Optionen zur Klimaverbesserung und Biodiversitätsförderung
Attraktive Staudenpflanzungen in urbanen Versickerungsmulden
von: M. Sc. Daniela Corduan, M. Sc. Anika Gathof, M. Sc. Anita Grossmann, Prof. Dr. Norbert KühnFür das Funktionieren unserer Städte sind grüne und blaue Infrastrukturen notwendig. Wird beides kombiniert, entstehen Synergien, die helfen, den Wasserhaushalt zu verbessern, einen Beitrag zur Klimaadaption zu leisten und die Biodiversität zu erhöhen.
Versickerungsmulden können multifunktionale Aufgaben auf Quartiersebene übernehmen. Um Regenereignisse zu managen und damit auch die Auswirkungen von Starkregen zu puffern, werden sie als Teil der grünen Infrastruktur allgemein empfohlen. Üblicherweise werden sie mit Rasen bepflanzt. Es fehlen Empfehlungen für eine geeignete Pflanzenauswahl dieser wechselfeuchten bis wechseltrockenen Standorte, um daraus attraktive Flächen mit hoher Biodiversität entwickeln zu können.
Durch die Kooperation zwischen der Technischen Universität Berlin/Fachgebiet Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung, den Berliner Wasserbetrieben und der Berliner Regenwasseragentur konnte durch Fördermittel der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) eine Forschung zu Stauden in Versickerungsmulden ins Leben gerufen werden. Ziel dieser Forschung ist es, eine Bepflanzung von Mulden mit Stauden zu entwickeln, die die Stadtquartiere aufwertet, die Versickerung verbessert und gleichzeitig zur Förderung der biologischen Diversität beiträgt. Als Low-Tech-Maßnahme kann eine solche Staudenpflanzung bei geringen Kosten eine nachhaltige Lösung für viele Städte bieten
Aufbau der Forschung
Im Herbst 2021 konnten die Versuchsanlagen auf dem Forschungsgelände des Fachgebietes Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung in Berlin Dahlem und an einem Modellstandort in Berlin (Rummelsburg) realisiert werden. Um die Entwicklung der Pflanzen ohne Fremdeinwirkung zu untersuchen, sind die randomisierten Versickerungsmulden auf dem Forschungsgelände eingezäunt. Der Abfluss, der am Realstandort von den umgebenden versiegelten Flächen in die Mulde geleitet wird, wird auf dem Forschungsgelände mittels Bewässerungstechnik zusätzlich hinzugegeben. In beiden Mulden befindet sich eine ausgewählte Pflanzenmischung von 17 unterschiedlichen Arten. Die Dichte beträgt zwölf Stück pro Quadratmeter.
Um das Verhalten der Einzelarten und ihre Strategien bezüglich der Stressphänomene noch genauer verstehen zu können, sind zehn der ausgewählten Arten zusätzlich in einem Reinbestand mit je vier Stück pro Wassertonne auf dem Forschungsgelände in Dahlem aufgepflanzt (s. Abb.2). Auch hier werden die entsprechenden Umweltbedingungen simuliert.
Aufbauend auf den Ergebnissen der Forschung von Eppel (2003) und der Einfachheit des Low-Tech-Prinzips wurde der Untergrund gemäß der Niederschlagswasserfreistellungs-Verordnung (NWFreiV 2001) in den Versuchsparzellen mit einer 30 Zentimeter starken Oberbodenschicht eingebaut. Darunter befindet sich der jeweils anstehende Boden.
Oberbodengemische
Zwei unterschiedliche Qualitäten des Oberbodens werden verglichen. Sie unterscheiden sich in der Durchlässigkeit und Wasser- beziehungsweise Nährstoffaufnahmefähigkeit. Bei Variante A wird der im Regelblatt 601 der Berliner Wasserbetriebe definierte Oberboden eingebaut. Folgende Anforderungen gelten für die Oberbodenmischung (massebezogen): 2-3 Prozent Gehalt organischer Substanz, 5-10 Prozent Ton- und Schluffgehalt, der pH-Wert liegt zwischen 6-8. Somit entsteht ein typisch, magerer Versickerungsstandort mit einem hohen Durchlässigkeitsbeiwert (kf-Wert zwischen 10-4-10-5m/s).
