Zur Sommeruniversität lud die Lehndorff-Gesellschaft nach Polen ein

Steinort - barocker Park in der Masurischen Seenplatte

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Gutsparks Historische Parks und Gärten
1 Ausgewachsene Hainbuchenhecken bilden mehrstämmige Bäume im Park. Foto: Georg v. Gayl
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2 Historische Aufnahme der Stiel-Eichenallee mit dem Teehaus von Carl Gotthard Langhans. Abb.: Gräfin zu Dohna, Ursula: Gärten und Parke in Ostpreußen: 400 Jahre Gartenkunst, Busse Seewald, 1993, S. 60

Entscheidet man sich für eine Reise mit dem Auto nach Masuren, dem südlichen Teil des ehemaligen Ostpreußen, setzt dieses die Bereitschaft voraus, eine wirklich lange Fahrt in Europas Nordosten zu unternehmen. Die Entfernung zwischen Start und Ziel entspricht der von Berlin nach Trier allerdings führt der weitaus größte Teil der Anreise bereits ab Posen (Poznan) allein über Landstraßen, die allerdings gut bis sehr gut ausgebaut sind.

Nähert sich die Masurische Seenplatte, tauchen immer wieder größere und kleinere Seen in einer leicht gewellten, vom Ackerbau geprägten und abwechslungsreichen Landschaft auf. Die großen Schläge werden von Wäldern oder kleineren Wäldchen unterbrochen. Mächtige Alleen säumen die Straßen, die sogar in der Ferienzeit nur schwach befahren sind. Dennoch ist Masuren eine der beliebtesten Ferienregionen in Polen mit jährlich steigenden Übernachtungszahlen. Gerade der Wassersporttourismus hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Das Dorf Steinort (polnisch Sztynort) mit Schloss, Gutsanlage und Park liegt malerisch auf einer Landzunge eingebettet zwischen dem Mauer- und dem Dargainen-See. Vor dem Schloss befindet sich eine großzügige freie Fläche mit Vorfahrt, die von Hecken eingefasst ist. Zu dem zweiflügeligen Bau mit Ursprung aus dem 17. Jahrhundert gehören noch Nebengebäude wie ein Wohnhaus, ehemalige Stallungen, ein Speicher, die zusammen mit dem Schloss ein großes Hofensemble bilden. In unmittelbarer Nachbarschaft davon liegt weiter südlich der kleine Steinorter See. Diese etwa ein Quadratkilometer große Wasserfläche ist mit einem Kanal mit dem Dargainen-See verbunden.

Auf einer Anhöhe liegt wenige 100 Meter vom See entfernt das Schloss, vor dem sich nicht nur Wassersportler treffen, sondern auch Urlauber, Fahrradtouristen oder Kultur- und Naturliebhaber. Das Schloss wird zurzeit saniert, kann aber eingeschränkt besichtigt werden. Führungen werden auf ehrenamtlicher Basis angeboten.

Im Rahmen der "Sommeruniversität Steinort" lud die Lehndorff-Gesellschaft Steinort e. V. (LGS) zu einer dreitägigen Vortragsreihe Ende Juli 2019 ein. Der Namensgeber der Gesellschaft ist Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort, der letzte Besitzer des Schlosses und Mitverschwörer beim Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944, vor 75 Jahren. Das sogenannte Führerhauptquartier Wolfschanze lag nur 20 Kilometer von Steinort entfernt, östlich der Stadt Rastenburg (Ketrzyn). Nach dem gescheiterten Attentat gelang Heinrich v. Lehndorff zweimal die Flucht und nach seiner endgültigen Festnahme wurde er am 4. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Gegen den Willen Lehndorffs hatte der damalige Außenminister Joachim von Ribbentrop bereits 1942 den Schloss-Westflügel in Steinort annektiert, um Nahe der Wolfschanze angenehmer, außerhalb der riesigen Bunkeranlage zu wohnen und um hier Gäste und Staatsgäste angemessen zu empfangen. So wohnten zeitgleich Verschwörer und Repräsentant der Nazi-Diktatur unter einem Dach. Nach der politischen Wende 1998 verfiel das Schloss und Ende 2009 konnte die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz (DPS), das Herrenhaus in das Eigentum der polnischen Schwesterstiftung der DPS, der Polsko-Niemiecka Fundacja Ochrony Zabytków Kultury (PNF) übertragen. Seitdem konnten beide Stiftungen vor allem mit Fördermitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), des Polnischen Ministeriums für Kultur und nationales Erbe und privaten Spenden aus Deutschland notsichern und damit vor dem Verfall bewahren.

