Der Fluss als Hauptschlagader der Stadt

Pfaffenhofen an die Ilm!

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Wasser in der Stadt
Freizeitpark mit naturnahem Ilmausbau. Kopterfoto: Karl J. Ebensberger, Pfaffenhofen

Die malerische Kreisstadt Pfaffenhofen an der Ilm, eine "gewachsene und eine wachsende Stadt" (www.pfaffenhofen.de) mit derzeit knapp 24.000 Einwohnern, liegt in der Mitte Bayerns zwischen München, Ingolstadt und Augsburg, eingebettet im Naturraum "Donau-Isar-Hügelland" im Bereich des Ilmtales. Die Landschaft ist gekennzeichnet durch sanft geschwungene Hügel mit saftigen Wiesen und einem engmaschigen Netz beschaulicher Täler. Bedingt durch das abwechslungsreiche Relief ist das Hügelland durch eine kleinräumige Verzahnung von Landwirtschafts- und Forstflächen geprägt. Zentrales Freiraumelement der Stadt Pfaffenhofen ist der Flusslauf der Ilm.

Pfaffenhofen darf sich nicht nur als die lebenswerteste Stadt der Welt (Auszeichnung mit einer Goldmedaille beim "International Awards for Liveable Communities"), sondern auch als "Stadt der Nachhaltigkeit" bezeichnen. Da ist die Welt noch in bester Ordnung, so sollte man meinen und doch...

…selbst hier gibt es innerstädtische Problemzonen, Herausforderungen moderner Stadtplanung wie sie typisch sind für Deutschland und darüber hinaus.

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Entlang der Ilm lagen, dicht an dicht, der Schlachthof, der Bauhof, der Wertstoffhof und das Wasserwerk, ein Moloch inmitten der Stadt, hochgradig versiegelt, abgepflanzt und baulich abgeschirmt, losgelöst vom Stadtraum, Terra incognita. Die Ilm, das unbekannte Wesen, war ein kleiner Fluss, versteckt, zugewuchert, kaum sichtbar und spürbar, zu wenig Wege am Wasser, nicht wirklich erlebbar das nasse Element. Die Ilminsel jedoch, das kleine Eiland direkt an der Altstadt, ein Versprechen in Grün, rundherum der Blick aufs Wasser aber kein Weg dahin, hohe Mauern aus dunklen Zeiten schirmen ab, (fast) kein Baum, kein Strauch, nirgends.

"Pfaffenhofen an die Ilm" so lautete daher das Motto unseres Wettbewerbsbeitrages aus 2012 für die kleine Gartenschau "Natur in Pfaffenhofen an der Ilm 2017". Der Fluss als Hauptschlagader der Stadt, Wege am Wasser und ans Wasser aufzeigen, manchmal auch ins Wasser, die Menschen heranführen an das erfrischende, belebende Element, den Schatz der Stadt bergen und ausstellen, beleuchten. Die Orientierung ermöglichen und gleichzeitig die Maßstäblichkeit für die sehr unterschiedlichen neuen Freiräume an der Ilm zu finden, war wesentlicher Bestandteil der Aufgabenstellung. Die Eigenarten stärken, ohne das gemeinsame, einheitliche Bild des neuen Grünraums an der Ilm aus den Augen zu verlieren... Die Ilmpromenade wird als neues Rückgrat von der Stadtmühle im Norden zur Ilminsel im Süden entwickelt. Als durchgehendes Freiraumelement soll der Flussraum nun für die Pfaffenhofener erlebbar werden. Die Promenade begleitet und eröffnet auf neuen und vorhandenen Wegen den nun endlich sichtbaren Fluss, der sich abschnittsweise spielerisch aufweitet und, mit geschwungenen Sitzelementen akzentuiert, zum Aufenthalt am Ufer einlädt.

Das vorhandene, schmalere Ilmwegerl ergänzt die Promenade am jeweils gegenüberliegenden Ufer entsprechend dem Bestand. Die Stadtspangen verknüpfen - als befestigte und sich zur Stadt öffnende Wegeverbindungen in Ost-Westrichtung - die umgebenden Quartiere mit dem Ilmraum. Neue Fußgängerbrücken ergänzen bestehende Querungen. Die drei charakteristischen Freiräume - Freizeitpark, Bürgerpark und Ilminsel - rhythmisieren den Verlauf des Flusses durch die Stadt.