Auch in Variante B kommt das Oberbodengemisch der Wasserbetriebe zum Einsatz. Es wurde aber zusätzlich mit Zuschlagsstoffen angereichert, um die Wasser- und Nährstoffaufnahme zu verbessern. Hierbei wurde eine bereits bewährte Substratmischung des Fachgebietes Bodenkunde der TU Berlin verwendet. Das Substrat "Bodenkunde-Design" besteht aus einem Verhältnis von 8:1:1 und setzt sich zusammen aus dem BWB-Oberbodengemisch: Biokohle: Eisenschlamm (Kühn et al. 2017). Biokohle ist in der Lage Schadstoffe zu adsorbieren, das Wasserrückhaltevermögen des Bodens zu verbessern, Nährstoffe für die Pflanzenaufnahme zurückzuhalten und langsam freizusetzen. Durch diese Fähigkeiten wird Biokohle auch für das Regenwassermanagement in Betracht gezogen (Mohanty et al. 2018). Eisenschlamm wirkt als "Kitt" zwischen den Bodenaggregaten, was die Wasserspeicherung zusätzlich unterstützt und für weitere Bindungsplätze von Nähr-Anionen sorgt (Zirkler 2020).
Alle Flächen sind mit Grauwackesplitt in der Stärke 8/16er in einer Dicke von 10 Zentimeter abgemulcht worden, um den ersten Anflug von Wildkräutern abzuschwächen, die Etablierung der Stauden zu erleichtern und die Fläche vor zu schnellem Austrocknen zu bewahren.
Auswahl geeigneter Arten
Für die Pflanzenauswahl spielen die klimatischen Bedingungen Berlins eine bedeutende Rolle, da Berlin zu den niederschlagsarmen Regionen Deutschlands zählt und 2022 sogar die niederschlagsärmste Region mit nur 403 Millimeter darstellte (DWD 2022). Grundsätzlich kann in Versickerungsmulden von einem wechseltrockenen Standort ausgegangen werden, der feuchtigkeitsliebende Pflanzen größtenteils ausschließt. Für Berlin liegt folglich verstärkt das Augenmerk auf sonnen- und trockenheitsliebenden Arten, die trotzdem in der Lage sind einen Überstau durch Starkregenereignisse zu überstehen.
Die Auswahl der Arten, die für den Standort der Versickerungsmulde in städtischen Bereichen Berlins getestet werden, konzentriert sich auf Stauden und Gräser mit mittel bis tiefgehenden Wurzelsystemen. Diese morphologische Anpassung hat den Vorteil, dass sich mehr Sauerstoff in der Bodenzone befindet. Durch die entlang der Wurzeln entstehenden Poren verbessert sich die Versickerung und zeitgleich auch die Wasserhaltefähigkeit (Le Coustumer et al. 2012, Yuan et al. 2017). Gerade trockenheitsverträgliche Arten besitzen ein angepasstes, teils tiefgehendes oder verdicktes Wurzelsystem, welches in der Lage ist, Dürreperioden ohne zusätzliche Wassergaben zu überstehen (Larcher 2001).
Charakter der Artenmischung
Die Mischung besteht aus insgesamt 17 Arten. Vierzehn Blütenpflanzen (inklusive Geophyten) mit unterschiedlichen Blütenfarben mischen sich mit drei Gräsern unterschiedlicher Höhe. Das Höhenwachstum reicht von 20 Zentimeter bis circa 150 Zentimeter. Die Blütezeit beginnt im zeitigen Frühjahr mit Iris reticulata, erstreckt sich über die gesamte Vegetationsperiode mit einigen auffälligen Aspekten (Blüte von Salvia nemorosa, Linum perenne, Silene vulgaris, Eryngium planum) und endet erst mit dem einsetzenden Frost (Vernonia arkansana). Visuell lässt sie sich als lockere Wiesenpflanzung beschreiben, deren Höhe und Dichte mit der Jahreszeit zunimmt. Gepflanzt wurde nach dem Mischpflanzenprinzip (Keine Gruppierungen von Pflanzen derselben Art).
Ökologisch gesehen setzt sich die Mischung aus unterschiedlichen Lebensformen von kurzlebigen und langlebigen Pflanzen zusammen (Abb. 3). Durch die unterschiedliche zeitliche und räumliche Einnischung der Pflanzen soll sichergestellt werden, dass sich aus der Pflanzung auch eine stabile Biozönose entwickeln kann.
