Studien zum Verlust pflanzlicher Substanz in historischen Gärten
Vom Bestandsschutz bis zum Bildschutz im Klimawandel
von: Prof. Dr.-Ing. Swantje Duthweiler, Chris Eckhardt, Claudia Leopold
Arterhalt durch Nachpflanzung oder Naturverjüngung
Derzeit arbeiten mehrere Forschungsgruppen an dieser Fragestellung und es steht für alle außer Frage, dass Bestandsbäume in historischen Anlagen so lange wie möglich in ihrer Originalsubstanz erhalten bleiben sollten. In der Denkmalpflege gilt die Bewahrung des "Authentischen", der materiellen Substanz, als zentrales Leitbild. Schon 1905 hatte der Denkmalpflege-Theoretiker Georg Dehio als Leitsatz formuliert: "Konservieren, nicht restaurieren" (Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, 1905).
In der "Charta von Florenz" wird ein "historischer Garten" als "Bauwerk" definiert, "das vornehmlich aus Pflanzen, also aus lebendem Material besteht, folglich vergänglich und erneuerbar ist. Sein Aussehen resultiert aus einem ständigen Kräftespiel zwischen . . . naturgegebenem Verfall einerseits, und künstlerischem sowie handwerklichem Wollen andererseits, die darauf abzielen, einen bestimmten Zustand zu erhalten" (International Council on Monuments and Sites, 1981, Artikel 2). Im Rahmen dieser ICOMOS-Tagung wurde vereinbart, dass historische Gärten "durch rechtzeitige Ersatzpflanzungen und auf lange Sicht durch zyklische Erneuerung (wie der Beseitigung überständiger Gehölze und Neupflanzung vorkultivierter Exemplare) instandzuhalten" seien (ed., Artikel 11). Dabei gilt der Grundsatz: Nachpflanzen der gleichen Art am selben Standort.
In der Gartendenkmalpflege kommt man damit aber auch an Grenzen. Viele historische Parkanlagen sind auf Auwaldstandorten und mit Bezug zum Wasser gebaut, sonst wären sie vielleicht irgendwann Bauland geworden. Sie sind im Klimawandel ganz besonders gefährdet. Bäume und Sträucher entwickeln und verändern sich, haben ein begrenztes Alter und sterben ab. Oft können gezielte vegetationstechnische Verbesserungen die Regeneration des Bestandes unterstützen. Für schwierige Standortverhältnisse gibt es Konzepte zur Naturverjüngung – insbesondere bei waldähnlichen Hintergrund- und Füllpflanzungen. Doch ist festzustellen, dass man bei Nachpflanzungen extrem krankheitsanfälliger Baumarten derzeit noch keine Lösung hat.
SUG-Stellenmarkt



Kooperationsforschung zu Problembaumarten und authentischen Ersatzpflanzungen
Mit zunehmendem Klimawandel führen aggressive Pflanzenkrankheiten, wie das Eschentriebsterben bei der Gewöhnlichen Esche, die Phytophthora-Wurzelfäule bei Rot- und Blut-Buche, die gefährliche Rußrindenkrankheit beim Berg-Ahorn oder das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi bei der Rosskastanie zu unaufhaltsamen Gehölzverlusten.
Mit ganzer Kraft wird nach resistenten Typen der unverzichtbaren, meist heimischen Baumarten gesucht – bislang allerdings ohne Erfolg. Bei diesen wenigen extrem gefährdeten Gehölzarten scheint es zwingend notwendig darüber nachzudenken, ob es ausnahmsweise auch andere Wege geben muss, parallel zur reinen Nachpflanzung derselben Pflanzenart. Bei einer Neupflanzung wären die Jungpflanzen wieder gefährdet und würden voraussichtlich nicht das Alter erreichen, das für die historische Bildwirkung bedeutsam wäre.
An der Fragestellung "Historische Gärten im Klimawandel – Ersatzpflanzungen im Spannungsfeld zwischen gartendenkmalpflegerischer Zielstellung und Anpassungen an künftige klimatische Rahmenbedingungen" forscht derzeit das Gemeinschaftsteam von Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (Prof. Dr. Swantje Duthweiler, Chris Eckhardt, Claudia Leopold, Matthias Thoma, Nikolaus Fröhlich) und Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Landeshauptstadt Düsseldorf (Doris Törkel, Jörg Langenhorst, Antje Schmidt-Wiegand, Gereon Birkmann).
Das Forschungsprojekt ist auf eine Laufzeit von 36 Monaten angelegt (September 2022–August 2025). Die Forschung wird von Prof. Dr. Swantje Duthweiler geleitet; finanziert und begleitet von der Stiftung "Zukunft NRW".
Im Rahmen des Themas "Historische Gärten im Klimawandel" und den damit verbundenen authentischen Gehölznachpflanzungen im Sinne eines Bildschutzes werden fünf ausgewählte Parkanlagen in Nordrhein-Westfalen bearbeitet: der Englische Garten im Schlosspark Benrath in Düsseldorf, der Ostpark in Düsseldorf, der Stadtpark Aachen, der Stadtpark Bochum und die Barmer-Anlagen in Wuppertal. Methodisch werden für jedes Parkprojekt zunächst die Standortbedingungen, insbesondere die Boden-, Luft- und Wasserverhältnisse definiert.
