Das Spielraumkonzept für die Leipziger Innenstadt

Spielen am Wege

von:
Freiraumplanung
Natursteinbänder und Wasser vermitteln den Eindruck einer Mini-Gebirgslandschaft. Sabine Christiansen, Amt für Stadtgrün und Gewässer Leipzig

Leipzig kann sich mit einem äußerst lebendigen Stadtzentrum glücklich schätzen. Die City erfreut sich mit einer noch recht großen Zahl an Wohnungen neben den zahlreichen Geschäften, Gaststätten, Kultureinrichtungen und Büros über eine urbane Nutzungsmischung. Auch liegt der Campus der Universität unmittelbar im Zentrum. Zudem ist die Innenstadt mit dem historischen Promenadenring von einem bedeutsamen Grünraum umgeben.

Dennoch wird auch die Leipziger City von Vielen vorrangig als Einkaufsstandort mit einer Vielzahl an Kultur- und Freizeitangeboten wahrgenommen. Belange der Kinder- und Familienfreundlichkeit sowie die Nutzung und Gestaltung der Innenstadt als Spiel-, Erlebnis- und Aufenthaltsraum für alle Generationen spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle. Der Familienbericht der Stadt Leipzig sah deshalb vor, die Innenstadt schrittweise für Kinder- und Familien attraktiver zu machen.

Forderungen, Spielangebote in das kompakte Zentrum zu bringen, gab es bereits seit 2004, doch ohne die Bereitstellung der dazu notwendigen Finanzierungsmittel blieben diese Bemühungen erfolglos. Erst die Beteiligung der Stadt am Wettbewerb "Ab in die Mitte! - Die City-Offensive Sachsen" unter dem Motto "FamilienLeben - Innenstadt" brachte im Jahr 2007 die entscheidende Wende.

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Stadt- und Regionalplaner*in, Brake  ansehen
Leiter*in der Abteilung Planung und Neubau sowie..., Giessen  ansehen
Sachbearbeiter*in Gewässerbau in der Abteilung..., Giessen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Freiraumplanung
Illustration der kompakten Leipziger Innenstadt. Jürgen Willbarth

Das Verfahren

In enger Kooperation zwischen dem Stadtplanungsamt und dem Amt für Stadtgrün und Gewässer wurde ein geeignetes Planungsbüro für das Spielraumkonzept gesucht und schließlich im Büro für Siedlungserneuerung aus Dessau gefunden. In kurzer Planungszeit entstand ein vielschichtiges Konzept, welches als strategische Planung gleichermaßen die Einbeziehung von Experten aus der Verwaltung, Politik, Gewerbetreibenden und Kindern sowie eine groß angelegte Öffentlichkeitsarbeit vorsah.

Die Stadt Leipzig erhielt für dieses Konzept einen Anerkennungspreis (8000 Euro) und einen Sonderpreis im genannten Wettbewerb. Das Konzept untersuchte alle öffentlichen Räume des Stadtzentrums mit dem Ziel, dass Familien beim Besuch der Leipziger Innenstadt vielfältige Spielmöglichkeiten sozusagen "am Wege" vorfinden, die zum Entdecken und Bespielen anregen. Mit Hilfe von "Stadtexperten" und "Spielexperten" wurden die möglichen Spielpotenziale untersucht und in zwei Karten dargestellt. Dort wurden geeignete Orte von ungeeigneten unterschieden. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit erhöhte die Akzeptanz wie auch die öffentliche Wahrnehmung des Konzeptes in nicht zu unterschätzendem Maße.

Schließlich wurden strategische Handlungsansätze in Steckbriefen formuliert, welche die Darstellung und Bewertung der öffentlichen Räume beinhalten. So gibt es Situationsbeschreibungen und Vorschläge zur Verfahrensweise in den unterschiedlichen öffentlichen Räumen wie Fußgängerzonen, verkehrsberuhigten Straßenräumen, Stadtplätzen, Passagen und Grünflächen. Bewusst wurden keine Aussagen zur Gestaltung der Spielangebote vorweggenommen, denn diese sollten erst in einem nächsten Beteiligungsverfahren prozesshaft entstehen.