Acht der aufgelisteten Arten wurden bereits in bestehenden Versickerungsanlagen als vital beschrieben (Corduan 2019, Eppel-Hotz 2019). Sie werden als risikoarm (ra) eingestuft, das heißt, es wird erwartet, dass sie sich in dieser Situation bewähren. Zu acht weiteren Arten liegen keine Erfahrungen für Versickerungsmulden vor, weshalb sie als Risiko unbekannt (ru) eingestuft werden. Sieben Arten sind heimisch (h), vier sind kultivierte Sorten aus heimischen Arten (h/k) und sechs sind fremdländische Arten (f) aus Nordamerika (f/N), Osteuropa (f/O) und Asien (f/A). Für die fremdländischen Arten besteht kein bekanntes Invasionsrisiko. Die Mischung besteht aus Flach- (F= <30 cm), Mittel- (M= >30 cm), und Tiefwurzlern (T= > ca. 140 cm), wobei die Pflanzen mit einem mittleren bis tiefen Wurzelsystem überwiegen. Tiefreichende Wurzelsysteme sind zum Beispiel bei der Familie der Doldenblütler weit verbreitet. Zu dieser Familie gehören Daucus carota, Eryngium planum und Seseli montanum. Zudem können für die Pflanze auch weitere morphologische Ausprägungen zu einer erhöhten Anpassungsfähigkeit gegenüber Trockenheit führen. Silene vulgaris besitzt beispielsweise einen besonderen Vorteil in Trockenzeiten, da ihr Wurzelsystem neben dem Tiefenstreben auch durch dickfleischige Wurzeln Wasser einspeichern kann (Kutschera 1960).
Biodiversitätsförderung
Die Bepflanzung der Versickerungsmulden mit Stauden soll sich auch positiv auf die Biodiversität auswirken. Dementsprechend wurde bei der Auswahl der Pflanzen ihre Eignung als Pollen- und/oder Nektarressource sowie als Niststruktur für unterschiedliche Insekten berücksichtigt. Die Blütezeitenverteilung von März bis Ende Oktober sollte auch sicherstellen, dass immer ein Nahrungsangebot vorhanden ist. Um dies zu erzielen ist eine Mischung aus fremdländischen und heimischen Arten zusammengestellt worden. Insbesondere die fremdländischen Arten sind diejenigen, die bereits im Frühjahr blühen und die Saison im Herbst mit ihrer Blüte abschließen. Zusätzlich bieten offene Bodenstellen geeigneten Nistraum für Arten, die ihre Brutzellen unterirdisch anlegen - dies trifft zum Beispiel auf über 50 Prozent der heimischen Wildbienenarten zu.
Erkenntnisse des ersten Standjahres
Mortalitäts- und Vitalitätsbestimmung der Arten
Mit der Blüte der ersten Frühjahrsgeophyten hat die Datenerhebung im Frühjahr 2022 begonnen. Die Ausfallrate (Mortalität) der Arten ist zu Anfang des Jahres und zu Ende der Vegetationsperiode aufgenommen worden. Der erste Eindruck ist insgesamt positiv. Der Ausfall ist bei allen Arten gering. Nur eine Art musste aus den Beobachtungen ausgeschlossen werden. Von Ajuga genevensis haben nur wenige Individuen den Winter überlebt.
Die Bepflanzung hat sich auf beiden Forschungsstandorten und auf beiden Oberbodengemischen sehr gut entwickelt und zeigte gewünschte Blühaspekte. In den ohne interspezifische Konkurrenz gepflanzten Arten der Dahlemer Regentonnen sind die Pflanzen besonders gut gewachsen. Im Vergleich zu den Exemplaren in den Mischungen haben sie sich teils um das Zwei- bis Dreifache üppiger entwickelt (s. Abb. 2). Ob sich die unterschiedlichen Oberbodengemische auf den Pflanzenbestand ausgewirkt haben, war optisch bisher nicht festzustellen. Eine statistische Auswertung folgt nach 2023. Die eingesetzten kurzlebigen Arten, wie Silene vulgaris (Taubenkropf-Leimkraut) und Daucus carota (wilde Möhre), haben sich sehr üppig entwickelt und bereits im ersten Jahr stark generativ reproduziert (Abb. 4). Versamung fand außerdem bei weiteren Pflanzen wie Eryngium planum (Mannstreu) und Linum perenne (Staudenlein) statt.
