Die Rückkehr des Politischen ins öffentliche Grün

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Parks und Gärten
x–LArch. Park Politics – Zur Rolle der Politik für die Gestaltung des öffentlichen Raums fand vom 7.–9. Juni 2018 in Wien statt. Foto: Christoph Gruber, ZID/BOKU-IT

Das Private ist bekanntlich politisch - das Öffentliche erst recht: Park Politics - eine internationale Konferenz des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur, Boku, in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien fragte kürzlich nach den Ausdrucksweisen der Rückkehr des Politischen ins öffentliche Grün.

Spricht man von öffentlichem Raum, ist oft zweierlei implizit: Erstens redet man über die Stadt; zweitens geht es nun um das, was daran politisch ist. Auf diese urbane Schlagseite des öffentlichen Raums verweist auch die gemeinsame Wortherkunft von Stadt/Polis und Politik. Von Ankara bis Tel Aviv, von Bogotá bis Berlin, von Nepal bis New Jersey: öffentliche Parkanlagen sind alltäglicher Bestandteil der Bewohnerinnen und Bewohner von Städten. Als solcher werden auch sie politisch gefasst: Sie unterliegen naheliegenderweise (meist) einer Verwaltung und obliegen damit der Obhut kommunaler Planungsabteilungen und Stadtgartenämter. Deren Pflegeregime reflektieren bestimmte planerische Werthaltungen oder ganz einfach den ökonomischen Druck, dem sie ausgesetzt sind.

Das Regelwerk von Parkanlagen ist mitunter Teil von Aushandlungsprozessen, wie man sie in Berlin in der Debatte um das Grillen im Grünen erlebte oder in Wien um das allgemeine Liegeverbot, das erst 2008 aus der städtischen Parkordnung verbannt wurde. Darüber hinaus können Parks selbst zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung werden. Durch ihre existenzielle Bedrohung entzündet sich mitunter ein Lauffeuer der Proteste. Das wohl bisher berüchtigtste Beispiel hierfür war der Taksim Gesi Park in Istanbul.

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Politik muss zurück in den Park gebracht werden! Landschaftsarchitektur zeigt die oft umstrittene Natur von Orten auf (Emily Eliza Scott). Foto: Florian Spielauer
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Was macht einen Raum „öffentlich“? Öffentlicher Zugang und öffentliche Eigentümerschaft ist die einfache Antwort, in Wirklichkeit ist die Grenze zwischen privat und öffentlich wesentlich unscharf (Bernd Belina). Foto: Florian Spielauer

Bemüht man seine Vorstellungskraft um ein Bild von einem städtischen Park - gleich ob historisch oder kontemporär - illustriert dieses aller Wahrscheinlichkeit, was in ihm, gegenüber dem, was außerhalb von ihm passiert. Parks sind durch ihre Grenzen definiert, sie schotten sich von den äußeren Vorgängen ab, programmatisch und bisweilen auch physisch. Es mag dieser Isolierungseffekt sein, der den Laien und die Laiin gelegentlich dazu hinreißen lässt, diese oft künstlerisch, jedenfalls künstlich gestalteten Anlagen mit realer Natur gleichzusetzen; und für die eingeborene Städterin kann der Park auch tatsächlich der Ort sein, wo sie ihre Idealnatur erstmalig definiert. Dabei ist die Naturerfahrung selbst ideologisch. Natur wird zum Trugbild und zur Projektionsfläche und steht dabei als Kompensation zur industrialisierten Stadt in vermeintlicher Antithese zur Technik. In Parks hingegen treten die, jeweils zeitgenössischen, technologiegeprägten Naturbezüge offen zutage. Sie erklären und verklären das menschliche Naturverhältnis und bilden den Wandel der Weltordnung, planerischer Leitbilder, politischer Ideologie sowie ästhetischer Strömungen und Entwurfsstile ab.

