Zur Weiterentwicklung des Wilhelmsburger Inselparks

Parks und Grünflächen als Sport- und Bewegungsräume

von:
Hamburg Parks und Gärten
Fitness im Park. Foto: Andreas Bock

Aktuell erleben wir im Bereich Sport- und Stadtentwicklung deutliche Herausforderungen und Veränderungen: Unserer Gesellschaft ist durch eine zunehmende Heterogenität gekennzeichnet, ausgelöst durch demografischen Wandel, umgestaltete Arbeitsprozesse und -strukturen, veränderte Familienbilder und Geschlechterrollen, und dem Zuzug von Menschen verschiedener Kulturen. Daraus resultiert zum einen lebendige Vielfalt, beinhaltet aber ebenfalls die Gefahr von Isolierung, Aus- und Abgrenzung sowie Milieu- und Ghettobildung. Zudem erleben die (Groß-)Städte eine deutliche und rasante Nachverdichtung, verbunden mit einem hohen Nutzungsdruck für die verbleibenden Grün- und Erholungsräume. Die Entwicklung von Sport und Bewegungsräumen wird oft zu spät oder nachgeordnet berücksichtigt.

Mit der Entwicklung von sich verändernden Lebensbedingungen und Mobilitäten einhergehend sind besondere Anforderungen an die Gesundheitsförderung und -erhaltung, die die bedarfsgerechte Berücksichtigung und Gestaltung von Sport- und Bewegungsgelegenheiten erforderlich macht. Dazu zählt auch die Multicodierung von öffentlichen Räumen und Grünflächen, natürlich bei aller Sensibilität bezüglich Raumgestaltung/Ästhetik, Nutzungsinteressen sowie Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten und pflegerischen Bedarfen und Möglichkeiten.

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Sportverhalten im Wandel

Das Sportverhalten der Menschen verändert sich. So treiben mittlerweile ein großer Teil der Menschen einer Stadt außerhalb der Sportorganisationen, im öffentlichen Raum und im Grünen Sport (vgl. u. a. Sportentwicklungsplanung für Hamburg, Wopp et al. 2010). Darüber hinaus gibt es über das gesamte Lebensalter hinweg betrachtet eine Hitliste der beliebtesten Sportformen: Diese sind Laufen/Wandern, Fitness/Gymnastik, Schwimmen, und Radfahren (Preuß et al. 2012). In der Regel werden sie gerne so betrieben, dass dabei keiner Norm gefolgt werden muss; oft erfolgt die Ausübung draußen. Bei Betrachtung der Mitgliedszahlen der Sportverbände lässt sich zudem feststellen, dass die Zahl der Mitglieder in Mannschaftssportarten zurückgeht. Um verlässliche Grundlagen für weitere Entwicklungsplanungen zu generieren, sind angesichts der dynamischen Veränderungen diese Prozesse sowie weitere Differenzierungen nach Interessen nach Alter, Geschlecht, Intensität/Anspruch je nach Kommune und (Sozial-)Raum genau zu analysieren.

Gesundheitsförderung mit Sport und Bewegung

Sport und Bewegung sind gesund. Dabei geht es zuvorderst um die Motorik und Bewegungsförderung. Folgende motorische Leistungen sind im Kindesalter aufzubauen und mit zunehmendem Alter zu erhalten:

  • das Wahrnehmungssystem mit allen Sinnesleistungen
  • das Gleichgewichts- und Koordinationsvermögen
  • die Ausdauer/Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems
  • die Kraft, sowie
  • die Entspannungsfähigkeit

Neben der Wirksamkeit von Bewegung in Bezug auf kognitive Leistungen, Lernfähigkeit und Spracherwerb, die unter anderem die Hirnforschungsergebnisse aufzeigen konnten, sind in den letzten Jahren die gesundheitsfördernden Effekte herausgearbeitet und dargestellt worden. Besonders hervorgehoben wird dabei immer wieder, wie Sport und Bewegung der Entstehung des "Metabolischen Syndroms" (Adipositas, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes) entgegen wirken. Diese Ergebnisse zusammenfassend empfiehlt die EU basierend auf WHO Empfehlung (2010) folgenden Trainingsumfang pro Woche: 30 Minuten an fünf Tagen mäßig intensive körperliche Betätigung oder dreimal 20 Minuten intensivere körperliche Betätigung. Mit diesem Trainingsmaß erscheint Gesundheitsförderung durch Sport gar nicht so unerreichbar, macht aber auch deutlich: Wir brauchen Sport und Bewegung wohnortnah und alltagsbezogen.