Die Trockenperioden diesen Sommer sind überraschend gut überstanden worden. Gerade im August ist die aufgenommene Bodenfeuchte sehr niedrig ausgefallen. Die Pflanzen zeigten Symptome von Trockenstress, sind nach den nächsten Regenfällen aber wieder neu ausgetrieben, was ihre Toleranz gegenüber dieser Wetterextreme belegt (Abb. 5).
Pflegemaßnahmen und Pflegezeiten
Insgesamt haben drei Pflegegänge innerhalb der ersten Vegetationsperiode stattgefunden (April, Juni, August). Der Fokus lag dabei auf den stark wachsenden und verdrängenden Wildkräutern. Einjährige und kleine Wildkräuter wurden ignoriert, da sie nicht in Konkurrenz mit den gepflanzten Arten stehen. Die Pflegezeit wurde dokumentiert. Hierbei unterschieden sich die Pflegezeiten an den zwei Versuchsstandorten. Da an der Bestandsmulde in Rummelsburg für den Start der Forschung nur der Oberboden die ersten 30 Zentimeter ausgetauscht wurde, gab es weiterhin viele Rhizomrückstände der tiefwurzelnden Convolvulus arvensis (Acker-Winde). Durch ihr Aufkommen sind die Pflegezeiten in der Stadtmulde höher als auf den Dahlemer Forschungsflächen. Der Aufwand bleibt dennoch sehr gering, da die durchschnittlichen Pflegezeiten für eine Person bei 02:30 Minuten pro Quadratmeter in Rummelsburg und bei 01:45 Minuten pro Quadratmeter in Dahlem liegen. Nach Schmidt 2005 handelt es sich dementsprechend um eine Pflege mit sehr geringem Aufwand, was die Pflanzung für das öffentliche Grün interessant macht. Dennoch ist nicht zu unterschätzen, dass es sich bei den Pflegenden um ausgebildete Gärtner*innen handelt, die eine besonders hohe Artenkenntnis besitzen.
Insgesamt sind zwei Bewässerungsgänge im trockenen Frühjahr zur Anwachsphase notwendig gewesen. Zur Pflanzzeit selbst sind im Herbst genügend Regenfälle aufgetreten, sodass die Bepflanzung ohne weitere Wassergaben durch die gesamte Vegetationsperiode gekommen ist. Im Februar 2023 sind die Flächen mit der Heckenschere geschnitten worden und das Mähgut wurde abgefahren. Somit konnte der neue Jahreszyklus mit dem Austrieb der Netzblattiris, Iris reticulata, beginnen.
Bestäubernetzwerkanalyse
Um das Potenzial der Staudenbepflanzung für Bestäuber einschätzen zu können, wurde im Jahr 2022 im Zeitraum von April bis September eine Bestäubernetzwerkanalyse an den Standorten in Dahlem und Rummelsburg durchgeführt. Zusätzlich zu den Neuanlagen wurde eine Rasenmulde beprobt, die sich seit ihrer Anlage im Jahr 2010 durch spontan hinzugekommene Arten weiterentwickelt hat. Ziel war es, herauszufinden, welches Umgebungspotenzial besteht, wie hoch die Attraktivität der gepflanzten Stauden für Bienen, Schwebfliegen und Tagfalter ist und welche Pflanzenarten von welchen Bestäubern besonders häufig angeflogen werden. Hierfür wurden speziell Blüteninteraktionen im monatlichen Rhythmus dokumentiert. Bei jedem Termin wurden die Blütenbesuche der Bestäuber über einen Zeitraum von jeweils 45 Minuten vormittags und nachmittags erfasst. Bestäuberarten, die nicht im Gelände bestimmt werden können, wurden mittels Kescherfang eingesammelt und im Labor nachbestimmt. Für die Anfertigung einer Gesamtartenliste wurden zusätzlich alle in den Mulden gesichteten Bestäuberarten dokumentiert.