Neben diesen nicht immer durchsichtigen Faktoren und Gestaltungsmustern finden auch Konventionalisierungen ihren gestalterischen Niederschlag. Offene und unausgesprochene Normen werden in Parkleitbilder für die Gestaltung und Parkordnungen für die Verhaltensregulierung umgesetzt, gerade in Wien hat das Tradition. Während des Roten Wiens und mehr noch in der Nachkriegszeit, wurde Camillo Sittes Theorie vom sanitären Grün zum sozialen Grün erweitert, das sehr bestimmte gesellschaftliche Ideen und Vorstellungen vom Verhalten der ParknutzerInnen transportierte. So lohnend diese Entwicklung für das öffentliche Grün war, so paternalistisch mutete sie mithin an. Die Frage danach, wie Gesellschaft funktionieren soll und ob mit Tradierungen gebrochen werden kann, ist demnach nicht nur das Fundament politischer Utopien und Manifeste, sondern ist in dem Wunsch nach gesellschaftlicher Wirksamkeit auch dem Planungswesen immanent.

Urbane Raumproduktionen werden heute zunehmend der, vom Konkurrenzdenken ausgezeichneten, Marktlogik preisgegeben. Ihr Öffentlich-Sein gerät in Bedrängnis, während die Kräfte des freien Marktes zur zweiten Natur, als gegebene angenommen werden. Dabei geht es nicht allein um neu entstehende Grünanlagen. Selbst längst existierende Parks müssen heute ihr Bestehen wirtschaftlich rechtfertigen. Die Tendenz, juristische und politische Aushandlungsprozesse zu unterwandern und durch vermeintlich gesinnungslose technokratische Sachgesetzlichkeit zu ersetzen, kann als post-politisch gefasst werden. In den raumgestaltenden Disziplinen wird dies noch um die populäre Debatte der Post-Natürlichkeit erweitert, die sich zwar einer Idealisierung von Natur ablehnend entgegenstellt, letztlich aber ebenso eine Flucht vor der Auseinandersetzung mit der komplexen Verschränkung von Natur, Geschichte und Gesellschaft darstellt und sich affirmativ zur Technokratie verhält. Für wen wird dann geplant? Wer trifft Entscheidungen und auf Basis welcher Überzeugungen und welcher Fakten? Wie verhält sich die planerische Absicht zur Realität des fertigen Parkprodukts? Man kann sich als Planer oder Planerin auch mitschuldig machen, etwa in dem man de-politisiert: durch Ästhetisierung, Formalisierung und Dekontextualisierung.

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LandschaftsarchitektInnen sind DoppelagentInnen. Sie stehen im Dienste ihrer KlientInnen aber auch der Gemeinschaft (Gibbons & Davidson). Foto: Florian Spielauer
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Öffentlicher Raum ist nicht per se „guter“ Raum. Es kommt auch auf seine Inklusivität an (Ruedi Baur & Vera Baur). Foto: Florian Spielauer

Ob solcher Überlegungen scheint eine gezielte Auseinandersetzung, die sich den ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ausdrucksweisen widmet, die im Park, im öffentlichen Raum vorzufinden sind, überfällig. In Wien lud man nun zu einer internationalen Konferenz ein, mit deren Name schon so einiges gesagt ist: Park Politics. Dass Parks also unbedingt politisch sind, stellten die Organisatorinnen nicht erst zur Debatte, sondern vielmehr wie dieser als ein politischer Gegenstand der Landschaftsarchitektur verstanden wird. Kann man einer apolitischen Planungshaltung und dem ästhetischen Reduktionismus etwas entgegnen? Was ist es, das sich an den Entwurfs-, Realisierungs- und Erhaltungsprozessen politisch äußert? Bewusstsein darüber ist notwendig, um verändernd in die Prozesse einzuwirken. Bereits die Keynote Speaker fanden klare Worte zur komplizierten Konstellation von öffentlichem Raum und seinen politischen Dimensionen. Der interdisziplinäre Schwenk vermittelte deutlich die Schlagworte, auf die man in den nächsten Tagen stoßen würde: Ressourcenknappheit, Sichtbarkeit, Verfügbarkeit und Zugang, Eigentümerschaft und Teilhabe von Nutzerinnen, räumliche Verteilungsgerechtigkeit, Inklusion und Exklusion sowie die Wahrnehmung des Übersehenen. Diese, das Konferenzthema verortenden Reden machten deutlich, dass ein Park mehrdimensional vermittelt ist, und somit nicht allein den planenden und verwaltenden Disziplinen überlassen werden kann, sondern multiperspektivisch betrachtet werden muss. In ihrem Eingangsstatement erinnerte Lilli Lic?ka, Vorsitzende des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Boku Wien und Organisatorin der Konferenz, dass die Rolle der Politik für die Gestaltung des öffentlichen Raums mehr ist, als menschliches Handeln zu organisieren und regulieren. Vielmehr noch sind aufgestellte Regeln immer verhandelbar, auch wenn sie unausweichlich wirken. Gesteuert werden kann nur was ausgesprochen ist.