Dann wird jeweils a) die historisch angestrebte vegetative Bildwirkung formuliert, b) Gefährdungen des Bildschutzes durch klimabedingte Zunahme unheilbarer Gehölzkrankheiten analysiert und c) eine authentische Bildwirkung mit krankheitsresistenten, hitze- und trockenheitsverträglichen Ersatzgehölzarten und verbesserten Pflanzmethoden diskutiert.
Bei der Auswahl der zu bearbeitenden Parkanlagen wurde darauf geachtet, klimabedingte Unterschiede herauszuarbeiten. So stammen die historischen Parkanlagen jeweils aus klimatisch unterschiedlichen Regionen, sind aber in ihrer Artenausstattung vergleichbar:
- Düsseldorf: Niederrheinische Bucht
- Wuppertal: Rheinisches Schiefergebirge/Bergisch-sauerländisches Unterland/Wuppertaler Senke
- Bochum: Westfälische Bucht und Randhöhen
- Aachen: Eifel, Niederrheinische Bucht
Düsseldorf hat die höchsten Jahresdurchschnittstemperaturen bei gleichzeitig niedrigstem Jahresniederschlag, Wuppertal hingegen die niedrigsten Jahresmitteltemperaturen bei gleichzeitig höchsten Niederschlagsmengen pro Jahr.
Als Forschungszeitraum wurde das gehölzdominante 19. Jahrhundert festgelegt – vom romantischen Landschaftsgarten bis zu spätlandschaftlichen Parkanlagen. In diesen Jahrzehnten findet man eine charakteristische, standortbedingt leicht variierende Gehölzverwendung, die sich auch über regionale Eigenheiten der verschiedenen Landschaftsräume hinweg vergleichen lässt.




Artendiskussion von Ersatzbaumarten
Das Forschungsvorhaben startete zunächst mit einer ausführlichen gartenhistorischen Analyse der verschiedenen Parkanlagen, Gehölzkartierungen und Vitalitätseinschätzungen der Bäume. Darauf aufbauend wurden für besonders gefährdete charakterbildende Solitäre und Baumgruppen authentisch wirkende Ersatzbaumarten erarbeitet. Unter großem Einsatz der Düsseldorfer Kollegen sind diese im Frühjahr und Herbst 2024 als umfangreiche Versuchspflanzung in der Städtischen Baumschule Düsseldorf aufgepflanzt worden.
Das Weihenstephaner Team wird an den jungen Ersatzbaumalternativen 2024 und 2025 Messreihen zu Wuchsgeschwindigkeit, Trockenheitsverträglichkeit und Vitalität durchführen. Der Feldversuch zielt auf die Einschätzung der jeweiligen Baumarten hinsichtlich ihrer Trockenheitsresistenz und damit einhergehenden Eignung als Ersatz gefährdeter Bäume.
Grundsätzlich muss man in der Gartendenkmalpflege unterscheiden, welche Funktion das abgängige oder gefährdete Gehölz im Gesamtzusammenhang des Parks oder Gartens hat. Handelt es sich um ein Solitärgehölz in herausragender Stellung, steht das Gehölz beispielsweise am Endpunkt von Sichtachsen oder farbkontrastierend zwischen unauffälligen Partnern, ist die Notwendigkeit der Nachpflanzung der exakten Bildwirkung besonders hoch. Oft wird die Wirkung eines Solitärs als fernwirksame Gehölzgruppe noch verstärkt. Sowohl für die Solitärbäume als auch für die Verstärkungsgruppen ist der Erhalt der ästhetischen Wirkung entscheidend.
Ist das Gehölz nur ein Kulissenbildner im Park, wirkt die Silhouette der Bäume in der Reihe weniger prägnant und muss vor allem auf die passende räumliche Höhe und Proportion geachtet werden. Auch Baumreihen und Alleen bilden Raumkanten im Gelände; hier sind die Höhe und die Wuchsform sorgfältig abzuwägen.
Füllgehölze bilden den visuellen Hintergrund einer Pflanzung. Bei einfachen Füllgehölzen im Hintergrund wird die Einzelbaumwirksamkeit noch unwesentlicher, wirken die Gehölze als Masse. Dadurch hat man deutlich mehr Möglichkeiten gartendenkmalpflegerischer Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen. Hier kann man sich die Zeit nehmen, über Selbstaussaat Genmaterial zu sichern oder mit einem gezielten Waldpflegemanagement artenreichere und stabilere Bestände aufzubauen.
Eine zentrale Frage der Forschung ist, welche Klimabäume dem Habitus, der Größe, Struktur, Textur und den phänologischen Eigenschaften der wenigen besonders gefährdeten solitärdominanten Baumarten entsprechen. Großbäume können beispielsweise nur durch große Ersatzbäume ersetzt werden, sind die historischen Proportionen unbedingt einzuhalten.
