Transformation in Duisburg Bruckhausen

Stadtumbau West

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Grünflächen
Der Park vor der Haustür, eingespannt zwischen dem Stadtteil Bruckhausen und den Industrieflächen von der Thyssen Krupp Steel AG. Im Hintergrund der Rhein. Foto: Hans Blossey

Mit dem Gewinn des im Jahr 2010 ausgelobten Wettbewerbs zum Grüngürtel Duisburg-Nord Bruckhausen waren wir vor eine große Herausforderung gestellt worden. Sie bestand darin, ein Stadtumbau-Konzept erlebbar werden zu lassen, das zahlreiche Anforderungen erfüllen musste, um die zukünftige Lebensqualität der Bewohner zu verbessern und zu stabilisieren.

Der Mut der Stadt Duisburg, durch den großflächigen und zielgerichteten Rückbau von Wohnbebauung einen dem Verfall ausgesetzten Stadtteil zu stabilisieren, ist unter den gegebenen Bedingungen nahezu einmalig. Entgegen zahlreicher Kritiker verdient er unseren höchsten Respekt.

Hintergründe

In vielen Regionen sind Städte und Gemeinden von den Folgen des wirtschaftlichen und demografischen Strukturwandels betroffen, so wie am nachfolgenden Beispiel Duisburg Nord Bruckhausen erkennbar. Dieser Strukturwandel stellt die Kommunen immer wieder vor die Herausforderung, auf Entwicklungen auch vorbeugend städtebaulich beziehungsweise landschaftsarchitektonisch zu reagieren. Einzelhandels- und Wohnungsleerstände, Trading-Down-Effekte in den Zentren, nicht mehr bedarfsgerechte Infrastruktureinrichtungen sowie Brachflächen verdeutlichen den besonderen Handlungsbedarf. Kommunen, die aufgrund rückläufiger Entwicklungen von städtebaulichen Funktionsverlusten betroffen sind, erhalten Hilfe. Sie werden bei der Anpassung ihrer baulichen und stadträumlichen Strukturen an die Veränderungen von Bevölkerung und Wirtschaft durch unterschiedliche Förderprogramme unterstützt. Dabei sollen Stagnation und Schrumpfung auch als Chance verstanden und neue Impulse für zukunftsorientierte Entwicklungen gesetzt werden.

Im Rahmen einer der größten Stadtumbaumaßnahmen der alten Bundesländer entstand im Sanierungsgebiet Duisburg Bruckhausen, an der Nahtstelle zwischen gründerzeitlichen Wohnsiedlungsbereichen und industriell genutzten Flächen durch den zielgerichteten Rückbau von Wohnbebauung, eine Grünfläche von ca. 8,4 Hektar Größe.

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Die Flächen ergänzen den Grüngürtel Duisburg Nord, der sich von Bruckhausen im Süden bis nach Marxloh im Norden erstreckt und diese Stadteile an die bestehenden überregionalen Grünzüge anbindet.

Der Grüngürtel Duisburg-Nord ist eine von Land, Bund, EU und Thyssen Krupp Steel Europe finanzierte Stadterneuerungsmaßnahme in den drei Duisburger Stadtteilen Bruckhausen, Marxloh und Beeck.

Der Ortsteil Bruckhausen im Stadtteil Meiderich befindet sich im Norden des Duisburger Stadtgebietes in einer Art Insellage zwischen dem Stahlwerk von Thyssen Krupp Steel im Westen, Norden und Osten sowie der A 42 im Süden.

Die Kaiser-Wilhelm-Straße bildet die Hauptverbindungsachse zu den Ortsteilen Marxloh im Norden und Beek im Süden. Der Rhein mit seinem begleitenden Freiräumen verläuft in einer Entfernung von zirka 1500 Meter Luftlinie westlich Bruckhausens - allerdings getrennt durch die Barriere der Industrieflächen des zweitgrößten Hüttenwerks der Welt.

Das Projekt Grüngürtel Duisburg-Nord soll dauerhaft die Grünstrukturen des Rheinvorlandes über den Baggersee Vogelwiese nach Norden mit dem Schwelgernpark, Schacht 2/5, Mattlerbusch, Lohbergbahn und die Halde Wehofen vernetzen. Somit soll ein wesentlicher Beitrag zur weiteren Entwicklung des Emscher Landschaftsparks West im regionalen Grünzug A geleistet werden.

Die Entwicklung des Parks dient als Signal des Aufbruchs für die zukünftige Entwicklung Bruckhausens und soll den Stadtteil langfristig stabilisieren.