Insgesamt wurden in den bepflanzten Versickerungsmulden der beiden Standorte 62 Bestäuberarten beobachtet, darunter 47 Bienenarten, zehn Schwebfliegenarten und fünf Tagfalterarten. Mit 49 Bestäubern konnten in Dahlem am meisten Arten dokumentiert werden, was offensichtlich am hohen Umgebungspotenzial dieser landwirtschaftlich geprägten Insel innerhalb der Stadt liegt. In den Mulden in Rummelsburg dagegen, ein verdichtetes Quartier südöstlich des Berliner Stadtzentrums an der Spree, konnten 39 Bestäuber (Stauden-Mulde) und 34 (Rasenmulde) nachgewiesen werden. Die hohe Anzahl der Arten in der Rasenmulde überrascht, zeigt aber, dass solche inzwischen eingewachsenen Lebensräume durchaus ein hohes Potenzial haben, auch wenn es beim ersten Anblick aufgrund fehlender ästhetischer Qualitäten gar nicht so scheint. Von allen gepflanzten Arten hatte Salvia nemorosa mit Abstand die meisten Blütenbesucher, wobei sie besonders bei den Bienen (16 Arten) und in erster Linie den Honigbienen (Apis mellifera) sehr beliebt war. Unter den Wildbienen erzielte Daucus carota die höchste Anzahl an Blütenkontakten, während Euphorbia segueriana mit 26 verschiedenen Arten die höchste Diversität an Bestäubern angezogen hat - 18 Bienenarten, sieben Schwebfliegenarten und eine Tagfalterart.
An der Rasenmulde konnte eine überraschend hohe Anzahl an Bestäuberarten mit 31 Bienenarten, einer Schwebfliegenart und zwei Tagfalterarten nachgewiesen werden, was auf eine Eignung als Habitat insbesondere für Bienen hindeutet. Gerade die über die Jahre spontan aufgekommene Vegetation mit Berteroa incana, Diplotaxis tenuifolia, Echium vulgare etc. macht den Rasen so attraktiv, sodass die höchste Diversität an Bienen auf die Spontanvegetation zurückzuführen ist. Bei Schwebfliegen und Tagfaltern konnten hingegen mehr Arten in den bepflanzten Versickerungsmulden beobachtet werden.
Neben ihrem Angebot an Pollen- und Nektarpflanzen wiesen alle untersuchten Mulden Potenzial als Lebensraum durch die Bereitstellung geeigneter Niststrukturen sowie Raupenfutterpflanzen auf. Erwähnenswert an dieser Stelle ist der Artnachweis des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon) - Vorwarnliste in Berlin - der im Raupenstadium an Seseli montanum in der Rummelsburger Versickerungsmulde gesichtet wurde (Abb. 8). Zudem konnten noch fünf Bienenarten der Vorwarnliste und sieben gefährdete Arten - Rote Liste Berlin Kategorien 0 bis 3 - in den Mulden dokumentiert werden (Saure 2005).
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Versickerungsmulden mit geeignetem Pflanzenangebot als Refugien für diverse Bestäubergemeinschaften, auch in hoch urbanen Bereichen mit geringer Grünversorgung, dienen können. Dabei spielt neben dem Blütenangebot sicher auch das Umgebungspotenzial und die Möglichkeit mit der Zeit Wechselbeziehungen auszubilden eine wichtige Rolle.
Ausblick
Bisher waren die Beobachtungen zu den Trockenheitsresistenzen der Pflanzenarten und den Interaktionen der Bestäuber vielversprechend. Eine Pflanzung lebt jedoch vom Wandel und wird sich im Laufe der Jahre trotz gleichbleibender Pflege visuell wie auch ökologisch verändern. Wie sich die Arten entwickeln, wird auch in diesem Jahr weiter beobachtet. Spannend bleibt außerdem wie sich das Jahr 2023 bezüglich der Starkregenereignisse verhält und in welcher Frequenz Trockenperioden und Starkregenfälle aufeinanderfolgen und die Pflanzung beeinflussen. Ebenfalls werden weiterhin die Bestäuberkontakte gezählt und darüber hinaus eine erweiterte Aufnahme zusätzlicher Insektengruppen durchgeführt.
Gerade die Koppelung von urbanem Grün in Versickerungsmulden und dem Wissen um die Bestäuberfreundlichkeit fördert ein grünes Netzwerk an vielfältigen Freiraumstrukturen, das einerseits klimatischen Ausgleich und andererseits Rückzugs- und Nischenräume für Tiere bieten kann.
Literatur
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