In diesem Jahr begeistern auf der Bienale in Venedig vor allem die Länderpavillons

Suche nach "Fundamentals" der Architektur

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Landschaftsarchitektur
Das kleine Gartenzimmer im Hauptpavillon: Vermutlich von Scarpa in den 1960er Jahren errichtet. (Ein kleiner Geheimtip für Landschaftsarchitekten). Fotos: Jürgen Milchert

Die diesjährige Architekturbiennale in Venedig (bis zum 22.11.14) wurde vom niederländischen Stararchitekten Rem Koolhaas und seinen Mitarbeitern kuratiert und steht unter dem Motto "Fundamentals". Angesichts der inflationären und stetig steigenden Beachtung des Entwerfens, Planen und Bauens sowie des Design und der Kunst scheint es geradezu ein genialer Einfall, dazu anzuregen, sich auf die Grundlagen der Architektur zu besinnen. So ist jeder der 16 Räume des Zentralpavillons mit einem speziellen Architekturelement gefüllt. Der Weg durch den Zentralpavillon des Stadtparkgeländes wird ein Gang durch die Geschichte und Gegenwart der Fundamente des Bauens. Man streift durch Räume, die beispielsweise dem Fenster, dem Flur, dem Balkon, der Fassade, der Feuerstätte, der Toilette, dem Aufzug, den Treppen, der Rampe, dem Dach oder den Türen gewidmet sind.

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Ein neuer Park für Burano: Urban Gardening als Parkmodell.

Um es vorweg zu sagen, die Idee besticht, die Umsetzung ist allerdings meist langweilig und verstaubt ausgestattet. Die einzelnen Räume sollen ja die dem Bauen zugrunde liegenden menschlichen Bedürfnisse veranschaulichen. So ist beispielsweise im Raum der Feuerstätten dem verhäuslichten Bedürfnis nach Wärme und Feuer Rechnung getragen und man findet die 228.000 Jahre alte archäologische Ausgrabung einer frühen menschlichen Lagerfeuerstelle aus Spanien neben dem offenen Kamin, der zur typisch englischen Gemütlichkeit des Hauses beitragen soll.

Das meiste kommt aber mit einem überholten museumsdidaktischen Zeigefinger daher, wie er in den Museen vor dem ersten Weltkrieg üblich war. Da werden alte Fenster an die Wand gehängt, Wandkonstruktionen gezeigt, Flure, Balkone oder Treppenkonstruktionen fotografiert. Heutige Museumspädagogik sieht anders aus und vieles ist auch problematisch: Wenn es darum geht, die essentiellen menschlichen Bedürfnisse aufzuspüren, die letztlich zum Bauen geführt haben, dann reicht es nicht, die jeweiligen Resultate aufzuzeigen, sondern das Grundsätzliche und seinen Wandel. Man darf erwarten, dass eines der weltweit angesagten Architekturbüros die gezeigten Räume und Elemente besser zum Sprechen bringen kann, als durch bloßes Aufhängen oder Zurschaustellung - wie es in den meisten - Sälen zu finden ist.

Die Dialektik des Hauses steht also beispielsweise immer im Kontext zu seiner Umgebung, der Klimabedingungen und dem jeweiligen soziokulturellen Hintergrund. Man kann das eine nicht ohne das Andere denken. Stattdessen wird der Außenraum als Erschließung, Garten oder Landschaft völlig negiert. Das notwendige Zusammenspiel von Innen und Außen bleibt ausgeklammert. Es geht nur ums Bauen und nicht um das Wohnen und Leben. Dabei gibt es beispielsweise Wohnkulturen wie die ostasiatischen Traditionen, in denen der Gartenraum konstitutiv ist. Selbst wo ostasiatischen Hausmodelle ausgestellt werden, findet der Garten nicht statt oder wird zur irgendwie grünen Kulisse. Dies macht sich auch an der Negierung der Zwischenräume bemerkbar. So wird das Thema "Balkon" ausschließlich als ein politisches definiert. Anhand zahlreicher historischen Fotos wird der Balkon als Proklamations- und machtpolitischer Inszenierungsort gesehen. Dass der Balkon für 99 Prozent seiner Bewohner als eine Art alltägliches Gartenzimmer gesehen wird, als Austrittsort ins Freie, ja immer mehr auch als einzig verbliebener Gartenort, wird komplett ignoriert.

Was für uns Gärtner und Landschaftsarchitekten von der Koolhaas´schen Schau im Zentralpavillon bleibt, ist der Impuls, sich stärker mit den Fundamenten des Gartens auseinanderzusetzen. Was sind eigentlich die Urbedürfnisse, die sich in Gärten, Landschaften und Parks ausdrücken? Wie müssen wir planen und gestalten, um den inneren Erwartungsfilm der Nutzer gerecht zu werden? Wie wichtig sind die alten Weisen und Sehnsüchte, die eng mit den Gärten und Landschaften verbunden sind? Müssen wir nicht einfach populärmusikalischer sein im Umgang mit dem Traditionsgut "Garten", um den Gartenarchetypen der Menschen gerechter zu werden? Warum bekommen vormoderne Bilder wie "der Garten als Ernteraum" eine große Bedeutung und wie wichtig sind Sie für die Gegenwart? Wie viel alte Garten-idee steckt im neuen Garten? Vielleicht ist es endlich an der Zeit einmal eine Gartenschau, mindestens eine Tagung unter dem Motto "Fundamente des Gartens" zu entwickeln.