Den inhaltlichen Impetus tätigten sechs Expertinnen und Experten: die Künstlerin und Kunsthistorikerin Emily Eliza Scott (Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, ETH Zürich) referierte zu Parks, Peripherien und die öffentliche Sphäre. Anhand des soziologischen Konzepts des boundary object, Grenzobjekt, führte sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die in den Vereinigten Staaten oft unsichtbare Geographie öffentlicher und privater Eigentümerschaft. Als Teil der "Los Angeles Urban Rangers" interveniert sie in den öffentlichen (Natur)Raum mittels künstlerischer Techniken wie Mimikry und Aneignung und spürt das Lokale und Übersehene auf. Die Figur des Rangers verweist auf die Nationalparks, die eine wichtige Rolle in der amerikanischen Kultur einnehmen. Dort wird Natur definiert aber es werden politische Aspekte in deren Geschichte völlig ausgespart. Die Forschungsarbeit des Humangeographen Bernd Belina (Goethe Universität Frankfurt/Main, Institut für Humangeographie) fokussiert auf Konzeptualisierungen von Sicherheit und Kriminalität und was diese über den Zustand des öffentlichen Raums aussagen. Dabei klare definitorische Grenzen zwischen öffentlich und privat zu ziehen, sagt er, ist schwieriger als es sich anhört, und sie sind immer Resultat politischer Agenden. Aus ihrer landschaftsarchitektonischen Planungspraxis berichteten Johanna Gibbons und Neil Davidson (J&L Gibbons, London), die in der Aktionsforschung, im interaction design und im Lernen von Landschaft anzusiedeln wären. Neben Planungsbeispielen mit Bürgerbeteiligung stellten sie die Smartphone App "urban mind" vor, mit der die Effekte der gebauten Umwelt auf die geistige Gesundheit gemessen werden soll.

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Podiumsdiskussion im Panel „Park Dilemmas“ mit Maria Hellström Reimer, Naama Meishar, Burcu Yigit-Turan, Steffan Schmidt und Peter Parker, angeleitet von Katrin Hagen. Foto: Christoph Gruber, ZID/BOKU-IT
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Die Pausen zwischen den Vortragseinheiten boten Gelegenheit für die TeilnehmerInnen weiter zu diskutieren. Foto: Christoph Gruber, ZID/BOKU-IT

Den Abschluss machten der Grafiker Ruedi Baur, Co-Leiter Design2Context, Zürcher Hochschule der Künste und Leiter des Cas Civic design, Kunsthochschule Genf und die Soziologin und Kulturwissenschaftlerin Vera Baur, Co-Leiterin Design2Context, Zürcher Hochschule der Künste und Präsidentin von civic city, Institute for critical research and sciences in design mit einem Vortrag zur Bildsprache und zu politischen Orientierungshilfen im öffentlichen Raum. Dabei untersuchten sie Möglichkeiten mit ihrem Medium von einer Kultur der Konkurrenz zu einer solidarischen Kultur der Relation zu kommen. Nicht indem sie einen Ort ändern, sondern indem sie die Lesbarkeit eines Ortes ändern, soll die mentale Landkarte der Nutzerinnen und Nutzer verändert und der Ort auf neue Weise imaginiert werden.