Zusammen mit der LGS haben sich kulturinteressierte Menschen aus beiden Nationen zusammengefunden, um Steinort zu retten und das Schloss der Öffentlichkeit unter anderem durch ein deutsch polnisches Volonteer Projekt zugänglich zu machen, welches von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gefördert wird. Aufgrund wieder aufgetauchter originaler Inventarstücke aus Steinort besteht die Absicht, in Zukunft im Schloss ein Museum einzurichten und ein regionales Zentrum für Kultur, Bildung und Wissenschaft aufzubauen.

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3 Schloss Steinort im Juli 2019 mit provisorischem Dach. Foto: Georg v. Gayl
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4 Das Teehaus im aktuellen Zustand am südwestlichen Ende der Eichenallee. Rechts im Bild schließen die ehemaligen Hecken der quadratisch auf Terrassen angelegten Gärten an. Foto: Georg v. Gayl

Der Park

Die ursprünglich barocke Parkanlage schließt hinter einem ebenen Rasenparterre an der Schlossrückseite an. Über mehrere Terrassen fällt das Gelände Richtung Nordosten ab, das von einer querliegenden Stiel-Eichenallee, die nachweislich zwischen 1650 und 1680 gepflanzt wurde, unterbrochen ist. In den Terrassen wachsen in Reihe gepflanzte Hainbuchen, die ursprünglich die Funktion von raumbildenden hohen Hecken hatten. In diesen ehemaligen Hecken-Räumen waren ursprünglich Beet-oder Schmuckpflanzungen angelegt. Durch den in den vergangenen Jahrzehnten nicht erfolgten Heckenschnitt lassen sich hier heute bizarr wachsende immer mehrstämmige Bäume finden. In einer historischen Abbildung sind die ehemaligen Hecken als hohe Wände - ein typisches Element des Barockgartens - an der Eichenallee gut erkennbar.

An den jeweiligen Endpunkten der Eichen-Allee stehen zwei Schmuckbauten: Im Südosten das Teehaus als ein Tempelbau von 1816 (Carl Gotthard Langhans) und in der entgegengesetzten Richtung die sogenannte Kapelle, ein Klinkerbau mit gotischem Eingangsportal.

Weiter nordöstlich in Richtung Mauer-See erstreckt sich der 3 Hektar große Park, der zurzeit stark verwaldet und verbuscht ist. Wege sind teils freigeschnitten und ermöglichen so die Erschließung zu Fuß. Der Park endet nach 400 Metern in nordöstlicher Richtung mit einem quer verlaufenden Graben, von dem ein breiter Kanal abzweigt und durch einen Erlenbruch nach gut 600 Metern in den Mauer-See mündet.

Messtischblätter: Untersuchung vor Ort

Das Studium historischer Messtischblätter im Zusammenhang mit Landschaften und Parkanlagen erweist sich als ausgesprochen ergiebig, da die Karten über ein hohes Maß an Informationen zum jeweiligen Stand ihres Erscheinungsjahres geben. Die Messtischblätter im Maßstab 1:25.000 entstanden zunächst etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Preußen, Mecklenburg, Oldenburg und den kleineren mitteldeutschen Staaten im Rahmen der preußischen Landesaufnahme ab 1876 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Beeindruckend ist der Inhaltsreichtum der Karten. Im vergrößerten Zustand lassen sich beispielsweise gut Wege, Wasseranlagen oder Kleinbauten in Parkanlagen sowie Boden, Bodenbewuchs und Bodenformen ablesen und mit der heutigen Situation vergleichen.

Der Vorort-Vergleich mit der historischen Karte

Das Urmesstischblatt von Steinort von 1862 zeigt das Schloss mit Nebengebäuden und barockem Garten, sowohl geradlinige als auch geschwungenen Wege und den breiten Kanal zum Mauer-See. Es ist davon auszugehen, dass im Laufe des 19. Jahrhunderts ebenfalls Elemente des Englischen Landschaftsgartens, wie geschwungene Wege oder Gehölzgruppen mit in die Parkgestaltung einflossen. Die strenge und axial ausgerichtete Anlage mit den südlich des Schlosses liegenden, im Raster angelegten quadratischen Teilgärten ist mit Hilfe der Karte und dem Vor-Ort-Vergleich gut erkennbar. Zwei Gebäude zu Beginn und Ende der Eichenallee lassen sich ebenfalls im Urmesstischblatt finden.

