Auch in der Schweiz sind Geröllflächen auf dem Vormarsch

Schotter statt Grün

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Schottergärten Forschung und Bildung
Steinbeet- Eingangssituation. Foto: Andreas Wörner, Forschungsgruppe Pflanzenverwendung

Auch in der Schweiz werden Grünflächen mancherorts durch teilversiegelte Schotter-, Splitt- oder Kiesflächen mit spärlicher oder ganz fehlender Vegetation ersetzt. Die Relevanz des Themas unter Fachleuten der grünen Zunft kann anhand der stattlichen Literaturliste bemessen werden: Kammermann & Messer 2017; Krieger 2016; Neumann & Ollig 2016; Mayer 2015; Richard, P. 2015; Wassmann 2013, um nur einige zu nennen. Der Staudenring benutzte die "Versteinerung" der Gärten als Aufhänger für den diesjährigen Messeauftritt an der IPM in Essen. Auch öffentliche Foren des Internets widmen sich dem Phänomen, das sowohl in Privatgärten, als auch im öffentlichen Raum zu beobachten ist. Dem subjektiven Empfinden nach sind schwerpunktmässig private Vorgärten betroffen, stichhaltige quantitative Untersuchungen und Beurteilungen zum Thema liegen allerdings noch nicht vor.

"Steinbeete" werden in verschiedenen Varianten gebaut, die jedoch alle eine mehr oder weniger pflanzenfreie Fläche zum Ziel haben. Die Grundlage bildet ein Geotextil, welches durch mechanischen Widerstand das Auflaufen von unerwünschtem Bewuchs verhindern soll. Sollen ein paar Pflanzen das Steinbeet auflockern, wird in Löcher gepflanzt, die in das Geotextil geschnitten werden. Zur Abdeckung der Geotextilien kommen dann die oben erwähnten Schüttgüter zum Einsatz. Der Wunsch nach pflegeleichten Freiflächen scheint für Garteneigentümer und Kommunen ein wesentlicher Beweggrund für die Anlage von "Steinbeeten" darzustellen. Daneben dürfte die Tatsache, dass die Erstellung keinerlei Pflanzenkenntnis erfordert und im Internet zahlreiche Anleitungen zu finden sind, ein weiterer Grund für die zunehmende Verbreitung in Privatgärten sein.

Die landläufige Meinung, dass "Steinbeete" im Gegensatz zu Grünflächen beim Unterhalt kaum Pflege erfordern, wird von vielen Fachleuten nicht geteilt. Es ist zudem anzunehmen, dass zur Freihaltung dieser Flächen auf Herbizide zurückgegriffen wird, die in Privatgärten in der Schweiz grundsätzlich nicht zugelassen sind.

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Steinbeet – Hangabstützung. Foto: Andreas Wörner, Forschungsgruppe Pflanzenverwendung

Sophie Hartmann: "Steingärten in privaten Gärten"

Im Rahmen von Bachelor- und Projektarbeiten befasst sich die ZHAW mit dieser Thematik, die sich als durchaus vielschichtig erweist. Zu den Arbeiten im Einzelnen:

Bachelorarbeit von Sophie Hartmann: Steingärten in privaten Gärten

Eine empirische Arbeit als Grundlage für die Informationsvermittlung an angehende Immobilieneigentümer in der Entscheidungsfindung für die Freiraumgestaltung

In dieser Arbeit wird die Situation von Seiten privater Gartenbesitzer sowie Gemeinden beleuchtet. Neun Qualitative Interviews bei Eigentümerschaften von schotter- und steindominierten Freiflächen geben Einblick in Beweggründe und Umstände. Die Verordnungen von 40 Gemeinden wurden dahingehend untersucht, ob sie Vorschriften für die Freiflächengestaltung enthalten. Die Autorin ging der Frage nach, ob auf ihren Homepages Informationen zu Biodiversität oder Steingärten verfügbar sind. Zum Schluss bringt eine Mailanfrage zu Tage, ob von den Gemeinden Einfluss auf die Gestaltung in privaten Gärten genommen werden kann oder will.

