Probleme und Errungenschaften in Mwanza, Tansania

Schwieriges Stadtgrün am Victoriasee

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Am Ende eines Außenbezirks der Stadt wird die Straße plötzlich vollends zum Feldweg, und der Blick öffnet sich auf eine fast überwältigend weiträumige, in Richtung See von Felsen gesäumte Ebene, (Abb. 2). Sie ist eher extensiv bebaut, hauptsächlich mit Mais.

Die Stadt Mwanza, direkt am Victoriasee, wurde 1890 von den Kolonialbehörden "Deutsch-Ostafrikas" neu gegründet. Sie ist heute mit einer Bevölkerung von 800.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Tansanias. Der - kleine - dicht bebaute, enge Kern der City mit seinen vielen ungepflasterte Straßen und mit seinen unzähligen kleinen Läden und mehreren Märkten ist pflanzenlos, aber am Rand der Stadt beginnen Parks und unorganisierte Grünflächen. Wo immer ein Plätzchen ist, wächst vieles von selbst, von Natur aus, ansonsten wird jeder Quadratmeter für den Anbau von Nutzpflanzen verwendet, gerade auch in den ausgedehnten Haus-/Hütten-Siedlungen an den Hängen außerhalb der Innenstadt mit kleinen, eng nebeneinander gebauten einstöckigen Gebäuden. Etwas weiter draußen ist Mwanza eine ausgesprochen grüne Stadt. Jedes unbebaute Fleckchen Erde wird bepflanzt (Abb. 1), mit Mais, Tomaten, tropischen Früchten wie Bananen, Mango, Papayas - vorrangig zur Selbstversorgung, (Abb. 5). Die kleinen Überschüsse werden an den zahlreichen Ständen entlang der Straßen verkauft.

Tansania ist mit knapp 60 Millionen Einwohnern das nach Bevölkerungszahl fünftgrößte Land Afrikas, und flächenmäßig mit 945.000 Quadratkilometern von beachtlicher Größe, z. Vergleich: Bundesrepublik Deutschland: 357.0000 Quadratkilometer. Die Bevölkerungsdichte ist mit etwa 61 Einwohnern pro Quadratkilometern niedrig. Sehr niedrig ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen mit 920,00 US-Dollar pro Jahr (2016); die durchschnittliche Lebenserwartung ist relativ hoch, ebenso die Geburtenrate mit etwa 2,77 Prozent (2016), doch das Wirtschaftswachstum beträgt mit etwa 7,2 Prozent (2016 ) immerhin knapp das Dreifache.

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Dennoch bleibt die Arbeitslosenquote mit offiziell etwa 13 Prozent hoch, und das Land gehört trotz der Fortschritte weiterhin zu den ärmsten der Welt. Gemessen nach dem "Index der menschlichen Entwicklung" 2014 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) hat Tansania Platz 151 von 188 Ländern; 2003 war es noch Platz 160 von nur 175 Ländern² - es hat sich also einiges verbessert.

Gründe für die Armut sind vieldiskutiert; hier können nur einige skizziert werden. Ein Hauptgrund ist die oft jahrhundertelange koloniale Ausbeutung und Unterdrückung, die auch noch 80 bis 60-Jahre nach der formellen, politischen Unabhängigkeit nachwirkt. Der Teufelskreis der Armut beginnt mit Mangel an Investitionsmitteln, für Technologie wie für Bildung, samt Überschuldung durch Kredite, die vor allem zur Schuldentilgung verwendet werden, das führt zu Stagnation der Produktion, zu Mangelernährung, Gesundheitsproblemen, Reduktion auf den Kleinkampf um das tägliche Brot, behindert damit die Weiterentwicklung des Wissens und der verfügbaren Technik, verringert den Spielraum für Fortschritte durch den Zwang der neoliberalen Kreditgeber zur weiteren Reduktion sozialstaatlicher Ansätze, und all das verewigt die Armut. Naturkatastrophen wie vor allem Wassermangel in Dürreperioden, gerade für Tansania relevant, oder, kurzfristiger aber auch nachhaltig wirksam, gewaltige Stürme verschärfen fallweise die Lage. Durch den Klimawandel, der sicher nicht von den weniger entwickelten Ländern des globalen "Südens" gefördert wird, werden solche Extrem-Wetterlagen anscheinen häufiger. Kriege, nicht selten wie in Libyen, Mali usw. unter neokolonialer Regie, von denen Tansania seit dem Krieg 1979 gegen den Diktator von Uganda, Idi Amin, verschont blieb, vollenden dann die Verwüstungen. Es ist schon viel gewonnen, wenn, wie in Tansania, längerfristig Frieden herrscht, und die Politik der Tendenz nach die Interessen des Landes und der Bevölkerung trotz der zu hohen Abhängigkeit von ausländischen Krediten³ zu fördern sucht. Positive Indikatoren sind das Wachstum der Wirtschaft oder die Tatsache, dass ausländische Investitionen, vorher minimal, schon zwischen 2000 und 2007 von etwa 2,7 auf 6 Milliarden US-Dollar stiegen.4 Eigene Erfahrungen des Autors mögen das ergänzen: Er konnte sich auch in den Vierteln der Armen, den Siedlungen an der Peripherie der Stadt, ohne jede Gefahr und Angst bewegen. Und die Menschen sind grundsätzlich freundlich und meist fröhlich. Sicher herrscht offenkundig Armut vor. Aber - ein wesentlicher Unterschied: Es gibt nicht das Elend wie in vielen Ländern des "Südens", auch und gerade in BRICS-Staaten wie Brasilien oder Südafrika, wo das Leben der Armen ständig von Hunger wie von Gewalt bedroht ist.

