Olaf Kühne

Theorie und Praxis

Bücher Landschaftsarchitektur

Springer Verlag, Wiesbaden 2013, 313 Seiten, 57 Abbildungen, 29,95 Euro, auch als eBook: Kindle Edition, 26,99 Euro, ISBN 978-3531192628.

Landschaft Drei, Landschaft Zwei? Eine Diskussion über die Landschaftsdefinitionen, wie sie auch in "Stadt und Grün" (vgl. Ausgabe 10 und 12/2006) geführt wurde, findet unter den Fachkolleginnen und -kollegen wahrscheinlich nicht viele Liebhaber. Scheint sie doch zu theoretisch, zu abgehoben, als dass die Praktiker irgendwelche Anknüpfungspunkte für ihre tägliche Arbeit meinen darin finden zu können.

Diese gefühlte Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis überwindet das Buch "Landschaftstheorie und Landschaftspraxis. Eine Einführung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive" von Olaf Kühne. Es zeigt, wie Theorie und Praxis miteinander verschränkt sind, wie sich anhand von Theorien hinter Landschaftsplanung stehende Leitbilder reflektieren lassen und wie auf der theoretischen Grundlage Strategien entwickelt werden können, die den heutigen pluralistischen Anforderungen an Landschaft gerecht werden.

Ausgehend von der Prämisse, Landschaft sei kulturgebunden, beginnt Kühne seine Darstellung mit theoretischen "Grundüberlegungen" zum Zusammenhang zwischen Raum und sozialer Wirklichkeit - "die Wirklichkeit der Alltagswelt" - in ihrer Veränderlichkeit. Dabei führt der Autor Landschaftsforschungen aus verschiedenen Disziplinen unter dem Aspekt sozialkonstruktivistischer Ansätze zusammen. Es folgt eine Darstellung der historischen Entwicklung von Landschaftsbegriffen in ihrer sozialen Bedingtheit.

Vier Dimensionen von Landschaft bilden den Rahmen für die nachfolgende Analyse. Im Fokus steht dabei die "angeeignete Landschaft", die Kühne "als ein[en] Indikator für die physischen Folgen und Nebenfolgen sozialen Handelns gemäß sozial gebildeter Deutungsmuster" ansieht (S. 249).

Einen Überblick darüber, wie durch die Überlagerung von natürlichen Gegebenheiten und politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen unsere heutige angeeignete Landschaft entstanden ist, gibt der chronologische Abriss von der Zeit des Vormittelalters bis zur Postmoderne. Während sich die Gesamtbetrachtung auf die (west-)europäische Landschaft bezieht, sind der amerikanischen sowie der sozialistischen und postsozialistischen Landschaft mit ihren Besonderheiten eigene Abschnitte gewidmet.

Das anschließende Kapitel wendet sich Konzepten und Theorien von Landschaftsverständnis zu. Ziel des Autors ist es nach seinen eigenen Worten "Prinzipien und Logiken der wissenschaftlichen Befassung mit Landschaft in den Vordergrund zu rücken" (S. 129). Untersucht werden unter anderem Aspekte wie Landschaft und Ästhetik, Landschaft aus der Perspektive unterschiedlicher Weltanschauungen (konservativ, liberal, demokratisch) und normative Landschaftskonzepte. Hierbei nimmt Kühne auch die oben genannte Theorie der drei Landschaften unter die Lupe. Kapitel sieben wendet sich den Aspekten der sozialen Konstruktion von Landschaft zu. Hier wird unter anderem die Pluralität von Landschaftsvorstellungen und Arten der Aneignung in Abhängigkeit von kultureller und sozialer Prägung betrachtet oder die Zuschreibung von Landschaft als Heimat thematisiert - wichtige Aspekte im Hinblick auf die steigende Zahl von Migranten.

Das letzte Kapitel zeigt schließlich, wie die Landschaftstheorien den Umgang mit Landschaft beeinflussen. Als Beispiel für einen positivistischen Ansatz, der "auf Erzeugung von Eindeutigkeiten dringt", betrachtet Kühne die Quantifizierung im Rahmen von Landschaftsbewertungsverfahren. Dagegen stehen konstruktivistische Ansätze, die "Offenheit und Mehrdeutigkeit" im Umgang mit Landschaft fördern (S. 237). Wie sehr diese notwendig sind, um zum Beispiel ein komplexes Ziel wie Nachhaltigkeit zu erreichen, verdeutlicht der Autor anhand der Erzeugung von regenerativen Energien und den damit verbundenen Landschaftsimplikationen (S. 245 ff). Ein Schwerpunkt der Betrachtung bildet die soziale Nachhaltigkeit. Hier lautet das Stichwort "Gouvernance" - Beteiligung von "nichtöffentlichen Akteuren an öffentlichen Entscheidungsprozessen Landschaft betreffend" (S. 254) - in ihren verschiedenen Facetten.

Das Buch ist als "Lehrbuch" ausgewiesen. Seinem in der Einleitung formulierten Anspruch "einen Einblick in den aktuellen Diskussionsstand der landschaftsbezogenen Theoriebildung [zu] liefern und Anschlusspunkte an die berufliche Praxis [zu] bieten" (S. 15), ist es gerecht geworden: ein reichhaltiges Angebot an Themen, Gedankenanstößen und Ideen, bei dem es Zugreifen heißt. Doch vor der "Ernte" liegt erst einmal konzentriertes Lesen. Die verschiedenen theoretischen Ansätze aus der eigenen und den Nachbardisziplinen bringen einen geballten Einsatz an Fachvokabular mit sich, und die komplexen Sachzusammenhänge scheinen unweigerlich in komplizierte Satzgebilde münden zu müssen. Doch der Einsatz lohnt sich, nicht nur um sein Wissen auf den neuesten Stand zu bringen, sondern vor allem, um sich der Prämissen und (versteckten) Werthaltungen bewusst zu werden, die eigene fachliche Entscheidungen beeinflussen. Für alle, die sich in die Landschaftsthematik vertiefen wollen, bietet das Buch mit seinen Quellenhinweisen im Text und 50 Seiten Literaturverzeichnis zudem eine schier unerschöpfliche Fundgrube zur Weiterarbeit.

Das Buch ist "alle[n], die sich mit dem komplexen Phänomen Landschaft befassen" (S. 15) unbedingt zu empfehlen.

Dr. Ursula Kellner

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