Ein Streitgespräch zu urbaner Agrikultur mit Prof. Jürgen Milchert und Prof. Cord Petermann, Fragen von Sebastian Feldhusen

Produzieren, Gärtnern, Entwerfen

von:
Landschaftsarchitektur
"Beim Urban Gardening ist der reine Nutzungsgedanke zweitrangig. Aber von Nutzen würde ich dennoch sprechen. Es sind aber andere Nutzungen, die Oberhand gewonnen haben. Ich meine symbolische bzw. soziale Handlungen." (Cord Petermann) Abb.: Sebastian Feldhusen

Gärtnern und die Produktion von Lebensmitteln in der Stadt sind heute fester Bestandteil der Diskussion über Landschaftsarchitektur. Einige sehen diese als unumgänglich, da aktuelle Bedürfnisse von Stadtbewohnern thematisiert werden. Für Andere gleicht diese Diskussion altem Wein in neuen Schläuchen. Die Osnabrücker Professoren Jürgen Milchert und Cord Petermann im Streitgespräch über Potenziale und Risiken von Urban Farming und Urban Gardening sowie Bewegungen, Moden und Einhörner in der Landschaftsarchitektur. Fragen von Sebastian Feldhusen.

Feldhusen: Im Jahr 2050 werden etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. In der Bundesrepublik wird das zumindest in Berlin, München und Hamburg zu spüren sein. Zugleich gibt es seit ein paar Jahren verstärkt den Wunsch einiger Menschen, in der Stadt Lebensmittel professionell zu produzieren sowie Flächen für das Gärtnern in Anspruch zu nehmen. Gibt es in der Stadt einen Konflikt von Flächenbedarf und Flächenbestand?

Petermann: Ja, und zwar auf den Flächen, wo man sich sowohl eine Lebensmittelproduktion sowie neue Wohnungen vorstellen könnte. Dieser Konflikt bezieht sich aber in stärkerem Maße auf Urban Farming als auf Urban Gardening. Allerdings sollte man daran denken, dass im Urban Farming viel Innovation steckt. Ich denke da zum Beispiel an Flächen wie Gebäudefassaden, Innenräume oder Dächer. Das sind alles Flächen, auf denen Lebensmittel produziert werden könnten. Wobei es hier nicht um den Anbau zum Beispiel von Getreide gehen wird. Manche Kulturpflanzen brauchen zu viel Platz. Davon losgelöst, sollte man Urban Farming nicht absolut von Urban Gardening spalten. Schließlich verändert der Umgang mit Pflanzen und Tieren im eigenen Garten auch die Verbrauchersicht auf professionell hergestellte Lebensmittel.

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"Es wird zukünftig eine andere Art von Urbanität geben. Wir werden eine andere Architektur haben, andere Stadtquartiere kennen lernen, vielleicht auch ganz andere Wege in der Stadt zurücklegen, um zu unseren Lebensmitteln zu gelangen." (Cord Petermann)
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"Ich finde bei der Diskussion zu Urban Farming darf nicht vergessen werden, dass wir uns ebenso um die Produktion von Lebensmitteln auf dem Land kümmern sollten. Wir dürfen die klassische Landwirtschaft nicht von der Pflicht entlassen, qualitätsvolle Lebensmittel zu produzieren." (Jürgen Milchert)

Milchert: Auch ich sehe den Konflikt. Betrachtet man das aber historisch, ist es weniger ein Konflikt, sondern eher ein Spannungsfeld, das es schon immer gab. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es in den Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet selbstverständlich war, einen Garten zu besitzen, in dem neben Zierpflanzen auch Hühner und Schweine gehalten sowie Gemüse und Obst angebaut wurden. In anderen Regionen, zum Beispiel in Berlin, waren es Kleingärten. Im Gegensatz zu den Gärten im Ruhrgebiet, waren sie nicht Bestandteil der Wohnsiedlungen. Aber auch im Ausland gab und gibt es ähnliche Ansätze. Mir fällt zum Beispiel Kuba und Prag in den 1970er-Jahren ein. Dort wurden auf jedem zweiten Balkon Tomaten gezogen - es wurden dort sogar Hühner gehalten. Diese Lebensmittelproduktion hat natürlich auch eine soziale Dimension, wobei heute eine Romantik mitschwingt, die in der Generation meiner Großeltern nicht vorhanden war.

