Ein Kooperationsprojekt zwischen HAMBURGWASSER und Bezirksamt Harburg

Regenwassermanagement in Hamburg

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Regenwasser Wasser in der Stadt
Der vielgestaltige "Biberbau" bietet den Kindern gute Spiel- und Nutzungsmöglichkeiten. Foto: Gudrun Lang

Der Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek soll mit mehreren Entwicklungsmaßnahmen aufgewertet werden. Im Wesentlichen sind davon der Bahnhofsvorplatz, das Zentrum sowie die Petershofsiedlung betroffen. Um die Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem Stadtteil zu stärken, werden sie frühzeitig in die Planungen einbezogen. Der Stadtteilbeirat begleitet entsprechende Beteiligungsprozesse. Auf diesem Weg wird der in den 1980er Jahren als ein Unterzentrum des Bezirks Hamburg-Harburg ausgebaute Stadtteil neu gestaltet.

Eines der Projektgebiete sticht besonders hervor: Es handelt sich um eine innerstädtische Grünfläche mit Durchgangsfunktion. Diese verbindet die angrenzenden Siedlungen, Falkenberg- und Petershofsiedlung untereinander und zusätzlich mit dem Stadtteilzentrum. Die Flächen liegen unmittelbar an einem Brunnenschutzgebiet des städtischen Trinkwasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmens HAMBURG WASSER. Ein ehemaliger Sickergraben für Regenwasser aus der angrenzenden Falkenbergsiedlung liegt ebenfalls auf der Fläche. So kann dort ein zukunftsweisendes Projekt im Umgang mit Regenwasser umgesetzt werden. Dieses zielt auf die Mehrfachnutzung der Flächen ab. Auf den Wegeverbindungen entstehen im Zuge des Neuausbaus Spiel- und Freizeitangebote für alle Generationen, die so gestaltet sind, dass sie im Falle starker Regengüsse die Funktion eines Überflutungspuffers übernehmen.

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Regenwasser Wasser in der Stadt
Am Tag der Einweihung hatten die Kinder jede Menge Spaß beim Spiel mit den Wasserbällen. Foto: Gudrun Lang
Regenwasser Wasser in der Stadt
Auslaufbauwerk am Graben. Abb.: Visualisierung Landschaftsarchitektur+ Felix Holzapfel-Herziger

Bei geringen Regenmengen läuft das Wasser nach wie vor über die in Hamburg Siel genannte Kanalisation ab. In dieses vorhandene Siel wird eine Drossel eingebaut, um unter der Maßgabe des "Kontrollierten Abflusses" bei stärkeren Niederschlagsereignissen das anfallende überschüssige Wasser in den neu ausgebauten Sickergraben zu leiten. Dieser hat einen Überlauf zum Brunnenschutzgebiet. Der erste Schwall mit dem gegebenenfalls belasteten Niederschlagswasser fließt über die Siele und ein Rückhaltebecken zur Vorflut. Lediglich der nicht belastete Überschuss gelangt zur oberflächlichen Versickerung. Es wird davon ausgegangen, dass der bespielbare Grabenbereich etwa einmal im Jahr vollständig mit Wasser gefüllt sein wird.

Darüber hinaus wird gemäß der erstellten Langzeitseriensimulation bei fünf- und zehnjährigen Regenereignissen, etwa einmal in zwei Jahren, das Wasser vom Graben in das Brunnenschutzgebiet fließen. Dieser Bereich des Grabens ist als begehbarer Regenwasser-Spielplatz auf eine besondere Art und Weise gestaltet, so dass er von den verschiedenen Wasserständen lebt. Die Grabensohle ist hier abgedichtet. Regen, der direkt auf die Fläche fällt, sammelt sich in Pfützen. Wenn das Siel überläuft, entwickelt sich ein plätschernder Bach. Am Ende des Spielbereichs strömt das Wasser oberflächlich in das Brunnenschutzgebiet. Dieses versickernde Wasser braucht dann noch ungefähr fünf Jahre, bis es in das Einzugsgebiet der Brunnen gelangt. Dabei wird es von den verschiedenen durchströmten Bodenschichten gereinigt. Die Pumpen der Tiefenbrunnen fördern das Wasser dann zum Wasserwerk Neugraben. Das Regenwasser von heute ist also das Trinkwasser von morgen. So schließt sich der Wasserkreislauf.