Um der Komplexität des Gegenstands zu entsprechen wurde die Konferenz in acht Sessions abgehalten, die hier in Kürze skizziert werden: In Urban Green Negotiated gelangten die Parkverwaltungen in den Brennpunkt, um das Verhältnis politischer Entscheidungsprozesse und Masterpläne sowie Definitionen von Stadtgrün und Ökologie zu diskutieren. Im Panel Travelling Ideas wurde die Praktikabilität erörtert, Planungsansätze oft über Kontinente hinweg zu importieren. Während beispielsweise die Implantierung des Barcelona-Models nach Medellin, Kolumbien, zurecht Fragen aufwirft und die Gefahr der Missachtung lokaler Gegebenheiten besteht, so kann der globale Erfahrungsaustausch über räumliche Alltagsbewältigungsstrategien informaler und selbstorganisierter Siedlungen durchaus fruchtbar sein. High Expectations war der Titel einer Präsentationsrunde, die sich mit dem hohen gesellschaftlichen, kulturellen, räumlichen und emotionalen Erwartungen, die an Parks gestellt werden, beschäftigte. Kann es intersektionale Inklusion geben und unterstützen Raumbildungen soziokulturelle Identitäten? Im Konferenzabschnitt zu Park Dilemmas wollte man wissen, welche gesellschaftlichen Realitäten mittels Landschaftsarchitektur geschaffen werden und was wir von Parks eigentlich wollen. In Decisive Programs wurden die Regulation und Vermittlung unterschiedlicher Nutzungen diskutiert: welche Programmierungen ermöglichen oder unterbinden welches Verhalten? Die Beziehungen einer Parkgestaltung zur Vergangenheit eines Ortes war Thema in Park Narratives. Konfrontiert mit der umstrittenen Geschichte eines Ortes, herrscht zuweilen die Einstellung, was nicht erwähnt wird, kann nicht kontroversiell sein.

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x–LArch 2018 ist die 5. Ausgabe einer internationalen Konferenzreihe, die vom Institut für Landschaftsarchitektur an der BOKU Wien unter der Leitung von Lilli Li?ka veranstaltet wurde. Foto: Christoph Gruber, ZID/BOKU-IT
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Das abschließende Podium „Collective Efforts“ bildeten Alan Tate, Julian Dobson und Axel Timpe, moderiert von Saskia de Witt. Foto: Christoph Gruber, ZID/BOKU-IT

Wie kann im Gegensatz dazu ein politischer, planerischer Zugang aussehen, der auch Unangenehmes nicht unter den Teppich kehrt? Passend dazu wurde am nächsten Tag in Park History ausgelotet, welche Auswirkungen historische Planungsprinzipien auf zeitgenössische Landschaftsarchitektur haben. Zu Guter Letzt stand zur Disposition, ob in Zeiten von Austeritätspolitik überhaupt noch Parks realisiert werden können. Hier wurden der ökonomische Nutzen von städtischen Freiräumen und sowohl bewährte als auch fragwürdige Strategien im Umgang mit fiskalischen Mangelerscheinungen in der Parkverwaltung im internationalen Vergleich dargestellt, beispielsweise die funktionale Hybridisierung von Parks oder die Finanzierung durch Loterielose in England. Ein besonderes Plus war die Auflockerung der einzelnen Sessions durch Künstlergespräche mit Marti Franch Batllori (EMF, Girona), Isolde Rajek (Rajek Barosch, Wien) und Leonard Grosch (Atelier Loidl, Berlin), welche aus ihrer Planungspraxis berichteten. So wurde die Konferenz um die Dimension erweitert, theoretische Vorträge mit praktischen Beiträgen aneinander zu reflektieren und zu konfrontieren.

Die Fülle an Themen wird dem von den Konferenzorganisatorinnen an sich selbst gestellten Anspruch gerecht, die ideellen Hintergründe, Kodizes und Normen aufzudecken, die zur Ausgestaltung der Lebensumgebung führen. Im Freiraum bildet sich die Vielfalt der gesamten Gesellschaft und ihrer Interessenskonflikte ab. Es kann daher nicht die Anforderung an einen solchen Rahmen sein, universale Ableitungen zu treffen. Städtische Parkanlagen sind dem Druck ausgesetzt, viel Gutes tun zu müssen. Zeitliche Beständigkeit, funktionale und formale Wandelbarkeit, Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse, Inklusion und soziale Gerechtigkeit sind vielleicht die ewigen Konstanten der Freiraumgestaltung. Dass auf der Wiener Konferenz nicht auf alles Aufgeworfene eine Antwort gefunden wurde, macht die Fragen an sich nicht obsolet. Im Gegenteil, sie helfen der Landschaftsarchitektur dabei, sich als selbstreflexive wissenschaftliche und gestalterische Praxis zu etablieren. In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass diese Diskussionen erst den Anfang markieren, dass zukünftig noch viele dieser selbstkritischen Debatten aufkeimen und wir in ihnen eine politische Haltung einnehmen.

Informationen zur Konferenz unter www.x-larch.at/2018.

Dipl.-Ing. Nicole Theresa King
Autorin

Lehrbeauftragte am Department of Visual Arts, University of California, San Diego

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