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Der Beitrag Albaniens: Eine neue Marmorsäule nach antikem Vorbild.
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Blick in den Hof des Schweizer Pavillons: Hier wird – wie an

Die Länderpavillons

Für die Länderpavillons regte Rem Koolhaas das Thema "Absorbing Modernity 1914-2014" an. Die Ergebnisse aus den meisten Ländern sind sehenswert, wobei das Thema angesichts des Beginns des 1. Weltkrieges durchaus auch etwas politischer hätte interpretiert werden können. Der erste Weltkrieg hat neben seinem menschlichen Grauen auch janusköpfig die Moderne beschleunigt: einerseits hat er frischen künstlerischen, architektonischen und landschaftsarchitektonischen Raum geschaffen, aber auch Gutes unwiederbringlich vernichtet. Manches erinnert uns ja heutzutage an die Stimmungen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Wie damals spüren wir (übrigens auch im landschaftsarchitektonischen Umfeld), dass es so wie es ist, nicht weitergehen kann und wird, nicht in ökonomischer, ökologischer, noch in soziokultureller Hinsicht. Wir können aber wenig darüber sagen, wie es tatsächlich weitergehen wird. Sucht sich diese allgemeine Verunsicherung auch heute ihren gestalterischen Ausdruck im Aussehen der Gärten und Parks und in ihrer alltäglichen Organisation?

Auch wenn der Zentralpavillon der diesjährigen Biennale eher enttäuschend war, so sind viele Länderpavillons im Stadtpark großartig. Der Schweizer Pavillon widmet sich etwa dem Stadtsoziologen Lucius Burckhardt (1925-2003), dem unsere Profession viele Anstöße verdankt, beispielsweise durch die Entwicklung der Promenadologie (Spaziergangswissenschaft) in Kassel. Neben seinen Artikeln und kritischen Interventionen war mir Burckhardt als vielseitiger und praxisgewiefter Planer bisher unbekannt. Aus dem Schweizer Pavillon wurde in Venedig eine Art Werkstattarchiv, das die vielfältigen Beteiligungen Burckhardts konkret verdeutlicht. Von freundlichen jungen Architekten werden einem die diversen Projekte gezeigt und erläutert. So entsteht eine Art situatives Planungsbüro: Man kann sich informieren, hineinhören, mitdiskutieren und ja auch lernen. Dies ist im Schweizer Pavillon, aber auch anderswo auf der Biennale spürbar. Ich habe auf einer Architekturbiennale noch nie so viele Seminare und Diskussionen in den Pavillons gesehen, wie in diesem Jahr.

Sehenswert ist in diesem Jahr aber auch der Deutsche Pavillon, der von den Züricher Kollegen Alex Lehner und Savras Ciriades bespielt wird. In dem alten repräsentativen deutschen (ehemals bayrischen) Pavillon wurde der Grundriss und die Wände des Kanzlerbungalows von 1964 hineingebaut. So gelang eine spannende Inszenierung. Draußen wartet vor dem ausgelegten roten Teppich der letzte Dienstwagen von Helmuth Kohl. Drinnen entfaltet sich die rechtwinklige Übersichtlichkeit des Kanzlerbungalows, den der Bundeskanzler Ludwig Ehrhardt 1964 bauen ließ. So treten zwei Architekturen in einen Dialog: Zum einen der repräsentative deutsche Pavillon, der 1938 durch eckige Eingangssäulen und Erweiterungen auf persönlichen Wunsch Hitlers noch stärker monumentalisiert wurde. Dagegen steht ein geradliniges demokratisches Bauwerk. Vor allem der weite Deckenraum, der ansonsten meist abgehängt ist, bringt die beiden Architektursprachen in einen unversöhnlichen Dialog.

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Im Garten des Arsenalegeländes markiert ein Steg den Trend der heutigen Greenlines.

Kleinräumiger, aber in eine ähnliche Richtung zielt der Beitrag Österreichs. Hier findet man als kleine Modelle alle Parlamentsgebäude der Welt. Auch in fast jeder Diktatur gibt es ein Parlamentsgebäude. In einem interessanten Katalog werden sie miteinander verglichen: das riesige rumänische Palastgebäude in Bukarest mit dem Stolting in Oslo. Interessant fand ich auch die Anpflanzung eines kleinen buschartigem "Waldes" im Gartenbereich des Pavillons, der von den Wiener Landschaftsarchitekten Maria Auböck und János Kávást entworfen wurde. Die Bodenplatten wurden zum Wald. Hier sind Lautsprecher einer Klanginstallation versteckt, die den Besucher rätseln lassen: Geht es hier um Tiefgründendes oder auch einfach nur darum, eine immer trendiger werdende Klanginstallation im Freien zu zeigen?