Über zwei Drittel der Bevölkerung Tansanias leben im ländlichen Raum. Die landwirtschaftliche Produktion (überwiegend Subsistenzwirtschaft) reicht bei normalen Niederschlägen und bei Stop des Landgrabbing zur Selbstversorgung des Landes aus.5

Mwanza liegt am Südufer des Victoriasees. Touristisch gibt es nichts Spektakuläres - die Nationalparks wie Serengeti oder Kilimandscharo sind anderswo. Das Klima, nach der Köppen-Klima-Klassifikation ein 'tropisches Savannen-Klima', ist trotz der Lage ungefähr am 4. Breitengrad südlich des Äquators erträglich bis angenehm durch die Höhenlage um 1140 Meter. Es herrschen durchgängig hohe subtropische Temperaturen zwischen 29 und 15 Grad Celsius mit geringen jahreszeitlichen Schwankungen. Von den insgesamt sechs Bodentypen Tansanias dominieren hier Granite/Gneiss-Böden.¹¹ Stellen mit Lateritartig verhärteten Böden sind aber nicht selten. Die Niederschläge (die Trockenzeit dauert von Juni bis September) ergeben ein Jahresmittel etwas über 1000 Millimeter. Wasser ist nicht zuletzt in Anbetracht der hohen Durchschnittstemperatur samt entsprechender Verdunstung relativ knapp, die Versorgung ist nicht verlässlich, aber es reicht für ein im Durchschnitt schönes Dauergrün - sofern nicht Wetter- und Klimakatastrophen vieles vertrocknen lassen.

Der zentralen Lage wegen wurde Mwanza zu einem der größten Industrie- und Wirtschaftszentren des Landes, mit einem relativ großen Hafen und Fischverarbeitung. Der Victoriasee ist zwar mit einer Fläche von 68 800 Quadratkilometern nach dem Oberen See in Nordamerika mit 82 400 Quadratkilometern der zweitgrößte Süsswassersee der Erde. Er ist jedoch so verschmutzt, dass er kaum als Wasserreservoir taugt.¹² Er ist auch kaum zum Baden benutzbar wegen der Bilharziose-Gefahr. (Eine schwere Parasiten-Erkrankung mit potenziell tödlichem Ausgang.) Für Mwanza und einige Uferregionen des Victoriasees typisch sind schöne Granit-Felsen.

Gleichgültigkeit, Verwahrlosung, Sensibilität - Armut: Mangel an Geld und an Bildung

Müll ist in Mwanza allgegenwärtig. Plastikmüll ist am auffälligsten. Er findet sich nicht nur als Material zur Ausbesserung von Löchern in den Straßen, sondern auch, untergehackt, auf den Feldern.