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5 Eingangsportal der sogenannten Kapelle nordöstlich des Schlosses. Foto: Georg v. Gayl
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6 Urmesstischblatt von 1862. Gut erkennbar ist die barocke Struktur des Parks. Abb. bpk/SBB: Ausschnitt Steinor
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7 Eingangspfeiler vor der achteckigen Erbbegräbniskapelle der Steinorter Lehndorffs von Friedrich August Stüler, erbaut 1855. Foto: Georg v. Gayl

Umgebene Landschaft

Verlässt man den Park und das Gutsensemble in südlicher Richtung, prägen riesige Eichen das Landschaftsbild, die als Alleebäume um den Steinorter See gepflanzt wurden. Diese Bäume sind bereits im Urmesstischblatt als versetzt am Weg platzierte Bäume dargestellt, was der heutigen Situation vor Ort entspricht. Der ursprüngliche Weg um den Steinorter See mit einer nachgewiesenen Brücke über den Verbindungskanal zum Dargainen-See ist heute mangels einer Brücke unterbrochen. In gut einem Kilometer Luftlinie vom Schloss entfernt liegt auf einer kleinen Anhöhe, direkt am Ufer des Dargainen-Sees die neugotische Erbbegräbniskapelle der Steinorter Lehndorffs, erbaut 1855. Der achteckige Bau mit einer Gruft stammt von dem Erbauer des Neuen Museums in Berlin, Friedrich August Stüler und wird zurzeit renoviert.

Der Bau ist ebenfalls Bestandteil der Gutsanlage. Hervorzuheben ist die besonders malerisch gelegene Lage am Seeufer. Ein ursprünglich bestandener Sichtbezug zur offenen Wasserfläche ist aufgrund der starken dichten Baumkronen im Umfeld des Mausoleums zurzeit nicht möglich. Um die Kapelle herum befinden sich weitere Gräber mit teils erhaltenen Grabzeichen aus Stein und aus Metall.

Die Marina

Der Steinorter See ist ein natürlicher, gut geschützter Hafen, mit einer Marina, die über 300 Liegeplätze für Motor- und Segelboote anbietet.

Zu erreichen ist die Marina vom Dargainen-See über einen Kanal, der auch größeren Booten eine Durchfahrt zur Marina ermöglicht. Dieser Umstand bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Rundweg um den See zur Zeit nicht möglich ist. Die Marina ist ein wichtiger touristischer Anlaufs- und Übernachtungsort und verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur mit Boots-Tankstelle, kleinem Supermarkt und gastronomischen Einrichtungen, einem Hotel mit Pub und großzügigen Sanitärräumen für die auf den Booten Übernachtenden. Offensichtlich stehen die Marinas, die an verschiedenen Stellen der großen Seen liegen, im Wettstreit untereinander, sodass ein kostenloses Kultur- und Musikprogramm abends für entsprechende Unterhaltung sorgt und so zu einem längeren Aufenthalt einlädt.

Ausblick in die Zukunft

Ein italienscher Immobilienentwickler hat die Marina sowie das Gutsgelände mit dem Park vor kurzem erworben. Schaut man in die Zukunft, ist es spannend, die weitere Entwicklung der Parkanlage und der Umgebung zu verfolgen. Da im Park die barocke Struktur mit etwas Wissen noch gut ablesbar ist, sollte sich die Wiederherstellung stark an seine ursprünglich barocken Strukturen anlehnen. Mittlerweile hat das Schloss ein neues, provisorisches Dach erhalten, wodurch die mit Feuchtigkeit verbundene Schadentwicklung gestoppt wurde. Stark einbezogen ist auch die TU-Dresden bei der Sicherung, Erhalt und Sanierung des Gebäudes. Die Langhans-Gesellschaft engagiert sich für eine Renovierung des Teehauses im Park. Was das Erbbegräbnis betrifft, setzt sich ebenfalls die PNF für den Bau mit seiner qualitätsvollen neugotischen Architektur zusammen mit der TU-Dresden ein.

Literatur

Literatur

Gräfin zu Dohna, Ursula: Garten und Parke in Ostpreußen: 400 Jahre Gartenkunst, Busse Seewald, 1993.

Steinort, Preuß. Urmesstischblatt, Auszug, 1862.

Vollmer, Antje: Doppelleben: Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop; Die Andere Bibliothek (2010).

Dipl.-Ing. Georg von Gayl
Autor

Landschaftsarchitekt

Georg von Gayl Landschaftsarchitekten Planungsgesellschaft mbH

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