Internationaler Kongress in Wien vom 26. bis 28. September 2014

Schützenswerte Grünräume der 1950er- und 1960er-Jahre

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Historische Parks und Gärten
Plakat zur Ausstellung "WIG 64. Die grüne Nachkriegsmoderne", Wien Museum, 10.04. bis 31.08.2014. Foto: Wien Museum

Im vergangenen Jahr feierte Wien das 50-jährige Jubiläum der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 (WIG 64). Eine Sonderausstellung im stadthistorischen Wien Museum1, neue Infotafeln im Donaupark, dem damaligen Ausstellungsgelände, und ein internationaler Kongress dokumentierten umfassend Planung, Verlauf und Auswirkungen der WIG 64. Die vielfältigen Aktivitäten rückten das damalige Ereignis als Großveranstaltung der österreichischen Gartenbaukultur und -architektur, als städtisches Instrument zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und Visitenkarte der Stadt Wien ins Blickfeld der heutigen Öffentlichkeit.

Der Kongress "Gartenschauen, Parks und Wohngärten. Grünräume der 1950er- und 1960er-Jahre zwischen Verlust, Schutz und neuer Wertschätzung", der vom 26. bis 28. September 2014 an der Technischen Universität in Wien stattfand, nahm das 50-jährige Jubiläum der Wiener Schau zum Anlass, um die Umbruchphase in der Garten- und Landschaftsarchitektur der 1950er- und 1960er-Jahre zu beleuchten. Die Organisatoren wollten die damalige Freiraumplanung weniger unter dem Schwerpunkt der städtebaulichen Konzeptionen der Stadtlandschaft sowie der gegliederten und aufgelockerten Stadt thematisieren, wie schon häufiger geschehen, sondern exemplarische Grünanlagen, Parks und Plätze sowie Wohngärten und Kleingärten im deutschsprachigen Raum betrachten.

Der Kongress, der von der Österreichischen Gesellschaft für historische Gärten ausgerichtet und von Christian Hlavac organisiert wurde, umfasste ein Vortragsprogramm und zwei Exkursionen. Fünfzehn Landschaftsarchitekten, Denkmalpfleger, Kunst- und Kulturwissenschaftler sorgten in ihren Vorträgen mit vielfältigen methodischen und inhaltlichen Zugriffen für Interdisziplinarität. Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Österreich, der Schweiz, Deutschland, Ungarn und Italien machten das große Interesse am Konferenzthema deutlich.

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Historische Parks und Gärten
Kurpark Oberlaa: Kongressteilnehmer begutachten sanierte Kreispflaster der WIG 74, 2014. Foto: Kristina Vagt

Im Programm der Tagung zeigte sich eine große thematische Bandbreite. Erhebliches Gewicht hatten dort die Gartenschauen der Nachkriegszeit in Österreich, der Schweiz und den beiden deutschen Staaten. Ulrike Krippner (Wien) zeichnete detailliert die Vorgeschichte der WIG 64 und die städtebaulichen Planungen nach. 1961 hatte die Stadt Wien die Entscheidung gefällt, die Mülldeponie Bruckhaufen mithilfe einer Gartenschau in den neuen Donaupark umzuwandeln. Der 100 Hektar große Park und die WIG 64 sollten das in den 1950er-Jahren für Wien entwickelte Konzept für das "Soziale Grün" unterstützen. Christian Hlavac (Wien) ging auf die Gestaltung des Donauparks während der WIG 64, die nachfolgende Umwandlung in eine öffentliche Grünanlage und den heutigen denkmalpflegerischen Umgang ein.

Kristina Vagt (Hamburg) arbeitete anhand der Internationalen Gartenbau-Ausstellung (IGA) 1953 und 1963 in Hamburg und der iga 1961 in Erfurt ästhetische Parallelen und Unterschiede sowie die politischen Funktionen der repräsentativen Großereignisse im Zeichen der Systemkonkurrenz heraus. Annemarie Bucher (Zürich) zeigte unter anderem, dass sich Zürich für die 1. Schweizerische Gartenbau-Ausstellung (G59) an den westdeutschen Bundesgartenschauen orientierte und dass die G59 viele moderne und gestalterisch anspruchsvolle Elemente enthielt. Gerade die Zusammenschau dieser Veranstaltungen der beiden Nachkriegsjahrzehnte verdeutlichte, dass es viele Parallelen und Austauschprozesse im deutschsprachigen Raum gab.