Es gibt eine Müllabfuhr in der Stadt - etwa vier Wagen für etwa 800.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Es gibt auch Müllcontainer, vor allem an den großen Straßen. Sie sind aber nur für diejenigen erreichbar, die Fahrzeuge besitzen, also eine Minderheit selbst im Hinblick auf Fahrräder, mit denen oft abenteuerlich riesige Lasten transportiert werden. Erst nachträglich fiel dem Autor auf, dass er nirgendwo irgendwelche Abfallbehälter sah, auch nicht in der Innenstadt - so sind die Leute fast gezwungen, ihren Abfall halt einfach fallenzulassen. Die Behälter haben freilich nur einen Sinn, wenn sie regelmäßig entleert werden. Auf dem großen Busbahnhof etwas außerhalb der Stadt gibt es gleich mehrere große Container. Sie scheinen zwar gut gefüllt, aber weniger gut geleert. Und es gilt die Skatspiel-Regel "Was liegt, das liegt".

Deutscher oder europäischer Hochmut ist jedoch fehl am Platze. Was in Tansania zu kritisieren ist, gilt für weite Teile Europas ebenso: Mangelhafte staatlich-kommunale Pflege des öffentlichen Grüns und dessen soziale Achtung, mangelnde Mülltrennung oder Müllbeseitigung, unzulängliche Kanalisation und Reinhaltung der Gewässer sowie ein kaum entwickeltes Umweltbewusstsein, (Abb. 3; s. auch Abb. 4). Trotz hohen Wirtschaftswachstums Tansanias reicht die Umweltverschmutzung noch lange nicht an den globalen "Norden" heran und schon gar relativ zur Bevölkerungsgröße. Die Bundesrepublik Deutschland bleibt an dieser Stelle Anwärter auf die transnationale Weltmeisterschaft.

Ob und inwieweit das technisch Mögliche und ökologisch Sinnvolle ökonomisch umgesetzt wird, ist eine zweite Frage. Die Regierung von Tansania setzt für den dringend nötigen Ausbau der Stromversorgung auf Öl. Die Mineralölindustrie ist immer noch so übermächtig, dass ökonomisch und ökologisch vernünftige Verbesserungen bei der Stromversorgung nicht vorankommen: Die vorläufig auf dem Land nicht rasch änderbare und im Prinzip ja sinnvolle Dezentralisierung der Energieversorgung wird daher nicht mittels der Solartechnik gewonnen, die von der geographischen Lage her naheläge, sondern mit umweltschädlichen und teuren Dieselgeneratoren.

Auf diesem Hintergrund und im Rahmen der gegebenen Bedingungen ist eine Art Not- und Selbsthilfe eine der Handlungsmöglichkeiten: So sind private Gruben für die Müllverbrennung entstanden.

Parks und Gartenartiges in der Stadt

Das hier Fotografierte wird noch als Botanischer Garten bezeichnet, auch in Reiseführern, (Abb. 6). Ein Teil des Geländes dürfte nach nicht genau verifizierbaren Informationen einer Privatisierungswelle in den Zehner-Jahren zum Opfer gefallen zu sein, die auch einige grüne Reserven innerhalb des City-Bereichs betraf. Die jetzige verbleibende Restfläche ist für einen Botanischer Garten zu klein.

Eine Art von Botanischer Garten mit einer enormen Artenvielfalt findet sich jedoch zwischen einer der großen, vierspurigen Ausfallstraßen Richtung Viktoriasee auf dem Grünstreifen. Bodenwellen sollen das Tempo drosseln. Es handelt sich um eine Art Gartencenter im Freien, von mehreren Händlerinnen und Händlern betrieben -Das Angebot ist sorgfältig, liebevoll vorbereitet und präsentiert. Es umfasst Jungpflanzen von Bäumen und Büschen wie Mango, Papaya, Avocado sowie zahlreiche Grünpflanzen und Blumensorten (sowohl Schnittblumen als auch - vorwiegend - Stauden), von denen dem Autor viele als Zimmerpflanzen bekannt sind, allerdings nicht namentlich. Die Seenähe garantiert den leichten und kostenlosen Zugang zum unentbehrlichen Gießwasser. Analoges, nur ohne Seenähe und in kleinerem Maßstab, gibt es an einer anderen Ausfallstraße.

Das Freiluft-Gartencenter geht unmittelbar über in die eingangs erwähnte schmale Ackerflur, vor allem mit Mais, bis dann Fischereiindustrie-Bauten und Tanklager den Seezugang blockieren und damit die City beginnt, (Abb. 7).

Etwas eintönig, aber ebenfalls wohl gepflegt ist der Rasen vor einer Tankstelle an einer Einfallstraße. Zwei große rote Weihnachtsstern-Varianten als Zierbäumchen lockern das Grün auf.