Die Geschichte Bruckhausens ist eng verknüpft mit der Entstehung der Montan- und Schwerindustrie im Duisburger Norden. War Bruckhausen vor der Industrialisierung eine kleine niederrheinische Bauernschaft und zählte noch im Jahre 1872 lediglich 419 Einwohner, löste die Gründung des Stahlwerks durch August Thyssen Anfang der 1890er-Jahren eine beispiellose Wachstumsphase aus. Die Einwohnerzahl betrug 1897 bereits 6000 Einwohner und stieg bis 1912 auf über 17.000 Einwohner. In kürzester Zeit entwickelte sich eine Dorfstruktur zu einer Siedlung urbaner Prägung mit Theatern, Kaufhäusern und stark verdichteter Bebauung unmittelbar angrenzend an eines der modernsten Stahlwerke der damaligen Zeit. Die Auswirkungen der Industrialisierung und der damit einhergehenden vielfach ungesteuerten Siedlungsentwicklung sind in der städtebaulichen Struktur Bruckhausens bis heute ablesbar.

Gleichzeitig zog diese Entwicklung bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Arbeiter aus ganz Europa an, die in Bruckhausen eine vielfältig gemischte Bevölkerungsstruktur unterschiedlicher Nationalitäten entstehen ließen. Die isolierte Lage des Stadtteils zwischen Stahlwerk und Autobahn, der geringe Anteil an Freiflächen sowie die erheblichen Immissionsbelastungen entwickelte sich in der Nachkriegszeit mehr und mehr zum Problem. Vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmenbedingungen verließen mit zunehmender Mobilität der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten viele Bewohner den Stadtteil mit der Folge erheblicher Leerstände. Bruckhausen ist geprägt von sozialen und ökonomischen Problemlagen, die in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Projekte und Maßnahmen des Programms Soziale Stadt NRW verbessert werden konnten. Die generelle Problematik der Gemengelage konnte dadurch jedoch nicht aufgelöst werden. Der Rückbau von Bausubstanz wird allgemeinhin immer noch als wirtschaftliche und kulturelle Wertvernichtung gesehen. Gleiche Ablehnung erfuhr das Projekt auch, obwohl (wie im vorliegenden Beispiel Bruckhausens) die Zielsetzung einen qualitätsvollen Freiraum zu gewinnen von Anfang an formuliert war. Die Inwertsetzung und Stabilisierung durch gezielte Rückbaumaßnahmen bei gleichzeitiger Entwicklung von qualitätsvollen Freiräumen spielen allzu oft eine untergeordnete Rolle bei städtebaulichen Entwicklungsszenarien.

Der Abriss beziehungsweise Rückbau großer Teile historischer und in Teilen denkmalwürdiger Bausubstanz, der bis an den Heinrichplatz und damit ins Zentrum Bruckhausens heranreicht, stellt einen erheblichen Eingriff in den historisch gewachsenen Stadtkörper dar, der den ursprünglichen Charakter Bruckhausens verändert hat.

Die für den Stadtteil typischen gründerzeitlichen Blockstrukturen als historisches Zeugnis der Aufbruchjahre des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die letztlich für eine robuste städtebauliche Struktur stehen, konnten seitens der Stadtverwaltung aus oben genannten Gründen zu einem großen Teil nicht mehr gehalten werden.

Der Rat der Stadt Duisburg hat im Dezember 2007 die Durchführung des Projektes Grüngürtel Duisburg-Nord mittels eines internationalen, beschränkten Realisierungswettbewerbes und vielfältiger Fördermaßnahmen in den Ortsteilen Marxloh, Bruckhausen und im Bereich Beeck beschlossen. Bereits seit Anfang der 1990er-Jahre wurden in den Ortsteilen integrierte Stadtteilerneuerungsstrategien im Rahmen des Handlungsprogramms Soziale Stadt NRW umgesetzt.

Formuliertes Ziel der Sanierungsmaßnahme im Ortsteil Bruckhausen seitens der Stadt Duisburg war die Entzerrung der Industrienahtlage durch die Gestaltung eines Grüngürtels mit Landschaftsbauwerk sowie die maßgebliche Beseitigung der festgestellten städtebaulichen Missstände auf Grundlage des Baugesetzbuches (§ 136 ff. BauGB).

Weitergehend ist für den gesamten Ortsteil die bisher verfolgte integrierte Stadtteilerneuerungsstrategie fortentwickelt worden. Von zentraler Bedeutung war es, die Funktionalität Bruckhausens zu erhalten und die verbliebenen Ortsteilstrukturen weiter zu stabilisieren.