Die Gestaltung der Spielräume

Von Beginn herrschte weitgehende Einigkeit unter allen Beteiligten, dass das Spielen im innerstädtischen Kontext höchsten gestalterischen Anforderungen genügen muss und nicht mit einem konventionellen Spielplatz zu vergleichen ist. Es wurde ebenso klar herausgestellt, dass der sonst so übliche Einsatz von "Wackeltierchen" und "Edelstahlspaghetti" in Fußgängerzonen nicht den stadtplanerischen Ansprüchen genügt.

Freiraumplanung
Spielraumkonzept Innenstadt. Eine Spielinsel auf dem belebten Augustusplatz vor dem Gewandhaus fördert das Miteinanderspielen. Entwurf: Michael Stapf, Laurin Zwo

Damit das Konzept nicht in einer Schublade verschwindet, sondern sofort Wirkung zeigt, wurden parallel konkrete Umsetzungsprojekte als Pilotprojekte vorgeschlagen. Dazu fand ein Wettbewerb für ein Spielangebot in der Reichsstraße unter Architekten und Künstlern statt, dem eine "Spielraumwerkstatt" mit Kindern vorausging. Es handelt sich um einen in der DDR-Zeit aufgeweiteten Straßenraum ohne Autoverkehr an prominenter Stelle gegenüber dem Museum der Bildenden Künste.

Die eingereichten Entwürfe wurden wiederum von denselben Kindern bewertet und anschließend im Kindermuseum des Stadtgeschichtlichen Museums vier Wochen lang zur Stimmabgabe mit großer Resonanz ausgestellt. Mit großem Vorsprung wurde von Kindern und Erwachsenen der Entwurf des Diplom Bildhauers Jan Viecenz gewählt, der einen "Spielraum Labyrinth" vorsah. Ein Heckenlabyrinth führt zu orientalisch anmutenden Pavillons; Kletter-Elemente und ein Trampolin ergänzen die langgestreckte Spiellandschaft "am Wege".

Ein weiterer, vorteilhafter Aspekt der breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit im "Spielraumkonzept Innenstadt" und seiner starken Präsenz in den Medien zeigte sich in der Spendenbereitschaft von ansässigen Firmen. Allein zehn unterschiedliche Spender unterstützten finanziell die Umsetzung des "Spielraums Labyrinth" in der Reichsstraße.

Ungefähr zeitgleich erfolgte der Wettbewerb für ein Wasserspiel in einer der belebtesten Einkaufsstraßen, an dem ebenfalls eine Kinderjury beteiligt war. Dort in der Grimmaischen Straße wurde als "VerweilRaum" versus "SpielRaum" eine gebirgsähnliche Steinbänder- und Wasserlandschaft nach einer Planung von treibhaus Landschaftsarchitektur umgesetzt.

Skaten am Richard-Wagner-Platz

Zweifellos trug die sichtbare Umsetzung der Pilotprojekte dazu bei, dass der Stadtrat das Spielraumkonzept Innenstadt im Juni 2009 beschloss. Als Erfolg des Spielraumkonzeptes kann auch die Tatsache betrachtet werden, dass bei der Neugestaltung des Richard-Wagner-Platzes im Nordwesten der City die vorhandene Skateranlage nicht ersatzlos gestrichen wurde, sondern durch die im Spielraumkonzept verankerte Einbeziehung der Nutzergruppe schließlich zum festen Bestandteil der Planung wurde. Unvergessen bleibt es für alle Beteiligten am Wettbewerbsverfahren, mit welcher Vehemenz und Sachlichkeit sich die Skater in die Planung des neuen Platzes eingebracht haben.

Freiraumplanung
Die Realisierung der Skateranlage auf dem Richard-Wagner-Platz wurde durch das Spielraumkonzept ermöglicht. Freiraumkonzepte GbR, Peter Fibich, Bad Lausick

Viele Aspekte an diesem funktionsreichen historischen Platz hätten gegen eine Skateranlage sprechen können: Denkmalschutz, der Marktbetrieb, Ansprüche von Vereinen für ein Richard-Wagner-Denkmal, Ruhestörung und vieles mehr. Stattdessen entstand jetzt in direkter Nachbarschaft des historischen Denkmals für Samuel Hahnemann eine Skateranlage, die in den urbanen Platz gestalterisch gut und unaufdringlich integriert ist. Sie versieht nun tatsächlich den Platz mit dem Anspruch der Generationen übergreifenden Nutzung.