Die Parole "Sasa kazi", das heißt wörtlich "Arbeit Jetzt!", gehört zu einem nationalen Aufbau - Arbeitslosigkeit senken, Bildungsstand erhöhen.

Campus als Park

Insgesamt parkartig ist der ausgesprochen schöne und gut gepflegte Campus der SAUT, der in katholischer Regie betriebenen St.-Augustin-University of Tanzania in Mwanza, 1998 vom College zur Universität aufgestiegen. Der Namenspatron Augustinus (350-430), einer der "Kirchenväter", hatte in Nordafrika, in der römischen Provinz Africa gelebt und gewirkt. Mit mindestens 8000 Studierenden ist die SAUT eine der großen Universitäten unter den über 30 Universitäten des Landes. Sie liegt etwa zehn Kilometer vom Stadtkern entfernt, eine halbe Bus- oder Autostunde. Das Gesamtgelände umfasst über 240 Hektar Landwirtschaft (Rinder- und Hühner), Wohnheime für Studierende und zahlreiche kleine Häuser für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die unmittelbare Umgebung der Gebäude für Unterricht, Büros der Lehrenden und der Verwaltung ist als Park angelegt, konzeptionell bepflanzt und gut gepflegt, (Abb. 10).

Zahleiche Arbeitskräfte hacken, jäten, schneiden, mähen von Hand - das Mähen wird mit einem Gerät namens Fekeo erledigt. Es ist etwa ein halbes Kilo schwer, ein Mittelding von Sichel, Sense und Machete und extrem effektiv, (Abb. 11).

Die Campus-Anlage ähnelt vor allem durch die zahlreichen, teils nur zierenden, teils verschiedene Funktionsbereiche eingrenzenden Bosketten einer Art barocker Parkanlage. Sie ist allerdings dezentralisiert und auseinandergelegt, ohne zentralperspektivischen einheitlichen Fluchtpunkt. Für die Bosketten verwendet werden nicht primär Buchsbaum oder Liguster, sondern vielfältige endemische Pflanzen. Schattenspendende Bäume, Pavillons, Sonnensegel sowie reichlich Sitzgelegenheiten sorgen für eine gute Nutzbarkeit - der Park ist nicht zum Promenieren und Flanieren, sondern vorrangig zum Studieren gedacht, Ausruhen eingerechnet, (Abb. 12).

Grüne "Resorts" mit Kinderspielplätzen

Die "Rock City Mall", Anfang 2016 fertiggestellt, die erste dieser Größe in Mwanza und eine der größten im Land überhaupt. Diese Einkaufspassage mit Kathedralenanmutung und mit einer riesigen Kuppel in der Mitte wirkt auf mich wie ein Tempel der Kommerzreligion. Für die Bewohner ist er aber der Stolz der Stadt. Viel Stein und Glas und wenig Grün - das kompensiert aber die Umgebung samt einem schönen, palmenbestückten, teuren Luxusspielplatz, (Abb.13).

Gratis zugänglich ist ein Spielplatz am Victoriasee in einem der gut gepflegten und schön bepflanzten Restaurant-Resorts am Rand der Stadt. Diese Resorts sind nur mit motorisiertem Zwei- oder Vierradfahrzeug erreichbar, bieten aber den doch zahlreichen Anwohnern in der Nähe Speise- und Spielmöglichkeiten. Ein Restaurant direkt am See wartet mit einer der global verbreiteten, von Kindern gern bespielten Hüpfburgen auf. Direkt daneben liegt ein Spielplatz mit bescheidener Standardausstattung. Diese wird aber übertrumpft von einem Kettenkarussell. Es funktioniert auch hier an sich mit elektrischem Antrieb, nicht mehr wie einst mit Menschen oder Pferdchen oder später mechanisiert mit Kurbel und Übersetzungs-Getriebe. Aber der Besitzer war grade nicht da - die Eltern und Kinder behalfen sich, indem sie das Karussell selbst in Gang setzten. Es ging erstaunlich gut. Sicherlich wurden auf diese Weise jene Höhenlagen nicht erreicht, wo dann auch Erwachsene zu kreischen beginnen, aber für die Kinder zwischen 2,5 und etwa 8 Jahren reichte es völlig als Vergnügen. Als der Besitzer dann kam und für den Elektro-Antrieb Geld verlangte, interessierte sich niemand dafür - und er trollte sich einfach wieder, sperrte aber auch das Karussell nicht ab, (Abb. 14).