Gesundheitsförderung durch Grünräume

Zudem sind gesundheitsfördernde Effekte von Aufenthalt im Grünen durch weitere Forschungsergebnisse belegt. Dabei liegt der Mehrwert auf quantitativer und qualitativer Ebene:

  • Subjektives Empfinden und Stressbewältigung: Reduktion von Spannung, Ärger, Niedergeschlagenheit, Steigerung von Energie und Motivation (u. a. Van den Berg, Koole & Van der Wulp 2003, Liedtke 2005)
  • Mentale/Kognitive Leistungen: unter anderem Reduktion der Aufmerksamkeitsmüdigkeit
  • Sensomotorische Effekte: Steigerung der Wahrnehmungsleistungen
  • Soziale Interaktion: Erleichterung sozialer Kontakte durch natürliche Umfelder, Steigerung durch Aktivitäten wie Sport und moderierende Angebote (O´Brien und Morris 2014)

Laut der Studie "Naturbewusstsein 2011" (BMU & BfN 2012) setzen 93 Prozent der Bevölkerung Natur mit Erholung und Gesundheit gleich.

ParkSport-Konzepte zielen bewusst auch auf die oben beschriebenen Effekte ab. Die Vielfältigkeit eines natürlichen Umfeldes steigert die Wirkweise von Sportangeboten. Vorausgesetzt natürlich, dass die sicherheitsrelevanten Bedingungen gegeben sind.

Interdisziplinäre Planungsprozesse

Ein Großteil der Stadtbewohner nutzt mittlerweile den öffentlichen Raum für ihre verschiedenartigsten sportlichen Aktivitäten. Um diese Entwicklungen mit der erforderlichen Fachkompetenz zu begleiten, ist eine interdisziplinäre und auf kommunaler Seite ämterübergreifende Arbeit erforderlich. Die Flächen, um die es geht, befinden sich vorwiegend in der Verwaltungshoheit des Grünflächenmanagements. Die Kompetenz für Sport und Bewegung liegt auf kommunaler Seite bei den Sportämtern, außerdem bei Sportvereinen und -verbänden oder anderen Sportexperten und -akteuren. Schließlich braucht es die Expertise bezüglich des jeweiligen Sozialraums und den Dialog mit den Menschen am Ort, um bedarfsgerechte und auf die jeweilige Lokalität bezogene Lösungsansätze zu entwickeln. Ein ebenso aufwendiger wie alternativloser Prozess.

Bewegung braucht Begleitung

Um Bewegung zu lernen, braucht es Anleiter, Lehrer, Übungsleiter, die die erforderliche Fachkompetenz besitzen. Eine zentrale Adresse für kompetente Sportanleitung sind Sportvereine, in einem höheren Kostensegment und - ohne den sozialen Anspruch, der Vereine kennzeichnet - auch gewerbliche Sportanbieter. Soll der Sport draußen nicht allein ein Handlungsfeld für Personaltrainer, also Einzelunternehmer im Fitness-Sport und bezahlbar für alle bleiben, ist für die, die bezahlbare Sportanleitung brauchen und wünschen, eine entsprechende Struktur aufzubauen. Beispiele gibt es dazu deutschlandweit bereits.

Beispiel Hamburg: ParkSport im Wilhelmsburger Inselpark

In Hamburg Wilhelmsburg ist im Zuge der internationalen gartenschau hamburg 2013 auf der Elbinsel der Wilhelmsburger Inselpark entstanden. Die dortige "Welt der Bewegung" besteht nach wie vor und wird durch die Gemeinschaft der ParkSportInsel "bespielt": Nur acht Minuten per S-Bahn vom Hauptbahnhof entfernt liegt mit dem Inselpark Wilhelmsburg ein hochattraktiver Ort, um in Bewegung zu kommen: Für Kletterfreunde finden sich hier die Nordwandhalle und der HanseRock-Hochseilgarten. In der "Welt der Bewegung" gibt es zur kostenfreien Nutzung neben verschiedenste Bewegungsmöglichkeiten: ein Multicourt mit Kunstbelag und die insgesamt 1800 Quadratmeter große Skateanlage, für Skatern ein absoluter HotSpot. Darüber hinaus bietet der Park attraktive Laufmöglichkeiten auf der Laufstrecke mit Kilometrierung. Einrichtungen für Start-und Zielanlagen für Laufevents sind ebenfalls vorhanden. Kanufahren ist ebenfalls möglich. Natürlich gibt es auch ausreichend Wiesenflächen, die zum Spielen und auch Faulenzen einladen und die mitgebrachte Slackline kann an eigens dafür installierte Pfosten befestigt werden. Bewegungsgärten bieten verschiedene Bewegungsanlässe. Wasserspaß kann sowohl in der attraktiven Schwimmhalle genossen werden als auch im Sommer beim Wasserfußball draußen im Park. Heimat der Hamburg Towers ist die Inselparkhalle; Mittelpunkt der Hamburger Basketballfans. Im Sommer 2016 ist eine Beachsport-Anlage hinzugekommen und ergänzt die Palette der Outdoor-Sportmöglichkeiten.