Aus den Interviews geht hervor, dass der zu erwartende geringe Arbeitsaufwand eine Hauptmotivation darstellt. Gartenarbeit wird von dieser Zielgruppe nicht als Freizeitgestaltung, sondern als lästige Pflicht angesehen. Auf ästhetischer Ebene sind Kontrolle, Übersichtlichkeit und Kalkulierbarkeit wichtiger als üppiges Grün. Viele Gemeinden nehmen per Verordnung Einfluss auf die Freiflächengestaltung, bieten online Informationsmaterial oder Beratungen an. Dies betrifft aber längst nicht alle Gärten. Vorschriften greifen nur bei Neubauten, nicht aber bei Gartenumgestaltungen. Die Durchsetzung von Vorgaben erweist sich im Alltag als schwierig. Fragwürdig erscheint der Autorin, dass Schotter- und Steinflächen in der Regel als Grünflächen angesehen werden. Die Sensibilisierung für ökologische Themen ist noch lange nicht in der wünschenswerten Breite erfolgt. Der begrünungswillige Fachmann sollte nie die Tatsache ignorieren, dass man es bei den Geröllflächenbesitzern des Jahres 2018 mit einer Spezies zu tun hat, die eher mit Herbizidspritze und Laubbläser als mit Wildbienenhotels sozialisiert wurde. Ein Umdenken wird hier kaum über Nacht einsetzen. Langfristig muss an der Grundhaltung gearbeitet werden, die hinter dem Phänomen der Gärten ohne Pflanzen und Leben steht. Begriffe wie Biodiversität, Bodenleben und Nachhaltigkeit müssen dafür zu Grundbausteinen des gesellschaftlichen Diskurses werden. Kein Grundschüler darf zukünftig um sie herumkommen. Übergangsweise werden wahrscheinlich nur strengere Vorschriften Wirkung zeigen. Vorgärten sind Visitenkarten der Kommunen. Daher wäre es nachvollziehbar, "von oben" stärkeren Einfluss auf die optische und ökologische Wirkung nehmen zu wollen. Die Steinöden sollten auf die versiegelten Flächen angerechnet werden, für die es häufig schon Obergrenzen gibt. Entsiegelungsprämien oder Hilfe im Unterhalt durch die öffentliche Hand für Menschen, die zwar willens aber nicht (mehr) in der Lage sind, einen Garten mit vielfältiger, ökologisch relevanter Begrünung aufrecht zu erhalten, wie es bei Hochbetagten oft der Fall ist, sollten als positive Anreize in Betracht gezogen werden.

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Steinbeet – statt Unterpflanzung. Foto: Andreas Wörner, Forschungsgruppe Pflanzenverwendung

Simon Witzig: "Sukzession und Nachhaltigkeit von Schottergärten"

Im Zentrum der Bachelorarbeit von Simon Witzig "Sukzession und Nachhaltigkeit von Schottergärten" stand die Frage, ob Schotterflächen in der Natur ein stabiles Sukzessionsstadium darstellen können, obwohl sie vegetationsfrei sind. Unter Sukzession versteht man die Abfolge der Entwicklung von Pflanzengesellschaften eines Standortes. Es wurde angenommen, dass sich pflanzenfreie Schotterflächen im Garten analog verhalten wie Schotterflächen in der Natur und ähnliche Faktoren den Ablauf der Sukzession beeinflussen. Die Resultate zeigen, dass natürliche Lebensräume auf Schotter kein dauerhaftes Sukzessionsstadium sind. Vegetationsfreie Flächen bleiben nur dort längerfristig erhalten, wo regelmässige Störungen durch Ereignisse wie Erdrutsche, Überschwemmungen oder anthropogene Eingriffe das Zuwachsen verhindern. Diese Erkenntnis gilt auch für gebaute Schottergärten. Regelmässige Störungen müssen auf künstlichen Schotterflächen durch Menschenhand herbeigeführt werden, damit sie langfristig ohne Pflanzenbewuchs bleiben. Inwiefern die eingebaute Trennschicht als dauerhaft wirksame Störung wirksam ist, kann hier nicht pauschal und abschliessend bewertet werden.

Ein wichtiger Teil der Arbeit war, eine Definition und Abgrenzung von Schotter- zu Steingärten zu finden. Schottergärten werden als statische Flächen mit punktuell eingebrachten Pflanzen dort geplant, wo keine Entwicklungsdynamik der Pflanzen erwünscht ist. Damit wird von Beginn weg ein fertiges, oft architektonisches Bild geschaffen. Beim Bau solcher Schottergärten wird der gewachsene Boden zwar nicht aktiv verändert, aber mit einem Vlies oder einer Folie abgedeckt. Wie sich diese künstliche Trennschicht auf die Gesundheit der darunterliegenden Böden auswirkt, ist eine der bangen Fragen, die sich im Zuge des Geröllflächenphänomens aufwerfen. Sollten diese Böden nachhaltig in Struktur, Bodenleben und somit in ihrer Fruchtbarkeit geschädigt werden, wäre das ein sehr stichhaltiges Argument, gegen die Versteinerung vorzugehen.