Der Freizeitpark

Der Freizeitpark ist großzügig und weitläufig neu entstanden. Die Sportflächen wurden flächensparend geordnet und modern ausgebaut, das Umfeld um die Kletterhalle und Eisstadion wurden neu organisiert. Vor dem Freibad entstand ein großzügig gepflasterter Vorplatz mit freiem Blick auf die Natur. Die Ilmpromenade wird zum Scharnier zwischen Sportpark und dem aufgeweiteten und naturnah ausgebauten Ilmraum. Die Ufer sind als Wiesenflächen mit vereinzelten Kiesbänken ausgebildet und aus Hochwasserschutzgründen nur durch einzelne standortgerechte Gehölze akzentuiert. Geplant durch das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt wurden anstehende, kiesige Böden, ohne Wiesenansaat, offen der einsetzenden Sukzession überlassen und dauerhaft entsprechend extensiv gepflegt und entwickelt.

An ausgewählten Stellen werden kleine Aussichtspunkte aus Holz zur Naturbeobachtung, Wege zum Wasser und ein Füsselpfad angeboten. Entlang des Weges laden Beach-Volleyballfelder, Trimm-Dich-Geräte, Schaukeln und Balancierstrecken immer wieder zur Aktivität ein.

Bürgerpark

Der Bürgerpark bildet das Zentrum der neuen Grünanlagen an der Ilm. Der ehemalige städtische Schlachthof, Bauhof, Wertstoffhof und das Wasserwerk mussten weichen, sind nun Bürgerpark, ein Treffpunkt für Jung und Alt, Zeitenwandel...

Entwickelt wurde er nach dem Zwiebelmodell sich umschließender Schalen: Ein multifunktionalen Wiesenraum im Zentrum des Parks. Hier darf gespielt, musiziert und gepicknickt werden. Die offene Mitte wird gefasst durch das Parkband, einem breiten Rundweg mit einem begleitenden und rahmenden, großformatigen Sitz- und Spielelement aus Holz, ist Erschließung und Aufenthaltsort gleichermaßen. Ein üppig blühendes Stauden- und Gräserband umgibt wiederum den offenen Wiesenraum. Die äußere Schale bildet der transparente, hochkronige Baumsaum mit Angeboten für Fitness, Spiel und Aufenthalt. Ein kleiner Froschkönig, den es bereits gab, wurde zum Ideengeber für den neuen Froschkönigspielplatz, daneben gibt es Spiellandschaften für unterschiedliche Altersgruppen und Mobilitäten. Den Abschluss zu den umgebenden Straßen hin markiert eine breite, blühende Spierenhecke. In westlicher Richtung zur Altstadt hin öffnet sich der Park als einladende Geste.

Eine Fußgängerbrücke spannt das Parkband über den kreuzenden Flutgraben, ein artifizielles Entlastungsgerinne der Ilm für den Hochwasserfall, welches mit einer schlichten Rasenböschung mit Natursteinbett im Gerinne in der Mitte des Parks eingebettet wird.

Inmitten des Bürgerparks in der Wasserwelt liegt das neue Belvedere - die schöne Aussicht. Zwischen der Fußgängerbrücke über die Ilm und den wehrhaften Mauern des Flutgrabens bietet sich ein großzügiger Aufenthaltsort auf zwei Ebenen. Einmal auf hochwassersicherem Niveau "zwischen den Brücken" mit Rundblick und einmal direkt am Wasser. Hier kann auf den Sitzstufen Platz genommen und in Richtung Süden auf die Wasserwelt der heranfließenden Ilm geschaut werden, man kann aber auch bis fast direkt ans Wasser gelangen und sich dort an exponierter Stelle niederlassen. Kleine Plätze mit Sitzbänken, die das Rund der Flutgrabenmauern nutzen, ergänzen das Aufenthaltsangebot und bieten einen erhabenen Blick über die Ilm.

Das Wehr für die neue Arlmühle wurde aufwändig saniert, die Arlmühle erhielt ein Mühlrad und eine Turbine zur Stromgewinnung. Die Wasserkraft ist wieder sichtbar und erlebbar. Über die neue Fischtreppe können die Fische nun unbeschadet an Mühlrad und wehr vorbeiwandern.

Die neue Bebauung am Bürgerpark war Teil der Aufgabe im Wettbewerb. Sie schließt die von Süden kommenden Siedlungselemente im Sinne von Schlusssteinen ab und betont durch eine selbstbewusste Architektursprache gleichzeitig den Bürgerpark als neues wichtiges Element des öffentlichen städtischen Raumes.