Durch die Schaffung von Freiräumen mit einer hohen ökologischen Bedeutung und verbesserten Aufenthaltsqualität sowie durch die Beseitigung städtebaulicher Missstände soll die Wohn- und Lebensqualität längerfristig vor Ort erhöht und der Einwohnerrückgang gestoppt werden.

Da sich die Sanierungsmaßnahme nachteilig auf die persönlichen Lebensumstände der im Gebiet arbeitenden und wohnenden Menschen auswirken kann, wurden in einem Sozialplan gem. § 180 BauGB Vorstellungen entwickelt, wie diese nachteiligen Auswirkungen vermieden oder gemildert werden können.

Akteure

Die Stadt Duisburg hat die Verfahrenshoheit und übernahm Aufgaben wie beispielsweise den Grunderwerb und die Bebauungsplanung. Es wurden verschiedene Fachämter, wie etwa das Amt für Stadtentwicklung und Projektmanagement, das Amt für Baurecht und Bauberatung, das Amt für Soziales und Wohnen, das Amt für Umwelt und Grün sowie das Amt für Denkmalpflege beteiligt.

Die EG DU Entwicklungsgesellschaft Duisburg mbH organisiert als Sanierungsträger die Prozesse vor Ort. Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten sind unter anderem die Beteiligung der Bürger/-innen im Rahmen der Entwicklungsprozesse, die Aktivierung der Eigentümer/-innen und Gewerbetreibenden hinsichtlich der Aufwertung des Gebäudebestandes und die Umsetzung eines Sozialplans.

In den Ortsteilen sind die Bewohner/-innen, die aktiven Akteure sowie die vorhandenen Netzwerke, Organisationen, Vereine und bürgerschaftlichen Gremien wichtige Partner der vergangenen und weiteren Entwicklung.

Finanzierung

Es wurden seitens der Verwaltung Gesamtkosten von zirka 71,9 Millionen Euro zur Durchführung der Sanierungs- und Umbaumaßnahmen geschätzt. Die Finanzierung erfolgt durch Zuwendungen der ThyssenKrupp Steel AG in Höhe von 35,9 Millionen Euro und Fördermittel des Landes/der Europäischen Union von 36 Millionen Euro. Öffentliche Unterstützung erfolgte unter anderem durch die Förderprogramme Soziale Stadt und Stadtumbau West.

Die Mitfinanzierung des Projektes Grüngürtel Nord durch die ThyssenKrupp Steel AG stellt eine Novität dar. Erstmals wurde eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme durch ein privates Unternehmen wesentlich mitfinanziert. Diese Co-Finanzierung ermöglichte der Stadt Duisburg die Durchführung einer fachlich gebotenen, an den Grundlagen des Baugesetzbuches orientierten städtebaulichen Sanierungsmaßnahme auch in Zeiten knapper Kassen.

Ohne den Finanzierungsanteil von privater Seite wäre die Finanzierung der Sanierungsmaßnahme durch die Stadt Duisburg als Haushaltssicherungskommune nicht gesichert gewesen und würde daher eine langfristige Sanierung nicht ermöglichen.

Der Kostenanteil der auf rund 8,4 Hektar neu entstandenen Parkanlage in Bruckhausen beläuft sich auf insgesamt 5,7 Millionen Euro brutto.

Entstehung eines dynamischen Volksparks

Intervention Grüngürtel

Mit der Durchführung des internationalen, beschränkten Realisierungswettbewerbs im Jahre 2010 standen 25 konkurrierende Büros, aus dem unser Büro als Sieger hervorging, vor der enormen Herausforderung, in kürzester Zeit eine flexible und nachhaltige Parkstruktur zu entwickeln, die die bestehenden Defizite zu heilen vermochte.

Die Ziele für die Gestaltung der Freiflächen wurden parallel zu intensiv geführten Dialogen mit der Bevölkerung vor Ort weiterentwickelt und vorangetrieben.