Petermann: Diesen historischen Vergleich finde ich nicht passend, da er auf der Seite des Gärtners zu stark auf die Produktion von Lebensmitteln fokussiert. Heute trifft das sicherlich auf viele Länder Osteuropas zu, weniger auf die Mitteleuropas. Wie ich eingangs geschildert habe, ist die Produktion von Lebensmitteln in der Stadt eher ein Feld des Urban Farmings. Beim Urban Gardening ist dieser reine Nutzungsgedanke zweitrangig. Aber von Nutzen würde ich dennoch sprechen. Es sind aber andere Nutzungen, die die Oberhand gewonnen haben. Ich meine symbolische beziehungsweise soziale Handlungen.

Feldhusen: Ich möchte noch einmal beim Urban Farming ansetzen. Wird es in bundesrepublikanischen Städten irgendwann tatsächlich möglich sein, Lebensmittel professionell herzustellen?

Petermann: Das hängt davon ab, welches Ertragsziel man hat. Die Stadt Almere in den Niederlanden strebt zum Beispiel einen Selbstversorgungsgrad von 20 Prozent an. Das ist, so wie die Stadt strukturiert ist, ein realistisches Ziel. Bei anderen Städten wäre das zu hoch gegriffen. Wobei eine professionelle Lebensmittelproduktion nichts mit dem zutun hat, was Jürgen Milchert soeben historisch zu den Gärten im Ruhrgebiet oder in Berlin gesagt hat. Bei Urban Farming geht es um effektive Produktion, nicht um private Selbstversorgung.

Milchert: Hier muss ich einhaken. Ich finde bei der Diskussion zu Urban Farming darf nicht vergessen werden, dass wir uns ebenso um die Produktion von Lebensmitteln auf dem Land kümmern sollten. Wir dürfen die klassische Landwirtschaft nicht von der Pflicht entlassen, qualitätsvolle Lebensmittel zu produzieren. Die Landwirtschaft muss da, wo sie ja historisch sitzt, endlich eine Produktion betreiben, die ökologische und soziale Belange berücksichtigt. Man kann nicht alles auf die Städte schieben. Die Landwirtschaft auf dem Land hat zudem eine ethisch-moralische Verantwortung, nicht zuletzt weil sie aktuell Subventionen bezieht.

Petermann: Bei diesem Plädoyer fehlt mir der Verbraucher. Man muss die Landwirtschaft, auf dem Land oder in der Stadt, als System denken. Denn wer soll diese qualitätsvollen Produkte, von denen du gesprochen hast, kaufen? Heute merken wir, wohin die hochpreisigen Lebensmittel führen: Mittlerweile geben wieder Ökobetriebe in Deutschland auf. Wir haben zum Teil auch eine Abwanderung von ökologischer zu konventioneller Landwirtschaft, da auch in der Ökobranche die Preise fallen und einige Betriebe diesem Preisdruck nicht standhalten können. Das ist aber auch zugleich die Chance. Durch Urban Farming gibt es einen direkten Kontakt von Bevölkerung und Landwirtschaft. Das kann die Verbundenheit für die Lebensmittelproduktion im Allgemeinen steigern, auch für die auf dem Land. Urban Farming ist keine Landwirtschaft von irgendwelchen Bauern abseits der Stadt, sondern "meine Landwirtschaft" vor der Haustür, für die ich dann auch gerne mehr Geld ausgebe.

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"Es geht bei Urban Gardening und Urban Farming nicht um ein Stu?ck Kleidung, das gerade modern wäre und morgen wieder abgelegt werden könnte. Es ist eine gesellschaftliche Bewegung, die viele Menschen umfasst." (Cord Petermann)

Milchert: Das ist ja richtig, aber man muss immer aufpassen, mit welchem Nachdruck man Thesen vertritt. Außerdem kann es nicht sein, dass wir die Verstädterung der Landschaft und der Verlandschaftlichung von Stadt Vorschub leisten. Das ist zwar ein Prozess, der nicht zu stoppen ist, aber man muss ihn ja nicht noch als Profession vorantreiben. Darüber hinaus wünsche ich mir eine Landwirtschaft, die sich auch an die Ästhetik der eigenen Archetypen erinnert und diese stets neu interpretiert. Von diesem Wunsch würde ich bei der Diskussion um Urban Farming nicht ablassen.