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Donaupark: neue Bänke im Rosarium, im Hintergrund sanierte Kaskaden und Treppenanlage, 2014. Foto: Sabine Nolting

Mehrere Referenten stellten die Grünplanungen einzelner Städte oder deren heutige Bemühungen um Erhalt und Pflege von Parks und Gärten in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. Heino Grunert (Hamburg) berichtete über Traditionen und Modernisierung in der Hamburger Grünplanung. Anhand von Beispielen wie dem Öjendorfer Park, den Grünanlagen der Grindelhochhäuser und der City Nord zeigte er, wie die Vorstellungen von Entdichtung und Durchgrünung des Stadtraumes nach der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges umgesetzt wurden.

Leonie Glabau (Berlin) verglich die Planungen für Parkanlagen und Stadtplätze im geteilten Berlin. Während sich die west- und ostdeutschen Planer bei Prestigeprojekten an den gestalterischen Leitlinien des jeweiligen Systems orientierten, gab es bei der Gestaltung von Parks und Plätzen durchaus Parallelen. Oft kamen ähnliche Materialien zum Einsatz und die Idee des "Wohngartens" war leitend. Klaus Lingenauber (Berlin) arbeitete die besondere Aufgabe des Landesdenkmalamtes Berlin heraus, gärtnerische Anlagen aus dem Ost- und Westteil der Stadt zu erhalten.

Dabei stellte er vorbildlich erhaltene Gartendenkmale vor, wies jedoch auch auf Unterfinanzierungen hin. Peter Fibich (Leipzig) gab Einblicke in die Aufgaben und den Planungsalltag der Landschaftsarchitekten der DDR. Nachdem es in den 1950er-Jahren noch herausragende Projekte und Austauschbeziehungen über die Grenzen hinweg gegeben hatte, erfuhr die dortige Landschaftsarchitektur - wie das gesamte Land - ab 1961 eine Abschottung vom Westen. Die Freiraumgestaltung konzentrierte sich vorwiegend auf das Wohnumfeld und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten.

Gerlinde Krause (Erfurt) skizzierte die Funktionen des Kleingartenwesens in der DDR in Abgrenzung zum westdeutschen. Judith Rohrer (Zürich) präsentierte zwei vorbildliche Beispiele für den denkmalpflegerischen Erhalt von Freiraumplanungen. Das Freibad Letzigraben, das Ende der 1990er-Jahre zunächst zum "Eventbad" umgebaut werden sollte, konnte nach längeren Diskussionen im Stil der 1950er-Jahre restauriert werden, da es als architektonisches Hauptwerk von Max Frisch gilt, der sonst vor allem als Literat bekannt wurde. Der Friedhof Eichbühl, geprägt durch Betonarchitektur und große Klarheit, hatte nur wenig Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden und wurde daher in den 1980er-Jahren naturnäher gestaltet. Erst später konnte das Hauptwerk Fred Eichers in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden.

Inge Podbrecky (Wien) gab Einblicke in die Besonderheit der österreichischen Gartendenkmalpflege, die nur eine Unterschutzstellung von 51 Objekten vorsieht. Darunter befindet sich lediglich ein einziges aus der Nachkriegszeit.