Gut gefallen hat mir auch der Pavillon Großbritanniens. Hier werden Bücher, Pläne und Modelle von meist gartenstadtähnlichen Stadtutopien und Weltausstellungen gezeigt. Die historische Stadt wird zu einer grünen Stadt und es ist augenfällig, das hier noch viele Utopien einzulösen sind. Zu den "Fundamentals" der europäischen Stadt gehören private und urbane Gärten, vor allem aber Stadt- und Volksparks als soziale Orte. Es ist schon ein erstaunliches Armutszeugnis unserer Profession, dass wir als heutige Landschaftsarchitekten nicht mehr in der Lage sind, große grüne Stadtideen zu entwickeln. Heutzutage stimmen knapp Zweidrittel der Berliner Wähler dafür, eine zugige, im Winter eiskalte, im Sommer heiße Flughafensteppe vor jeglicher Bebauung zu schützen. Dies ist ja auch ein Signal, dass Stadtplanung und Landschaftsarchitektur nicht mehr in der Lage sind, grüne Visionen zu entwickeln, die die Bürger begeistern. Die Zukunft unserer Zunft liegt nicht in ihrer Vergangenheit, sondern in einer Freiraumpolitik für heutige Bedürfnislagen. Die Leute scheinen von unseren heutigen Parks, so ermüdet und von dem heutigen Städtebau so enttäuscht zu sein, das selbst das trostlose Nichts oder die Belandwirtschaftung der Stadt immer noch besser erscheint, als eine schablonenhafte heutige Stadt- und Landschaftsarchitektur, die bei den neuen Parks mit immer perfekteren Zeichenprogrammen eine immer ähnliche Mischung von Wiesen, Waldstücken, Wegen und Parkarchitekten erzeugt. Da verwundert es nicht, dass sich in unseren Parks anscheinend die Hunde am wohlsten fühlen.

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Der Beitrag der russischen Seele zur Landschaftsarchitektur: Birkenwald als Motiv eines Moskauer Parks.

Der französische Pavillon stellt eine heitere augenzwinkernde Inszenierung dar. Hier wird das modernistische technikverliebte Gartenmodell aus dem Film "Mon Oncle" gezeigt, der 1958 von Jacques Tati gedreht wurde und inzwischen eine Ikone der Landschaftsarchitektur ist. Der automatische Garten wird zum Teil einer unverständlichen Pkw-beherrschten Welt mit ihren eigenartigen Ritualen und Putzorgien. Man müsste das Hausgartenmodell des Filmes eigentlich aufschmücken mit dem heutigem Garteninventar und Werkzeug: Es fehlt noch der GPS gesteuerte automatische Rasenmähcomputer, vor allem aber der Laubpuster der inzwischen zum beliebtesten Profi und Laienspielzeug der Gärtner gehört: "Zeig mir die Leistung Deines Laubpusters und ich zeige Dir, was für ein guter Gärtner du bist". Ach ja und es fehlen auch noch die vier B der heutigen Gartenkultur: Bux, Buddha, Botex und Bonsai.

Gut gefallen haben mir auch die Fotos von Studenten der Uni Venedig, die atmosphärisch mehr beeindrucken als der von Meister Daniel Libeskind (beides im venezianischen Pavillon) bemühte Zuschaustellung eigener malerischer Fähigkeiten. Was in seiner Architektur hart und spitzwinklig war, soll in seinen Bildern nun organisch, irgendwie "blubhaft" atmosphärisch Venedig widerspiegeln. Leider gilt für die Inszenierung eine alte Erfahrung: Aus großen Architekten werden mittelmäßige bildende Künstler. Es gibt aber auch Pavillons, in denen eine alte Erzählung fortgeschrieben wird, so im finnischen Designkunstwerk: Hier wird innen wie außen die Geschichte der finnischen Holzarchitektur alle zwei Jahre weitererzählt.

Neben den Länderpavillons sind auch innerhalb des Stadtgebietes Venedigs weitere Ausstellungsteile zu finden. So ist beispielsweise die Kombination einer ruinenhaften Landschaftssituation an der Küste Taiwans mit einem Birkentraumpark Russlands sehr spannend. Interessant ist auch die Ausstellung "Hongkongs": In dieser hochverdichtenden Megastadt finden sich kleinteilige Landschaftsarchitekturen, beispielsweise neue Friedhofstrukturen. Leider ist das Arsenalegelände, das Rem Koolhaas leider ausklammern wollte, auf dieser Architekturbiennale manchmal recht lieblos inszeniert. Neben den Hallen Italiens, die eigentlich immer spannend sind, finden sich hier Länderausstellungen, die undiskutabel sind. Dies gilt in diesem Jahr beispielsweise für China, vor allem aber für die meisten arabischen Länder, wo mitten in einem blutigen Bürgerkrieg, eine ziemlich protzige Selbstdarstellung stattfindet.

Prof. Dr. Jürgen Milchert
Autor

Hochschule Osnabrück

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