Dabei war es für unser Büro wesentlich, dass das spannungsvolle Wechselspiel zwischen urbaner und landschaftlicher Atmosphäre gleichermaßen gestalterische, nutzerspezifische sowie ökologische Belange verbindet und sich in dem fertiggestellten Landschaftspark im Sinne eines Volksparks manifestiert. Wir hatten das Glück, dass wir neben unserem Team einem sehr progressiven und offenen Bauherrn inklusive Projektsteuerung gegenüber standen sowie viele gute Fachleute für dieses Projekt gewinnen konnten. Sie haben auch über ihre normale Profession hinaus viel Herzblut für diese Maßnahme entwickelt. Somit konnte unser Wettbewerbsbeitrag vollumfänglich umgesetzt werden. Durch die Transformation ehemals dichtbebauter Stadträume in Form eines dynamischen Volksparks mit begehbarer Raumskulptur (Landschaftsbauwerk), entstand ein Puffer zwischen der Schwerindustrie westlich Bruckhausens und den Wohnbereichen, der zukünftig dazu beitragen wird, die Lebensqualität in dem Stadtteil zu verbessern.

Als Park vor der Haustür sind Grün- und Freiflächen mit hoher Aufenthalts- und Gestaltungsqualität für die Bewohner Bruckhausens entstanden, die sich mittlerweile großer Beliebtheit erfreuen.

Das Parkkonzept

Der Park steht im spannungsvollen Wechselspiel zwischen urbaner und landschaftlicher Atmosphäre. Als idealisierter Naturraum folgt er in seiner Grundkonzeption dem Motiv des Volksparks mit zentralen Rasenflächen zum Spielen, Grillen und Entspannen. Das klare Raumgerüst von baumbestandener Rahmung, Raumskulptur und offener Lichtung ermöglicht ein Empfinden von Dichte und Weite im Freiraum.

Zwei unterschiedlich ausformulierte Kanten, die sich in ihrer Form und Nutzung unterscheiden, rahmen die Rasenflächen. Form und Nutzung reagieren wiederum auf die Nachbarschaft. Gehölzstrukturen und Bodenmodellierungen schaffen es, durch bewusste Setzungen den Innenraum des Parks zu stärken und gleichzeitig an exponierten Stellen die Sichtbezüge zum Stadtraum und den Industrieanlagen herzustellen. Der neu gestaltete Park verbindet und hebt gestalterische und ökologische Belange gleichermaßen hervor. Dabei verschmelzen die Begriffe Stadtpark, Stadtgarten und Stadtplatz zu einer neuen Einheit.

Der Wall als begehbare Raumskulptur wurde umwelt- und ressourcenschonend aus 80.000 Kubikmeter Boden hergestellt. Der Einbau von über 550 unterschiedlichen Betonfertigteilen ermöglicht ein optimales Verhältnis zwischen topografischer Raumkante und ebener Fläche. Die dichte Pflanzung von Laubgehölzen in Form eines Hecken- und hallenartigen Parkwaldes überhöht das Landschaftsbauwerk.

Eine urbane Promenade mit eingeschobenen Platzräumen verbindet spielerisch den Stadtteil mit dem Park. Sie ist Träger dynamischen und urbanen Treibens und nimmt die wesentlichen aktivitätsbezogenen und generationsübergreifenden Funktionen auf (Spiel- und Bewegungselemente, Skaten, Fitnessgeräte Spielplätze für unterschiedliche Altersklassen).

Die wegebegleitende Pflanzung von Obst- und Blühgehölzen vermittelt zwischen den angrenzenden Wohngärten und dem Park. Duft und Blüte verleihen dem Ort einen kontemplativen Charakter.

Platzsituationen und Promenade werden durch ein filigranes Netz aus Nebenwegen, die die einzelnen Hochpunkte der Raumskulptur erschließen, miteinander verbunden und komplettiert.

Die zentralen Rasen- und Wiesenflächen sind neben der Erlebbarkeit von Weite und Dichte der Ort für zahlreiche Spiel- und Bewegungsflächen (etwa zum Bolzen oder Grillen). In ausgiebig genutzten Parkbereichen verleihen Blumenwiesen, aus einer eigens zusammengestellten Saatgutmischung, dem Ort besondere Blüh- und Duftaspekte.

Wir hoffen, dass mit der Realisierung des Parks ein Zeichen des Wandels und des Aufbruchs gesetzt werden konnte. Dieses wird hoffentlich über die Grenzen des Ortsteils hinauswirken und einen Beitrag für ein positives Image sowie einer Stabilisierung des Stadtteils leisten.

Literatur

Höhn, Michael: Bruckhausen ein Stadtteil kämpft, Duisburg-Bruckhausen, 1. Auflage, 1979.

Entwicklungsgesellschaft Duisburg-Bruckhausen in Verbindung mit der Stadt Duisburg, Projekt Bruckhausen, Zukunft der Stadtentwicklung, Duisburg, 1. Auflage, 1993

www.sozialestadt.nrw.de/stadtteile_projekte/profil.php

Autor

r+b landschaft s architektur

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