Kinder als Hoffnungsträger: Erziehung mit und zum Umweltbewusstsein

Der Weg aus der Armut und die allgemeine Weiterentwicklung, Teil des Wegs zu einer besseren globalen Welt- und Gesellschaftsordnung, ist in Ländern wie Tansania aufgrund der skizzierten Ausgangsbedingungen lang und mühsam. Das Land ist aber auf dem Weg. Wegweiser wie partiell sogar Wegzehrung sind unter anderem bessere Bildung, Erziehung, Aufklärung - wie sie etwa zur HIV/Aids-Prävention ausgiebig betrieben wird. Der Analphabetismus wurde erfolgreich bekämpft. Der Alphabetisierungsgrad für Personen ab 15 Jahren lag 2015 schon bei knapp 70 Prozent. Und er steigt. Bis zum 15. Lebensjahr besteht Schulpflicht. In Tansania stieg die mittlere Schulbesuchsdauer von 3,6 Jahren im Jahr 1990 auf 5,8 Jahre im Jahr 2015.¹³

Eine dieser Schulen ist eine Primary School, von einer NGO getragen, kostenpflichtig und daher leider, wie üblich, nicht für alle zugänglich, mit einer ebenso kompetenten wie engagierten Leitung. Der hier vorgeschaltete Kindergarten als Pre-Primary School folgt der Montessori-Methode mit der Betonung eigenständiger, selbstbestimmter Aktivität. Das sorgt wiederum für einen Zuwachs an Selbstbewusstsein und Gefühl für Selbstwirksamkeit. Etwas Unterricht in Englisch, die zweite Landessprache neben Swahili, läuft schon von Anfang an mit. In unserem Zusammenhang bedeutsam ist die Erziehung zu Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber der Natur. Wie bei der Universität finden wir das Prinzip der parkartigen Anlage wieder, hier in räumlich sehr viel kleinerem Maßstab. Primär und wesentlich praktischer ist die überlegte und gepflegte, artenreiche und einzelne Bereiche abgrenzende Bepflanzung. Schilder machen zusätzlich den pädagogischen Zweck explizit. Solch eine kognitive und emotive Bildung mit einem sorgfältigen Umgang mit der Natur, besonders auch der städtischen kultivierten Natur, erscheint vorerst noch wie eine Insel. Andererseits sind solche Inseln, wie die erwähnten Parks, wertvolle Erfahrungsmodelle und Kristallisationspunkte, an denen sich das bessere Neue anheften und weiterentwickeln kann, (Abb. 15).

Tansania

Tansania entstand 1964 mit dem Zusammenschluss der beiden Staaten Tanganjika und Sansibar. Die Insel Sansibar gehörte mit der Küste zum arabisch-islamischen Einflussgebiet; im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts stand das Gebiet unter portugiesischer Herrschaft. Im 19. Jahrhundert verstärkte das Sultanat Oman seine Präsenz besonders auf Sansibar, das bis heute mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, während auf dem Festland Christen in der Mehrheit sind. Ab 1884 versuchte Carl Peters, ein privatwirtschaftliches Kolonialreich aufzubauen. Es brach nach einem Aufstand 1888 zusammen, und die Reichsregierung griff militärisch ein. 1890 wurde Sansibar zu einem britischen Protektorat. 1891 übernahm das Deutsche Reich offiziell die direkte Verwaltung des Gebietes der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft. 1891 und 1894 gab es einen ersten antikolonialen Aufstand; ein zweiter folgte 1905 bis 1907. Im 1. Weltkrieg besetzten 1917 britische und belgische Truppen Deutsch-Ostafrika. 1918 erhielt Belgien Ruanda und Burundi; Portugal das Kionga-Dreieck; das übrige Gebiet kam als "Tanganyika Territory" unter einem Völkerbundmandat an Großbritannien, nach dem 2. Weltkrieg als UNO-Mandatsgebiet. 1961 wurde Tanganyika ohne blutigen Krieg unabhängig, 1963 dann auch Sansibar als konstitutionelle Monarchie. Nach deren Beseitigung durch eine Revolution schlossen sich 1964 Sansibar und Tanganjika zunächst unter dem Namen Vereinigte Republik von Tanganjika und Sansibar zusammen. ein halbes Jahr später in Vereinigte Republik Tansania umbenannt. Dabei wurden die Silben "Tan" und "San" aus den beiden Ländernamen mit der Endung der historischen Bezeichnung "Azania" zum neuen Namen verbunden. "Azania" war in der griechisch-römischen Antike die Bezeichnung für verschiedene subsaharische Gebiete, besonders aber die ostafrikanische Küste bis etwa zum heutigen Tansania. Aufgegriffen wurde der Name dann wieder in verschiedenen afrikanischen nationalen Befreiungsbewegungen.¹