Die ParkSportInsel

Die verschiedenen Sportanbieter haben sich 2014 zur Gemeinschaft der ParkSportInsel zusammengeschlossen. Dazu gehören Sportvereine ebenso wie gewerbliche Sportanbieter. Gemeinsames Ziel ist es, im Park Sport-, Spiel- und Bewegungsangebote zu gestalten und Menschen zur aktiven Freizeitgestaltung zu motivieren. Die ParkSportInsel "bespielt" den Park mit dem Thema Sport und Bewegung und engagiert sich in enger Absprache parallel und mit der Kommune, dem Bezirk Hamburg-Mitte, der den Park pflegt und mit seinen Angeboten und Events die Schwerpunkte Kultur und Natur gestaltet.

In den vergangenen zwei Jahren konnten von der ParkSportInsel eine Vielzahl von Sportangeboten organisiert werden, wie

  • Saisonveranstaltungen in Kooperation mit dem Bezirk Hamburg-Mitte (Frühlingsfest und Saisonabschluss mit Sportprogrammen)
  • Thementage wie Wassersporttag, Ballsporttag, Klettertag, Trendsporttag
  • Inklusives Sommerfest
  • Laufevents
  • Skate-Sessions
  • Wochenprogramme mit Ballspielen, BasKidBall, Fitnessangeboten, Lauftreffs, Trendsport, Nordic Walking etc.
  • Ferienprogramme mit Rugby, Klettern, Trendsport, Floßbau, etc.
  • Kultur- und Bewegungsfest
  • Integrationssportfest für Flüchtlinge der Elbinsel in Kooperation mit weiteren Stadtteilinstitutionen
  • Bewegung, Sport und Spiel für Flüchtlinge und Parkbesucher

Die Angebote sind kostenfrei und sind der Beitrag der gemeinnützigen ParkSportInsel zum Gemeinwohl im Quartier.

Darüber hinaus konnte mit Unterstützung der Alexander-Otto-Sportstiftung ein Unterstand, der im Rahmen der Gartenschau in Beteiligungsworkshops mit Jugendlichen des Stadtteils entstanden war, mit einer Wand ausgestattet und zu einem Materiallager ausgebaut werden. Zusätzlich konnte ein erster Grundstock an Spiel- und Sportgeräten angeschafft werden. Damit steht eine entscheidend wichtige Voraussetzung zur Verfügung, um die "Welt der Bewegung" im Park mit Bewegungsangeboten zu bespielen. Für das nächste Jahr wird eine regelmäßige Spielgeräteausleihe angestrebt.

Mit dem Mitglied und Partner Bäderland konnte eine Vereinbarung geschlossen werden, die individuellen ParkSportlern die Möglichkeit zum Umkleiden und Duschen gegen eine kleine Gebühr im Schwimmbad ermöglicht.

Bewegung und Begegnung für neue Nachbarn

Sport und Bewegung sind in besonderem Maße geeignet, um Kontakte und Begegnungen zu ermöglichen, kulturelle Barrieren abzubauen und Lebensqualität im Quartier herzustellen. Mit Unterstützung von Mitteln der Stadt Hamburg konnte zudem ein regelmäßiges Sportangebot für die Flüchtlinge und neuen Bewohner der Elbinsel aufgebaut werden. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Zentrale Erstaufnahme mit circa 1500 Menschen, zudem weitere Wohnunterkünfte im Umfeld des Parks. SportSpielSonntage von Mai bis Oktober, Ferienangebote und Sportnachmittage laden die Bewohner in den Park ein und ermöglichten gemeinsames Sporttreiben und Begegnungen mit Parkbesuchern.

Eines der besonderen Events war im September dieses Jahres das Integrationssportfest "fairplay - respect - tolerance: Sport & Spiel mit neuen Nachbarn". Gemeinsam mit dem Bürgerhaus Wilhelmsburg, "Die Insel hilft" und einem Mädchen- und Frauenfußballverein im Quartier konnte ein vielfältiges Sportfest veranstaltet, das von Flüchtlingen und den Bewohnern aus dem Stadtteil rege besucht wurde. Im nächsten Jahr soll die Veranstaltung eine Wiederholung erleben, dann mit Patenschaften für neue Bewohner, die in die Organisation der Veranstaltung hineinwachsen sollen.

