Peter Degen

Stadtraumkultur: Eine Einführung in die Kultur des Zwischenraums

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Dieser Band ist eine Schule des Sehens. Er ist zugleich eine Phänomenologie. Räume, ob Stadt, ob Landschaft, werden von der Einfriedung und von den Zwischenräumen her betrachtet und als "Raumgefüge" konstituiert. Das Schauen überwindet auch die Grenzen nach innen, ist Wesensschau. Entwurfsarbeit ist wesentlich etwas Geistiges. Und so ist dieser Band eine "Summa philosophiae" Peter Degens - nicht eine Festschrift, die ihn zu seiner Emeritierung ehrt, sondern ein Geschenk, das er den Lesern macht, die nicht wie seine Studenten das (wie anzunehmen ist) Vergnügen hatten, ihn kennenzulernen. Um ein Vermächtnis zu sein, ist das Werk zu sehr "Work in progress". Es geht auf zahlreiche Studienreisen und eine wiederholt gehaltene Vorlesung zurück, die sich ständig veränderte durch die Verfertigung des Gedankens beim Sprechen - und Gehen. Die Schriftform verändert es noch einmal. Degen versucht, die Form offen zu halten, etwa durch den Dialog.

Der ETH Zürich, an der Degen tätig war, auch als Assistent von Aldo Rossi, gebührt das Verdienst, den Band herausgegeben zu haben. Weitere Stationen von Degens Lehr- und Forschertätigkeit waren Bern, Darmstadt und Kassel. In Düsseldorf (FH) hatte er zuletzt die Professur für Stadtbautheorie, Stadtbaugeschichte und städtebaulichen Entwurf an der "Peter Behrens School" inne. Diese Bereiche deckte er mit seinem Büro auch praktisch ab.

Der vorliegenden Band fügt sich in eine mehrbändige "Theorie des gebauten Ortes" und lässt wie in einem Bilderbogen Orte im alten Europa und den angrenzenden Kulturräumen passieren, um ihnen Grundmuster der Raumerfahrung und der Rauminszenierung abzuschauen. Der Materialität und Immaterialität des Raumes, der Bewegung und Begegnung, dem Typus, Topos und Mythos der Stadt gilt Degens Aufmerksamkeit. Mythos, weil von Bebauung frei gehaltene Räume in der Stadt durch Heiligkeit gebannt sein können oder weil es auch etwas zu schauen gibt, was unsichtbar ist: Höhlen und Labyrinthe, die Urformen der Architektur. Stadtraum ist für Degen die Kunst des Zwischenraums, aber nicht einfach als Lücke zwischen Objekten. "Die Beziehungen zwischen Vorhandensein und Leere prägen die Wahrnehmung des gebauten Ortes, haften im kollektiven Gedächtnis der Bewohner." Der Entwurf von Städten, ob ideal oder organisch, ist als Inszenierung von Raumfolgen zu entschlüsseln. Die Raumwahrnehmung ist nicht an die Materialität einer festen Wand gebunden. Zeichen wie Stelen genügen, um Räume im Raum abzugrenzen. Kolonnaden verschaffen den Plätzen urbane Bewegung. Die Übergänge und Verschränkungen der Räume sind "metaphysisch" wie bei de Chirico.

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Schweiz, Corpataux-Magnedens, "La Tuffière": Das nach einem Projekt von "2b architectes" erstellte Gemeindezentrum besetzt den Vorplatz mit einem Einzelbaum. Auch wenn er im heutigen Wuchsstand noch etwas verloren scheint, wird mit ihm künftig die alte Bedeutung solcher Einzelbäume aufschimmern. Fotos: Peter Degen

Schnittstelle von Innen und Außen

Entscheidend, auch für die Führung und Inszenierung von Licht und Schatten, ist die Schnittstelle von Innen und Außen. An dieser Stelle hat die Architektur der Moderne trotz aller Bemühungen vor einer Arbeitsteilung kapituliert: Der Architekt entwirft das Haus, der Landschaftsgärtner "verhübscht" den Rest.

