und Erlebnisgarten" am östlichen Ortsrand von Nagel. Die letzteren beiden und größeren dieser vier Gärten werden hier auf Grund ihrer naturnahen und zugleich modernen Gestaltung sowie ihrer biodiversitätsfördernden und gleichzeitig attraktiven Bepflanzung näher vorgestellt. Geplant wurden die beiden Gärten von der Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsarchitektin Marion Schlichtiger aus dem nahen Wunsiedel. Die Pflege erfolgt seit Mai 2021 hauptsächlich durch die Dipl.-Ing. (FH) Gartenbau und Nageler Gemeindegärtnerin Melanie Kellner. Beide Gärten sind frei zugänglich. Regelmäßige Führungen bieten die Möglichkeit, detaillierte Informationen zu erhalten.

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Abb. 3: Roter Sonnenhut (Echinacea purpurea) mit anderen Pflanzen in einem Beet mit Trittsteinen im "Duft- und Schmetterlingsgarten". Foto: Jonas Renk
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Abb. 4: Steiniges Beet mit Thymian (Thymus)-Arten und -Sorten mit weiteren Pflanzen zwischen zwei Wegen im "Duft- und Schmetterlingsgarten". Foto: Jonas Renk
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Abb. 5: Steiniges Beet mit Lavendel (Lavandula angustifolia), Thymian (Thymus), Dost (Origanum vulgare) und anderen Pflanzen sowie Tritt- und Sitzsteinen im "Duft- und Schmetterlingsgarten", rechts im Hintergrund die Kräuterspirale mit Trockenmauer. Foto: Jonas Renk

Duft- und Schmetterlingsgarten

Der "Duft- und Schmetterlingsgarten" am Nageler See wurde 2013 eingeweiht. Er besteht aus zahlreichen Beeten, in denen viele Nektar und Pollen bildende Stauden und Gehölze gepflanzt sind, die - wenn auch zu einem großen Teil selbst nicht heimisch - dort sehr zur Vielfalt lebensraumtypischer heimischer Insekten wie Schmetterlingen, Solitärbienen und -wespen und anderer Tiere beitragen.

So umfasst die biodiversitätsfördernde Bepflanzung der Beete zum Beispiel mediterrane Kräuter und Kleinsträucher wie entsprechende Thymian (Thymus)-Arten und -Sorten, Lavendel (Lavandula angustifolia), Salbei (Salvia officinalis) und Dost (Origanum vulgare), nordamerikanische Präriestauden wie Roten Sonnenhut (Echinacea purpurea) und Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) oder die aus Asien stammenden Schmetterlingspflanzen Zitronen-Taglilie (Hemerocallis citrina) und Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii).

Im südlichen Teil des Gartens sind Strauchgruppen und Hecken zu den dort angrenzenden Flächen hin gepflanzt, die den Garten räumlich halboffen einfassen. Das leicht nach Osten zum See hin abfallende Gelände hat im obersten Teil einen exponierten Aussichtsplatz mit einer bepflanzten Pergola. Im östlichen Teil sind Extensivwiesen zur Förderung von Insekten wie insbesondere Schmetterlingen angelegt. Ein dynamisch-geschwungen gestaltetes und organisch wirkendes Wegesystem untergliedert die Beete einerseits durch Wege mit wassergebundener Deckschicht und Randeinfassung aus gebrochenem Granit als lokaltypischem Naturstein, andererseits führen Granit-Trittsteine in und durch die Beete.

An einigen Stellen finden sich Trockenmauerstrukturen, die vielen Tieren Lebensraum bieten können. Nach Norden hin geht das Wegesystem trichterförmig ohne Einzäunung oder Randbepflanzung fließend in die anschließenden Rasenflächen am Ufer des Badesees über.

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Abb. 6: Plan des "Zeit- und Erlebnisgartens" (Grafik zur Verfügung gestellt von der Gemeinde Nagel 2021; Planung: Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsarchitektin Marion Schlichtiger, Wunsiedel
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Abb. 7: Blick über die "Zeitreise"-Beete im "Zeit- und Erlebnisgarten", im Hintergrund der Info-Pavillon mit Aussichtsdeck. Foto: Jonas Renk
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Abb. 8: Blick vom Aussichtsdeck über den unteren Bereich des "Zeit- und Erlebnisgartens", rechts im Hintergrund die Nageler Pfarrkirche "Maria Rosenkranzkönigin". Foto: Jonas Renk

Zeit- und Erlebnisgarten

Ein Jahr nach der Eröffnung des "Duft- und Schmetterlingsgartens" wurde 2014 zusammen mit dem "Haus der Kräuter" auch der "Zeit- und Erlebnisgarten" eingeweiht. Der mittlere Teil dieses Gartens ist thematisch gegliedert in einen "Erlebnis"-Bereich im oberen östlichen Teil und einen "Zeitreise"-Bereich im unteren westlichen Teil, in dem sich auch der Eingang befindet.