Landnahme

Landgrabbing ist immer auch Wasser-Aneignung6, da es primär um fruchtbare Agrarflächen geht. Neutral übersetzt heißt es "Landnahme". Diese ist als solche nichts Neues, sondern alte koloniale Praxis, und das wiederum nicht erst seit der europäischen "Entdeckung" und Inbesitznahme Süd-, Mittel- und Nordamerikas. Aber landwirtschaftlich nutzbares Land wurde im Gefolge der globalen Finanzkrise von 2007/2008 als lohnendes Investitionsziel neu entdeckt. Land wird in globalem Ausmaß aufgekauft, oft auch von Investment-Fonds, um vor allem weltmarktfähige Produkte für den Export zu erzeugen, vorzugsweise Pflanzen für Bio-Sprit oder für Tierfutter. Diese Produkte sind für die Ernährung der Bevölkerung in den jeweiligen Ländern irrelevant, und die Flächen sind dauerhaft einer entsprechenden Nutzung entzogen. 2008 wurden in Tansania etwa 640.000 Hektar von insgesamt 4 Millionen Hektar im Besitz internationaler Konzerne für die Produktion von Bio-Sprit genutzt.7

Bestenfalls wird das Land von den Staaten langfristig verpachtet, in der Regel dann, wie auch in Tansania, auf 99 Jahre.8 Internationale Organisationen, die an wirklich humaner globaler Entwicklung interessiert sind, definieren Landgrabbing daher kritisch; so etwa Oxfam9 "als Investitionen in Pacht oder Kauf von Landflächen, bei dem Investoren die Rechte und Bedürfnisse ländlicher Bevölkerungsgruppen, die das Land bearbeiteten und davon lebten, ignorieren." Dazu gehört dann u. a.: "Menschenrechte der lokalen Bevölkerung werden verletzt. Existierende Landtitel oder Gewohnheitsrechte der Landnutzung [. . . ] werden nicht beachtet. [. . . ] Die sozialen und ökonomischen Auswirkungen, insbesondere für Frauen, und die Umweltfolgen werden ignoriert. [. . . ]"10

Es gibt gewisse Schranken und Bremsen wie eben die befristeten Verpachtungen und Regelungen, um die Interessen des Landes und der regionalen und lokalen Bevölkerung zu sichern. Soweit dem Autor bekannt, wurde der Landverkauf inzwischen eher gebremst. Dass das Landgrabbing der Haupttendenz nach nicht nur ökonomisch problematisch und sozial katastrophal ist, sondern auch wegen der Monokulturen samt Wasserverbrauch und Pflanzgifteinsatz ökologisch noch über die Anbauflächen hinaus zerstörerisch wirkt, darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Anmerkungen

1 Informationen nach en.wikipedia.org/wiki/Tanzania, 24.12.18; de.wikipedia.org/wiki/Tansania, 28.11.18; de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Tansanias, 28.11.18, Abruf 25.12.18; de.wikipedia.org/wiki/Azania, 26.04.19; en.wikipedia.org/wiki/Azania, 01.06.19; John Hilton: Peoples of Azania, ElAnt v1n5, Volume 1, Number 5, October 1993, scholar.lib.vt.edu/ejournals/ElAnt/V1N5/hilton.html, Abruf 13.06.19.

2 Ranking. Die ärmsten und die reichsten Länder, Teil IV., 08.07.2003, www.spiegel.de/wirtschaft/ranking-die-aermsten-und-die-reichsten-laender-a-256276-4.html, Abruf 13.06.19.

3 Vgl. James Shikwati: Fehlentwicklungshilfe. Mit eigenständigen Lösungen kann Afrika eine neue Rolle spielen, Internationale Politik 4, April 2006, S. 6-15, zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/archiv/jahrgang-2006/april/fehlentwicklungshilfe, Abruf 12.06.19.