Großbäume brauchen allerdings deutlich mehr Ressourcen und kommen mit klimabedingten Mangelsituationen schlechter zurecht. Der Wassertransport ist in großen Bäumen pflanzenphysiologisch besonders schwierig und störungsanfällig, ein Ersatz deutlich schwieriger als bei der Kleinbaumvielfalt. So ist grundsätzlich im Einzelfall abzuwägen, welcher Hauptaspekt in der Pflanzung für die Bildwirkung wesentlich ist – die Blatttextur, Blütenwirkung oder besondere Struktur der Äste?
Ziel ist es, über eine Datenbank die Suche nach Ersatzbaumarten digital zu unterstützen. Hierzu werden Charakterarten analysiert und in einer Datenbank tabellarisch sortiert nach: Strategietyp (Pioniergehölz, Stress-Stratege oder Konkurrenz-Stratege), Höhenstaffelung und Dimension, Struktur und Textur, Rhythmus, Wuchstyp, Blattfarbe, Blüten sowie Herbstfärbung. Je nachdem ist bei derzeit unheilbar erkrankten Gehölzen vor Ort zu entscheiden, welcher Baumersatz am passendsten wäre.


Visualisierung von Lupenbereichen
Um die Bildwirkungen und voraussichtlichen Vegetationsentwicklungen verschiedener Ersatzbaumarten nachvollziehbar zu machen, werden für alle bearbeiteten Parkanlagen Pflanzkonzepte und 3-D-Bildvergleiche erarbeitet. Um eine Wiederherstellung der Bildwirkung genauer analysieren und bearbeiten zu können, ist es notwendig sich dazu bei jedem Park auf einen eingeschränkten Lupenbereich zu konzentrieren. Kriterien für die Festlegung der Lupenbereiche der Parkanlagen waren:
- Schadensschwerpunkte: Wesentliche Gehölze mit Krankheitssymptomen, bei denen eine Nachpflanzung fachlich nicht mehr sinnvoll ist. Für jeden Park wurden im Rahmen der Kartierung bereits Karten zu den Schadensschwerpunkten erarbeitet. Diese Karten werden jetzt herangezogen, um für die individuellen Parkanlagen die festgestellten Schadbereiche zu finden. Funktion der erkrankten Bäume: Dominanzgehölze, Rahmengehölze/Gehölzkulissen, Füllgehölze.
- Spiegeln diese kartierten Schadensschwerpunkte auch die Relevanz (Häufigkeit) der betreffenden Baumarten in den Parkanlagen wider?
- Passt der angestrebte Lupenbereich zum aktuellen Parkpflegewerk und seinen Leitbildern und Zielen? Ist der Pflanzenbestand im Lupenbereich charakteristisch für den Park?
- Ist der angestrebte Lupenbereich gut dokumentiert? Historische Fotos, historische Pläne/Pflanzpläne der Anlage.
- Ist der Pflanzenbestand sicher dokumentiert? Sind diese Krankheiten und Schadensbilder klimabedingt beeinflusst?
- Können den historischen Fotos aktuelle Fotos gegenübergestellt werden?
- Wie werden die Möglichkeiten zur Visualisierung des Lupenbereiches eingeschätzt?
So wurde für den Englischen Garten im Schlosspark Benrath in Düsseldorf der Schadensschwerpunkt Nadelgehölz-Sterben ausgewählt, für den Ostpark in Düsseldorf das Problem des Eschentriebsterbens, für die Barmer Anlagen in Wuppertal das Birken-Sterben, im Stadtpark Aachen das Rosskastanien-Sterben und beim Stadtpark Bochum die Buchenkomplexkrankheit bei Rot- und Blut-Buchen.
Die laufenden Forschungstätigkeiten werden seit Winter 2022 von einem einberufenen fachwissenschaftlichen Expertenbeirat sowie ab Frühjahr 2024 von einer Städterunde aus regionalen Akteuren der praktischen Gartendenkmalpflege begleitet. So ist sichergestellt, dass Wissenschaft und Praxis bei diesem fachübergreifenden Thema zwischen Pflanzenverwendung und Gartendenkmalpflege gut zusammenarbeiten und alle regionalen Aspekte und Entwicklungen in die Forschung einbezogen werden.

Fazit
Das Forschungsprojekt liefert mit seinem Programm einen Beitrag zur Überprüfung der aufgestellten These, dass der Bildschutz als denkmalpflegerischer Leitgedanke greifen kann, wenn sich der Bestandsschutz, der die Basis des Authentischen ist, in der Realität nicht mehr durchsetzen lässt. Welche Maßnahmen hier getroffen werden sollten, muss jeweils vor Ort im Einzelfall geklärt werden. Beim Verlust pflanzlicher Originalsubstanz, die nur mit großem Risiko durch dieselbe Baumart/-sorte ersetzt werden kann, gilt es als denkmalpflegerisch legitim, auf der Basis wissenschaftlicher Analysen entsprechend dem historischen Bildwert neu zu pflanzen. Ziel einer jeden Neupflanzung muss aber sein, dass die jeweilige nachgepflanzte Gehölzart oder -sorte ein ausgewachsenes Alter und die damit angestrebte authentische Bildwirkung erreichen kann.
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