Auf der Info-Tafel am Eingang des Gartens wird neben einem Überblick über die thematische Gliederung des Gartens der Violette Feuerfalter (Lycaena alciphron) gewissermaßen als Flaggschiff-Art mit seinen Lebensraumbedingungen vorgestellt. Dieser Schmetterling kommt in bayerischen Mittelgebirgen wie Nagel vor, ist jedoch sehr selten und inzwischen in der Roten Liste sogar als stark gefährdet eingestuft ist (Quelle Rote-Liste-Status: Rote-Liste-Zentrum, 23.12.2021). Mit dem Garten wird diesem Falter neben vielen anderen Tieren Lebensraum angeboten.

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Abb. 9: Kleiner Fuchs auf einem Dost im "Zeit- und Erlebnisgarten". Foto: Jonas Renk
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Abb. 10: Tagpfauenaugen, Admiralfalter und Kleiner Fuchs auf einem weiß blühenden Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii- Hybrid) im „Zeit- und Erlebnisgarten“. Foto: Jonas Renk
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Abb. 11: Admiralfalter auf einem weiß blühenden Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii-Hybrid) im "Zeit- und Erlebnisgarten". Foto: Jonas Renk
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Abb. 12: Ödlandschrecke (Oedipoda spec.) gut getarnt in einem der steinigen Staudenbeete im "Zeit- und Erlebnisgarten". Foto: Jonas Renk

Im "Zeitreise"-Bereich werden die Besucher durch die Wegführung und die Anordnung der thematischen Bereiche sowie ein entsprechendes System aus Info-Tafeln vom "Steinzeit"-Beet am Eingang über die Beete zu "Antike", "Mittelalter" und "Frühe Neuzeit" bis hin zum "Moderne"-Beet geführt. Dabei werden den Besuchern die in den Beeten gepflanzten typischen Kräuter mit ihrem spezifischen Verwendungszweck für die Menschen der damaligen Zeit, etwa als Heilpflanze, als Küchengewürz oder zum Färben, vorgestellt. So werden beispielsweise im "Mittelalter"-Beet typische Kräuter der mittelalterlichen Klostergärten - Färberkamille (Anthemis tinctoria), Engelwurz (Angelica archangelica) und Herzgespann (Leonurus cardiaca) gezeigt.

In dem an den "Zeitreise"-Bereich anschließenden "Erlebnis"-Bereich im oberen Teil des Gartens werden die Besucher zur ganzheitlichen Wahrnehmung von Pflanzen mit entsprechenden Eigenschaften angeregt. Viele der im "Duft- und Schmetterlingsgarten" gepflanzten Stauden und Gehölze mit reichhaltigem Blütenangebot für Insekten finden sich im "Zeit- und Erlebnisgarten" wieder.

Auch die Wege mit wassergebundener Deckschicht und Randeinfassung aus gebrochenem Granit und die Trockenmauerstrukturen wurden im "Zeit- und Erlebnisgarten" aufgegriffen. Am nord-östlichen Rand des Gartens befindet sich ein Info-Pavillon mit Aussichtsdeck, von dem aus ein Überblick über den Garten und weite Sichtbezüge in Ort und Landschaft geboten werden. Den Randbereich des Gartens bilden extensiv gemähte Wiesen und zur Straße hin Gehölzgruppen.

Fazit und Ausblick

Im "Duft- und Schmetterlingsgarten" und im "Zeit- und Erlebnisgarten" im Kräuterdorf Nagel sind moderne Landschaftsarchitektur mit traditioneller Gartenkultur und ganzheitliches Naturerlebnis mit historischer Kräuterkunde ausgewogen verbunden, wobei naturnahe Gestaltung und biodiversitätsfördernde Bepflanzung wirksam und wahrnehmbar integriert sind.

Beim Besuch der beiden Gärten im Spätsommer 2021 wurde eine auffallend hohe Insektenvielfalt insbesondere der Tagfalter, Solitär-Bienen und -Wespen festgestellt. Die naturnahe und biodiversitätsfördernde Gestaltung äußert sich in den beiden Gärten nicht nur in der Bepflanzung, sondern darüber hinaus auch in der Materialwahl, der Wegeführung und der Strukturierung. Darüber hinaus zeigen die beiden Gärten eindrucksvoll, dass auch von kleinen Gemeinden umfassende Freiraum- und Biodiversitätsprojekte auf den Weg gebracht und erfolgreich realisiert werden können.

Nähere Informationen über das Kräuterdorf Nagel und seine öffentlichen Gärten finden Sie unter:

www.kraeuterdorf-nagel.de

M.Sc. (TUM) Jonas Renk
Autor

Umweltplaner und Ingenieurökologe, freiberuflicher Fachautor und Berater für Naturschutz und Biodiversität

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