Ilminsel

Die Ilminsel erhält eine großzügig terrassierte, geschwungene, räumliche Aufweitung zum Wasser. Dazu wurden die alten Ufermauern soweit wie möglich zurückgebaut, die verbleibenden Mauern umfänglich saniert. Die neuen Ilmterrassen bieten schöne Blickbezüge, Rasenflächen laden zum Lagern oder zum Picknick am Fluss ein. Mutige erkennen einen kleinen Abgang in den Fluss und können - entlang der Ufereinfassung - ein Stück des Weges im Wasser laufen, um dann wieder an einem weiteren Abgang anzulanden. Spielhäuser nehmen die Häuser am Schwarzbach zum Vorbild und interpretieren sie "en miniature". Frei angeordnete Baumgruppen bilden Teilräume und bieten schattigen Aufenthalt. Entlang der Münchner Straße entstand zusammen mit dem neuen Wohn- und Geschäftshaus ein einladender Eingangsplatz.

Parallel zur Errichtung der Daueranlagen der Gartenschau wurden, wie so oft, zahlreiche andere Stadtumbaumaßnahmen in Angriff genommen, die lange überfällig waren und nun in 2017, zur Eröffnung der kleinen Gartenschau, weitestgehend abgeschlossen sind. So wurde der an die Ilmpromenade angrenzende Sport- und Freizeitpark aus dem Bestand heraus komplett neu geordnet und der Festplatz als dauerhaft nutzbarer Parkplatz entwickelt. Die Ilm wurde auf einem Teilstück von 450 Metern durch das Wasserwirtschaftsamt naturnah ausgebaut. Der Bürgerpark erhielt eine randseitige Wohnbebauung, zwei neue Fußgängerbrücken überspannen die Ilm. Die Schlachthofstraße als wichtige Verbindung in die Altstadt wurde verkehrsberuhigt umgebaut. Der Flutgraben musste nach dem Hochwasser 2013 grundlegend erneuert werden. Auf der Ilminsel entstand ein Wohn- und Geschäftshaus mit Außengastronomie, nutzbar schon während der Gartenschau. Die Stützwände der Ilm und des Schwarzbaches wurden auf einer Länge 350 Metern komplett saniert oder neu errichtet. Darin bestand auch die besondere Herausforderung der Planung in Pfaffenhofen: Die Koordination der umfangreichen Maßnahmen, die in enger Zusammenarbeit mit dem Büro Großberger Beyhl Partner Landschaftsarchitekten aus München gelang, die neben der Bauüberwachung der Gartenschau-Daueranlage und -Ausstellung auch mit der Steuerung der flankierenden städtischen Maßnahmen betraut waren.

"Natur in Pfaffenhofen an der Ilm 2017", die kleine Gartenschau fungiert auch hier als Leuchtturmprojekt mit unübersehbaren Synergieeffekten. So entstand in den letzten zwei Jahren, in unmittelbarer Altstadtnähe, urbane Dichte in Kombination mit hochwertigen, multifunktionalen Freiräumen, die die Stadt insgesamt noch lebenswerter machen als sie ohnehin schon war.

Projektdaten

Realisierungswettbewerb 1. Preis 2012

Entwurfsverfasser: hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin mit Keller Meyer Wittig Architekten und Stadtplaner, Cottbus

Ort: Pfaffenhofen an der Ilm, Bayern

Auftraggeber: Natur in Pfaffenhofen an der Ilm 2017 GmbH, Stadt Pfaffenhofen an der Ilm

Gesamtkonzept: hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin

Bauüberwachung: Großberger Beyhl Partner Landschaftsarchitekten, München für hutterreimann

Brücken im Bürgerpark: Ackermann Architekten + Ackermann Ingenieure, München

Planung Staudenband: Orel + Heidrich Landschaftsarchitekten, Herzogenaurach

Planung Wechselflor: Petra Pelz, freie Landschaftsarchitektin, Sehnde

Technische Ausrüstung: Wipfler PLAN, Planungsgesellschaft mbH, Pfaffenhofen

Elektroplanung: VE plan GmbH, Pfaffenhofen

Garten- und Landschaftsbau Fiedler GmbH & Co KG, Großmehring

Paintner Holzbau GmbH & Paintner Metallbau GmbH, Ergolding

Bauzeit: 2015-2017

Investitionsbudget: Baukosten rund 6 Mio. Euro netto

Fläche: 9 ha

Dipl.-Ing. Barbara Hutter
Autorin

hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH

Dipl.-Ing. Stefan Reimann
Autor

Hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH

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