Der entstehende Regenwasser-Spielplatz trägt den Namen "Biber-Land". Er ist ein amphibischer Bereich, der zwischen Wasser und Land vermittelt. Naturmaterialien wie Kies und Holz laden zum Spielen ein. Mittels einer Archimedischen Spirale kann Wasser gefördert werden. Von einem Ausguck aus ist das ganze "Biber-Land" einsehbar. Hier stehen auch Infotafeln von HAMBURG WASSER, die den Wasserkreislauf in Bezug auf diesen Ort veranschaulichen und erläutern.

Der Ansatz der Mehrfachnutzung im "Biber-Land" erfolgt im Rahmen des Hamburger RISA-Projekts (RegenInfraStrukturAnpassung), das einen neuen Umgang mit Regenwasser in der Hansestadt zum Ziel hat. Ziele von RISA sind der naturnahe Wasserhaushalt, Gewässerschutz sowie der Überflutungs- und Binnenhochwasserschutz. Entscheidend bei dem RISA-Projekt ist, dass alle wasserwirtschaftlich tätigen Institutionen und Fachbehörden von Anfang an beteiligt werden. Lösungen werden in einem gemeinsamen Prozess erarbeitet, um Flächenpotenziale, die eine Mehrfachnutzung erlauben, frühzeitig zu identifizieren. Es geht hierbei nicht um rein technische Lösungen, sondern um die synergetische Nutzung von Flächen.

Regenwasser Wasser in der Stadt
Planungsentwurf des Regenwasserspielplatzes. Abb.: Gudrun Lang, Freie Landschaftsarchitektin

Bezogen auf das "Biber-Land" und den Stadtteil Neugraben-Fischbek war eine solche Konzeption nahe liegend, um die Menschen im Stadtteil für das Thema Regenwasser zu sensibilisieren und den Wasserkreislauf in der Örtlichkeit erlebbar zu machen. Ausgangspunkt waren zwei heftige Regenereignisse in den Jahren 1997 und 2002. Der Starkregen brachte Wassermengen, die das vorhandene Rückhaltebecken nicht fassen konnte, so dass die Keller einer nahe gelegenen Schule überflutet wurden. Die gerichtliche Klärung der Ursache in 2009 führte zu der Vorgabe, zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung der Wassermengen am Rückhaltebecken zu schaffen. Verschiedene Möglichkeiten wurden daraufhin von HAMBURG WASSER untersucht. Die praktikabelste Variante war, den vorhandenen Sickergraben am Brunnenschutzgebiet zu nutzen. Zur Realisierung des Vorhabens kaufte HAMBURG WASSER dem Bezirk den Graben ab.

Die Umgestaltung der Wegeflächen zum "Biber-Land" ist das erste Projekt auf Hamburger Stadtgebiet, das in dieser Fachbereichs- und Institutionsübergreifenden Weise umgesetzt wird. Uns Landschaftsarchitektinnen obliegt hier die Begleitung des Beteiligungsprozesses, das Entwickeln und Verknüpfen des Projekts mit der Bevölkerung. Dies erfolgt zum Einen über Bürgerworkshops, den aktiven Dialog mit dem Stadtteilbeirat und unter Einbeziehung der steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH.

Zum Anderen gilt es, das Konzept für den begeh- und bespielbaren Retentionsraum zu entwickeln.

Das Leistungsbild der Objektplanung in Freianlagen wurde um das Beteiligungsverfahren und den erweiterten Abstimmungsprozess mit den fachlich an der Planung Beteiligten ergänzt. Ein Projekt hat hier mehrere Auftraggeber, nämlich einerseits den Bezirk und andererseits HAMBURG WASSER. Diese beiden Auftraggeber regeln untereinander die Nutzung und Instandhaltung des gemeinsam erstellten Areals mittels einer Kooperationsvereinbarung. Nach außen hin entsteht eine Anlage auf Basis einer gemeinsamen Planung. Die Unterhaltung der Flächen untersteht dann wiederum dem jeweiligen Eigentümer. Für die Maßnahmen zum Regenwassermanagement werden Mittel aus dem RISA-Projekt zur Verfügung gestellt. Der überwiegende Teil der Projektkosten jedoch wird mit Bezirksgeldern sowie mit RISE-Mitteln¹ aus dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung finanziert.

Insgesamt geht man bei diesem Projekt ganz neue Wege der Kooperation. Es wird ein Ort mit neuem Charakter geschaffen, der zur Identifikation der Anwohner mit ihrem Umfeld beiträgt und das Image dieses Stadtteils maßgeblich stärkt.