Petermann: Jürgen, ich bin etwas irritiert. Bei dem, was du jetzt gerade gesagt hast, entsteht der Eindruck, als würden wir das alte Bild der Landwirtschaft auf dem Land in die Stadt tragen. Die zukünftige städtische Landwirtschaft wird aber eine völlig andere sein. Es ist eine technisierte, von modernen Produktionsmethoden geprägte Hightech-Landwirtschaft. Diese Landwirtschaft kümmert sich - zugespitzt gesagt - nicht um die vor dem Aussterben bedrohten Kulturpflanzen in einem Garten, sondern darum, wie ökologisch und effizient Nahrungsmittel in der Stadt hergestellt und vertrieben werden können. Dadurch wird sich nicht die Urbanität auflösen. Es wird eine andere Art von Urbanität sein, wir werden eine andere Architektur haben, andere Stadtquartiere kennen lernen, vielleicht auch ganz andere Wege in der Stadt zurücklegen, um zu unseren Lebensmitteln zu gelangen.

Feldhusen: Es ist ja nicht so, dass der aktuelle Wunsch nach Lebensmittelproduktion oder das Gärtnern in der Stadt etwas wäre, das die Fachöffentlichkeit allein erfunden hätte. An dieser Stelle wird häufig auf die Zeit zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren verwiesen. Auch hier gab es Wünsche, die mit Nachdruck zuerst außerhalb der Fachdisziplin stark wurden. Zurückblickend war es eine Bewegung, die es noch einmal grundsätzlich angehen wollte. Ökologie, Gleichberechtigung und Mitbestimmung sind nur einige Stichworte. Die Gesellschaft sollte - auch mit Mitteln der Landschaftsarchitektur - im Ganzen verändert werden. Ist diese Bewegung vergleichbar mit der aktuellen? Kann man überhaupt von einer Bewegung sprechen?

Milchert: Ja, ich glaube schon. Ich denke dabei stark an Urban Gardening. Und zwar sehe ich das - ähnlich wie die Bewegung zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren - als Mode. Ich kann mich gut an die späten 1970er-Jahre erinnern. Da fing man in unserer Wohngemeinschaft mit dieser "Zurück-aufs-Land-Bewegung" an. Da wurde in der Badewanne die Wolle gefärbt. Das hat dermaßen gestunken. Gut, die Person hat dann die Gemeinschaft verlassen und ist tatsächlich aufs Land gegangen, aber worauf ich eigentlich hinaus möchte: Ich beobachte, dass wir ein Berufsstand sind, der es stets allen recht machen möchte. Wie drehen uns wie eine Fahne im Wind. In den letzten 40 Jahren gab es etwa sechs solcher Moden. Diese haben immer den Anspruch, dass sie selig machen und man ihnen folgen muss, da sonst alles den Bach herunterginge. Das merkt man besonders auf Tagungen. Die haben teilweise etwas, das an Glaubensgemeinschaften erinnert.