ParkSportPiloten

Diese und viele weitere Angebote und Events werden durch qualifizierte Anleiter betreut. Diese wurden durch ein gezieltes und speziell zugeschnittenes Qualifizierungsprogramm ausgebildet und auf die Aufgabe vorbereitet, ermöglicht durch eine Spende der Homann-Stiftung. Zur Qualifikation gehörten eine Basisqualifizierung ParkSport, ein Jugendgruppenleiter-Ausbildung, sowie Schulungen etwa zur animativen Didaktik und zum Thema Konfliktmanagement. Ergänzend zur Sportanleitung ist es Aufgabe der "ParkSportPiloten", Werte wie Respekt, Toleranz und Fairness sowie Regeln im Sport und im Miteinander zu vermitteln.

Für ihre Sportangebote für Flüchtlinge erhielt die ParkSportInsel vom Deutschen Olympischen Sportbund und der Stiftung "Lebendige Stadt" im September 2016 eine Anerkennung.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde die Schwimmhalle Inselpark des ParkSportInsel-Mitglieds Bäderland. Mit dem "Public Value Award" der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen wurde sie als Bad mit großem Gemeinwohlbeitrag gewürdigt.

ParkSport als Idee und Modell

Die Konzeptidee ParkSport und Sport und Spiel im öffentlichen Raum hat nach der Gartenschau an verschiedenen Stellen Resonanz und eine Fortsetzung gefunden. Regelmäßig besuchen ausländische Besuchergruppen, Kommunen und Planer den Inselpark Wilhelmsburg, um die "Welt der Bewegung" und das Engagement der ParkSportInsel kennenzulernen. Der Ansatz ParkSport wurde in der Dekadenstrategie Sport der Stadt Hamburg verankert und findet sich ebenfalls im Masterplan Active City. Die Bezirksversammlung Altona hat in einem Beschluss die Verwaltung aufgefordert, Parksport umzusetzen als Mittel, Menschen für eine bewegte Lebensweise zu motivieren.

Jüngst ist die lokale Stadtteilschule in die Gemeinschaft eingetreten. Angestrebt wird, den Park als außerschulischen Lernort zu nutzen, die Schülerinnen und Schüler mit den Bewegungsmöglichkeiten im Park vertraut zu machen, gemeinsame Ferienprogramme zu entwickeln und junge Menschen an verantwortliche Aufgaben im Sport heranzuführen. Jüngst konnte gemeinsam ein Sponsorenlauf im Park mit über 1000 Schülern durchgeführt werden.

Die ParkSportInsel wird ihr Engagement auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Ziel ist es, Sport-, Spiel- und Bewegungsangebote für die Bevölkerung zu organisieren, zu einer aktiven Freizeitgestaltung zu motivieren, über Sport einen Begegnungsort im Quartier herzustellen, den Park mit dem Quartier zu verzahnen und die Lebensqualität zu erhöhen.

Weitere Infos unter www.parksportinsel.de und www.facebook.com/parksportinsel.

Literatur und Informationen

Henrike Adler: Geschickt bewegen im Alter - Gleichgewichtstraining auf natürlich variierenden Untergründen. Hamburg 2011.

Henrike Adler, Beate Wagner-Hauthal, et al.: Sport und Bewegung in Parks und urbanen Räumen aus bewegungswissenschaftlicher Perspektive. Hamburg 2015.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, 3. Auflage. Berlin 2011.

Gunnar Liedtke: Die Bedeutung von Natur im Bereich der Outdooraktivitäten. In Schriftenreihe Natursport Ökologie, Band 18. Köln 2005.

Christian Wopp: Grundlagen der Sportentwicklungsplanung in der Freien und Hansestadt Hamburg". Hamburg 2010.

Van den Berg, A.E., Koole, S.L. & Van der Wulp: Environmental preference and restoration. Journal of Environmental Psychology. 2003.

Beate Wagner-Hauthal, et al.: ParkSport - ein Projekt der internationalen gartenschau hamburg 2013 in Kooperation mit Partnern im Sport, DOSB, Frankfurt 2014.

World Health Organization: Global Recommendations on Physical Activity for Health. Genf 2010.

World Health Organization: 7th Global Conference on Health Promotion. Genf 2012

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