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Steinbeet – Vorgartensituation. Foto: Andreas Wörner, Forschungsgruppe Pflanzenverwendung

Im Gegensatz zu den Schottergärten auf Vlies stellen Steingärten mit einem tiefgründigen mineralischen Substrat echte Trockenstandorte dar. Sie ähneln natürlichen Lebensräumen auf kargen Kiesflächen und bieten eine Heimat für spezialisierte Pflanzen, die mit solch extremen Standortverhältnissen zurechtkommen. Eine Dynamik der Pflanzen wird in Steingärten in gewissem Mass zugelassen, die Konkurrenzverhältnisse und das Ausbreitungsverhalten einzelner Arten sind aber immer im Auge zu behalten. Entsteht ein Ungleichgewicht, muss eingegriffen werden. Arten, die drohen überhand zu nehmen, werden zurückgedrängt und die Konkurrenzverhältnisse ausgeglichen. Regelmassiges Jäten verhindert ungewollt aufkommende Pflanzen. Die Recherche hat gezeigt, dass Schottergärten mangels Vielfalt an Flora und Fauna kaum einen Wert für die Biodiversität haben. Geröllflächen schaffen Hitzeinseln und verstärken den Effekt des Stadtklimas, das dem von Steinwüsten gleicht.

Schottergärten fehlen die positiven Effekte von belebten Grünräumen auf Lebensqualität und Gesundheit. Die spärlich verwendeten Pflanzen sind vielfach exotisch und lassen die jahreszeitliche Dynamik nicht erkennen. Die Urteile über ihre gestalterische Attraktivität gehen weit auseinander. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass Fachleute von lieblos mit Gesteinsmaterial überschütteten Gärten abraten. Im Gegensatz dazu können ökologisch wertvolle und attraktive Steingärten als langfristige Alternative aufgezeigt werden. Angesichts des Klimawandels und der immer eintönigeren Kulturlandschaften werden Gärten in Zukunft eine wichtige Rolle für den Erhalt der Biodiversität und für eine lebenswerte Wohnumgebung einnehmen. Nachhaltige Konzepte sind gefordert, welche naturnahe und pflegeextensive Gärten als attraktive und erschwingliche Alternative zu kargen Schotterwüsten aufzeigen.

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Schotter und Pflanzenvielfalt im Vergleich. Foto: Andreas Wörner, Forschungsgruppe Pflanzenverwendung

Samuel Studer: "Steingärten der Schweiz - eine steinige Reise"

Für seine Semesterarbeit "Steingärten der Schweiz - eine steinige Reise", die als Bildband gestaltet wurde, reiste der Autor Samuel Studer mit seiner Kamera durch die Schweiz und fotografierte Schottergärten. Die Orte, an denen Bilder aufgenommen wurden, wurden frei gewählt mit der einzigen Bedingung, dass jeder Kanton und Halbkanton abgedeckt sein sollte.

Die Aufnahmen entstanden in den Monaten Oktober, November und Dezember im Jahre 2016. Da sich die stummen Zeitgenossen im Verlauf des Jahres nur wenig verändern, ist die Jahreszeit zum Fotografieren von Steingärten an sich unbedeutend, trist-regnerische Herbststimmungen erwiesen sich aber als durchaus passendes Setting für die dargebotene gepflegte Trostlosigkeit.

Die Schweiz ist ein sehr heterogenes Land. Auf 41 285 Quadratkilometern herrschen völlig verschiedene klimatische Bedingungen. Es gibt vier Landessprachen und eine bemerkenswerte Vielfalt an verschiedenen Kulturen. Doch die menschgemachten Geröllflächen sehen überall ähnlich bis nahezu gleich aus! Dieses Werk soll dem Betrachter die ganze Tristesse der steinig-lebensfeindlichen Flächen vor Augen führen.

Dipl. Ing. Doris Tausendpfund
Autorin

Landschaftsarchitektin, Dozentin ZHAW

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