Petermann: Also dem würde ich widersprechen. Eine Mode ist für mich etwas, das beispielsweise durch Marktkräfte erzeugt wird. Ich glaube schon, dass hinter den aktuell zu beobachtenden Phänomen eine soziale Bewegung steht, die eine gesellschaftliche Relevanz zum Umdenken sieht. Man kann natürlich aktuelle Phänomene zur Mode erklären. Das ist aber der Blick von oben. Wenn man die derzeitige Gesellschaft betrachtet, sieht man durchaus Parallelen zu der Bewegung zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren. Der große Unterschied ist, dass man damals glaubte, mit relativ einfachen Mitteln die Welt zu verändern. Heute weiß man aber, dass viele gesellschaftliche Probleme komplex sind. Ich glaube zwar auch, dass die aktuelle Bewegung in der kapitalistischen Wirtschaftsweise ein Grundproblem ausmacht, da auch ihre Forderungen grundsätzlich sind wie: "Eine andere Welt ist pflanzbar." Dennoch ist die heutige Bewegung realistischer und weiß, dass am Gesellschaftssystem eigentlich nichts mehr zu verändern ist. Stattdessen wollen sie mit gutem Beispiel vorangehen, um das Leben im System besser machen. Und das hat überhaupt nichts mit Mode zu tun, so wie es Jürgen beschrieben hat. Es geht bei Urban Gardening und Urban Farming nicht um ein Stück Kleidung, das gerade modern wäre und morgen wieder abgelegt werden könnte. Es ist eine gesellschaftliche Bewegung, die viele Menschen umfasst - so wie die Bewegung damals . . .

Milchert: . . . wenn ich dazwischen darf: Ich meine nicht Mode im Sinne der Kleidungsindustrie. Mir geht es um eine Art Heilserwartung unserer Profession. Das konnte ich selbst beispielsweise bei Louis le Roy erfahren. Er propagierte, dass man alles einfach wachsen lassen sollte. Das hat schon etwas Religiöses. Und eine solche Religiosität sehe ich auch beim Urban Gardening, wenn auch mit einem anderen Zungenschlag. Das wird auf Diskussionsveranstaltungen besonders deutlich. Da wird sich gegenseitig auf die Schulter geklopft und so schöne Bilder mit irgendwelchem Gemüse und gut aussehenden jungen Menschen gezeigt. So etwas braucht unsere Profession offenbar. Das liegt meines Erachtens daran, dass wir - ökonomisch gesehen - relativ unbedeutend sind. Deshalb dieser Hang zur Religiosität. Wir wollen uns selbst vergewissern, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Es gibt einfach von Zeit zu Zeit ein Schwein, nein nicht Schwein, sondern eher ein Einhorn, das wir durch das Dorf treiben und viele von uns sagen dann "Hurra, das ist die Lösung!". Und dieses Einhorn ist aktuell Urban Gardening.

Landschaftsarchitektur
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"Es gibt einfach von Zeit zu Zeit ein Schwein, nein nicht Schwein, sondern eher ein Einhorn, das wir durch das Dorf treiben und viele von uns sagen dann \'Hurra, das ist die Lösung!\'. Und dieses Einhorn ist aktuell Urban Gardening." (Jürgen Milchert)

Petermann: Aber du sprichst jetzt über unsere Profession, viele in der Urban-Gardening-Szene sind aber nicht Teil unserer Profession!

Milchert:

Darum geht es nicht. Ich meine, dass der Impuls für ein Thema immer von außen kommt. Und wir nehmen diesen Impuls auf und steigern ihn zur Religion.

Petermann: Ich erlebe das völlig anders. Die Landschaftsarchitektur treibt dieses Thema nicht wie ein Schwein oder ein Einhorn durchs Dorf. Klar, das Thema ist in aller Munde, auch weil es in den Medien stark vertreten ist. Wir stürzen uns aber nicht auf das Thema und machen daraus einen Fetisch. Man setzt sich in der Fachwelt differenziert damit auseinander und versucht auch Themen zu integrieren, die man im Alltag sowieso tut.

Feldhusen: Zum Alltag des Landschaftsarchitekten: Bis heute gehört zu der grundlegenden Handlungsweise des Landschaftsarchitekten das Entwerfen. Damit ist die Vorstellung verbunden, dass die Handlung "Entwerfen" bei "verwickelten" Problemen deshalb sinnvoll ist, um Lösungen zu finden, die für einen speziellen Ort passgenau sind. Verwickelt sind die Probleme zum Beispiel deshalb, da ökonomische, ökologische sowie soziale Belange interpretiert und zugleich in ein ästhetisches Konzept gebracht werden müssen, sodass letztlich nicht eine Ansammlung von Dingen, sondern ein Ort entsteht. Wie kommt das mit einer Bewegung wie Urban Gardening zusammen, wo kein Landschaftsarchitekt entwerfen muss, da die Leute selbst aktiv sind und die Dinge so gestalten, wie sie es für richtig halten?