Der Schwerpunkt der Bilderreisen liegt auf Italien und dem Tessin. Degen nimmt den Leser mit in eines jener "urbanen Dörfer" namens Verscio, indem er sich auf den antiken Dialog besinnt. Zwei fiktive Partner begehen Piazza, Gasse, Hof, Treppe sowie Brunnenplatz mit Baum. Sie betrachten jedes für sich und im Gefüge des Ganzen. Strukturen werden deutlich im Wechsel der Oberfläche oder in der Raumschale, den vertikalen Fassungen der Gassen und Plätze. Diese sind die Plattformen, von denen aus Städte zu begreifen sind. So betrachtet, steht es sehr schlecht um Nachkriegsstädte.

Aufweitung zentraler Plätze

Die Aufweitung zentraler Plätze gibt der Stadt Halt - eine Weisheit, die in Berlin gerade abgeschafft werden soll. Die letzte Station der Dialogpartner in Verscio sind zwei Neubauten, die der "Tessiner Tendenz" des Eingehens auf den gebauten Ort verpflichtet sind. Eines der Häuser "kommt dem Besucher buchstäblich entgegen, schmiegt sich über die Stützmauer zur Zugangsebene hinunter." Man klingelt, ist aber im Grunde schon angekommen. Der Weg durch das Haus korrespondiert mit dem Weg durch den Ort.

In der Dialogform offenbart sich jedoch eine Schwäche des Bandes. Einer der Partner, der Lehrer, erweist sich als sehr schulmeisterlich, und dem Schüler wird die Möglichkeit genommen, die Dinge selbst zu erkennen. Die platonische Dialektik ist verfehlt. Schade um die Hebammenkünste der antiken Philosophie. Eine zweite Schwäche des Bandes liegt in seiner Stärke.

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Verscio, Wegstation "Baum": Der Baum macht nicht nur auf den Ruhepunkt im Gassenverlauf aufmerksam, er kündet mit seiner Krone auch den Abgang der Seitengasse an.

Wort und Bild sind ausgewogen

Wort und Bild sind wunderbar ausgewogen. Man möchte die von Degen gern gebrauchte Brückenmetapher zur Beschreibung des Blickwechsels vom einen zum anderen verwenden. Auf Bildnummerierungen wird wegen des guten und doch unprätentiösen Layouts verzichtet. Die Augenweide wird jedoch getrübt, wenn gelegentliche Verschiebungen Suchläufe erforderlich machen.

Degen abstrahiert seine Raumerfahrungen der Alten Welt, um sie für die alltägliche Entwurfsarbeit nicht zur Doktrin, aber verfügbar zu machen. Es fragt sich jedoch, ob die Abstraktionen ohne den Rückbezug auf den historischen Ort nicht luftleer bleiben. Ist die Kurve, die von den Augen einer in der Mitte des Platzes stehenden Person bis zu den Dachtraufen gezogen werden kann, wirklich immer eine Parabel? Schön zu wissen, dass es in Ascoli Piceno so ist. Zum Glück belegen die Bilder eine derartige anregende Variationsfülle von Platzgrundrissen, Raumfolgen sowie Zu- und Durchwegungen, dass Zweifel am Attribut "kompakt" für die europäische Stadt aufkommen. Die Variation erst macht den Raum zu einem erfüllten. Degen weiß das selbst: "Wir haben verlernt, schiefe Plätze zu bauen."

Der Blick Degens ist deswegen so scharf - und immer wieder staunend - weil er einen radikalen erkenntnistheoretischen Ansatz vertritt: Die Strukturen des Objekts und die des städtebaulich Ganzen laufen zusammen. Wer die historischen Städte studiert, sucht das menschliche Maß in jenen Strukturen. Er teilt den Raum nach seiner Lage zum menschlichen Körper ein. Als Flaneur betritt er den sich öffnenden Platz und vermindert unwillkürlich seine Bewegung, um spiralförmig den Ruhezustand anzustreben. Das gelingt Laien mindestens so gut wie Fachleuten. Wer keine Zeit für zahlreiche Exkursionen hat, dem bietet das Buch einen Exkurs zu Urbanität.

Dr. Bernhard Wiens

Dr. Bernhard Wiens
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Beuth Hochschule

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