4 Cotula, L., Vermeulen, S., Leonard, R. und Keeley, J.: 2009: Land grab or development opportunity? Agricultural investment and international land deals in Africa, IIED/FAO/IFAD, London und Rom 2009, S. 26.

5 "Was den Bauern fehlt, liegt auf der Hand: zuallererst qualifizierte Beratung; außerdem ertragreiches Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel; Zugang zu modernem Gerät, Bewässerungssystemen und Märkten; zu Strom und Krediten." Marita Wiggerthale: Welternährung. Keine Lösung, 15.08.2014, www.dandc.eu/de/article/die-kleinbauern-im-suedlichen-afrika-koennen-von-ihrem-ineffizienten-brandrodungsfeldbau, Abruf 24.09.14; vgl. z.B. Peter Clausing: Hunger nach Land. "Peak Soil" - Bodenzerstörung, Landraub und Ernährungskrise. Teil I: Wie Konzerne und Spekulanten von der Verknappung von Lebensmitteln profitieren, Junge Welt, Berlin, 28.03.2011, S. 10f.

6 Vgl. z. B. Squeezing Africa dry: behind every land grab is a water grab - GRAIN, 2012., Abruf 12.06.19.

7 Cotula u. a. 2009, S. 74; vgl. auch S. 38.

8 Ebenda, u. a. S. 67, 77f. und öfter.

9 "Oxford Committee for Famine Relief (Oxforder Komitee zur Linderung von Hungersnot), 1942 in Großbritannien gegründet - heute eine "globale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation", die für "eine gerechte Welt ohne Armut" arbeitet. (https://www.oxfam.de/ueber-uns/oxfamwww.oxfam.de/ueber-uns/oxfam, Abruf 13.06.19)

10 Marita Wiggerthale: Fragen und Antworten zum Landgrabbing, Oktober 2011, www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/landgrabbing, Abruf 12.06.19. Weitere Links: Laurent Stein: Land Grabbing - Die globale Enteignungswelle von Grund und Boden. "Kaufen Sie Land, es wächst keines nach!", 21.08.2018, kenfm.de/land-grabbing-die-globale-enteignungswelle-von-grund-und-boden/; Alexandra Endres: Land Grabbing: Wie reiche Investoren die Ressourcen Afrikas zu Geld machen. Eine Datenbank zum globalen Land-Geschäft bestätigt: Investoren zielen auf arme Staaten mit schwachen Institutionen. Ihr Profit geht zumeist auf Kosten der Einheimischen, Zeit online, www.zeit.de/wirtschaft/2012-04/land-matrix; www.ifad.org/documents/38714170/39135645/land_grab.pdf/ad96ef90-c748-4d2c-bd1d-4b522b8aa83d; www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Weltagrarbericht/08LandGrabbing/2018GrainFailedFarmland.pdf; www.ifad.org/documents/38714170/39135645/land_grab.pdf/ad96ef90-c748-4d2c-bd1d-4b522b8aa83d; www.bioland.de/im-fokus/interviews/detail/article/man-kommt-einfach-mit-einem-vermessungsteam-oder-bulldozern-an-und-sagt-das-land-gehoert-jetzt-ein.html; www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/Land_Grabbing/2017_Landgrabbing_und_Menschenrechte.pdf, Abruf alle 12.06.19.

11 en.wikipedia.org/w/index.php, 20 December 2018, Abruf 06.01.19.

12 Aus der umfangreichen Diskussion über den See, den Victoria-Barsch, den schwindenden Artenreichtum vgl. unter Anderem J. Seibel, www.heimatundwelt.de/kartenansicht.xtp, Abruf 02.01.19; www.markuskappeler.ch/tex/texs/buntbarsche.html, Abruf 02.01.19. Um Wasser und Abwasser bemüht sich die Regierung mit umfangreichen Programmen und Maßnahmen; zur Frage der dringend nötigen Kläranlagen ein Regierungsoffizieller im Interview p.dw.com/p/16IYB; www.dw.com/de/der-viktoriasee-ein-%C3%B6kosystem-au%C3%9Fer-balance/a-16277615, Abruf 12.01.19. = 610

14 Daten nach de.wikipedia.org/w/index.php? title=Tansania&oldid=183154852, 28.11.18, Abruf 25.12.18.

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