Petermann: Also für mich führt das nicht dazu, dass das Entwerfen überflüssig oder der Stadtraum nur noch von Menschen selber gestaltet wird. Ich kann mir nicht die Stadt der Zukunft vorstellen, wo jeder Raum von den Bürgern in losgelösten Prozessen entwickelt wird. Für so etwas sollte es natürlich auch Flächen geben. Was dabei als Resultat entsteht, ist was anderes. Aber es wird weiterhin Räume in den Städten geben, wo der Landschaftsarchitekt derjenige ist, der mit einer Vorstellung für diesen Raum in Erscheinung tritt - sicherlich intensiver als bisher in einem Diskurs mit den Menschen. Zu seinen Strategien gehört es dabei aber auch, Phänomen wie die des Urban Gardening stärker in den Entwurf einzubauen. Der Landschaftsarchitekt muss den gesamten Raum bespielen und sich Fragen stellen wie: Wie viel Offenheit lasse ich in meinem Entwurf? Bis wohin entwickele ich Flächen? Lasse ich Raum, sodass Bürger selbst den Freiraum vollenden können? Dieser Prozess der Aneignung von Menschen ist wichtig. Jeder Mensch ist in diesem Sinne ein Entwerfer. Das Selbstverständnis des Landschaftsarchitekten muss sich massiv verändern, aber nicht grundsätzlich seine Aufgabe.

Milchert: Ich würde die Frage zur Kernkompetenz des Landschaftsarchitekten als Entwerfer anders beantworten. Wenn man sich die letzten 150 Jahre unseres Berufsstandes anschaut, ist neben dem Entwerfer, auch eine andere Rolle wichtig: die des Gärtners. Der Gärtner ist jemand, der seine Welt, seinen Garten, besser und schöner hinterlassen möchte. Das spielt bei vielen Studienanfängern eine wichtige Rolle. Wenn wir uns mit dem Hochbauarchitekten vergleichen, sind wir vermutlich eher Künstlerarchitekten. Ich finde das auch in Ordnung, da es gerade in einer immer stärker ökonomisch orientierten Zeit wichtig ist, die alten Fragen nach Schönheit neu zu stellen und auch nach mythischen Dimensionen in Gärten, Parks oder auf Plätzen Ausschau zu halten und sie immer wieder neu zu deuten. Mein Großvater hatte einen ganz kleinen Garten mit viel Gemüse und Obst. Eines Tages legte er eine kleine Rasenfläche an. Das war der Schritt zum Nutzlosen. Damit kam zum Ausdruck, dass er es sich leisten wollte, etwas zu kultivieren, das keinen direkten Nutzen hat. Das sollte unsere Profession nicht vergessen: das Nutzlose zu inszenieren. Ich sehe die Gefahr im Urban Gardening darin - genauso wie ich es damals mit diesem Louis le Roy erlebt habe -, dass man diese Idee des schönen Gartens, des historischen Gartens oder auch des künstlerischen Gartens vernachlässigt und überall nur noch Radieschen anbaut. Das wäre auch eine Steilvorlage für Politiker in wirtschaftlich schlechten Zeiten, wo so argumentiert werden könnte, dass man keine Landschaftsarchitekten mehr benötigt. So etwas habe ich konkret gerade in Andernach erlebt, die sagen: Wir brauchen euch Landschaftsarchitekten gar nicht mehr, wir machen jetzt auf "nahrhafte Stadt". Der Landschaftsarchitekt muss hier selbstbewusst auftreten und auch neue Bilder von Freiräumen entwickeln, die ausdrücklich nutzlos sind.

Petermann: Das sehe ich zwar anders, aber wir sind zufälliger Weise an dem Punkt angelangt, mit dem wir gestartet sind. Anfangs meinte ich, dass vieles von dem was wir aktuell im Urban Gardening beobachten, auch eine symbolische Handlung ist. Das trifft auch das, was du gesagt hast.

Milchert: Nicht ganz.

Dipl.-Ing. (FH) Sebastian Feldhusen
Autor

Hochschule Osnabrück und Technische Universität Berlin

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