Gegenwart und Ausblick

Bei aller Euphorie muss auch erwähnt werden, dass nach der Realisierung der beiden Pilotprojekte 2009 bis zum Bau des Richard-Wagner-Platzes 2013 erst mal eine Verschnaufpause einsetzte. Die wenigen öffentlichen Grünflächen im Zentrum waren weitestgehend hergestellt und die noch übrigen zu "bespielenden" Flächen sind zum Teil durch Verkehrsflächen in Anspruch genommen. Weiterhin wurden keine städtischen Mittel mehr zur Planung und Umsetzung nachfolgender Projekte in den Haushalt eingestellt und stattdessen auf die Akquise von Spenden verwiesen.

Mit akquirierten Spendenmitteln konnten Dank der Stiftung "Leipzig hilft Kindern" im letzten Jahr die Planung und Umsetzung für einen weiteren Baustein des Spielraumkonzeptes nahe dem Gewandhaus in Angriff genommen werden. Angemessen an die Größe der geplanten Baumaßnahme, erfolgte eine Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit nun im kleineren Stil. Zur Ideenfindung wurden zwei vorausgewählte Künstler/Diplom-Designer aufgefordert. Auch hier votierten wieder Kinder und Erwachsene und entschieden sich für einen Entwurf.

Freiraumplanung
Auch in anderen Stadtteilen werden Schritt für Schritt Spielplätze saniert. Heinrich-Buddeplatz, Spielgerät Veit Grasreiner, Dresden. Freiraumkonzepte GbR, Peter Fibich, Bad Lausick

Die Idee von Laurin Zwo, Michael Stapf, sieht an drei Baumstandorten Spielinseln nach dem Vorbild des Konzeptes "Spielen am Wege" vor. Unterschiedliche Angebote wie das "Universum", ein großer auf Stahlfedern gelagerter Ring mit einer beweglichen Kugel, oder das "Memory", fördern sowohl das Spiel miteinander als auch die Geschicklichkeit und Merkfähigkeit. Mit einer durchdachten technischen Lösung des Diplom Designers, durch die Anbringung der Spielelemente auf Betonwellen konnten die für die Gestaltung oft einschränkenden Faktoren im dichten urbanen Raum wie unterirdische Leitungen, Eingriff in den Wurzelraum der Bäume, Barrierefreiheit, Einengung des Verkehrsraumes oder Vandalismus zum größten Teil bewältigt werden. Die Realisierung ist für das erste Halbjahr 2014 vorgesehen und die Leipziger wie auch ihre Gäste dürfen gespannt sein.

Mit Spannung verfolgen die Bürger von Leipzig stets auch die Entwicklung der übrigen, rund 300 öffentliche Spielplätze im Stadtgebiet. Nachdem von 2009 bis 2010 mit Hilfe des Konjunkturpaketes II im Stadtgebiet 20 Spielplätze saniert werden konnten, beschloss der Stadtrat im Februar 2012 - möglicherweise sensibilisiert durch das Spielraumkonzept Innenstadt - das Programm zur Instandhaltung und Entwicklung der öffentlichen Spielplätze. Dem Amt für Stadtgrün und Gewässer steht nun jährlich eine Summe in Höhe von 250.000 Euro zur Verfügung, um die bestehenden Spielplätze Stück für Stück neu zu gestalten und zu sanieren - mit dem Ziel, das Konzept "Spielen am Wege" letztlich auf die gesamte Stadt auszudehnen und Leipzig in seiner Lebensqualität - gerade für Kinder und Familien - weiter zu verbessern. Erfreulicherweise zeigt die Statistik, dass seit einigen Jahren in Leipzig die Geburtenrate stetig ansteigt.

Autorin

Amt für Stadtgrün und Gewässer Leipzig

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen