Wege zum interkulturellen und interreligiösen Dialog

Religionsgärten - ein neuer Gartentypus

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Religionsgärten Gartentrends
Die heiligen Orte zu Arenberg, genannt "Roter Hahn" geschaffen zwischen 1845–1865; im Volksmund auch Pfarrer-Kraus-Anlagen genannt; durch den Torbogen gelangt man in den Mariengarten. Foto: Gudrun Lang

Vielerorts in Deutschland entstehen in den letzten Jahren Religionsgärten, begünstigt durch die gesellschaftliche Durchmischung verschiedener Ethnien und aufgrund politischer Willenserklärung zum Dialog der Glaubensgemeinschaften. Um Ängste vor dem Fremden oder Unbekannten abzubauen, hilft es, sich gegenseitig kennen zu lernen. Neben dem interreligiösen Dialog ist es eine Möglichkeit, gemeinsam etwas Neues zu schaffen, an dem jeder gestaltend teilhaben kann. Hierzu gehören auch Gärten, die sich in den zurückliegenden Jahrhunderten unterschiedlich entwickelt haben.

Bei christlichen Gärten denkt man wohl zunächst an Klostergärten des Mittelalters, insbesondere an den Kreuzgang. Die meisten Gartenbereiche eines Klosters waren nicht mit gestalterischen Ambitionen, sondern vorwiegend nach funktionalen Gesichtspunkten angelegt. Einzelne Pflanzen besaßen eine ausgeprägte religiöse Symbolik, die sich häufig auf die Jungfrau Maria bezog. Solche Pflanzen fanden Eingang in die mittelalterlichen Darstellungen der Madonna im Garten.

Außerhalb der Klostermauern kam im 14. Jahrhundert ein neuer Typus religiöser Anlagen auf. Die Franziskaner erfanden für das Volk, das sich eine Reise ins Heilige Land nicht leisten konnte, den Kreuzweg als Mittel der Andacht.¹) Meistens führte er einen Berg hinauf, der symbolisch für den Kalvarienberg stand. Im Zeitalter der Gegenreformation nahmen die 14 Kreuzwegstationen ihre heutige Form an. Zahlreiche Anlagen dieser Art mit Kalvarienberg oder Wallfahrtskirche als Endpunkt, wurden im gesamten katholischen Einflussbereich errichtet. Auch hier war jedoch, wie im Kreuzgang, raffinierte gärtnerische Gestaltung nicht gefragt. Die bestehende Landschaft sollte nicht in eine kontemplative Gartenanlage verwandelt werden, sondern einen neutralen Hintergrund bilden, vor dem Bilder und Figuren möglichst dramatisch das christliche Heilsgeschehen evozierten. Man holte sich sozusagen das Heilige Land nach Hause.

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Die heiligen Orte zu Arenberg, "Roter Hahn", beherrschendes Bauwerk im Mariengarten ist das Haus Nazareth, daneben steht ein mächtiger Mammutbaum. Foto: Gudrun Lang
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Die heiligen Orte zu Arenberg, "Roter Hahn", Bildstöcke zeigen die 15 Rosenkranzgeheimnisse (Reliefbilder von Franz Scherf). Foto: Gudrun Lang

Etwas Ähnliches geschah nach der Marienerscheinung von Lourdes 1858, die die gesamte katholische Welt bewegte. In Gärten und in der freien Landschaft entstanden überall "Lourdes-Grotten" mit weißgekleideten Madonnenfiguren, um das Wunder für jedermann greif- und erlebbar zu machen. Die gärtnerische Darstellung der Volksfrömmigkeit gipfelte Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum in den Pfarrer-Kraus-Anlagen von Arenberg, wo Peter Joseph Lenné nach den Vorstellungen von Pfarrer Johann Baptist Kraus (1805-1893) die frommen Bildwerke, Kapellen, Grotten und Torbögen dezent in einen Landschaftspark einbettete. Er schuf damit eine so genannte Landschaftsbilderbibel. Alles in allem kann man sagen, dass es den traditionellen christlichen Garten in einer bestimmten festgelegten Form nicht gibt.

Das Judentum, die Quelle der "abrahamischen" Religionen Christentum und Islam, hat ebenfalls keine einheitliche Gartenkultur entwickelt, sondern sich der jeweiligen Umgebung in der Diaspora angepasst.

Der islamische Garten

Ganz anders verhält es sich beim islamischen Garten. Im Einflussbereich der Muslime haben sich seit der Eroberung Persiens durch die Araber im Jahre 642, nur zehn Jahre nach dem Tod des Propheten, zwei Elemente miteinander verbunden: zum einen erzählt der Koran in Sure 47 Vers 15 von den vier Flüssen des Paradieses: Wasser, Milch, Wein, Honig. Zum anderen war damals der kreuzförmig viergeteilte persische Garten schon hoch entwickelt (vgl. Stadt und Grün 7-2011, S. 20ff.). Daraus ergibt sich das Schema der vier orthogonal von einem mittleren Brunnen ausgehenden Kanäle, die den Garten idealerweise zu vier gleich großen Quadraten strukturieren. Über die Bepflanzung sagt der Koran nur, dass es im Paradies Schatten und köstliche Früchte gibt. Eine spezifisch islamische Pflanzenauswahl gibt es demnach nicht.

Wenn man an "indische Gärten" denkt, sind in der Regel islamisch geprägte Anlagen auf dem Boden Indiens gemeint. Im Hinduismus spielt der Garten keine unmittelbare Rolle. Dennoch sind bestimmte Elemente wichtig, insbesondere das Wasser. In einer traditionellen Anweisung zum Tempelbau heißt es: "Die Götter spielen dort, wo Haine, Flüsse, Berge und Quellen in der Nähe sind und in Städten mit Lustgärten." Innerhalb der Tempelanlagen selbst gibt es baumbestandene Gärten in peripheren Bereichen. An wichtigen Stellen befinden sich Teiche oder Wasserbecken für rituelle Waschungen sowie Lotosteiche. Die Lotosblüte symbolisiert sowohl im Hinduismus als auch im Buddhismus die Reinheit, die sich aus dem Sumpf der Begierden erhebt.

Der Kernbereich des Tempels ist in der Regel eine Anlage für große Menschenansammlungen, wo Grün keinen Platz hat. Religiöse Bedeutung besitzt dagegen die geometrische Organisation des Geländes. Hindu-Tempel werden auch als "gebaute Mandalas" bezeichnet. Das Quadrat, unterteilt in ein Rasterschema, legt die ideale Position jeder Nutzung fest. Keine Achse und kein Gebäudestandort sind zufällig. Alles folgt der heiligen Ordnung des religiösen Kosmos, wo jedes Rasterfeld einer bestimmten Gottheit mit bestimmten Eigenschaften und Energien zugeordnet ist. Die indische Lehre vom Bauen ist ähnlich festgelegt und komplex wie das bei uns besser bekannte chinesische Feng Shui. Im Gegensatz zum Feng Shui fordert jedoch die indische Geomantik eine streng orthogonale Anordnung.

Der Buddhismus hat auf indischem Boden keine eigene Gartenkultur hervorgebracht. Ein charakteristisches Element nahm dort jedoch seinen Anfang: Der Stupa. Ursprünglich einem kuppelförmigen Grabhügel, diente der Stupa im buddhistischen Zusammenhang als Markierung von Reliquien. Die berühmteste indische Stupa-Anlage befindet sich in Sanchi und wurde noch unter dem ersten großen Förderer des Buddhismus, Kaiser Ashoka im 3. Jahrhundert v. Chr. begonnen. Um etwa 75 v. Chr. wurden dem großen Stupa von Sanchi beeindruckende Steintore, sogenannte Torana, mit reichem Reliefschmuck hinzugefügt.

In Japan schuf die Zen-Sekte eine eigene Gartenkultur, die in Europa unter dem Schlagwort "Meditationsgarten" bekannt ist. Der berühmteste dürfte der Kies-und-Steine-Hof des Ryoan-Ji aus dem 15. Jahrhundert n. Chr. sein.

Gärten mit religiösen Inhalten spielten in Deutschland in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts erstmals auf Gartenschauen eine Rolle.