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Kongressteilnehmer bei der Rundfahrt mit der historischen Kleinbahn durch den Donaupark, 2014. Foto: Sabine Nolting
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Kurpark Oberlaa: der „Partygarten“ von der WIG 74, 2014. Foto: Sabine Nolting
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Ansichtskarte zur WIG 64: Luftbild mit Ausstellungshallen, 1964. Foto: Wien Museum

Zwei Vorträge gingen auf typische zeitgenössische und weit verbreitete Elemente der Freiraumplanung in den Nachkriegsjahrzehnten ein, die die Gartendenkmalpflege heute besonders berücksichtigen sollte. Jochen Martz (Nürnberg) beschäftigte sich mit der Hollywoodschaukel und dem Waschbeton. Zwar konnte Waschbeton ein naturnahes Erscheinungsbild annehmen, durch die massenhafte Verbreitung erlangte er jedoch ein negatives Image. Swantje Duthweiler (Weihenstephan-Triesdorf) widmete sich den Pflanzenverwendungen und Pflanzplänen bei westdeutschen Garten- und Landschaftsarchitekten, die oft an die Vorkriegszeit anknüpften. Bei neuen Bauaufgaben in den 1950er-Jahren wurden die hausgartenorientierten Pflanzkonzepte zunehmend von einem "technisch-graphischen Pflanzstil" abgelöst.

Johannes Stoffler (Zürich) erweiterte am Beispiel der Gärten Kaufmann (USA) und Stahelin (Schweiz) die europäische Perspektive um den transatlantischen Transfer. Richard Neutra nahm bei seiner Auswanderung 1925 unter anderem Ideen von Gustav Ammann aus Zürich mit in die USA und realisierte diese auch im Garten Kaufmann. Willi Neukom ließ sich bei seinem Garten Stahelin wiederum von amerikanischen Einflüssen inspirieren.

Eva Berger (Wien) stellte mit ihrem Überblick über das Schaffen des Wiener Landschaftsarchitekten Josef Oskar Wladar diverse öffentliche und private Wiener Anlagen der Nachkriegszeit vor. Schließlich informierte Martin Bredenbeck (Bonn) über ein geplantes Forschungsprojekt zur "Erfassung und Bewertung des gartenkulturellen Erbes kommunaler Grünanlagen der 1950er- bis 1970er-Jahre in Deutschland".2

Der dreitägige Kongress schloss mit zwei Exkursionen. Während der ersten erkundeten die Teilnehmer den weitläufigen Donaupark nahe der UNO-City. Dabei konnte das 2014 errichtete Tafelprogramm in Augenschein genommen werden, das auf die im Rahmen der WIG 64 entstandenen Bestandteile hinweist. Auch wenn noch immer erhebliche Mittel in die Parkpflege fließen, erscheint der Erhaltungszustand heute jedoch an vielen Stellen unbefriedigend. Die zweite Exkursion, kenntnisreich von Christian Hlavac begleitet, widmete sich dem Kurpark Oberlaa, der im Rahmen der WIG 1974 entstanden war. Auch wenn der Park erst vierzig Jahre alt ist und sich noch auskunftswillige Zeitzeugen finden lassen müssten, scheint bereits viel Wissen zu dieser Planung verlorengegangen zu sein. Daher ist ein Forschungsprojekt angedacht.

Die Tagung bot erfreulich viel Raum, um sich über bislang noch vergleichsweise wenig erforschte Aspekte der Gartenkultur und -denkmalpflege der Zeit nach 1945 zu informieren. Zugleich konnte mit dem Kongress der Austausch unter Fachexperten in den deutschsprachigen Ländern angestoßen werden. Zu dessen weiterer Vertiefung wurde die Arbeitsgruppe Nachkriegsmoderne des Arbeitskreises Historische Gärten der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) gegründet.

Auf der Tagung wurde letztlich auch deutlich, dass vieles, das nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist, von der Überbauung bedroht ist und ein Bewusstsein für die Erhaltungswürdigkeit geschaffen werden muss. Daher wurden mit der "Wiener Erklärung" Grundsätze für den Umgang mit den Zeugnissen der Garten- und Landschaftsarchitektur der ersten Nachkriegsjahrzehnte formuliert.

Anmerkungen

¹ Ulrike Krippner, Lilli Li?ka, Martina Nußbaumer, WIG 64. Die grüne Nachkriegsmoderne, Wien 2014, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Wien Museum, 10.04.-31.08.2014.

² Das Projekt wollen der Arbeitskreis Kommunale Denkmalpflege der GALK e. V., der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland e. V. und das Fachgebiet Denkmalpflege an der Technischen Universität Berlin gemeinsam durchführen.