Spielplatz verhindert Überflutung

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Mit dem neuen Spielplatz konnte das Überflutungsproblem an der benachbarten Schule gelöst werden. Fotos: HAMBURG WASSER

Drei Fragen an Klaus Krieger, Abteilungsleiter Netzplanung bei HAMBURG WASSER zum Bau des Regenspielplatzes Neugraben-Fischbek:

Stadt+Grün: Warum hat sich Hamburg Wasser beim Bau des ersten Hamburger Regenspielplatzes engagiert?

Krieger: Auslöser für unser Engagement war ein zu kleines Regenrückhaltebecken, welches etwa 500 Meter vom heutigen Regenspielplatz entfernt liegt. Hier war es bei starken Regenfällen wiederholt zu Überflutungen einer angrenzenden Schule gekommen. Ein konventioneller Ausbau des Rückhaltebeckens wäre aufgrund der umliegenden Bebauung extrem aufwändig und damit auch sehr teuer geworden. Daher haben wir nach alternativen Lösungsansätzen gesucht.

Die Grundidee dabei war, den Zufluss zum bislang überlasteten Rückhaltebecken im vorgelagerten Kanalnetz zu drosseln anstatt das Becken aufwändig auszubauen und damit einen deutlich verbesserten Überflutungsschutz zu erreichen. Die geplante Umgestaltung des in die Jahre gekommenen Spielplatzes in Neugraben-Fischbek durch das Bezirksamt Harburg bot dabei eine sehr gute Gelegenheit, eine stadtplanerisch attraktive und gleichzeitig wirtschaftliche Lösung für das Überflutungsproblem zu finden.

Stadt+Grün: Was waren die wesentlichen Stolpersteine bei der Planung des Projektes?

Regenwasser Wasser in der Stadt
Klaus Krieger koordinierte 50 Behördeninterne Besprechungen zur Realisierung des Regenspielplatzes. Foto: HAMBURG WASSER

Krieger: Etablierte Planungsprozesse haben den Vorteil, dass jeder Akteur seinen Zuständigkeitsbereich kennt. Innovative Entwässerungskonzepte führen zwangsläufig zu vielen Fragen und Bedenken. Bei unserem Regenspielplatz waren das konkret zum Beispiel Fragen zur Haftung bei Unfällen oder zu Verantwortlichkeiten für die Reinigung des Spielplatzgeländes.

Das brachte einen hohen Abstimmungs- und Kommunikationsaufwand mit sich. Alleine bei HAMBURG WASSER haben wir mehr als 50 Besprechungen gezählt, bis der Regenspielplatz im Oktober 2013 eröffnet werden konnte. Ein hoher Aufwand - aber er hat sich gelohnt!

Stadt+Grün: Was hat zum Erfolg des Projektes beigetragen?

Krieger: Wir hatten das große Glück, bei den Projektpartnern im Bezirk Harburg, der Stadtentwicklungsgesellschaft, der Landschaftsarchitektin und bei HAMBURG WASSER begeisterungsfähige und hartnäckige Kümmerer zu haben, die sich auch von gelegentlichen Rückschlägen nicht haben abschrecken lassen. Darüber hinaus haben wir neben der projektinternen Kommunikation großen Wert auf die Kommunikation mit den Stakeholdern gelegt. Dazu gehörten insbesondere zahlreiche Gespräche mit den Anwohnern, die Gestaltung von Schautafeln, welche die Funktion des Regenspielplatzes anschaulich erklären sowie eine aktive Pressearbeit und eine Eröffnungsfeier mit vielen großen und kleinen Gästen.

Damit haben wir es gemeinsam mit den Projektpartnern geschafft, den Regenspielplatz in Neugraben-Fischbek im Rahmen des Projektes RISA als ein richtungweisendes Pilotprojekt für den Umgang mit Regenwasser in der Stadt zu verwirklichen. Er macht den Wasserkreislauf erlebbar und stellt zudem ein gelungenes Beispiel für den Überflutungsschutz als kommunale Gemeinschaftsaufgabe dar, bei dem neben dem Kanalnetz auch die multifunktionale Nutzung von öffentlichen Grün- und Erholungsflächen einbezogen wird.


Anmerkung

1) Die städtebauliche Sanierung nach Baugesetzbuch (BauGB) wird seit Sommer 2009 in Hamburg unter dem Dach von RISE geführt.

Dipl.-Ing. Gudrun Lang
Autorin

Freie Landschaftsarchitektin, Hamburg

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