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Nordelbisches Bibelzentrum St. Johanniskloster Schleswig, Idee, Planung Ausführung Gudrun Lang, Freie Landschaftsarchitektin in Zusammenarbeit mit dem Bibelzentrum. Foto: Gudrun Lang
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Nordelbisches Bibelzentrum St. Johanniskloster Schleswig, Idee, Planung Ausführung Gudrun Lang, Freie Landschaftsarchitektin in Zusammenarbeit mit dem Bibelzentrum. Foto: Gudrun Lang

Religiöse Gärten in Deutschland

Von den durch Helga Panten dokumentierten Bundesgartenschauen2 (BUGA) zwischen 1951 und 1989 gab es lediglich in Mannheim 1975 ein "Haus der Kirche" und in Berlin 1985 ein "Kirchenzentrum". Erst der Kirchengarten auf der BUGA 1995 in Cottbus war von weitreichender Bedeutung und gab Anstoß zu weiteren Bibelgärten. Während das dazugehörige Gebäude, die "gläserne Kirche", im Rahmen einer ökumenischen Initiative errichtet wurde, sorgte für die gärtnerische Umrahmung keine kirchliche Organisation, sondern die BUGA GmbH.

Auf der Internationalen Gartenschau (IGA) 1983 in München gab es erstmals einen "Garten der Bibel", der in der Mitte eines runden Kiesmusters einen Quellstein enthielt und mit trockenheitsverträglichen Arten bepflanzt war, passend zum alttestamentlichen Thema "Wasser in der Wüste".

Aufsehen erregte der Weidendom von Marcel Kalberer auf der IGA 2003 in Rostock, der heute noch als Freiluftkirche genutzt wird.

Andere Religionen waren auf den innerdeutschen Gartenschauen nicht vertreten, mit Ausnahme der allzeit beliebten Japangärten. Doch diese werden nicht als religiöse Gärten wahrgenommen, obwohl in ihnen durchaus spirituelle Inhalte vorkommen.

Elemente nichtchristlicher Religionen in der Gartenkultur weckten bis vor kurzem in Deutschland, ähnlich wie die Japangärten, nur durch ihre Exotik Interesse. Auf den Internationalen Gartenschauen tauchten sie unter dem Oberbegriff "Gärten der Nationen" auf. Material, Ausführung und Finanzierung waren meistens Spenden einer Partnerstadt oder der jeweiligen Nation, die dadurch vor allen Dingen deutsche Touristen ansprechen wollten. So fanden einige religiöse Elemente auf dem Umweg über "Nationengärten" ihren Weg auf Internationale Gartenschauen, jedoch erst seit der IGA 1983 in München. Dort schenkte die Partnerstadt Sapporo den Japangarten mit Kiesstrand und Steinlaterne. Solche Laternen sind in Japan traditionelle Votivgaben an buddhistische Heiligtümer. In seiner unmittelbaren Nähe hatte die "Interessengemeinschaft Erhaltung Asiatischer Kultur e. V." eine nepalesische hinduistische Tempelpagode aufgebaut. Etwas tiefer lag in einem künstlichen See die spektakuläre "Sala Thai" (offener Pavillon) mit Buddhafigur.

Indiens Beitrag war eine Mischung aus Moghul-Garten mit zentralem Springbrunnen und buddhistischer Anlage mit Steintor. Aus der islamischen Welt gab es einen ägyptischen und einen türkischen Garten.

Ähnlich üppig fielen die Nationengärten auf der IGA 1993 in Stuttgart aus. Die Planungen weisen übereinstimmend Anklänge aus religiösen Themen auf. In den Beiträgen aus dem Iran und Tunesien erkannte man die typisch islamische kreuzförmige oder wenigstens axiale Anlage mit einem Brunnen in der Mitte wieder. Besonders auffallend war eine Miniaturversion des Stupa von Bodnath im nepalesischen Garten. Da diese Gärten aber nicht aus den Reihen der Religionsgemeinschaften entstanden sind, handelte es sich hauptsächlich um die Aneinanderreihung von Versatzstücken religiöser Symbolik.