Wiener Erklärung

der Österreichischen Gesellschaft für historische Gärten, des Arbeitskreises Historische Gärten der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur und der Schweizerischen Gesellschaft für Gartenkultur. Verabschiedet beim Internationalen Kongress "Grünräume der 1950er- und 1960er-Jahre zwischen Verlust, Schutz und neuer Wertschätzung", Wien 26. bis 28. September 2014: Nachkriegszeit, Wiederaufbau und der wieder zunehmende Wohlstand prägten zwei Dekaden, die seinerzeit als Aufbruch in eine neue Zeit an vielen Stellen Maßstäbe gesetzt haben. Wie die Bauten jener Jahre spiegeln die Grünanlagen den Zeitgeist der 1950er-/1960er-Jahre wider. Dieser trug einerseits traditionelle Leitbilder und Gestaltungsauffassungen weiter, andererseits brachte er auch fortschrittliche Planungs- und Gestaltungsideen hervor. Deren gestalterische Wurzeln reichen bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und teilweise bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück und sind auch durch Brüche und Verluste gestalterischer und sozialer Ansätze der frühen Moderne im Nationalsozialismus und die Verdrängung dessen in der Zeit danach geprägt. Die Suche nach einer Formensprache als Ausdruck einer neuen gesellschaftlichen Identität mündete so in den typischen Stil der 1950er- sowie der 1960er-Jahre.

Insbesondere die Bundesgartenschauen in den deutschen Städten wie auch die Internationalen Gartenausstellungen in Hamburg, Erfurt und Wien sowie die Interbau Berlin und die Schweizer G 59 trugen ihren Teil zur Entwicklung einer neuen Gartenkultur bei. Leichtigkeit der Konstruktionen, Transparenz durch Verglasungen oder zierliche Stützen, geschwungene Linien und der Einsatz besonderer Wasserspiele sowie neuer Pflanzensortimente waren wesentliche Bestandteile der neuen Formensprache in Ost und West.

Unkenntnis und mangelnde Pflege, oft auch fehlende Wertschätzung haben über die Jahrzehnte zu großen Substanzverlusten an dem gartenkulturellen Erbe dieser Epoche geführt. Die angestrebte Attraktivität der Städte und die heutigen Verdichtungsbestrebungen stehen oft im Gegensatz zu den Ansätzen der Nachkriegszeit. Unter dem Schlagwort der Urbanität werden viele Anlagen dieser Zeit als Verfügungsmasse für die Immobilienbranche betrachtet.

Demgegenüber gilt es umso mehr, die gartenkulturellen Leistungen der Nachkriegszeit und des Wiederaufbaus zu entdecken, zu erforschen und nicht gedankenlos preiszugeben. Vielfältig nutzbare Freiräume, die auch heute noch Gültigkeit haben, können auch in Zeiten des Klimawandels ihren Beitrag für eine zukunftsfähige Stadt leisten.

Von zentraler Bedeutung ist, dass nicht nur Anlagen, die unter staatlichem Denkmalschutz stehen, beachtet werden, sondern auch jene, die weiterhin wichtige städtebauliche Funktionen erfüllen. Zudem muss die Beschäftigung mit diesen stadtprägenden Anlagen langfristig zu

- einer Sicherung des gartenkulturellen Erbes der Profession der Gärtnerinnen und Gärtner,

- einer Stärkung der Gartenämter,

- einer qualitativ hochwertigen Aus- und Weiterbildung in Berufs- und Hochschulen beziehungsweise Universitäten sowie

- einem - wo nötig - besseren gesetzlichen Schutz der Anlagen führen.

Diese Erklärung ist ein Aufruf zur Erhaltung, zum Schutz, zur Erforschung, Inventarisierung und Sicherung der Pflege von Parks und Gärten der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn die Anlagen saniert und kontinuierlich gepflegt werden, ist die vielfältige Nutzbarkeit wieder gegeben. Es müssen verstärkte Anstrengungen unternommen werden, das empfindliche gartenkulturelle Erbe jener Epoche für unsere Zukunft in seiner Vielfalt zu bewahren.

Dr. Kristina Vagt
Autorin

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