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Weidendom, IGA Rostock 2003, gebaut wurde dieser von 650 freiwilligen Helferinnen und Helfern zwischen 16 und 75 Jahren aus dreizehn Nationen Ost- und Westeuropas; er ist das weltweit größte lebendige Bauwerk. Foto: Maketa Haist

In Rostock gab es 2003 mehr als 30 unterschiedliche Nationengärten. Diese waren in ihrer Ausprägung eher wie ein Markt mit Verkaufsständen für landestypische Produkte konzipiert, deren Hauptzweck offensichtlich in der Förderung des Tourismus bestand, obwohl auch dort ähnliche religiöse Elemente wie in Stuttgart 1993 integriert waren.

Auf der igs hamburg 2013 wird das Thema der Religionsgärten erstmals unter Beteiligung der Religionsgemeinschaften entwickelt und als "Welt der Religionen" gestaltet. In Deutschland lebende Gläubige der Weltreligionen sollen sich in einem moderierten Prozess äußern, um ein gestalterisch anspruchsvolles und inhaltlich korrektes Ergebnis zu erzielen.

Wie kommt es zu diesem Neuansatz?

Das Thema "Religionsgärten" liegt im Trend. Der neueste Beitrag im Erholungspark Marzahn ist der christliche Garten von relais-Landschaftsarchitekten. Der dortige orientalische Garten wurde 2005 unter Mitwirkung von Kamel Louafi realisiert. Damals ging es, ebenso wie im Japanischen und Balinesischen Garten, mehr um die Exotik als um die Religion, wie schon an den Namen erkenntlich ist. Diese Gärten sind ein Instrument des Stadtmarketing und Tourismusmagnet.

Weitere Religionsgärten wurden in einem Kölner Jesuitenkloster und in einem Osnabrücker Gymnasium gebaut. In Karlsruhe befinden sie sich anlässlich des kommenden Stadtgeburtstags in der Projektphase.

Dieser Trend ist bedingt durch die Globalisierung. Durch die neuartige Arbeitswelt und soziale und politische Rahmenbedingungen weltweit leben in Deutschland viele Menschen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern und Kulturen. Sie bringen ihre Religion als letzte innere Heimat mit in ihr neues Leben.

Während Kulturen in ständiger, sichtbarer Veränderung begriffen sind, sich voneinander entfernen aber auch aneinander annähern, verkörpern die Religionen, die sich sehr viel langsamer wandeln, die kulturellen Unterschiede auf exemplarische Weise. Der Schluss liegt nahe: wer die Unterschiede zwischen den Religionen versteht, wird auch die Unterschiede zwischen den Kulturen verstehen. Und die Gemeinsamkeiten der Religionen könnten eine Basis für die kulturelle Koexistenz sein. Aber vielleicht müssen viele Menschen mitmachen, nicht nur Religionsspezialisten. Die beste Methode, unterschiedliche Religionen dazu zu bringen, dass sie sich freiwillig gegenseitig erklären, besteht darin, mit ihnen gemeinsam Projekte anzugehen. Nicht nur Gespräche und Konferenzen, sondern etwas Handfestes, das man hinterher anschauen und benutzen kann. Etwas, was das Thema von der UN-Vollversammlung in die Stadtquartiere bringt. Dafür bietet der Garten als grundsätzlich positiv besetztes Element den idealen Rahmen. Es könnte sogar sein, dass der gleiche Mensch, der auf die Straße geht, um gegen den Bau einer Moschee zu protestieren, einen islamischen Garten mit Interesse besichtigt.


Anmerkungen

¹) www .othmar.at/geistl_angebote/kreuzweg

²) Die Bundesgartenschauen, Stuttgart 1987


Literatur

John Harvey: Mediaeval Gardens, London 1981

Attilio Petruccioli: Il giardino islamico. Architettura, natura, paesaggio, Milano 1994

Irmtraud Schaarschmidt-Richter: Der Japanische Garten. Ein Kunstwerk, Würzburg 1979

Günter Nitschke: Japanische Gärten, Köln 1993

Helga Panten: Die Bundesgartenschauen, Stuttgart 1987

Dr.-Ing. Marketa Haist
Autorin

Landschaftsarchitektin

Dipl.-Ing. Gudrun Lang
Autorin

Freie Landschaftsarchitektin, Hamburg

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